kompletten Tagungsband
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TAGUNGSBAND<br />
Klimaschutzkongress NRW<br />
Flexible Instrumente der internationalen Kooperation im Klimaschutz<br />
22. Mai 2002, Düsseldorf, Hotel Nikko<br />
Ministerium für<br />
Wirtschaft und<br />
Mittelstand,<br />
Energie und<br />
Verkehr<br />
des Landes<br />
Nordrhein-Westfalen
Impressum<br />
Veranstalter und Herausgeber<br />
Ministerium für Wirtschaft und Mittelstand, Energie<br />
und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen<br />
Landesinitiative Zukunftsenergien NRW<br />
Redaktion und Gesamtverantwortung<br />
EUtech Energie + Umwelt, Technik + Management, Aachen<br />
Martin Kruska<br />
Gestaltung<br />
Brants-Design Alsdorf<br />
Marina Brants<br />
Druck<br />
Richard Thierbach, Mühlheim a.d. Ruhr<br />
Düsseldorf, im Mai 2002<br />
Der <strong>Tagungsband</strong> enthält die schriftlichen Beiträge der Referenten des<br />
Klimaschutzkongresses NRW am 22. Mai 2002 in Düsseldorf. Die einzelnen<br />
Beiträge geben die auf persönlichen Erkenntnissen beruhenden Ansichten<br />
und Erfahrungen der Vortragenden wieder.
Inhaltsverzeichnis<br />
<strong>Tagungsband</strong><br />
Klimaschutzkongress NRW<br />
Flexible Instrumente der internationalen Kooperation im Klimaschutz<br />
3 Plenarteil<br />
3 Ernst Schwanhold:<br />
Klimaschutz in Nordrhein-Westfalen<br />
8 Dr. Gerhard Berz:<br />
Wirtschaftliche Effekte des Klimawandels durch anthropogene Einflüsse<br />
17 Ministerialrat Franzjosef Schafhausen:<br />
Status der internationalen Verhandlungen im Klimaschutz –<br />
Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />
44 Dr. Joachim Ehrenberg:<br />
Der EU Richtlinienvorschlag zum Emissionshandel im Spannungsfeld<br />
zwischen europäischer und nationaler Klimapolitik<br />
52 Dr. Henning Rentz:<br />
Handlungsoptionen aus Sicht der Energiewirtschaft<br />
57 Prof. Dr. Dieter Ameling:<br />
Nachhaltige Klimavorsorge der Stahlindustrie<br />
68 Dr. Martin Schneider:<br />
Nachhaltiger Klimaschutz und Zementindustrie<br />
76 Workshop I<br />
Chancen und Risiken der Wirtschaft in NRW durch den Emissionshandel<br />
Moderation: Ministerialrat Franzjosef Schafhausen<br />
77 Dr. Hermann E. Ott:<br />
Der Emissionshandel im Kontext des bestehenden umweltpolitischen<br />
und umweltrechtlichen Instrumentariums<br />
85 Dr. Jürgen Engelhard:<br />
Die Bedeutung des Emissionshandels für Kraftwerksbetreiber<br />
90 Dr. Karlheinz Berg:<br />
Emissionshandel in der Praxis<br />
92 Dr. Jochen Rudolph:<br />
Der Emissionshandel aus Sicht der Chemischen Industrie<br />
96 Workshop II<br />
Technologieexport durch flexible Instrumente:<br />
neue Chancen für die Wirtschaft in NRW<br />
Moderation: Dr. Gerhard Sohn<br />
97 Dr. Thomas Kreuder:<br />
Beitrag moderner Bergbautechnologie zum Klimaschutz<br />
1
<strong>Tagungsband</strong><br />
Klimaschutzkongress NRW<br />
Flexible Instrumente der internationalen Kooperation im Klimaschutz<br />
104 Heinrich Lohmann:<br />
Perspektiven für den Ausbau erneuerbarer Energien durch flexible Instrumente<br />
114 Klaus Dieter Rennert:<br />
Neue Impulse für den Kraftwerksbau<br />
122 Workshop III<br />
Unterstützung der marktorientierten Instrumente durch öffentliche Institutionen<br />
Moderation: Delia Villagrasa<br />
123 Regierungsdirektor Rüdiger Schweer:<br />
Der "Hessen-Tender" – Ausgestaltung der hessischen Marktinitiative<br />
für den Kauf von Emissionsvermeidungszertifikaten<br />
128 Dr. Klaus Oppermann:<br />
Förderpolitische Aspekte des Emissionshandels<br />
140 Holger Liptow:<br />
Bereit für den CDM – Technische Zusammenarbeit schafft Voraussetzungen für<br />
CDM-Projekte in Entwicklungsländern<br />
152 Podiumsdiskussion:<br />
Die Zukunft für marktorientierten Klimaschutz in NRW – Chancen, Risiken und<br />
Handlungsbedarf für das Bundesland und seine Wirtschaft<br />
Moderation: Michael Grytz<br />
Teilnehmer:<br />
Berthold Bonekamp<br />
Dr. Joachim Ehrenberg<br />
Staatssekretär Jörg Hennerkes<br />
Klaus Dieter Rennert<br />
Franzjosef Schafhausen<br />
Delia Villagrasa<br />
153 Anhang:<br />
154 Hintergrundtext<br />
Flexible Instrumente der internationalen Kooperation im Klimaschutz<br />
164 Kurzbiografien<br />
aller Referenten, Moderatoren und Teilnehmer der Podiumsdiskussion<br />
166 Glossar<br />
2
Plenarteil<br />
Klimaschutz in NRW<br />
Ernst Schwanhold<br />
Minister für Wirtschaft und Mittelstand,<br />
Energie und Verkehr des Landes<br />
Nordrhein-Westfalen<br />
Nordrhein-Westfalen hat als wichtigste Industrie- und Energieregion Deutschlands im<br />
September des vergangenen Jahres das Klimaschutzkonzept NRW vorgelegt um die<br />
Bereitschaft deutlich zu machen, einen Beitrag zu den gemeinsamen Anstrengungen<br />
zum Klimaschutz in Europa leisten zu wollen.<br />
Im Klimaschutzkonzept NRW konnte die Landesregierung aufzeigen, dass die quantifizierbaren<br />
Klimaschutzmaßnahmen in Nordrhein-Westfalen auf der Berechnungsgrundlage<br />
des Bundes-Klimaprogramms ein Minderungspotenzial von über 30 Millionen Tonnen<br />
Kohlendioxid (CO 2 ) jährlich aufweist. Dies entspricht etwa der Hälfte der von der<br />
