Das Hooksmeer von Hooksiel - spektrum nord
Das Hooksmeer von Hooksiel - spektrum nord
Das Hooksmeer von Hooksiel - spektrum nord
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<strong>Hooksiel</strong> und sein Freizeitareal sowie die Salzwiesen und der Verlauf<br />
des <strong>Hooksiel</strong>er Tiefs vor den drastischen Veränderungen.<br />
Blick <strong>von</strong> Nordost: Badestrand, <strong>Hooksmeer</strong> und das Chemiewerk Ineos, in dem unter anderem PVC produziert wird.<br />
<strong>Das</strong> <strong>Hooksmeer</strong><br />
<strong>von</strong> <strong>Hooksiel</strong><br />
Wie vor 40 Jahren aus einer ursprünglichen Salzwiesenlandschaft<br />
ein am Reißbrett entworfenes Freizeitareal entstand.<br />
Gordon Päschel (Text und Fotos) berichtet.<br />
Der Kontrast könnte<br />
schärfer kaum sein.<br />
Auf der einen Seite<br />
ein idyllisches Naherholungsgebiet<br />
rund um das<br />
<strong>Hooksmeer</strong> – 240 Hektar<br />
groß, mit grünem Wäldchen,<br />
Wanderwegen und einem<br />
der schönsten Sandstrände<br />
entlang der friesischen Festlandküste.<br />
Auf der anderen<br />
Seite eine riesige, kahl geschorene<br />
Landschaft, in dessen<br />
ganzer Leblosigkeit sich<br />
einzelne Industrieanlagen<br />
verlieren. Die Trennlinie ist<br />
scharf, sie ist deutlich sichtbar<br />
und sie verläuft exakt<br />
entlang der kommunalen<br />
Grenze zwischen dem Landkreis<br />
Friesland und der Stadt<br />
Wilhelmshaven. Hier prallen<br />
nicht nur kulturlandschaftliche<br />
Gegensätze aufeinander,<br />
sondern auch die nicht<br />
zu vereinbarenden Interessen<br />
<strong>von</strong> Industrie und Tourismus.<br />
Bis vor rund 40 Jahren<br />
gab es an dieser Stelle weder<br />
das <strong>Hooksmeer</strong> noch<br />
die Produktionsstätten der<br />
Schwerindustrie. Es gab<br />
noch nicht einmal Land.<br />
Stattdessen herrschten die<br />
Gezeiten. Vor den Toren<br />
<strong>Hooksiel</strong>s schlängelten sich<br />
Priele durch Watt und weitläufige<br />
Salzwiesen. Einzig<br />
ein Hauptarm, das <strong>Hooksiel</strong>er<br />
Tief, wurde schiffbar<br />
gehalten und verband den<br />
alten Hafen im Ortszentrum<br />
mit der Jade. Krabben- und<br />
Muschelfischer nutzten die<br />
Wasserstraße, um ihren Fang<br />
an Land zu bringen. Sie<br />
sorgten im Hafen nicht nur<br />
für Nachschub an frischen<br />
Meerestieren, sondern auch<br />
für schwunghaften Handel<br />
und damit für Leben.<br />
Anfang der 1970er-Jahre<br />
sollten sich die Verhältnisse<br />
jedoch grundlegend ändern.<br />
In Zusammenarbeit mit der<br />
Stadtverwaltung und dem<br />
Wasserwirtschaftsamt in<br />
Wilhelmshaven entschied<br />
die Landesregierung unter<br />
Ministerpräsident Ernst Albrecht<br />
eine in diesem Umfang<br />
noch nie da gewesene Landgewinnungsmaßnahme:<br />
die<br />
Aufspülung des mehr als<br />
1600 Hektar großen Voslapper<br />
Grodens, einer Fläche,<br />
die der Größe der Insel Juist<br />
entspricht. Die Beamten<br />
im Wirtschaftsministerium<br />
und im Wilhelmshavener<br />
Rathaus versprachen sich<br />
<strong>von</strong> diesem Schritt neue<br />
Indus trie an siedelungen. Die<br />
klam men Kassen der Marinestadt<br />
