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Reiseführer Wege zu Cranach

Mit dem handlichen Reiseführer von Roland Krischke und Anja Grebe kann man den Spuren der Malerfamilie Cranach in Museen, Burgen, Schlössern, Kirchen und auf den Straßen und Plätzen der dreizehn Cranachorte der Städtekooperation "Wege zu Cranach" folgen. Hintergrundgeschichten und Anekdoten beleuchten den Arbeitsalltag der Cranachs, erzählen von den Begegnungen mit Luther und machen das Zeitalter der Reformation lebendig. Ausführliche Bildbeschreibungen lassen den kunsthistorischen Aspekt nicht zu kurz kommen. Hier können Sie einen Blick in das Buch werfen.

Mit dem handlichen Reiseführer von Roland Krischke und Anja Grebe kann man den Spuren der Malerfamilie Cranach in Museen, Burgen, Schlössern, Kirchen und auf den Straßen und Plätzen der dreizehn Cranachorte der Städtekooperation "Wege zu Cranach" folgen. Hintergrundgeschichten und Anekdoten beleuchten den Arbeitsalltag der Cranachs, erzählen von den Begegnungen mit Luther und machen das Zeitalter der Reformation lebendig. Ausführliche Bildbeschreibungen lassen den kunsthistorischen Aspekt nicht zu kurz kommen. Hier können Sie einen Blick in das Buch werfen.

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WEGE ZU CRANACH<br />

ROLAND KRISCHKE<br />

in Zusammenarbeit mit Anja Grebe<br />

WEITERE REISEFÜHRER AUS UNSERER REIHE<br />

Bamberg • Braunschweig • Erfurt • Chemnitz • Flensburg •<br />

Göttingen • Halle (Saale) • Hildesheim • Jena • Magdeburg •<br />

Oldenburg • Osnabrück • Die Weinstraße Saale-Unstrut •<br />

Wittenberg – Dessau – Wörlitz. Die UNESCO-Welterbestätten •<br />

Burgen in Sachsen-Anhalt • Burgen in Thüringen u. a.<br />

mitteldeutscher verlag


INHALT<br />

INHALT<br />

Lucas <strong>Cranach</strong> d. Ä., Judith an der Tafel des Holofernes, Mischtechnik auf Lindenholz,<br />

1531 (Herzogliches Museum Gotha)<br />

NEUE WEGE ZU CRANACH ................................................ 4<br />

LUCAS CRANACH IN SEINER ZEIT ..................................... 6<br />

DREIZEHN CRANACH-STÄDTE ................................... 8–135<br />

Nürnberg .............................................................................................................. 8<br />

Kronach ............................................................................................................. 18<br />

Coburg ............................................................................................................... 28<br />

Eisenach ............................................................................................................ 38<br />

Gotha ................................................................................................................. 48<br />

Erfurt .................................................................................................................. 58<br />

Weimar .............................................................................................................. 68<br />

Neustadt an der Orla ...................................................................................... 78<br />

Schneeberg ...................................................................................................... 86<br />

Meißen ............................................................................................................... 94<br />

Torgau .............................................................................................................. 104<br />

Dessau-Roßlau ................................................................................................ 116<br />

Lutherstadt Wittenberg .............................................................................. 124<br />

ZEITTAFEL ZUR MALERFAMILIE CRANACH .................. 136<br />

LITERATUR ZUM THEMA ................................................ 138<br />

INFORMATIONEN ........................................................... 139<br />

PERSONENREGISTER ..................................................... 140<br />

ABBILDUNGSNACHWEIS ............................................... 142<br />

2 3


NEUE WEGE ZU CRANACH<br />

Lutherstadt Wittenberg an der Elbe mit den Türmen der Schlosskirche und der<br />