Bundesregierung für das gesamte Bundesgebiet festgestellten Minderungsdeckungslücke<br />
in Höhe von 50 bis 70 Millionen Tonnen CO 2 im Jahr 2005. Die Landesregierung<br />
will im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Voraussetzungen dafür schaffen, einen Großteil<br />
dieser bedeutenden Potenziale in den nächsten Jahren zu erschließen.<br />
Gegenwärtig wird auf europäischer Ebene – aber auch innerhalb der EU-Mitgliedstaaten<br />
– intensiv über den Richtlinien-Vorschlag der Europäischen Kommission vom 23. Oktober<br />
2001 zu einem Emissionszertifikats-Handelssystem diskutiert. Wegen der zu erwartenden<br />
Auswirkungen in wichtigen industriellen und energiewirtschaftlichen Sektoren befassen<br />
wir uns in Nordrhein-Westfalen gezielt mit den Konsequenzen eines solchen Handelssystems.<br />
Vor dem Hintergrund der nordrhein-westfälischen Interessenlage, aber auch der erheblichen<br />
Anstrengungen, die Nordrhein-Westfalen im Interesse der Umsetzung des<br />
nationalen Klimaschutzprogramms der Bundesregierung unternimmt, möchte ich<br />
meine Position zu dem gegenwärtigen Richtlinien-Vorschlag darlegen:<br />
Kernelement des Vorschlags, der in den Mitgliedstaaten ab dem 1. Januar 2005 umgesetzt<br />
werden soll, ist, dass die Mitgliedstaaten den Anlagebetreibern CO 2 -Obergrenzen<br />
für bestimmte energieintensive Industrieanlagen auferlegen müssen. Anschließend haben<br />
die jeweiligen Unternehmen das Recht, mit CO 2 -Zertifikaten national und grenzüberschreitend<br />
innerhalb der EU zu handeln.<br />
Das Kyoto-Protokoll wollte durch die Instrumente Joint Implementation (JI), Clean Development<br />
Mechanism (CDM) und Emissions Trading (ET) auf der Ebene der Unterzeichnerländer<br />
ein Höchstmaß an Flexibilität erreichen, damit durch umfassende Einbeziehung<br />
aller Treibhausgase, aller Regionen und aller Emittenten, eine möglichst kostengünstige<br />
Reduktion ermöglicht wird. Die Wahl der Maßnahmen und Instrumente zur Erreichung<br />
der jeweiligen Treibhausgas-Reduktionsverpflichtungen gemäß dem Kyoto-Protokoll lag<br />
in der Entscheidungsfreiheit der Unterzeichnerländer.<br />
3
Plenarteil<br />
Klimaschutz in NRW<br />
Ernst Schwanhold<br />
Der Vorschlag der EU-Kommission wird diesem flexiblen Ansatz bisher nicht gerecht. Er<br />
nutzt und erweitert nicht die Handlungsalternativen, sondern schränkt sie ein; an einen<br />
Handel zwischen den Staaten ist nicht mehr gedacht. Vielmehr sollen lediglich bestimmte<br />
energieintensive Unternehmen mit nur innerhalb der EU handelbaren Emission-<br />
Caps belegt werden. Hierdurch werden jedoch die Möglichkeiten einer Kosteneffizienz<br />
der Treibhausgasreduktion innerhalb der EU erheblich reduziert. Die einbezogenen Unternehmen<br />
werden zugleich in ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit und in ihren<br />
Wachstumschancen beschränkt. Kurz gefasst: Der Entwurf der EU-Kommission bringt<br />
Einschränkungen statt Flexibilisierung.<br />
Zu meiner grundsätzlich kritischen Haltung trägt vor allem bei, dass das von der Kommission<br />
vorgeschlagene Handelssystem auf die EU-Mitgliedstaaten beschränkt wird.<br />
Außerdem werden durch den Emissionshandel, so wie er jetzt von der Kommission<br />
geplant ist, nur wenige Branchen erfasst und damit auch weniger als 40 % der europäischen<br />
Treibhausgasemissionen. Der Richtlinien-Vorschlag trifft auf Verbrennungsprozesse<br />
in der Energiewirtschaft sowie in energieintensiven Industrieanlagen zu und<br />
bezieht zunächst allein die Emissionen an CO 2 ein. Das belastet die Energieträger<br />
Braun- und Steinkohle und begünstigt den Einsatz von Erdgas. Bezieht man die Methanverluste<br />
und den Energiebedarf für die Förderung und den Transport von Erdgas einerseits<br />
und Braun- und Steinkohle andererseits bei der Stromerzeugung in modernen<br />
Kraftwerken mit ein, gleichen sich deren äquivalente CO 2 -Emissionen und damit die<br />
Treibhausgas-Emissionsbilanz stark an. Eine seriöse Treibhausgas-Emissionsbilanz<br />
muss deshalb die äquivalenten CO 2 -Emissionen aller Energieträger berücksichtigen.<br />
Mithin soll die leicht erfassbare energieintensive Industrie, die im Vergleich zu anderen<br />
Sektoren und gerade in Deutschland bereits erhebliche Treibhausgasreduktionen erreicht<br />
hat, auch zukünftig den Löwenanteil der Treibhausgasreduktionen erbringen. Die<br />
Beschränkung des Emissionshandels auf die EU und auf CO 2 bevorteilt dadurch insbesondere<br />
den Erdgasimport – und, nebenbei bemerkt, auch die Kernenergie bzw. importierten<br />
Kernenergiestrom – zu Lasten der heimischen Kohle und damit zu Lasten der<br />
Versorgungssicherheit. Schließlich wird es durch die zu erwartende Erhöhung des Energiepreisniveaus<br />
eine Produktions- und Arbeitsplatzverlagerung energieintensiver Unternehmen<br />
in Drittländer geben. Gleichzeitig würde z.B. dem Import von weniger umweltfreundlich<br />
erzeugtem Kohlestrom aus Osteuropa Vorschub geleistet werden. Auf diese<br />
Zusammenhänge hat auch das (Zwischen-) Gutachten von RWI, Essen, und AGEP,<br />
Münster, vom 14.02.2002 hingewiesen.<br />