waren schließlich<br />
dringend auf neue Gewerbesteuereinnahmen<br />
angewiesen.<br />
Außerdem – so die<br />
Hoffnung – würden mehrere<br />
tausend Arbeitsplätze geschaffen<br />
werden.<br />
<strong>Hooksiel</strong> war <strong>von</strong> den<br />
Plänen des kommunalen<br />
Nachbarn unmittelbar betroffen.<br />
Neue Deichlinien<br />
sollten das Tief und die<br />
Salz wiesen eingrenzen, der<br />
aufgespülte Sand bislang<br />
touristisch genutztes Gelände<br />
weiträumig trockenlegen.<br />
Ein hoher Blutzoll für<br />
einen kleinen Ort, dessen<br />
Haupteinnahmequellen das<br />
Seebadewesen und das damit<br />
verbundene Gästeaufkommen<br />
waren. Denn mit<br />
dem Aufblühen des Fremdenverkehrs<br />
hatte sich in<br />
<strong>Hooksiel</strong> eine touristische<br />
Infrastruktur entwickelt, die<br />
vor allem Naturfreunde und<br />
Nudisten anlockte. <strong>Hooksiel</strong><br />
galt unter Anhängern der<br />
Freikörper-Kultur seit dem<br />
frühen 20. Jahrhundert als<br />
Mekka. Sie konnten sich auf<br />
einem Campingplatz in der<br />
Naturlandschaft ungestört<br />
bewegen. Für alle anderen<br />
Gäste wurde in den 1960er-<br />
Jahren entlang des Tiefs<br />
eine attraktive Badeanstalt<br />
geschaffen. Von hier aus<br />
genossen sie beim Schwimmen<br />
die Aussicht auf freie<br />
Grodenflächen. Bis heute<br />
erinnern Startblöcke und<br />
das markante Gebäude des<br />
Restaurant-Cafés „Die Muschel“<br />
an die Lage des einstigen<br />
Ausflugszieles.<br />
„Die Natur hatte die absolute<br />
Hoheit in diesem Gebiet“,<br />
erinnert sich Dietrich<br />
Gabbey, der regelmäßig<br />
hierher kam und im Jahr<br />
1971 mit seiner Frau und<br />
zwei Kindern nach <strong>Hooksiel</strong><br />
zog. Schwimmend sei<br />
er durch die Salzwiesen in<br />
Landschaften vorgedrungen,<br />
die kein Mensch zu Fuß<br />
erreichen konnte. „Idylle<br />
pur“, sagt er, und es klingt<br />
noch immer wehmütig. Als<br />
streitbarer Kommunalpolitiker<br />
leistete er erbitterten<br />
Widerstand gegen die beab-<br />
Mondlandschaftscharakter des Freizeitareals kurz<br />
nach Vollendung der Aufspülung sowie der noch kleine<br />
Mischwald, der lange benötigt hat, um zu seiner heutigen<br />
Pracht aufzuwachsen (oben).<br />
<strong>Das</strong> alte Naturschwimmbad: Die Gäste badeten in einem<br />
Betonbecken, in das frisches Meerwasser geführt wurde<br />
(unten). Die blauen Startblöcke zeigen, wo sich früher<br />
die Badeanstalt in <strong>Hooksiel</strong> befand. Im Hintergrund<br />
zu erkennen: <strong>Das</strong> Restaurant-Café „Die Muschel“, ein<br />
Gebäude, das durch seine markante Architektur auffällt.<br />
Durch die große Glasfront haben Besucher einen tollen<br />
Blick auf die Steganlagen der Marina und das <strong>Hooksmeer</strong><br />
(ganz unten).<br />
26 Ostfriesland Magazin 9/2012<br />
Ostfriesland Magazin 9/2012 27
Sommeralltag im alten Naturschwimmbad. Sehr schön zu erkennen ist der freie Blick über die<br />
weitläufige Grodenlandschaft.<br />
Kein Baum, kein Strauch und nur karges Grasland. Wo heute<br />
Bäume wachsen, weideten in den 1980er-Jahren die Schafe.<br />
sichtigte Ansiedelung <strong>von</strong><br />