Stadtkirche St. Marien<br />

Lucas <strong>Cranach</strong> d. Ä. (1472–1553)<br />

ist ein Maler von europäischem<br />

Format. Seit Jahren zeigen große<br />

Ausstellungen wie <strong>zu</strong>letzt in London<br />

(2008), Brüssel (2010) oder<br />

Paris (2011), dass die Aktualität<br />

dieses Renaissancekünstlers auch<br />

außerhalb Deutschlands ungebrochen<br />

ist.<br />

Die Werkstatt, die sich <strong>Cranach</strong> seit<br />

1505 als Hofmaler am kursächsischen<br />

Hof in Wittenberg aufbaute,<br />

entwickelte sich in kurzer Zeit <strong>zu</strong><br />

einem modernen und leistungsfähigen<br />

Betrieb, in dem nicht nur<br />

zahlreiche Gesellen mitwirkten,<br />

sondern auch die Söhne des Malers.<br />

Nach dem Tod des ältesten<br />

Sohnes Hans (um 1513–1537)<br />

übernahm Lucas <strong>Cranach</strong> d. J.<br />

(1515–1586) die Werkstatt im Jahre<br />

1550 und führte das Werk des<br />

Vaters fast nahtlos weiter.<br />

Über viele Jahrzehnte wirkte so die<br />

Malerfamilie <strong>Cranach</strong> im gesamten<br />

mitteldeutschen Raum bis ins heutige<br />

Bayern, belieferte Fürstenhöfe<br />

beider Konfessionen mit Auftragswerken,<br />

schuf Altarbilder für katholische<br />

Kirchen ebenso wie prägende<br />

Bildwerke des neuen Glaubens,<br />

außerdem zahlreiche Porträts, nicht<br />

<strong>zu</strong>letzt jene Luthers und anderer<br />

Reformatoren. Insgesamt sind an<br />

die 5.000 Gemälde entstanden, die<br />

heute in Museen der ganzen Welt<br />

als erlesene Meisterwerke altdeutscher<br />

Malkunst gezeigt werden.<br />

Das Netz der Orte, an denen Lucas<br />

<strong>Cranach</strong> d. Ä., seine Söhne und<br />

Werkstattmitarbeiter regelmäßig<br />

gearbeitet haben, umfasst ein Gebiet,<br />

das sich heute über Bayern,<br />

Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt<br />

erstreckt. 13 <strong>Cranach</strong>-<br />

Orte dieser Region, darunter der<br />

Geburtsort Kronach, die zentralen<br />

Wirkungsorte Wittenberg und<br />

Torgau oder Weimar als Sterbeort<br />

<strong>Cranach</strong>s d. Ä., haben sich <strong>zu</strong> einer<br />

länderübergreifenden Kooperation<br />

unter dem Titel „<strong>Wege</strong> <strong>zu</strong> <strong>Cranach</strong>“<br />

<strong>zu</strong>sammengeschlossen. Alle<br />

13 Partner von Nürnberg bis Wittenberg<br />

und von Eisenach bis Meißen<br />

sind authentische Wirkungsstätten.<br />

Sie verfügen über herausragende<br />

Einzelwerke oder Sammlungen,<br />

die sich oftmals an ihrem<br />

ursprünglichen Aufstellungsort erhalten<br />

haben.<br />

Die 2011 gegründete Kooperation<br />

fühlt sich dem kulturellen Erbe der<br />

Malerfamilie <strong>Cranach</strong> verpflichtet.<br />

Touristisches Engagement und<br />

wissenschaftliche Forschung gehen<br />

dabei Hand in Hand. Die Internetseite<br />

(www.wege-<strong>zu</strong>-cranach.<br />

de) hat sich in kurzer Zeit als eine<br />

der wichtigsten Informationsplattformen<br />

<strong>zu</strong>m Wirken der Malerfamilie<br />

sowie <strong>zu</strong> den Ausstellungs-<br />

Lucas <strong>Cranach</strong> d. Ä., Sibylle von<br />

Cleve (1512–1554), Öl auf Holz, 1526<br />

(Schlossmuseum Weimar)<br />

und Forschungsaktivitäten in den<br />

<strong>Cranach</strong>-Orten und darüber hinaus<br />

etabliert.<br />

Dieser <strong>Reiseführer</strong> bietet in Wort<br />

und Bild vielfältige Anregungen,<br />

um einen ganz persönlichen Weg<br />

<strong>zu</strong> <strong>Cranach</strong> ein<strong>zu</strong>schlagen. Er begleitet<br />

den Leser nicht allein <strong>zu</strong><br />

den zahlreichen Sehenswürdigkeiten,<br />

sondern stellt darüber hinaus<br />

viele Werke der berühmten<br />

Malerfamilie im Bild vor. Ausführlich<br />

werden bekannte und bisher<br />

nur wenig bekannte Hauptwerke,<br />

die es erst noch <strong>zu</strong> entdecken gilt,<br />

erläutert. Hintergrundgeschichten<br />

beleuchten aufschlussreiche<br />

Aspekte rund um das Leben der<br />

beiden <strong>Cranach</strong>s und ihrer Zeit. Ein<br />

abschließender Informationsteil<br />

nennt ausgewählte Forschungsliteratur<br />

und die Kontaktdaten der<br />

touristischen Partner vor Ort. Wir<br />

wünschen Ihnen eine gute Reise<br />

auf den „<strong>Wege</strong>n <strong>zu</strong> <strong>Cranach</strong>“!<br />