Die unterschiedlichen Adressaten des Emissionszertifikats-Handelssystems (Unternehmen)<br />
und des für die EU vereinbarten Burden-Sharing (Mitgliedstaaten) führt zu Widersprüchen,<br />
die von der Kommission noch aufgelöst werden müssen. Die Auflösung dieser<br />
Widersprüche wird den Mitgliedstaaten allein überlassen, ebenso wie die Regelungen<br />
des für die Auswirkungen eines Emissionszertifikats-Handelssystems entscheidenden<br />
4
Klimaschutz in NRW<br />
Zuteilungsverfahrens der Emissionsrechte. Die Frage der Festlegung von Gesamtmengen<br />
der Emissionsberechtigungen für die von dem Richtlinien-Vorschlag erfassten Anlagen<br />
und auch der Zuteilung und Verknappung der Emissionsberechtigungen in Bezug auf<br />
die einzelne Anlage, ist mit vielen ungeklärten Umsetzungsproblemen verbunden. Dies<br />
gilt nicht nur in Bezug auf das bestehende deutsche Anlagenrecht, sondern auch in verfassungsrechtlicher<br />
Hinsicht.<br />
Anders als im Kyoto-Protokoll und dem danach folgenden EU-Burden-Sharing ist vorgesehen,<br />
dass seit 1990 bereits erbrachte CO 2 -Reduktionsvorleistungen nicht mehr anerkannt<br />
und quasi entwertet werden. Damit würden diejenigen Unternehmen der Energiewirtschaft,<br />
die ihre Anlagen mit großem Investitionsaufwand bereits in den letzten Jahren,<br />
also vor dem Beginn des Emissionszertifikathandels, energietechnisch optimiert<br />
haben, benachteiligt, denn sie könnten für diese Maßnahmen keine CO 2 -Gutschriften<br />
erhalten. Ab 2005 würden diesen Unternehmen CO 2 -Einsparpotenziale und damit<br />
potenzielle CO 2 -Zertifikate für den zukünftigen Handel fehlen. Hingegen würden diejenigen<br />
Unternehmen auch in anderen EU-Mitgliedsländern, die bis dahin solche Anstrengungen<br />
unterlassen haben, begünstigt. Für Verbesserungsmaßnahmen, die sie erst nach dem<br />
1. Januar 2005 durchführen, würden sie mit handelbaren Zertifikaten belohnt.<br />
Auch könnten den neu errichteten, energieintensiven Unternehmen in den neuen Bundesländern<br />
keine Gutschriften für eingesparte CO 2 -Emissionen seit 1990 zugeteilt werden,<br />
weil diese Unternehmen damals noch nicht existiert haben. Hier sind Verrechnungen<br />
mit der Vorgängergesellschaft, der Treuhand, erforderlich. In keinem Fall darf jedoch<br />
die Verrechnung zu Lasten von Dritt-Unternehmen gehen.<br />
Um die bereits erbrachten CO 2 -Reduktionsvorleistungen der deutschen Industrie und<br />
dadurch gerade auch im EU-Vergleich relativ höheren weiteren Reduktionskosten angemessen<br />
zu würdigen, ist es zur Vermeidung einer Diskriminierung im EU-Wettbewerb<br />
unverzichtbar, das Jahr 1990 als Basisjahr für die Zuteilung von Emissionsberechtigungen<br />
im nationalen Allokationsplan zu Grunde zu legen.<br />
Nach den Grundsätzen des Kyoto-Protokolls können Emissionsreduktionen, die durch<br />
gemeinsame Klimaschutzprojekte zwischen Industrieländern (Joint Implementation, JI)<br />
oder zwischen Industrie- und Entwicklungsländern (Clean Development Mechanism,<br />
CDM) erreicht werden, zu projektbezogenen Gutschriften führen. Danach können EU-<br />
Unternehmen, die ihre CO 2 -Minderungspotenziale, z. B. durch Kraftwerkserneuerung in<br />
Nicht-EU-Industrie- oder in Entwicklungsländern einsetzen, bei diesen Investitionen in<br />
den Genuss von JI- oder CDM-CO 2 -Gutschriften kommen. Der Richtlinien-Vorschlag der<br />
Kommission sieht die Einbeziehung solcher Gutschriften nicht vor. Emissionsreduktionsgutschriften<br />
im Sinne des Kyoto-Protokolls müssen daher in den Geltungsbereich des<br />
Richtlinien-Entwurfs einbezogen werden.<br />
5
Plenarteil<br />
Klimaschutz in NRW<br />
Ernst Schwanhold<br />
Zusätzlich sollten auch nationale JI-Maßnahmen zur weiteren Förderung des Klimaschutzes<br />
genutzt werden. Damit könnten Preisanreize für Klimaschutz-Fördermaßnahmen<br />
objektiviert werden, z. B. bei Kraft-Wärme-Kopplung, Solartechnik und Windkraftwerken.<br />
Das schließt nicht aus, dass die öffentliche Hand für derartige Fördermaßnahmen weitere<br />
Anreize gibt, die über dem Marktpreis für handelbare CO 2 -Zertifikate liegen. Die Nutzung<br />
nationaler JI-Maßnahmen sollte zur Förderung des Klimaschutzes in einem überarbeiteten<br />
Richtlinien-Entwurf ebenfalls berücksichtigt werden.<br />
Ein speziell deutsches Problem resultiert daraus, dass die aus einem Emissionszertifikats-Handelssystem<br />
zu erwartenden finanziellen Belastungen additiv zu bestehenden<br />
nationalen Instrumenten (z.B. Ökosteuer, EEG, KWKG) wirken würden und damit naturgemäß<br />
den internationalen Wettbewerb verzerren. Die kostenrelevante Wirkung bestehender<br />
Instrumente muss bei der Einführung des Emissionszertifikats-Handelssystems<br />
für die betroffenen Unternehmen ganz oder zum Teil entfallen. Ansonsten müssten die<br />
Unternehmen zweimal zahlen: für das Recht, CO 2 auszustoßen (Erwerb von Emissionsberechtigungen)<br />
und für die Energie, die sie dafür benötigen (z.B. Ökosteuer). Übermäßige<br />
Belastungen der in den Emissionshandel einbezogenen Unternehmen und<br />
Branchen müssen auch im Vergleich zu anderen Bereichen der Wirtschaft vermieden<br />