Industrieunternehmen. Er<br />
bedauert, nicht früher vor<br />
Ort gewesen zu sein. Nach<br />
wie vor fragt er sich, ob es<br />
dann vielleicht möglich gewesen<br />
wäre, den massiven<br />
Eingriff zu verhindern (siehe<br />
Exkurs).<br />
So aber begann im April<br />
1971 die Aufspülung, mit der<br />
die Salzwiesen vor <strong>Hooksiel</strong><br />
unwiederbringlich verloren<br />
gingen. Von Norden und<br />
Süden her kommend zogen<br />
Arbeiter auf zwei Baustellen<br />
einen neuen, elf Kilometer<br />
langen Deich. Der holländische<br />
„Gouda“, der seinerzeit<br />
weltweit leistungsstärkste<br />
Saugbagger, pumpte in den<br />
folgenden dreieinhalb Jahren<br />
über 35 Millionen Kubikmeter<br />
Sand aus der Jade<br />
in Richtung Land. Die Kosten<br />
des Gesamtprojektes:<br />
rund 160 Millionen D-Mark.<br />
Parallel zu den Arbeiten<br />
wurden erstmals detaillierte<br />
Pläne für das neue Freizeitgelände<br />
in <strong>Hooksiel</strong><br />
präsentiert. <strong>Das</strong> Areal sollte<br />
den Verlust der Salzwiesen<br />
nicht nur kompensieren,<br />
sondern galt unter zukunftsgewandten<br />
Touristikern als<br />
einmalige Chance. So sah<br />
der Entwurf eines Architekturbüros,<br />
das im Auftrag des<br />
Wasserwirtschaftsamtes den<br />
sogenannten Iwersen-Plan<br />
entwickelt hatte, vor, einen<br />
vier Kilometer langen Sandstrand<br />
sowie umfangreiche<br />
neue Freizeit- und Sportanlagen<br />
anzulegen. <strong>Das</strong> <strong>Hooksiel</strong>er<br />
Tief sollte zu einem<br />
60 Hektar großen Binnenmeer<br />
ausgebaggert werden,<br />
das Badebuchten, hunderte<br />
Liegeplätze und tidenunabhängige<br />
Wassersportmöglichkeiten<br />
bot. Als Puffer zu<br />
Tourismus und Industrie: Surfer und Segler im Schatten<br />
der Schlote (oben). <strong>Hooksmeer</strong>-Impression: Blick in eine<br />
der Buchten, in der sich die Steganlagen der Marina<br />
befinden (unten).<br />
den benachbarten Industrieflächen<br />
schufen die Planer<br />
am Reißbrett eine weit über<br />
100 Hektar große bewaldete<br />
Schutzzone am südlichen<br />
Ufer des <strong>Hooksmeer</strong>es. Ähnlich<br />
wie in Reisfeldern sollte<br />
diese in Terrassen profiliert<br />
sein, zur kommunalen Grenze<br />
hin ansteigen und mit einem<br />
sechs Meter hohen Wall<br />
abschließen. Wer auf dem<br />
<strong>Hooksmeer</strong> segelte, sollte<br />
<strong>von</strong> den Produktionsstätten<br />
der Schwerindustrie möglichst<br />
wenig mitbekommen.<br />
Ehe die Modellierung des<br />
<strong>Hooksmeer</strong>-Areals begann,<br />
galt es das Gelände jedoch<br />
zunächst trockenzulegen.<br />
Der Wasserlauf des <strong>Hooksiel</strong>er<br />
Tiefs zur Jade wurde am<br />
Sieltor für immer gestoppt,<br />
wodurch der historische Hafen<br />
innerhalb kurzer Zeit<br />
verschlickte. Auf der gegenüberliegenden<br />
Seite errichteten<br />
Arbeiter währenddessen<br />
einen neuen Außenhafen.<br />
Dazwischen entstand<br />
eine 70 Meter lange Schleuse<br />
– der neue Arbeitsplatz<br />
<strong>von</strong> Günther Heidemann.<br />
Der Schleusenwärter, der<br />
hier über 20 Jahre lang seinen<br />
Dienst versah, kann sich<br />