4 5


LUTHERSTADT<br />

WITTENBERG<br />

i<br />

1<br />

2<br />

5<br />

6<br />

3 4<br />

7<br />

2<br />

1<br />

8<br />

Wittenberg ist weithin bekannt als die „Mutter der Reformation“,<br />

als wichtigste Wirkungsstätte Martin Luthers, Philipp Melanchthons<br />

und Lucas <strong>Cranach</strong>s, der die Reformation ins Bild setzte.<br />

Durch Gründung der Universität 1502 und das Wirken der Reformatoren<br />

nahm die Hauptresidenz des Kurfürstentums Sachsen im<br />

16. Jahrhundert einen rasanten wirtschaftlichen und intellektuellen<br />

Aufschwung. Die zahlreichen authentischen Reformationsschauplätze<br />

sind auf die sorgsam restaurierte Altstadt verteilt. Mit<br />

den Bauhauseinrichtungen in Dessau-Roßlau und den Wörlitzer<br />

Gärten ist Wittenberg, seit 1938 auch amtlich Lutherstadt Wittenberg,<br />

Teil der Region mit der weltweit größten Dichte an UNESCO-<br />

Welterbe-Stätten.<br />

1 Schloss S. 127<br />

2 Schlosskirche S. 128<br />

3 <strong>Cranach</strong>-Hof, Schlossstraße 1 S. 128<br />

4 <strong>Cranach</strong>-Hof, Markt 4 S. 129<br />

5 Marktplatz und Rathaus S. 130<br />

6 Evangelische Stadt- und Pfarrkirche St. Marien S. 132<br />

7 Wittenberger Universität S. 133<br />

8 Lutherhaus S. 133<br />

i Tourist-Information S. 139<br />

124 125


Lutherstadt Wittenberg<br />

CRANACH IN LUTHER-<br />

STADT WITTENBERG<br />

Im Jahr 1505 berief der sächsische<br />

Kurfürst Friedrich III., der Weise,<br />

Lucas <strong>Cranach</strong> d. Ä. als Hofmaler<br />

nach Wittenberg. Am 14. April erhielt<br />

er erstmals 50 Gulden, die<br />

Hälfte seines sehr großzügig bemessenen<br />

Jahresgehalts. Das Amt<br />

des Hofmalers behielt er auch unter<br />

dessen Nachfolgern fast ununterbrochen<br />

bis <strong>zu</strong> seinem Tod<br />

1553 bei. Der Aufgabenbereich<br />

eines Hofmalers umfasste nicht<br />

nur die Produktion von Gemälden,<br />

Kupferstichen und Holzschnitten,<br />

sondern auch den Entwurf und<br />

die Ausführung von Dekorationsarbeiten,<br />

die Beaufsichtigung von<br />

Handwerkern, die Ausschmückung<br />

von Hochzeiten, Turnieren<br />

und anderen Hoffesten in Wittenberg<br />

sowie in den anderen Residenzen<br />

und Aufenthaltsorten der<br />

fürstlichen Familie. <strong>Cranach</strong> war<br />

damit für fast das gesamte ästhetische<br />

Erscheinungsbild des kurfürstlichen<br />

Hofes <strong>zu</strong>ständig. Um<br />

diese umfangreichen und vielfältigen<br />

Aufgaben bewerkstelligen <strong>zu</strong><br />

können, richtete er sich eine große<br />

Werkstatt ein, die je nach Auftragslage<br />

mehr oder weniger Gesellen<br />

beschäftigte. Sie befand sich <strong>zu</strong>nächst<br />

im Wittenberger Schloss,<br />

später mitten in der Stadt. Mehr<br />

und mehr wurden auch <strong>Cranach</strong>s<br />

als Maler ausgebildete Söhne mit<br />

Aufträgen betraut. Nach dem frühen<br />

Tod des ältesten Sohnes Hans<br />

Lucas <strong>Cranach</strong> d. J., Der Weinberg des Herrn – Epitaph für Paulus Eber, Öl auf<br />