werden.<br />
Ein weiteres Problem durch das vorgesehene Emissionszertifikats-Handelssystem sehe<br />
ich in Bezug auf das in Deutschland bestehende System der Branchen-Selbstverpflichtungen<br />
zum Klimaschutz, dem der Gedanke der Solidargemeinschaft als Geschäftsgrundlage<br />
zugrunde liegt. Treibhausgas-Reduzierungen einzelner Branchenunternehmen<br />
werden danach der gesamten Branche zugerechnet. Eine solche Zurechnung wäre<br />
aber unmöglich, wenn ein Branchenunternehmen CO 2 -Reduktionen bzw. dadurch frei<br />
werdende CO 2 -Zertifikate an Unternehmen außerhalb der Branche oder in einem anderen<br />
EU-Mitgliedstaat verkaufen würde. Berechtigter der CO 2 -Reduktionen wäre dann ein<br />
Unternehmen außerhalb der nationalen Selbstverpflichtung. Ein Emissionszertifikats-<br />
Handelssystem auf Ebene der Unternehmen ist mit einer nationalen Branchen-Selbstverpflichtung<br />
schwerlich vereinbar. Es war allgemein anerkanntes Verständnis bei allen<br />
bisher eingegangenen Selbstverpflichtungen, dass die Unternehmen selbst darüber befinden,<br />
in welcher Form sie den zugesagten Beitrag zum Klimaschutz erreichen. Wenn<br />
in Deutschland ein verpflichtendes Emissionshandelssystem eingeführt wird, läuft die<br />
Politik Gefahr, dass sich die Unternehmen an ihre sich selbst auferlegten Zusagen nicht<br />
mehr gebunden fühlen.<br />
Die von dem Richtlinien-Vorschlag bezweckte Reduzierung von Treibhausgasemissionen<br />
ließe sich zudem nur erreichen, wenn die Kohle als Energieträger zugunsten anderer<br />
Energieträger wie Erdgas und importiertem Kernenergiestrom stark zurückgedrängt<br />
würde. Die Richtlinie würde danach den deutschen Energiemix zu Lasten der Kohle als<br />
6
Klimaschutz in NRW<br />
Energieträger massiv beeinflussen. Vor diesem Hintergrund ist jedenfalls für diejenigen<br />
Mitgliedstaaten, die, wie Deutschland, in erheblichem Maße auf Kohle als Träger der<br />
nationalen Energieversorgung zurückgreifen, davon auszugehen, dass der Richtlinien-<br />
Vorschlag ihre Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Energieträgern – zumindest<br />
faktisch – grundlegend einschränkt und die Versorgungssicherheit vernachlässigt. Auch<br />
dies kann aus unserer Sicht nicht akzeptiert werden.<br />
Für die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage eine Richtlinie über ein System für den Handel<br />
mit Treibhausgasemissionsberechtigungen zu erlassen ist, ist das Maß der Beeinflussung<br />
der nationalen Energiepolitik entscheidend. Nr. 1.1 der Begründung des Richtlinien-Vorschlags<br />
nennt als Rechtsgrundlage Art. 175 Abs. 1 EGV. Unserer Auffassung<br />
nach ist aber Art. 175 Abs. 2 EGV als die speziellere Vorschrift heranzuziehen, weil hier<br />
die Wahl Deutschlands zwischen verschiedenen Energieträgern und die allgemeine<br />
Struktur seiner Energieversorgung erheblich berührt werden. Wie schon ausgeführt werden<br />
Strom aus Erdgas und aus Kernenergie einseitig bevorzugt. Art. 175 Abs. 2 EGV<br />
sieht aber, im Gegensatz zum ersten Absatz, in diesen Fällen die einstimmige Beschlussfassung<br />
im Rat vor. Nach meiner Auffassung darf der Rat daher die Richtlinie über ein<br />
System für den Handel mit Treibhausgasemissionsberechtigungen nur einstimmig verabschieden.<br />
Soweit meine Auffassung zum Richtlinienentwurf der EU-Kommission. Um aber Missverständnisse<br />
zu vermeiden: Es geht mir nicht darum, das Instrument des Emissionshandels<br />
generell abzulehnen, denn es hat ja durchaus marktwirtschaftliche Aspekte, die<br />
allemal besser sind, als regulatorische Ansätze. Wir müssen aber die Ziele und die Instrumente<br />
des Klimaschutzes auseinander halten. Wenn ein Staat in der Lage ist, die<br />
von ihm eingegangenen Verpflichtungen zur Treibhausgasreduzierung in anderer Weise,<br />
d.h. mit anderen Instrumenten sicherzustellen, muss er auch die Freiheit haben, auf<br />
das Instrument des Emissionshandels ggf. ganz zu verzichten. Wir müssen im Übrigen<br />
darauf achten, dass andere Staaten ihren Verpflichtungen in gleicher Weise so vorbildlich<br />
nachkommen wie Deutschland dies tut.<br />
Ich freue mich, dass wir für den Klimaschutzkongress NRW namhafte Referenten gewinnen<br />
konnten, die praxisnah ein Bewusstsein dafür schaffen werden, welche Anforderungen<br />
in den nächsten Jahren auf die Unternehmen zukommen können und welche Chancen<br />
und Risiken sich dadurch für sie eröffnen.<br />
Ich wünsche den Teilnehmerinnen und Teilnehmern sowie den Referenten einen<br />
fruchtbaren Gedankenaustausch und anregende Diskussionen.<br />
7
Plenarteil<br />
Wirtschaftliche Effekte des Klimawandels<br />
durch anthropogene Einflüsse<br />
Dr. Gerhard Berz<br />
Fachbereichsleiter GeoRisikoForschung,<br />
Münchener Rückversicherungs-<br />
Gesellschaft, München<br />
Zusammenfassung<br />
Naturkatastrophen verursachen weltweit immer größere Schäden. Seit den 60er<br />
Jahren sind die Häufigkeit großer Naturkatastrophen auf etwa das Dreifache,<br />
die volkswirtschaftlichen Schäden – schon inflationsbereinigt – auf das Achtfache<br />
und die versicherten Schäden sogar auf das Vierzehnfache gestiegen. Als<br />