noch gut an die Anfänge erinnern.<br />
„Kurz vor Weihnachten<br />
1975 haben wir die erste<br />
Probeschleusung gemacht“,<br />
erzählt er. <strong>Das</strong> <strong>Hooksmeer</strong><br />
bestand zu dem Zeitpunkt<br />
nur aus einem kleinen Rückhaltebecken<br />
inmitten einer<br />
„surrealen Landschaft“, so<br />
Heidemann. Tausende Austernfischer<br />
bevölkerten die<br />
kilometerweite Wattfläche<br />
und suchten im Muschelschill<br />
nach Nahrung. Von<br />
der Schleuse aus konnte er<br />
bis <strong>Hooksiel</strong> gucken. Kein<br />
Baum, kein Strauch und<br />
keine Pflanze stellten sich in<br />
den Weg.<br />
Zum Schutz gegen Windund<br />
Bodenerosionen musste<br />
die Fläche indessen rasch<br />
begrünt werden. Erste Versuchspflanzungen<br />
aus dem<br />
Frühjahr 1977 aber zeigten,<br />
dass der hohe Salzgehalt<br />
zu Beginn große Probleme<br />
bereitete. Die Forstarbeiter<br />
experimentierten daraufhin<br />
mit Bodenbakterien, unterschiedlichsten<br />
Pflanzenarten<br />
und kostspieligen Düngeverfahren.<br />
Als die Maßnahmen<br />
allmählich griffen,<br />
wurden dreißig verschiedene<br />
Weidenarten getestet,<br />
Erlen, Eschen und Pappeln<br />
eingesetzt. Nach dem Willen<br />
des Wasserwirtschaftsamts<br />
sollte sich eine natürliche<br />
Landschaft entwickeln. Ein<br />
Langzeitprojekt, wie sich<br />
herausstellte, das erst im<br />
Jahr 2000 beendet wurde.<br />
Mehr als eine Million Bäume<br />
und unzählige Sträucher<br />
sind gepflanzt worden. Heute<br />
bilden sie einen einzigartigen<br />
Mischwald direkt an<br />
der Küste.<br />
Jedes Jahr im Sommer starten auf der Jaderennbahn<br />
Trabrennfahrer zu ihren Wettfahrten. Vom alten Seedeich<br />
in <strong>Hooksiel</strong> aus lässt sich das Spektakel sehr gut verfolgen<br />
(oben). 1975 wurde die Schleuse in Betrieb genommen. Die<br />
70 Meter lange Kammer verbindet das <strong>Hooksmeer</strong> mit der<br />
Nordsee (links).<br />
28 Ostfriesland Magazin 9/2012<br />
Ostfriesland Magazin 9/2012 29
Die Aufnahme zeigt einen Wasserski-Start. Auch hier ist die karge Landschaft zu erkennen, die erst mühsam<br />
und mit großem Aufwand aufgeforstet werden musste und heute eine vielfältige Vegetation aufweist.<br />
Die Erschließung des Nordufers<br />
schritt weitaus schneller<br />
voran. Bereits Ende der<br />
1970er-Jahre wurden in den<br />
Buchten Steganlagen geschaffen.<br />
Segelsportler aus<br />
<strong>Hooksiel</strong> und Wilhelmshaven<br />
verlegten ihre Boote<br />
hierher. 1980 nahm ein risikofreudiger<br />
Pionier 500000<br />
D-Mark in die Hand und<br />
stellte Masten für eine der<br />
ersten festen Wasserskianlagen<br />
in Deutschland auf.<br />
Hans-Ott Vogt, der Sohn,<br />
der den Lift mittlerweile in<br />
der zweiten Generation betreibt,<br />
erinnert sich ebenfalls<br />
gut, wie es damals am<br />
<strong>Hooksmeer</strong> ausgesehen<br />
hat. Wenn es dunkel wurde,<br />
leuchteten in der Steppe die<br />
1976 fertiggestellte Raffinerie<br />
und das 1981 in Betrieb<br />
genommene Chemiewerk<br />
auf, erzählt er. „Klein Chicago“,<br />
hätten sie die Industrieansiedelungen<br />
wegen ihrer<br />
Silhouette und der unzähligen<br />
