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Ausmaß der verbliebenen Kindlichkeit wird bestimmt durch die eigenen Schulerfahrungen und die Gefühle, die man damit verbindet. Wenn Lehrer unbefangen über die eigene Schulzeit nachdenken sollen stoßen sie schnell auf eine Menge an Situationen, die sie in der Schule mit starken Gefühlen begleitet haben. Viele dieser Gefühle sind mit Angst und negativen Assoziationen besetzt, so dass es nicht erstaunt, dass diese späteren Lehrer ähnlichen Gefühlen in Unterrichtssituationen ausgesetzt sind. Die Lehrer werden versuchen, dieser negativen Gefühle und damit ihrer verbliebenen Kindlichkeit Herr zu werden. Die Konsequenz daraus ist die Abwehr dieser bedrückenden Gefühle, die sich in verschiedenen Formen ausdrücken kann. Eine weitere Folge negativer Erfahrungen mit Autorität in der eigenen Schulzeit ist die Angst vor der eigenen Autorität. Ein Sprichwort sagt: „Was du nicht willst dass man dir tut, das füg auch keinem andern zu“ 101 und man umgekehrt für den Lehrer zum Kind sprechen: Ich will dir nicht das antun, was mir widerfahren ist. Aufgrund der ehemals zugefügten Autorität verdeckt oder verleugnet der Lehrer als nun Zufügender von Autorität eben diese bei sich. 102 BRÜCK formuliert diesen Konflikt so: „Im Schüler vor sich fürchtet er das Kind in sich noch einmal zu überfordern, den Schüler vor sich glaubt er durch Unterforderung gefährdet, während er das Kind in sich besonders streng behandelt“. 103 Ein gehöriger Teil der Lehrerpersönlichkeit wird somit vom Lehrer ausgeblendet und verdrängt. Aufgrund des Konflikts mit seiner Identität als Lehrer, seiner eigenen Schulvergangenheit und der dauerhaften Konfrontation mit beidem in der Schule kann sich eine unbewusste Angst des Lehrers bemächtigen. Eine Lösung deutet TIMPNER mit der „Befreiung des Kindes“ 104 im Lehrer an und BRÜCK fordert die Anerkennung und Integration der Kindlichkeit des Lehrers. 105 Auf diese Punkte werde ich ihm letzten Kapitel noch einmal zurückkommen. 2.4.3 Der Erzogene erzieht Die eben besprochene, von der Gesellschaft propagierte, das Idealbild des Lehrers 106 weiterführende Abspaltung bestimmter persönlicher Anteile beim Lehrer drückt sich noch in einem anderen Spannungsfeld aus. Der Lehrer erzieht als ehemals Erzogener nun selbst zu 101 RÖHRIG, a.a.O., S.??????? 102 der Autoritätskonflikt des Lehrers begründet sich aus der Angst vor der eigenen Autorität, die wiederum aus anderen Ängsten entsteht; vgl. BRÜCK, a.a.O., S. 299ff 103 BRÜCK, a.a.O., S. 303 104 TIMPNER, a.a.O., S. 24 105 BRÜCK, a.a.O., S. 43 106 Auf die Gefahren macht auch SCHRAML aufmerksam; vgl. SCHRAML, a.a.O., 199 http://www.foepaed.net 22
Erziehende. Die Notwendigkeit der Erziehung und der Weitergabe der Kultur, der Normen und Werte der Gesellschaft, steht hier außer Frage. 107 Doch welches Nachspiel hat dieser Kreislauf für die Schule konkret? Untersuchungen belegen, dass Lehrer vor allem zu Beginn ihrer Berufstätigkeit in schwierigen Situationen oft auf die eigenen Schulerfahrungen zurückgreifen. Sie spiegeln damit die Erziehungspraktiken und Verhaltensweisen ihrer eigenen Lehrer und setzen diese abgewandelt fort, ob sie wollen oder nicht. 108 Der in den vorhergehenden Kapiteln beschriebene Konflikt kristallisiert hier noch in besonderer Form. Die Lehrer versuchen diesem Kreislauf zu entkommen und verstricken 109 sich doch nur mehr. 110 Sie versuchen den eigenen Konflikt entweder durch Umkehrung zu bewältigen indem sie selbst zu „Tätern“ werden. Oder sie projezieren den unverarbeiteten Erziehungskonflikt auf die neue Situation und identifizieren sich mit dem „Opfer“ Schüler und sehen sich in ihm. 111 Die Bearbeitung der erfahrenen eigenen Hilflosigkeit und Ohnmacht wird dabei zum Antrieb, es anders zu machen, das Rad der Zeit somit nachträglich zurückzudrehen. In BERNFELDs Deutung dieser Situation liegt die Gewichtung auf der psychoanalytischen Komponente, doch ist die Aussage auch ohne diese gültig: „So steht der Erzieher vor zwei Kindern: dem zu erziehenden vor ihm und dem verdrängten in ihm. Er kann gar nicht anders, als jenes zu behandeln wie er dieses erlebte. Denn was jenem recht, wäre diesem billig. Und er wiederholt den Untergang des eigenen Ödipuskomplexes am fremden Kind, an sich selbst. Er wiederholt ihn auch dann, wenn er scheinbar das Gegenteil all dessen tut, was ihm seine Eltern antaten“. 