Hauptursachen sind die zunehmende Verstädterung, die Besiedelung und<br />
Industrialisierung hochexponierter Regionen, die Verwundbarkeit moderner<br />
Technologien und auch die anthropogenen Umweltveränderungen anzusehen.<br />
Besonderen Grund zur Sorge geben die Abschätzungen künftiger Schadenpotenziale,<br />
die bei einer Reihe realistischer Katastrophenszenarien bisher ungekannte<br />
Ausmaße erreichen.<br />
Die Versicherungswirtschaft bietet trotz dieser ungünstigen Schadentrends ein<br />
breites Spektrum von Deckungen gegen Elementarschäden an; sie versucht<br />
gleichzeitig, ihre Kunden zu verstärkter Schadenvorsorge zu motivieren. Außerdem<br />
unternimmt sie große Anstrengungen, ihre eigenen Schadenpotenziale<br />
durch den Einsatz moderner geowissenschaftlicher Methoden zu ermitteln.<br />
Nach wie vor problematisch ist die Abschätzung der Folgen künftiger Klimaänderungen<br />
für die Häufigkeit und Intensität atmosphärischer Extremereignisse,<br />
auch wenn sich die Indizien für bereits heute signifikante Einflüsse häufen.<br />
Vorwort<br />
Die Versicherungswirtschaft reagiert seit etwa Anfang der 80er Jahre zunehmend beunruhigt<br />
auf die rapide steigenden Schadenbelastungen aus Naturkatastrophen. Die Tatsache,<br />
dass über zwei Drittel dieser Schäden von atmosphärischen Extremereignissen<br />
wie Stürmen, Überschwemmungen und Unwettern verursacht wurden, nährt den Verdacht,<br />
dass die weltweit beobachteten Umwelt- und Klimaveränderungen maßgeblich<br />
zu dem Katastrophentrend beitragen. Auch wenn die wissenschaftliche Absicherung<br />
dieses Zusammenhangs noch aussteht, so stehen die Plausibilität und gleichzeitig auch<br />
die Brisanz dieser Vermutung außer Frage. Wirtschaft und Politik müssen deshalb entsprechend<br />
dem Vorsorgeprinzip eine weitere Verschärfung der Katastrophenentwicklung<br />
als Folge der erwarteten Klimaveränderungen in ihre Überlegungen einbeziehen<br />
und den Kosten wirkungsvoller Vermeidungsstrategien gegenüberstellen.<br />
8
Wirtschaftliche Effekte des Klimawandels<br />
durch anthropogene Einflüsse<br />
Katastrophentrends<br />
Die Schadenbelastungen aus Naturkatastrophen haben, gerade in den letzten Jahren<br />
und gerade für die Versicherungswirtschaft, dramatische Ausmaße angenommen. Tab. 1<br />
zeigt alle Naturkatastrophen der letzten Jahrzehnte, die die Versicherungswirtschaft<br />
mehr als eine Milliarde US-Dollar gekostet haben.<br />
Vor 1987 hat diesen Wert ein einziges Ereignis, der Hurrikan "Alicia" 1983, erreicht, seit<br />
1987 aber insgesamt 33 Ereignisse, davon allein 31 seit 1990! Der Hurrikan "Andrew"<br />
Tabelle 1<br />
Chronologische Liste der Naturkatastrophen mit versicherten Schäden von 1 Mrd. US $ und mehr<br />
Rang Jahr Ereignis Region versicherte Schäden volkswirtschaftliche Schäden<br />
(Mio. US$) (Mio. US$)<br />
27 1983 Hurrikan "Alicia" USA 1,275 3,000<br />
29 1987 Wintersturm Westeuropa 3,100 3,700<br />
6 1989 Hurrikan "Hugo" Karibik, USA 4,500 9,000<br />
5 1990 Wintersturm "Daria" Europa 5,100 6,800<br />
26 1990 Wintersturm "Herta" Europa 1,300 1,950<br />
14 1990 Wintersturm "Vivian" Europa 2,100 3,250<br />
25 1990 Wintersturm "Wiebke" Europa 1,300 2,250<br />
4 1991 Taifun "Mireille" Japan 5,400 10,000<br />
19 1991 Waldbrand "Oakland fire" USA 1,750 2,000<br />
1 1992 Hurrikan "Andrew" USA 17,000 30,000<br />
20 1992 Hurrikan "Iniki" Hawaii 1,650 3,000<br />
18 1993 Schneesturm USA 1,750 5,000<br />
34 1993 Überschwemmung USA 1,000 16,000<br />
2 1994 Erdbeben USA 15,300 44,000<br />
10 1995 Erdbeben Japan 3,000 100,000<br />
29 1995 Hagel USA 1,135 2,000<br />
22 1995 Hurrikan "Luis" Karibik 1,500 2,500<br />
15 1995 Hurrikan "Opal" USA 2,100 3,000<br />
21 1996 Hurrikan "Fran" USA 1,600 5,200<br />
28 1998 Eissturm Kanada, USA 1,200 2,500<br />
33 1998 Überschwemmungen China 1,000 30,000<br />
24 1998 Hagel, Unwetter USA 1,350 1,800<br />
7 1998 Hurrikan "Georges" Karibik, USA 4,000 10,000<br />
30 1999 Hagelsturm Australien 1,100 1,500<br />
23 1999 Tornados USA 1,485 2,000<br />
13 1999 Hurrikan "Floyd" USA 2,200 4,500<br />
8 1999 Taifun "Bart" Japan 3,500 5,000<br />
16 1999 Wintersturm "Anatol" Europa 2,350 2,900<br />
3 1999 Wintersturm "Lothar" Europa 5,900 11,500<br />
12 1999 Wintersturm "Martin" Europa 2,500 4,000<br />
32 2000 Taifun "Saomai" Japan 1,050 1,500<br />
31 2000 Überschwemmungen Großbritannien 1,090 1,500<br />
17 2001 Hagel, Unwetter USA 1,900 2,500<br />
11 2001 Hurrikan "Allison" USA 3,500 6,000<br />
9
Plenarteil<br />
Wirtschaftliche Effekte des Klimawandels<br />
durch anthropogene Einflüsse<br />
Dr. Gerhard Berz<br />
bildet dabei den absoluten Spitzenreiter mit versicherten Schäden von rund 17 Milliarden<br />
Dollar, die allerdings noch ein Mehrfaches höher gewesen wären, wenn "Andrew"<br />
statt eines "double miss" zwei Volltreffer in Miami und New Orleans gelandet hätte.<br />
Nicht viel anders war es auch bei dem Erdbeben 1994 in Kalifornien, das ebenfalls den<br />
Großraum Los Angeles nur am Rande betroffen hatte und deshalb trotz versicherter<br />
Schäden von mehr als fünfzehn Milliarden Dollar nur als "Warnschuss" oder bestenfalls<br />