Neonlichter genannt.<br />
Da<strong>von</strong> ist mittlerweile nicht<br />
mehr viel zu sehen. Hinter<br />
dem nunmehr grünen Wall<br />
der Schutzzone, der dank<br />
der Intervention <strong>von</strong> Bürgerinitiativen<br />
und der Gemeinde<br />
Wangerland nachträglich<br />
auf fast 16 Meter<br />
erhöht worden ist, verraten<br />
nur noch einzelne Schlote,<br />
was jenseits der kommunalen<br />
Grenze geschieht.<br />
Vier Jahrzehnte nach dem<br />
Beginn der Aufspülung und<br />
Landgewinnungsmaßnahmen<br />
hat das am Schreibtisch<br />
ersonnene Freizeitgelände<br />
seine ganze Pracht entwickelt.<br />
Entlang der Nordseite<br />
zwischen dem <strong>Hooksmeer</strong><br />
und dem Badestrand befindet<br />
sich ein 8,5 Kilometer<br />
langes Wander- und Radwegenetz,<br />
eingefasst in dichte<br />
Vegetation. Für Reiter gibt<br />
es 3,5 Kilometer Reitwege.<br />
In Buchten am Ufer haben<br />
sich eine Werft und ein<br />
Surfclub angesiedelt, ein<br />
Landesleistungszentrum für<br />
Segler ist entstanden. Mit<br />
rund 400 Liegeplätzen beherbergt<br />
das <strong>Hooksmeer</strong> eine<br />
der größten Marinas entlang<br />
der niedersächsischen<br />
Nordseeküste.<br />
Dort, wo früher die Badeanstalt<br />
und der Campingplatz<br />
lagen, befinden sich heute<br />
Fußball- und Tennisplätze<br />
sowie die Trabrennbahn<br />
des <strong>Hooksiel</strong>er Rennvereins.<br />
Jedes Jahr locken Pferderennen<br />
tausende Besucher<br />
an. Vom alten Seedeich aus<br />
können sie zusehen, wie die<br />
Gespanne um das vor ihnen<br />
liegende Oval kreisen. Ein<br />
paar hundert Meter weiter<br />
nördlich wurde außerhalb<br />
des neuen Hauptdeiches der<br />
Campingplatz als einer der<br />
größten seiner Art in Europa<br />
neu aufgebaut.<br />
„<strong>Das</strong> <strong>Hooksmeer</strong> ist ein<br />
Riesenjuwel“, sind sich<br />
Hans-Ott Vogt und Günther<br />
Heidemann einig. Selbst<br />
Dietrich Gabbey sagt inzwischen,<br />
dass eine „einmalige<br />
Oase“ geschaffen wurde<br />
und unter den gegebenen<br />
Umständen „das Beste draus<br />
gemacht“ worden sei. Dennoch<br />
teilen die drei auch die<br />
Meinung, dass bei der Planung<br />
eine Reihe vermeidbarer<br />
Fehler begangen wurden.<br />
Als Beispiel führen sie<br />
permanente Probleme bei<br />
der Umwälzung an. Denn<br />
das Binnengewässer muss<br />
mit großem Aufwand über<br />
die Schleuse mit Frischwasser<br />
versorgt werden.<br />
Andernfalls droht es umzukippen.<br />
Im alten Hafen,<br />
der ohne seine Fischerflotte<br />
ohnehin viel Atmosphäre<br />
eingebüßt hat, ist es immer<br />
wieder zu Geruchsbelästigungen<br />
gekommen. Nur mit<br />
großem Aufwand und dem<br />
Einströmen <strong>von</strong> Sauerstoff<br />
wird vermieden, dass es im<br />
Hafenbecken unangenehm<br />
riecht.<br />
Den größten Ärger aber<br />
bereitet den <strong>Hooksiel</strong>ern<br />
und ihren Gästen bis heute,<br />
dass die Industrie, die nie<br />
im gewünschten Umfang<br />
auf dem Voslapper Groden<br />
angesiedelt werden konnte,<br />
so dicht an den Sielort heran<br />
gebaut wurde. Da in einem<br />
festgeschriebenen Radius<br />
keine Hotels oder andere<br />