112 Bei der Betrachtung der drei Konfliktfelder, die aus den Kindheitserfahrungen der Lehrer entstehen können, diente die psychoanalytische Sichtweise und deren Wortschatz als Werkzeug zur Bearbeitung und Aufschlüsselung der Konflikte. Doch ist dies nicht „der einzige Weg nach Rom“ und daneben bieten sich noch andere Deutungsschemata an, die in späteren Kapiteln noch eingehender geschildert werden. Bei manchen Fragen ist die psychoanalytische Brille hilfreich, doch bei allzu einseitiger Benutzung macht sie den Forscher blind und seine Erkenntnisse Freud-lastig. 107 vgl. BERNE, a.a.O., S. 31; er betont die Notwendigkeit von erzieherischen Handlungsroutinen 108 vgl. GRELL, 1995, S. 36, der dies bestätigt und vgl. BRUNNER, a.a.O., S. 58, der diese Vermutung nahe legt 109 „Der Lehrer selbst ist in die Szene aufgrund seiner eigenen Vergangenheit ebenfalls verstrickt“; DENECKE, 1986, S. 37 110 sie sind schon allein aufgrund ihrer Sozialisation in Schule und Studium angepasst und in den Kreislauf verwoben, der ihnen oft nur die Erfahrung bot, wie ohn-mächtig sie sind; vgl. TIMPNER, a.a.O., S. 22 111 vgl. SCHRAML, a.a.O., S. 204 112 BERNFELD, a.a.O., S. 141f http://www.foepaed.net 23
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Ausmaß der verbliebenen Kindlichkeit wird bestimmt durch die eigenen Schulerfahrungen<br />
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starken Gefühlen begleitet haben. Viele dieser Gefühle sind mit Angst und negativen<br />
Assoziationen besetzt, so dass es nicht erstaunt, dass diese späteren Lehrer ähnlichen<br />
Gefühlen in Unterrichtssituationen ausgesetzt sind. Die Lehrer werden versuchen, dieser<br />
negativen Gefühle und damit ihrer verbliebenen Kindlichkeit Herr zu werden. Die<br />
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Formen ausdrücken kann. Eine weitere Folge negativer Erfahrungen mit Autorität in der<br />
eigenen Schulzeit ist die Angst vor der eigenen Autorität. Ein Sprichwort sagt: „Was du nicht<br />
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Autorität eben diese <strong>bei</strong> sich. 102 BRÜCK formuliert diesen Konflikt so: „Im Schüler vor sich<br />
fürchtet er das Kind in sich noch einmal zu überfordern, den Schüler vor sich glaubt er durch<br />
Unterforderung gefährdet, während er das Kind in sich besonders streng behandelt“. 103<br />
Ein gehöriger Teil der Lehrerpersönlichkeit wird somit vom Lehrer ausgeblendet und<br />
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Schulvergangenheit und der dauerhaften Konfrontation mit <strong>bei</strong>dem in der Schule kann sich<br />
eine unbewusste Angst des Lehrers bemächtigen.<br />
Eine Lösung deutet TIMPNER mit der „Befreiung des Kindes“ 104 im Lehrer an und BRÜCK<br />
fordert die Anerkennung und Integration der Kindlichkeit des Lehrers. 105 Auf diese Punkte<br />
werde ich ihm letzten Kapitel noch einmal zurückkommen.<br />
2.4.3 Der Erzogene erzieht<br />
Die eben besprochene, von der Gesellschaft propagierte, das Idealbild des Lehrers 106<br />
weiterführende Abspaltung bestimmter persönlicher Anteile <strong>bei</strong>m Lehrer drückt sich noch in<br />
einem anderen Spannungsfeld aus. Der Lehrer erzieht als ehemals Erzogener nun selbst zu<br />
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102 der Autoritätskonflikt des Lehrers begründet sich aus der Angst vor der eigenen Autorität, die wiederum aus<br />
anderen Ängsten entsteht; vgl. BRÜCK, a.a.O., S. 299ff<br />
103 BRÜCK, a.a.O., S. 303<br />
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105 BRÜCK, a.a.O., S. 43<br />
106 Auf die Gefahren macht auch SCHRAML aufmerksam; vgl. SCHRAML, a.a.O., 199<br />
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