Holz, 1569 (Lutherstadt Wittenberg, Stadtkirche St. Marien)<br />

im Jahre 1537 übernahm der 1515<br />

geborene Lucas dessen Position in<br />

der Werkstatt.<br />

Lucas <strong>Cranach</strong> d. Ä. war in Wittenberg<br />

jedoch nicht nur als Hofmaler<br />

tätig. Mit einem untrüglichen Geschäftssinn<br />

ausgestattet, wurde<br />

er <strong>zu</strong>m erfolgreichsten Geschäftsmann<br />

der Stadt. 1512 erwarb er<br />

die Lizenz <strong>zu</strong>m Weinverkauf, war<br />

Grundbesitzer und besaß zwischen<br />

1522 und 1526 eine Druckerei<br />

und spätestens ab 1520 auch<br />

eine Apotheke. 1528 gehörte er<br />

<strong>zu</strong> den wohlhabendsten Bürgern<br />

Wittenbergs. Sein hohes Ansehen<br />

in der Stadt und bei Hofe zeigt sich<br />

darin, dass er Mitglied des Stadtrates<br />

und mehrfach Bürgermeister<br />

war. 1523 beherbergte er in seinem<br />

Haus König Christian II. von<br />

Dänemark. Seine Landesherren<br />

begleitete er mehrfach auf deren<br />

Reisen.<br />

1550 übernahm Lucas <strong>Cranach</strong> d. J.<br />

die Werkstattleitung und trat nach<br />

dem Tod des Vaters 1553 in Weimar<br />

dessen Nachfolge als erfolgreicher<br />

Maler wie als geachteter<br />

Bürger Wittenbergs an. Auch er<br />

übernahm mehrere politische Ämter,<br />

darunter von 1565 bis 1568<br />

das Amt des Bürgermeisters.<br />

STADTRUNDGANG<br />

1 Schloss S. 125<br />

Von der Residenz Kurfürst Friedrichs<br />

des Weisen, der das Schloss<br />

ab 1489 innen und außen <strong>zu</strong> einem<br />

der schönsten Bauwerke der<br />

Frührenaissance ausbauen ließ,<br />

Der Turm der Schlosskirche<br />

blieb weitgehend nur das Außenmauerwerk<br />

erhalten, während die<br />

Innenräume fast vollständig verändert<br />

wurden. Ansichten der ursprünglichen<br />

Anlage sind u. a. von<br />

der <strong>Cranach</strong>-Werkstatt erhalten.<br />

Nach seiner Berufung als Hofmaler<br />

durch Kurfürst Friedrich den Weisen<br />

im Jahre 1505 fand <strong>Cranach</strong><br />

in der „Malerstube“ Unterkunft<br />

und Raum für eine Werkstatt. Bis<br />

1512, d.h. vermutlich bis <strong>zu</strong> seiner<br />

Heirat, lebte und arbeitete er im<br />

Schloss, an dessen Innenausstattung<br />

er mitwirkte.<br />

Im Siebenjährigen Krieg wurde<br />

das Schloss 1760 stark beschädigt.<br />

Bis <strong>zu</strong>m Reformationsjubiläum<br />

2017 werden die Innenräume<br />

grundlegend umgestaltet und saniert.<br />

Lutherstadt Wittenberg<br />

126 127


Lutherstadt Wittenberg<br />

Die „Thesentür“ der Schlosskirche<br />

2 Schlosskirche S. 125<br />

Die Schlosskirche wurde gleichzeitig<br />

mit dem Schloss anstelle<br />

der alten Burgkapelle im spätgotischen<br />

Stil erbaut. 1503 wurde<br />

sie geweiht, ab 1507 diente sie als<br />

Universitätskirche, wo es nicht nur<br />

Andachten gab, sondern auch Promotionen<br />

durchgeführt wurden.<br />

Philipp Melanchthon hielt hier<br />

seine berühmte Antrittsrede. Die<br />

Schlosskirche ist die Grablege hervorragender<br />

Universitätsangehöriger,<br />

auch die Gräber Luthers und<br />

Melanchthons befinden sich hier.<br />

Bei der Beschießung Wittenbergs<br />

im Siebenjährigen Krieg (1756–<br />

1763) im Jahre 1760 wurde die<br />

Kirche stark beschädigt, wobei<br />

auch die Innenausstattung verlorenging.<br />

Berühmte Altarbilder<br />

von Dürer, Baldung Grien, Burgkmair,<br />

<strong>Cranach</strong> u. a. waren im Auftrag<br />

des kunstsinnigen Kurfürsten<br />

Friedrichs des Weisen für diese<br />

Kirche geschaffen worden. Die<br />

alte Tür der Schlosskirche, an die<br />

Martin Luther wohl 1517 seine<br />

95 Thesen angeschlagen hat, wurde<br />

im 18. Jahrhundert durch einen<br />

Brand zerstört. An das <strong>zu</strong>m Mythos<br />

gewordene Ereignis erinnert<br />

die bronzene „Thesentür“, die 1858<br />

der preußische König Friedrich<br />

Wilhelm IV. der Stadt Wittenberg<br />

schenkte. Der 88 Meter hohe Turm<br />

der Kirche ist prägender Teil der<br />

Stadtsilhouette und markiert das<br />

westliche Ende der Altstadt.<br />

www.schlosskirche-wittenberg.de<br />

• <strong>Wege</strong>n Sanierungsarbeiten ist die<br />

Kirche derzeit geschlossen • Baustellenführungen:<br />

Mo.–Fr. 13.30 Uhr, Sa.<br />

10.30/13.30 Uhr, So. 13.30 Uhr<br />

Der <strong>Cranach</strong>-Hof in der Schlossstraße 1<br />

3 <strong>Cranach</strong>-Hof,<br />

Schlossstraße 1 S. 125<br />

Lucas <strong>Cranach</strong> d. Ä. erwarb dieses<br />

Anwesen 1518 von den Erben<br />

des Arztes Martin Pollich von Mellerstadt<br />

(um 1455–1513), des ersten<br />

Rektors der 1502 gegründeten<br />

Wittenberger Universität, um hier<br />

seine Werkstatt ein<strong>zu</strong>richten. 1540<br />

wurde der hintere Seitenflügel als<br />

Werkstattgebäude erbaut. Wenige<br />

Jahre später wurde der Südflügel<br />

errichtet, in den dann die Werkstatt<br />

verlegt wurde. Neben seinen<br />

Söhnen Hans (um 1513–1537) und<br />

Lucas (1515–1586) beschäftigte<br />

Lucas <strong>Cranach</strong> d. Ä. zahlreiche weitere<br />

Gesellen und Mitarbeiter, um<br />

die ständig wachsende Nachfrage<br />

nach Bildwerken aus der <strong>Cranach</strong>-<br />

Werkstatt <strong>zu</strong> erfüllen. In den Jahren<br />