als "Streifschuss" gelten kann, ebenso wie bei dem Erdbeben 1995 in Kobe/Japan. Diese<br />
beiden Erdbeben sind die einzigen Katastrophen in der Liste, die ihren Ursprungnicht<br />
in der Atmosphäre hatten.<br />
Abbildungen 1a + 1b<br />
Der Verlauf großer Naturkatastrophen<br />
Große Naturkatastrophen 1950 - 2001<br />
seit 1950 (Abb. 1a + 1b) zeigt den drastischen<br />
Anstieg der Katastrophenschäden<br />
in den letzten Jahren sehr deutlich – eine<br />
Entwicklung, die schon in einigen Jahren<br />
jährliche Schadenbelastungen in der<br />
Größenordnung von 100 Milliarden Dollar<br />
(in heutigen Werten) zur Norm werden<br />
lassen wird. Die inflationsbereinigte Zunahme<br />
gegenüber den 60er Jahren, die<br />
noch in den 80er Jahren das Dreifache für<br />
die volkswirtschaftlichen und das Vierfache<br />
für die versicherten Schäden betrug,<br />
ist inzwischen – also für die letzten 10<br />
Jahre – auf das Achtfache bzw. das Vierzehnfache<br />
hochgeschnellt (Tab. 2). Diese<br />
Volkswirtschaftliche/versicherte Schäden mit Trends<br />
Angaben beziehen sich auf so genannte<br />
"große" Naturkatastrophen; die übrigen<br />
Elementarschadenereignisse, von denen<br />
die Münchener Rück jährlich etwa 600-850<br />
aus aller Welt erfasst, erhöhen das Gesamtschadenvolumen<br />
im Durchschnitt auf<br />
rund das Doppelte (Münchener Rück,<br />
2001).<br />
Seit den 60er Jahren haben die großen Naturkatastrophen sowohl nach<br />
Anzahl als auch nach volkswirtschaftlichen und versicherten Schäden (hier<br />
bereits inflationsbereinigt) deutlich zugenommen.<br />
Diese Schadenzunahme wird zweifellos zu<br />
einem großen, ja dominierenden Teil von<br />
steigenden Werten bzw. versicherten Haftungen,<br />
insbesondere auch in stark exponierten<br />
Großstadt-Regionen, verursacht.<br />
Außerdem zeigt sich immer wieder bei<br />
10
Wirtschaftliche Effekte des Klimawandels<br />
durch anthropogene Einflüsse<br />
Naturkatastrophen, dass die Schadenanfälligkeit von Bauwerken und Infrastrukturen<br />
trotz aller Bauvorschriften und technischen Weiterentwicklungen eher größer als kleiner<br />
geworden ist. Hurrikan "Andrew" und die Erdbeben in Kalifornien und Japan belegen<br />
dies ganz deutlich (Münchener Rück, 1999 a).<br />
Große Naturkatastrophen 1950 - 2001 - Dekadenvergleich<br />
Tabelle 2<br />
Dekade Dekade Dekade Dekade Dekade letzte 10 Faktor<br />
1950 -1959 1960 -1969 1970 - 1979 1980 - 89 1990 - 99 1992 - 2001 letzte 10:60er<br />
Anzahl 20 27 47 63 89 78 2,9<br />
volkswirtschaftl.<br />
Schäden<br />
42,2 75,5 136,1 211,3 652,3 579,9 7,7<br />
versicherte<br />
Schäden<br />
0 7,2 12,4 26,4 123,2 103,7 14,3<br />
Schäden in Mrd. US $ (in Werten von 2001)<br />
NatCatSERVICE<br />
Anzahl volkswirtschaftliche und versicherte Schäden<br />
großer Naturkatastrophen pro Jahrzehnt seit 1950<br />
Klimaänderung<br />
Gleichzeitig haben sich aber die Indizien verstärkt, dass die sich abzeichnende Klimaänderung<br />
Einfluss auf die Häufigkeit und Intensität von Naturkatastrophen gewinnt. Da<br />
sind einerseits die großen Sturmkatastrophen der letzten Zeit, die fast jedes Jahr für<br />
neue Schadenrekorde sorgten, und andererseits die zahllosen Überschwemmungs-, Unwetter-,<br />
Dürre- und Waldbrandkatastrophen, die heute häufiger als jemals zuvor aufzutreten<br />
scheinen.<br />
Der dritte Status-Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (2001) misst<br />
dem Zusammenhang zwischen der globalen Erwärmung und der Häufung bzw. Intensivierung<br />
atmosphärischer Extremereignisse besondere Bedeutung bei. Tatsächlich ergeben<br />
die Analysen von Beobachtungsreihen ebenso wie die Modellrechnungen zahlreiche<br />
neue Hinweise darauf, dass sich die Eintrittswahrscheinlichkeiten für Extremwerte verschiedener<br />
meteorologischer Größen bereits deutlich geändert haben oder noch ändern<br />
werden. Nachstehend einige Beispiele:<br />
Beispiel 1. Die erwartete weitere Zunahme der Durchschnittstemperaturen lässt die<br />
Wahrscheinlichkeit von Temperaturhöchstwerten außerordentlich stark ansteigen. So<br />
folgt aus einem Anstieg der mittleren Sommertemperaturen in Mittelengland um 1,6 °C,<br />
der dort bis etwa 2050 eintreten soll, dass ein Hitzesommer wie 1995 – nach der Temperaturverteilung<br />
1961-90 ein 75-Jahre-Ereignis, das die Versicherer Hunderte von<br />
11
Plenarteil<br />
Wirtschaftliche Effekte des Klimawandels<br />
durch anthropogene Einflüsse<br />
Dr. Gerhard Berz<br />
Abbildung 2<br />
Wahrscheinlichkeitszunahme für Extremwerte<br />
Beispiel:<br />
Sommertemperaturen<br />
in Mittelengland<br />
1695<br />
1816<br />
1961 – 1990<br />
T=15,3°C<br />
2050s<br />
T=16,9°C<br />
1975<br />
1983<br />
1995<br />
1826<br />
1976<br />
T=1,6°C<br />
Faktor 25<br />
Millionen £ an Gebäudeschäden durch<br />
Bodensenkungen kostete – dann durchschnittlich<br />
einmal in drei Jahren stattfinden<br />
wird (Abb. 2). In ähnlicher Weise<br />
ergibt sich aus der Temperaturreihe von<br />
Berlin, dass die höchste im letzten Jahrhundert<br />
beobachtete Temperatur (39 °C)<br />
Ende dieses Jahrhunderts eine fast<br />