Übernachtungsmöglichkeiten<br />
errichtet werden dürfen,<br />
ist der Tourismus in seinen<br />
Entfaltungsmöglichkeiten<br />
dauerhaft beschränkt. Zudem<br />
unterliegt auch die<br />
Nutzung der Schutzzone<br />
strengen Auflagen.<br />
Angesichts der riesigen<br />
brachliegenden Flächen auf<br />
dem Voslapper Groden ist es<br />
für viele <strong>Hooksiel</strong>er schwer<br />
nachzuvollziehen, dass<br />
entlang der kommunalen<br />
Grenze kein klügerer Kompromiss<br />
mit der Stadt Wilhelmshaven<br />
gefunden werden<br />
konnte. Dieser hätte ein<br />
besseres Miteinander <strong>von</strong><br />
Tourismus und Industrie ohne<br />
nennenswerte Nachteile<br />
für beide Seiten erlaubt, sind<br />
sich viele sicher.<br />
Action auf der Wasserskianlage, einer der ersten kommerziellen<br />
Anbieter, der sich am <strong>Hooksmeer</strong> angesiedelt hatte.<br />
Südterrasse beim Wasserskilift am Rande des <strong>Hooksmeer</strong>es.<br />
Pionier am <strong>Hooksmeer</strong>: Hans-Ott Vogt (links und oben<br />
links) hat den Wasserskilift <strong>von</strong> seinem Vater, der ihn 1980<br />
aufgebaut hatte, übernommen.<br />
Er kann sich noch gut daran erinnern, wie es früher hier<br />
ausgesehen hat, als noch keine Bäume den Blick auf die<br />
Industrieanlagen verstellten.<br />
30 Ostfriesland Magazin 9/2012<br />
Ostfriesland Magazin 9/2012 31
Dietrich Gabbey und der<br />
Dietrich‘s Berg, <strong>von</strong> dem<br />
aus man einen schönen<br />
Blick auf die Bucht und<br />
Marina hat.<br />
„Man hat eingesehen,<br />
dass man <strong>Hooksiel</strong> richtig<br />
weh getan hat.“<br />
Blick über die Pferderennbahn<br />
und das Hoocksmeer bis zum<br />
Jade-Weser-Port nach Wilhelmshaven<br />
(im Hintergrund). Jedes<br />
Jahr locken Pferderennen tausende<br />
Besucher an. Vom alten<br />
Seedeich aus können sie zusehen,<br />
wie die Gespanne um das<br />
vor ihnen liegende Oval kreisen.<br />
Luftfoto: Martin Stromann<br />
<strong>Das</strong>s die Pläne der Landesregierung und der Stadt Wilhelmshaven<br />
zur industriellen Erschließung des Voslapper<br />
Grodens Widerstand in <strong>Hooksiel</strong> provozieren würden,<br />
war abzusehen. Zu einschneidend waren die Veränderungen, zu<br />
groß die Abhängigkeit des Sielortes vom Tourismus. Angesichts<br />
der Dimensionen des Projekts erstaunt es daher, dass es lange<br />
dauerte, ehe sich eine Bürgerinitiative formierte, die zum Kampf<br />
gegen die geplanten Industrieansiedlungen aufrief.<br />
„Vielen war offensichtlich lange Zeit nicht klar, wer da auf der<br />
Südseite als Nutzer auftauchen würde“, sagt Dietrich Gabbey,<br />
der sich an die Spitze der Gegenbewegung setzte. Als Vorsitzender<br />
des Initiativausschusses, in dem sich Mitte der 1970er-Jahre<br />
<strong>Hooksiel</strong>er Vereine und Organisationen zusammenschlossen,<br />
und später als Ratsmitglied und Bürgermeister der Gemeinde<br />
Wangerland verfolgte er argwöhnisch die Aktivitäten des kommunalen<br />
Nachbarn. „Da wurde der Industrie ohne Rücksicht auf<br />
die Menschen und die weitere Entwicklung in <strong>Hooksiel</strong> alles ermöglicht,<br />
was sie wollte“, ärgert er sich. In einer Zeit, in der es<br />