nach Luthers Thesenanschlag<br />

arbeitete die Werkstatt sowohl für<br />

altgläubige Auftraggeber als auch<br />

für Anhänger des neuen Glaubens.<br />

Es entstanden zahlreiche Bildnisse<br />

Luthers und der Kurfürsten, viele<br />

beliebte Bildthemen wie „Venus<br />

und Amor“, „Urteil des Paris“, „Gesetz<br />

und Gnade“ oder „Kindersegnung“<br />

wurden in immer neuen Varianten<br />

hergestellt.<br />

Der Vorbesitzer des Gebäudes,<br />

Martin Pollich, hatte in der<br />

Schlossstraße die Wittenberger<br />

Apotheke geführt, die sich bis<br />

in die 1540er-Jahre auf diesem<br />

Grundstück befand. 1520 erhielt<br />

<strong>Cranach</strong> d. Ä. das Apothekenprivileg.<br />

Seine jüngste Tochter Anna<br />

heiratete den Apotheker Caspar<br />

Pfreundt. Beide übernahmen <strong>zu</strong>nächst<br />

das Haus Markt 5, das sie<br />

um 1550 gegen das Haus Markt 4<br />

tauschten, und verlegten die Apotheke<br />

dorthin. 1799 wurde die<br />

<strong>Cranach</strong>-Apotheke wieder in die<br />

Schlossstraße 1 verlegt, wo sie sich<br />

auch heute noch befindet.<br />

Nach den dringend erforderlichen<br />

Sanierungsarbeiten ab 1990 gibt<br />

der Hof, trotz umfangreicher Umbauten<br />

in den vergangenen Jahrhunderten,<br />

wieder das recht authentische<br />

Bild eines Werkhofes<br />

der frühen Neuzeit ab. Ende 2005<br />

wurde im Hof ein Denkmal für Lucas<br />

<strong>Cranach</strong> d. Ä. eingeweiht, das<br />

sich <strong>zu</strong> einem beliebten Fotomotiv<br />

entwickelt hat.<br />

www.cranach-stiftung.de/lucas-cra<br />

nach-und-hoefe • Druckerstube • Mo.–<br />

Fr. 9–17 Uhr, Sa. 10–13 Uhr<br />

4 <strong>Cranach</strong>-Hof, Markt 4 S. 125<br />

Im Anschluss an seine Berufung<br />

als Hofmaler lebte <strong>Cranach</strong> d. Ä.<br />

Lutherstadt Wittenberg<br />

128 129


Lutherstadt Wittenberg<br />

Lucas <strong>Cranach</strong> d. Ä. (Werkstatt), Zehn-Gebote-Tafel, Öl auf Holz, 1516 (Lutherhaus<br />

Wittenberg)<br />

<strong>zu</strong>nächst in der Malerstube im<br />

Schloss. Ab 1511 besaß er die<br />

Grundstücke Markt 4 und das benachbarte<br />

Anwesen Markt 5, wo<br />

er arbeitete und mit seiner Familie<br />

lebte. Vermutlich wurden vier seiner<br />

fünf Kinder in den Häusern am<br />

Markt geboren, darunter am 4. Oktober<br />

1515 Lucas <strong>Cranach</strong> d. J.<br />

Um 1517/18 verkaufte er die Anwesen<br />

am Markt, erwarb das<br />

Grundstück Schlossstraße 1, kaufte<br />

aber 1522 den Markt 5 <strong>zu</strong>rück<br />

und richtete dort vermutlich <strong>zu</strong>sammen<br />

mit dem Goldschmied<br />

Christian Döring eine Druckerei<br />

ein. Hier entstanden zahllose reformatorische<br />

Flugblätter und<br />

Streitschriften, aber auch Reformationsschriften,<br />

illustriert mit Holzschnitten<br />

aus der <strong>Cranach</strong>-Werkstatt.<br />

Der bedeutendste Druck war<br />

zweifellos Luthers Neues Testament<br />

in deutscher Sprache, das im<br />

September 1522 hier von Melchior<br />

Lotter gedruckt wurde (daher<br />

„Septembertestament“). Um 1550<br />

tauschte <strong>Cranach</strong>s Schwiegersohn<br />

Caspar Pfreundt den Markt 5 gegen<br />

den Hof Markt 4, der nun in<br />

den folgenden Generationen im<br />

Besitz der <strong>Cranach</strong>familie blieb.<br />

Im Rahmen der umfangreichen<br />

Sanierungsarbeiten ab 1990 wurden<br />

im Vorderhaus wertvolle<br />

Renaissancemalereien entdeckt,<br />

die aus der <strong>Cranach</strong>-Werkstatt<br />

stammen.<br />

Heute ist der Markt 4 Sitz der <strong>Cranach</strong>-Stiftung.<br />

Die Ausstellung<br />

„<strong>Cranach</strong>s Welt“ führt in das Leben<br />

und Wirken der <strong>Cranach</strong>-Familie<br />

ein.<br />

www.cranach-stiftung.de/lucas-cra<br />

nach-und-hoefe • Ausstellungen •<br />

1. April–31. Okt. Mo.–Sa. 10–17 Uhr,<br />

So. 13–17 Uhr, 1. Nov.–31. März Di.–<br />

Sa. 10–17 Uhr, So. 13–17 Uhr<br />

5 Marktplatz und<br />

Rathaus S. 125<br />

Das beherrschende Gebäude am<br />

Marktplatz ist das von 1523 bis<br />

1535 im Stil der Spätgotik erbaute<br />

Rathaus, das seine endgültige Gestalt<br />

allerdings erst durch die 1570<br />

DIE RETTUNG DER CRANACH-HÖFE<br />

Die Wittenberger Altstadt bot wie viele historische Innenstädte in den<br />

späten DDR-Jahren ein trostloses Bild. Die <strong>Cranach</strong>-Höfe, seit Jahrzehnten<br />

nicht saniert, drohten ein<strong>zu</strong>stürzen. 1988 wurde für den Renaissancehof<br />

Markt 4 ein Abrissauftrag erteilt, der aufgrund fehlender Mittel glücklicherweise<br />

nicht realisiert wurde.<br />

Eine Wittenberger Friedensgruppe um Friedrich Schorlemmer hatte schon<br />

in den 1980er Jahren erfolglos versucht, die staatlichen Stellen auf den<br />

baulichen Verfall des wertvollen Kulturerbes hin<strong>zu</strong>weisen und eine Sanierung<br />

<strong>zu</strong> erwirken. Am 7. November 1989 wurde schließlich ein Aufruf <strong>zu</strong>r<br />

Rettung der <strong>Cranach</strong>-Höfe in den Wittenberger Kirchen verlesen: „Wir wollen<br />

den Verfall dieser Stadt nicht länger hinnehmen!“, hieß es darin selbstbewusst<br />

und mutig.<br />

Das Engagement für die <strong>Cranach</strong>-Höfe war von Anfang an Teil der friedlichen<br />