zehnmal höhere Überschreitenswahrscheinlichkeit<br />
haben wird. Auf die damit<br />
verbundenen Hitzewellen sind wir<br />
heute noch in keiner Weise vorbereitet,<br />
so dass erhebliche Probleme bzw. Anpassungskosten<br />
zu erwarten sind.<br />
Quelle: Climate Change Impacts UK 1996<br />
Eine moderate Verschiebung der Häufigkeitsverteilung einer Beobachtungsgröße Beispiel 2. In Mitteleuropa sind die Winter<br />
in den letzten Jahrzehnten deutlich<br />
(hier der mittleren Sommertemperaturen in Mittelengland) führt zu einer drastischen<br />
Erhöhung der Überschreitungswahrscheinlichkeiten von Extremwerten<br />
wärmer und feuchter, die Sommer trockener<br />
geworden. Im Winter fällt mehr<br />
(hier der Faktor 25 für den bisher außergewöhnlichen Temperaturwert von 17,3 ° C<br />
bei einem erwarteten Anstieg um 1,6 ° C bis zur Mitte des Jahrhunderts).<br />
Niederschlag als Regen statt als Schnee<br />
und fließt größtenteils oberflächlich<br />
ab, so dass die Abflussmengen zunehmen, wie die Messreihen aus dem Einzugsbereich<br />
des Rheins belegen. Eine holländische Studie sagt eine erhebliche Zunahme der Überschreitenswahrscheinlichkeit<br />
kritischer Niederschlagsmengen vorher (Reuvekamp &<br />
Klein Tank, 1996).<br />
Die Erwärmung erhöht generell auch die Aufnahmefähigkeit der Luft für Wasserdampf<br />
und damit die Niederschlagspotenziale. Zusammen mit verstärkten Konvektionsprozessen<br />
führt dies zu häufigeren und extremeren Starkregenereignissen, die heute schon für<br />
einen Großteil der Überschwemmungsschäden verantwortlich sind.<br />
Beispiel 3. Die milderen Winter, wie sie in Mitteleuropa inzwischen typisch geworden<br />
sind, lassen die Schneeflächen, über denen sich früher stabile Kältehochs als Barriere<br />
gegen die aus dem Atlantik heranziehenden Sturmtiefs bildeten, schrumpfen. Die Barriere<br />
ist deshalb häufig schwach oder nach Osten verschoben, so dass verheerende<br />
Orkanserien wie 1990 und 1999 nicht mehr als seltene Ausnahmeerscheinungen gelten<br />
können (Abb. 3). In den Windregistrierungen repräsentativer deutscher Wetterstationen<br />
zeigt sich in den letzten Jahrzehnten eine deutliche Zunahme der Zahl der Sturmtage.<br />
Noch nicht endgültig bestätigt ist ein im Nordatlantik beobachteter Trend zu häufigeren<br />
und extremeren Sturmtiefs, also eine Zunahme der Sturmaktivität selbst. Ebenso umstritten<br />
bzw. widersprüchlich sind die bisherigen Befunde zum Zusammenhang zwischen<br />
Erwärmung und tropischer Wirbelsturmaktivität, was vor allem mit Blick auf den<br />
12
Wirtschaftliche Effekte des Klimawandels<br />
durch anthropogene Einflüsse<br />
erwarteten Meeresspiegelanstieg für viele dichtbevölkerte Küstenregionen und Inselstaaten<br />
zu einer Frage des Überlebens werden könnte.<br />
Vor dem düsteren Hintergrund dieser befürchteten Veränderungen ist die entscheidende<br />
Frage nicht, ob und wann die anthropogene Klimaänderung endgültig beweisbar sein<br />
wird, sondern ob die bisherigen Klimadaten bzw. die Klimamodellrechnungen ausreichende<br />
Anhaltspunkte liefern können, die künftigen Veränderungen sinnvoll abzuschätzen<br />
und die richtigen Anpassungs- und Vermeidungsstrategien rechtzeitig zu entwickeln.<br />
Das Irrtumsrisiko wird auf absehbare<br />
Abbildung 3<br />
Zeit groß bleiben; um so wichtiger,<br />
Typische Zugbahnen von Sturmtiefs in kalten und milden Wintern<br />
dass die Strategien selbstanpassungsfähig<br />
sind und an den zu vermeidenden<br />
Schäden gemessen werden. Von vornherein<br />
erfolgreich sind so genannte "noregret"-<br />
bzw. "win-win"-Strategien, wie –<br />
z.B. die Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs<br />
bei Automobilen und Flugzeugen<br />
oder ganz generell die Verringerung<br />
des Energieverbrauchs, da sie,<br />
selbst wenn die Klimarelevanz geringer<br />
als vermutet sein sollte, in jedem Fall<br />
Normale Sturmbahnen<br />
winterlicher Sturmtiefs<br />
zu wünschenswerten Einsparungen<br />
Zugbahnen der<br />
(auch in finanzieller Hinsicht) führen<br />
Winterstürme 1990<br />
Sa/El 04.93 - Source: Dronia, 1991<br />
und darüber hinaus geeignet sind, das<br />
Verantwortungsbewusstsein der Industrieländer<br />
gegenüber der Dritten Welt<br />
Während kalte Winter mit einer ausgedehnten Schneedecke über Mittel- und<br />
Osteuropa in der Regel von einem stabilen Kältehoch geprägt sind, das wie eine<br />
Barriere gegen die vom Nordatlantik heranziehenden Sturmtiefs wirkt, war in<br />
zu demonstrieren.<br />
den seit Beginn der 80er Jahren außergewöhnlich milden Wintern das Kältehoch<br />
meist nur schwach ausgeprägt bzw. weit nach Osten verschoben, so dass die<br />
Naturkatastrophen in Deutschland<br />
Sturmtiefs "freie Bahn" hatten und häufig tief nach Mitteleuropa vordringen<br />
konnten. Milde Winter bedeuten auch für die Zukunft eine erhöhte Sturmgefahr,<br />
Elementarschäden stammen in Deutschland<br />
zu einem stark überwiegenden dem Nordatlantik.<br />
möglicherweise zusätzlich verschärft durch eine verstärkte Sturmaktivität über<br />
Teil von atmosphärischen Extremereignissen.<br />
Hier stehen die Stürme sowohl<br />