weder Planfeststellungsverfahren noch Umweltverträglichkeitsstudien<br />
gab, hatten Industrielle in Wilhelmshaven nahezu freie<br />
Hand. „Ganz bewusst“, kritisiert Gabbey, sei man mit den ersten<br />
Ansiedlungen bis an das Grenzgebiet gegangen.<br />
Für reichlich Zündstoff sorgte auch der damalige Oberstadtdirektor<br />
Wilhelmshavens, Dr. Gerhard Eickmeyer, mit einer unbedachten<br />
Äußerung: „Wenn ICI kommt, ist <strong>Hooksiel</strong> in drei Jahren<br />
als Fremdenverkehrsort tot“, meinte er lapidar zum beabsichtigten<br />
Bau eines Chemiewerkes und beschwor spätestens dadurch<br />
massiven Gegenwind auf Seiten des Wangerlands herauf. <strong>Das</strong><br />
Thema erreichte den Rat der Gemeinde, in den Dietrich Gabbey<br />
bei der Wahl 1976 auf Anhieb gewählt worden war. Trotz Beschwichtigungsversuchen<br />
sowohl des eigenen Bürgermeisters<br />
als auch des Gemeindedirektors bildete sich eine fraktionsübergreifende<br />
Mehrheit, die eine Klage gegen die Bebauungspläne<br />
der Stadt Wilhelmshaven anstrengte.<br />
Es kam zu unzähligen Anhörungen, Verhandlungen und<br />
Schlichtungsversuchen, im Zuge derer sich die <strong>Hooksiel</strong>er<br />
schließlich teure Zugeständnisse des Landes und der Indus trieunternehmen<br />
erstritten. Die Klage wurde daraufhin zurückgezogen.<br />
Im Gegenzug verpflichteten sich das Land Niedersachsen<br />
und ICI zu umfassenden Kompensationsmaßnahmen. Der<br />
Schutzwall, der die Industrieanlagen vom <strong>Hooksmeer</strong> trennte,<br />
musste nachträglich auf fast 16 Meter erhöht und das gesamte<br />
Areal aufwendig aufgeforstet werden. <strong>Hooksiel</strong> erhielt zudem ein<br />
neues Hallenwellenbad und großzügige Mittel für Landschaftsgestaltungsmaßnahmen.<br />
„Da bin ich heute noch stolz drauf“,<br />
sagt Gabbey mit Genugtuung. „Man hat eingesehen, dass man<br />
<strong>Hooksiel</strong> richtig wehgetan hat.“<br />
Die Beziehungen zwischen Wilhelmshaven und dem Wangerland<br />
haben in dieser Zeit auf Jahre hinaus schweren Schaden<br />
genommen, zumal die erhofften Steuereinnahmen nie im gewünschten<br />
Umfang erzielt werden konnten. Statt der ursprünglich<br />
versprochenen 2000 Arbeitsplätze fanden bei ICI nur rund<br />
400 Menschen eine Anstellung, viele da<strong>von</strong> kamen als Fachkräfte<br />
<strong>von</strong> außerhalb. Die Raffinerie ist seit 2011 zum wiederholten<br />
Male stillgelegt und dient heute nur noch als Tanklager. Auf weitere<br />
Ansiedlungen auf dem Voslapper Groden wartet Wilhelmshaven<br />
bislang vergeblich.<br />
In <strong>Hooksiel</strong> haben die Natur und Zeit unterdessen geholfen,<br />
die Wunden in der Landschaft weitgehend zu schließen. Aus<br />
der anfänglich nahezu farblosen Sandwüste hat sich im Laufe<br />
der Jahre ein farbenfrohes und prachtvolles Naherholungsgebiet<br />
entwickelt. Dietrich Gabbey kommt mittlerweile gerne hierher.<br />
Ab und an steigt er dann auf einen kleinen Rodelhügel, <strong>von</strong> dem<br />
aus er einen schönen Blick auf das <strong>Hooksmeer</strong> hat. Der Hügel<br />
hat einen Namen: Er heißt Dietrich‘s Berg.<br />
32 Ostfriesland Magazin 9/2012<br />
Ostfriesland Magazin 9/2012 33