Revolution 1989 und ein sichtbares Zeichen für die Bereitschaft der<br />

Wittenberger, Verantwortung <strong>zu</strong> übernehmen. Die Bürgerinitiative wurde<br />

von 200 Wittenbergern unterstützt, die nicht nur Geld spendeten, sondern<br />

selbst mit Hand anlegten.<br />

Unmittelbar nach dem Aufruf lud die Stadt <strong>zu</strong> gemeinsamen Gesprächen<br />

ein. Vielfältige Presseberichte führten <strong>zu</strong> einer deutschlandweiten Wahrnehmung<br />

des Projektes und <strong>zu</strong> einer erhöhten Spendenbereitschaft.<br />

Bereits im Februar 1990 entstand aus der Bürgerinitiative der heute noch<br />

existierende Förderverein <strong>Cranach</strong>-Höfe Wittenberg e. V. Die Vereinsmitglieder<br />

organisierten Entrümpelungsaktionen und sicherten die Höfe.<br />

Bei einem Städtetreffen von Wittenberg und Göttingen startete im März<br />

1990 eine deutschlandweite Aktion unter dem Motto des Berliner Künstlers<br />

Wolfgang Janisch „Wo Häuser verkommen, verkommen auch Menschen“<br />

mit dem Ziel der Rettung und kulturellen Nut<strong>zu</strong>ng der <strong>Cranach</strong>-Höfe.<br />

Durch das Engagement des Vereins und der Stadt Wittenberg wurden die<br />

Höfe im Dezember 1991 mit einem hohen finanziellen Aufwand in kommunale<br />

Trägerschaft übernommen. Erste Mittel stellte die Deutsche Stiftung<br />

Denkmalschutz <strong>zu</strong>r Verfügung.<br />

Noch 1991 wurden eine kleine Galerie und eine Geschäftsstelle im Markt 4<br />

eingerichtet. 1993 wechselte diese in die Schlossstraße 1, da im Markt 4 die<br />

restauratorischen Untersuchungen begannen. Parallel da<strong>zu</strong> wurde an der<br />

Entwicklung von Nut<strong>zu</strong>ngsplänen und Finanzierungsmodellen gearbeitet.<br />

1994 gründete der Verein mit den gesammelten Spenden eine Stiftung<br />

bürgerlichen Rechts mit dem Ziel, im Geiste der Malerfamilie <strong>Cranach</strong> die<br />

<strong>Cranach</strong>-Höfe wieder kulturell <strong>zu</strong> beleben. Nach jahrelangen Sanierungsund<br />

Aufbauarbeiten ist dieses Ziel heute erreicht. Die <strong>Cranach</strong>-Höfe sind<br />

mit ihren vielfältigen Einrichtungen ein lebendiger Teil des Kulturlebens in<br />

Wittenberg mit einer Wirkung weit über die Stadtgrenzen hinaus geworden.<br />

bis 1573 aufgesetzten Zwerchhäuser<br />

im Renaissancestil erhielt. Es<br />

handelt sich um einen ausgesprochen<br />

repräsentativen Bau für die<br />

Lutherstadt Wittenberg<br />

130 131


Lutherstadt Wittenberg<br />

knapp 5.000 Einwohner umfassende<br />

Stadt. Das Rathaus diente bis in<br />

das 18. Jahrhundert hinein nicht<br />

nur als Sitz der städtischen Verwaltung,<br />

sondern auch als Kaufhaus,<br />

Gerichtssitz und Untersuchungsgefängnis.<br />

Lucas <strong>Cranach</strong> d. Ä. war Ratsherr<br />

und von 1537 bis 1544 mehrfach<br />

Bürgermeister Wittenbergs. In dieser<br />

Funktion fällte er auch mehrere<br />

Todesurteile, die auf dem Marktplatz<br />

vollstreckt wurden. Denn<br />

dieser war nicht nur Fest- und Turnierplatz,<br />

sondern auch öffentliche<br />

Hinrichtungsstätte. Auch Lucas<br />

<strong>Cranach</strong> d. J. übernahm Verantwortung<br />

für das Gemeinwesen<br />

seiner Heimatstadt und war u. a.<br />

1565 bis 1568 Bürgermeister Wittenbergs.<br />

Vor dem Rathaus stehen die beiden<br />

Denkmale für Martin Luther<br />

(1821) und Philipp Melanchthon<br />

(1865). Das Denkmal Luthers wurde<br />

nach einem 1805 gefertigten<br />

Modell von Johann Gottfried Schadow<br />

(1764–1850) geschaffen, der<br />

sich dabei an den Luther-Porträts<br />

von Lucas <strong>Cranach</strong> orientierte. Die<br />

Figur Melanchthons schuf Friedrich<br />

Drake (1805–1882), ein Schüler<br />

Christian Daniel Rauchs (1777–<br />

1857), eines der bedeutendsten<br />

Bildhauer des deutschen Klassizismus.<br />

6 Evangelische Stadt- und<br />

Pfarrkirche St. Marien S. 125<br />

Die 1187 erstmals erwähnte Kirche<br />

wurde 1412 bis 1439 als dreischiffige<br />

Hallenkirche ausgebaut. Damals<br />

entstanden auch die beiden<br />

Türme, die 1555 bis 1558 ihre achteckigen<br />

Hauben erhielten.<br />

Die Marienkirche, in der Martin<br />

Luther und Johannes Bugenhagen<br />

predigten, ist die Mutterkirche<br />

der Reformation. Hier fanden das<br />

erste evangelische Abendmahl<br />

statt und der erste Gottesdienst in<br />

deutscher Sprache. Viele der bekannten<br />

Lieder der Reformation<br />

wie „Eine feste Burg ist unser Gott“<br />

wurden hier erstmals gesungen.<br />

Höhepunkt der heutigen Innenausstattung<br />

ist der Reformationsaltar,<br />

geschaffen von Vater und<br />

Sohn <strong>Cranach</strong>. Bedeutende Reformatoren<br />

wie Luther, Melanchthon<br />

und Bugenhagen sind auf diesem<br />

Sakramentsaltar dargestellt, möglicherweise<br />

auch weitere Zeitgenossen<br />

beim Abendmahl mit<br />

Christus.<br />

In der Kirche sind <strong>zu</strong>dem mehrere<br />

bedeutende Epitaphgemälde Lucas<br />

<strong>Cranach</strong>s d. J. <strong>zu</strong> sehen, <strong>zu</strong>m<br />

Beispiel das Epitaph für Johannes<br />

Bugenhagen mit der Taufe Christi.<br />

Der 1586 verstorbene jüngere <strong>Cranach</strong><br />

selbst ist auch in der Stadtkirche<br />

bestattet; sein steinernes<br />

Grabmal mit dem Wappentier der<br />

geflügelten Schlange und sein Epitaph<br />

mit einem Relief der Grablegung<br />

Christi, 1606 von Sebastian<br />

Walther gefertigt, sind dort <strong>zu</strong> sehen.<br />

www.stadtkirchengemeinde-witten<br />

berg.de • 1. Nov.–Ostern Mo.–Sa. 10–<br />

16 Uhr, So. 11.30–16 Uhr, Ostern–31.<br />

Okt. Mo.–Sa. 10–18 Uhr, So. 11.30–18<br />

Uhr<br />

7 Wittenberger<br />

Universität S. 125<br />

Die 1502 von Friedrich dem Weisen<br />

als „Alma Mater Leucorea“ gegründete<br />

kursächsische Landesuniversität<br />

erlangte schnell einen bedeutenden<br />

Ruf. Ab 1512 lehrte Martin<br />

Luther hier als Professor der Theologie<br />

die Auslegung der Bibel,<br />

1518 erhielt auch Philipp Melanchthon<br />

einen Lehrstuhl. Eingeschrieben<br />

waren auch <strong>Cranach</strong>s Bruder<br />

Matthes und der älteste Sohn des<br />

Hofmalers, Hans. Zwischen den<br />

adeligen Studenten und den Malergesellen<br />

der <strong>Cranach</strong>-Werkstatt<br />

kam es mehrfach <strong>zu</strong> Auseinanderset<strong>zu</strong>ngen<br />

um das Recht, Waffen<br />

tragen <strong>zu</strong> dürfen.<br />

Die Universität wurde nach dem<br />

Wiener Kongress geschlossen und<br />

nach Halle an der Saale verlegt. Erst<br />

1994 zog mit der Gründung der<br />

Stiftung LEUCOREA wieder akademisches<br />

Leben in die Stadt ein.<br />

www.leucorea.de<br />

8 Lutherhaus S. 125<br />

Das Lutherhaus wurde 1504 als<br />

Augustinerkloster errichtet. Martin<br />

Luther lebte ab 1508 insgesamt<br />

38 Jahre in dem Gebäude.<br />

Er zog als Mönch ein, blieb aber<br />

nach Auflösung des Klosters 1522<br />

hier wohnen. Nach seiner Heirat<br />

mit Katharina von Bora wohnte<br />

Luther mit seiner wachsenden Familie<br />

in dem Haus, das er 1532 von<br />

Kurfürst Johann dem Beständigen<br />

übereignet bekam.<br />

Nach Luthers Tod übernahm die<br />

Universität das Gebäude und baute<br />

es <strong>zu</strong>m Stipendiatenhaus um.<br />

1883 wurden die ersten Räume<br />

für museale Zwecke genutzt. Das<br />

größte reformationsgeschichtliche<br />

Museum der Welt zeigt heute<br />

auf 1.800 Quadratmetern an die<br />

tausend Exponate, die vom Leben<br />

und Wirken Martin Luthers<br />

und dem grundlegenden Wandel<br />

der Welt <strong>zu</strong>rzeit der Reformation<br />

erzählen. Die original erhaltene<br />

Lutherstube erinnert an die einstigen<br />

Tischgespräche des Reformators.<br />

Im Rundgang sind zahlreiche Werke<br />

der beiden <strong>Cranach</strong>s und ihrer<br />

Werkstatt <strong>zu</strong> sehen. <strong>Cranach</strong> hat<br />

Luther mehrfach porträtiert und<br />

dadurch das Bild des Reformators<br />

bis heute geprägt. Das Ehepaar<br />

<strong>Cranach</strong> ist 1525 Trauzeuge bei Luthers<br />

Eheschließung, ein Jahr später<br />

ist der Maler Pate von Luthers<br />

ältestem Sohn Johannes.<br />

Für den Wittenberger Rat schuf Lucas<br />

<strong>Cranach</strong> d. Ä. 1516 die Zehn-<br />

Gebote-Tafel, die ursprünglich im<br />

Rathaus hing und heute im Lutherhaus<br />

ausgestellt ist. Sie nimmt<br />

die Grundgedanken der Reformation<br />

im Bild vorweg. Von Lucas<br />

<strong>Cranach</strong> d. J. stammt das Gemälde<br />

„Christus am Kreuz“ von 1571. Außerdem<br />

sind zahlreiche Einblattdrucke<br />

und illustrierte Schriften<br />

der <strong>Cranach</strong>-Werkstatt ausgestellt.<br />

Auch die von <strong>Cranach</strong> d. Ä. gedruckten<br />

und illustrierten Bibelausgaben<br />

fehlen nicht.<br />

www.martinluther.de • April–Okt.<br />

Mo.–So. 9–18 Uhr, Nov.–März: Di.–So.<br />

10–17 Uhr<br />

Lutherstadt Wittenberg<br />

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LUTHERS VERMÄCHTNIS<br />

Wohl kaum ein <strong>Cranach</strong>-Altar hat einen solchen Bekanntheitsgrad erlangt<br />

wie der Reformationsaltar in der Wittenberger Marienkirche. Dies<br />

liegt <strong>zu</strong>nächst am Aufstellungsort, der Predigtkirche Luthers, die auch<br />

die Hauskirche der <strong>Cranach</strong>s war. Luther hat sehr wahrscheinlich entscheidend<br />

an der Konzeption des Altars mitgewirkt, der Kernpositionen<br />

der lutherischen Theologie illustriert. Bedeutenden Anteil an der<br />

Gesamtwirkung des Altars hat die künstlerische Ausführung, die als Gemeinschaftswerk<br />

des älteren und jüngeren <strong>Cranach</strong> gilt. Der Flügelaltar<br />

besteht an Vorder- und Rückseite jeweils aus vier Bildern: Mitteltafel,<br />

zwei Flügel und Predella. Zentrales Motiv der Vorderseite ist das Letzte<br />

Abendmahl, flankiert von Taufe und Beichte sowie der Predigt (Predella).<br />

Den Mittelpunkt der Rückseite bildet das Jüngste Gericht, ergänzt durch<br />

die Auferstehung der Toten in der Predella und die beiden alttestamentlichen<br />

Flügelszenen von Lot und seinen Töchtern sowie der Sintflut.<br />

Mit dem Abendmahl ist ein Hauptthema des lutherischen Glaubens ins<br />

Altarzentrum gerückt. In einem loggienartigen Raum sitzt Christus mit<br />

den Jüngern um einen runden Tisch versammelt, der in Anlehnung an<br />

das Passahmahl mit einem gebratenen Lamm, Brot und Wein gedeckt<br />

ist. Im Hintergrund öffnet sich durch zwei Rundbogenfenster mit Renaissancesäulen<br />

der Blick auf eine weite, detailliert gemalte Flusslandschaft<br />

mit einer (bislang nicht identifizierten) Höhenburg. Nur wenige Jünger<br />

essen, die meisten scheinen in dem Schrecken über die Nachricht, dass<br />

sich in ihrer Runde ein Verräter befinden soll, aufgeregt miteinander <strong>zu</strong><br />

sprechen. Ein Jünger, dem <strong>Cranach</strong> die Züge Luthers als Junker Jörg verliehen<br />

hat, lässt sich vom Mundschenk (Lucas <strong>Cranach</strong> d. J.?) das Glas<br />

füllen. Nur Christus sitzt ruhig am Tisch, den schlafenden Johannes im<br />

Schoß. Mit einer ungewöhnlichen, „sprechenden“ Geste schiebt Christus<br />

Judas, der durch seine Geldtasche, den gelben Mantel (Gelb als Farbe<br />

des Goldes) und die groben Gesichtszüge als Verräter gekennzeichnet<br />

ist, ein Brotstück in den Mund. Die Ansicht suggeriert, dass Christus ihm<br />

den Finger in den Mund steckt, was sich als Verkörperung der Abendmahlsworte<br />

„Dies ist mein Leib“ verstehen lässt. Das Gemälde bezieht<br />

damit eindeutig Position im sogenannten Abendmahlsstreit, indem es<br />

nicht nur für das Abendmahl in beiderlei Gestalt plädiert, sondern auch<br />

den Glauben an die Realpräsenz Christi in der Eucharistie anschaulich<br />

vorführt.<br />

Mit der Taufe (links) und der Beichte (rechts) sind die Flügel zwei weiteren<br />

lutherischen Sakramenten gewidmet, die jeweils von einem bedeutenden<br />

Vertreter der Wittenberger Reformation – die Taufe durch<br />

Melanch thon, die Beichte durch Bugenhagen – im Beisein der Gemeinde<br />

vollzogen werden. Luther selbst ist als Kreuz-Prediger in der Predella<br />

dargestellt. Vorder- und Rückseite des Altars schildern damit den Weg<br />

des Menschen von der Sünde <strong>zu</strong>r Erlösung, wobei ein Schwergewicht<br />

auf die Sakramente gelegt wird. Die gemalten Szenen und Personen<br />

dienen als Vorbild für den liturgischen Nachvoll<strong>zu</strong>g vor dem Altar. Mit<br />

der Hervorhebung Luthers bildet das Retabel nicht <strong>zu</strong>letzt eine gemalte<br />

Hommage an den kurz <strong>zu</strong>vor verstorbenen Reformator.<br />

Lucas <strong>Cranach</strong> d. Ä./d. J., Wittenberger Reformationsaltar (Stadtkirchenaltar), Öl<br />

auf Holz, 1547/48 (Lutherstadt Wittenberg, Stadtkirche St. Marien)<br />

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