bei der Zahl der Schadenereignisse und der Toten als auch bei den volkswirtschaftlichen<br />
und – ganz besonders – den versicherten Schäden mit Abstand an erster Stelle,<br />
gefolgt von den Überschwemmungen, den sonstigen Naturkatastrophen (u.a. Winterschäden,<br />
Waldbrand, Erdrutsch) und schließlich den hier nur selten schadenträchtigen<br />
Erdbeben. So lag im Zeitraum 1970 – 2001 der Anteil der Sturm- und Hagelereignisse<br />
bei 64 % aller 524 registrierten Katastrophen, bei 71 % der immerhin 692 Katastrophentoten,<br />
bei 73 % der 18 Mrd. e volkswirtschaftlichen Gesamtschäden und bei sogar<br />
86 % der 7 Mrd. e versicherten Schäden aus Naturkatastrophen (s. Abb.4). Entsprechend<br />
gering fallen die Anteile der anderen Katastrophentypen aus.<br />
13
Plenarteil<br />
Wirtschaftliche Effekte des Klimawandels<br />
durch anthropogene Einflüsse<br />
Dr. Gerhard Berz<br />
Naturkatastrophen in Deutschland 1970 - 2001<br />
Sturm<br />
Hagel<br />
Überschwemmung<br />
Erdbeben<br />
Sonstiges<br />
(u.a. Lawinen,<br />
Winterschäden,<br />
Waldbrände)<br />
Die in Deutschland im Zeitraum ab<br />
1970 beobachteten Naturkatastrophen<br />
werden von Sturmereignissen dominiert,<br />
sowohl bezüglich Anzahl und<br />
Todesopfern als auch bezüglich der<br />
volkswirtschaftlichen und – am stärksten<br />
– der versicherten Schäden.<br />
Abbildung 4<br />
Anzahl der Ereignisse (524) Todesopfer (692)<br />
volkswirtschaftliche* Schäden<br />
(18 Mrd Euro)<br />
*Originalschäden – Stand: 1. März 2002<br />
versicherte* Schäden<br />
(7 Mrd Euro)<br />
Natürlich ist ein Zeitraum von 30 Jahren<br />
nicht ausreichend, um ein wirklich repräsentatives<br />
Bild von der Katastrophengefährdung<br />
in Deutschland zu vermitteln,<br />
aber der gewählte Zeitabschnitt kann im<br />
Hinblick auf die beobachteten Naturkatastrophen<br />
als durchaus typisch gelten und<br />
er belegt gleichzeitig, dass sich selbst in<br />
wenigen Jahrzenten wesentliche Einflussgrößen<br />
stark verändern können und so<br />
den Vergleich über längere Zeitabschnitte<br />
problematisch erscheinen lassen. Andererseits<br />
dürften die in Deutschland gefundenen<br />
Gefährdungsverhältnisse näherungsweise<br />
auch noch für die meisten Nachbarländer<br />
charakteristisch sein.<br />
Das Bild ändert sich deutlich, wenn man die Schadenpotenziale extremer Naturkatastrophen<br />
betrachtet, bei denen man u.a. auch ein weitgehendes Versagen der bautechnischen<br />
und organisatorischen Vorsorgemaßnahmen befürchten muss. Hier rücken<br />
dann Ereignisse in den Vordergrund, die zwar nur eine sehr kleine Eintrittswahrscheinlichkeit<br />
aufweisen, wie z. B. starke Erdbeben oder extreme Sturmfluten, aber bei einem<br />
"Volltreffer" in einer dichtbesiedelten Region außerordentlich hohe Schadenbelastungen<br />
auslösen können. Entsprechende Abschätzungen (s. Tab. 3) zeigen, dass auch in Deutschland,<br />
trotz der im weltweiten Vergleich eher mäßigen Gefährdung, Katastrophenschäden<br />
denkbar sind, die sich durchaus mit einigen der bekannten Katastrophenszenarien aus<br />
anderen Ländern messen können.<br />
Versicherungsaspekte<br />
Versicherung als wichtiger Bestandteil der privaten, betrieblichen und öffentlichen Risikovorsorge<br />
hat vor allem zum Ziel, das finanzielle Ruinrisiko des Versicherungsnehmers<br />
zu minimieren. Dies gilt auch – in vielen Ländern ganz besonders – für die Naturgefahren,<br />
die in einem Großteil der heute angebotenen Versicherungsprodukte gedeckt werden.<br />
In Regionen wie Mitteleuropa, wo die von den Naturgefahren ausgehenden Risiken im<br />
allgemeinen moderat sind, stellen die entsprechenden Versicherungsverträge eher einen<br />
Schutz vor den häufigen Klein- oder Bagatellschäden dar als vor den existenzbedrohenden,<br />
aber seltenen Großschäden. Der Versicherungsnehmer sieht diese Art von Versicherungsschutz<br />
deshalb oft als eine Art "Sparkasse" an, in die er nicht nur regelmäßig<br />
Beiträge entrichtet, sondern aus der er ebenso mehr oder weniger regelmäßig Auszah-<br />
14
Wirtschaftliche Effekte des Klimawandels<br />
durch anthropogene Einflüsse<br />
lungen erwarten kann. Der Gedanke der Risikovorsorge und damit auch das Interesse<br />
an einer echten Risikominderung werden dadurch in den Hintergrund gedrängt, sie können<br />
aber durch eine geeignete Gestaltung des Versicherungsschutzes, wie z. B. durch<br />
die Einführung substanzieller Selbstbeteiligungen und ihre Abstufung nach Gefährdung<br />
und Schadenanfälligkeit, wachgehalten werden.<br />
So kommt es z. B. bei der Deckung von Überschwemmungsschäden darauf an, die meist<br />
sehr kleinräumigen und gleichzeitig sehr großen Gefährdungsunterschiede richtig zu erfassen<br />
und zu bewerten sowie daraus die geeigneten Konsequenzen für die Gestaltung<br />
des Versicherungsschutzes zu ziehen. Dabei greifen die Versicherer heute mehr als je<br />
zuvor auf geowissenschaftliche Untersuchungsmethoden (insbesondere Geographische<br />
Informationssysteme) zurück und schlagen bautechnische Schadenminderungsmaßnahmen<br />
vor.<br />
Tabelle 3<br />
Die Versicherungswirtschaft hat eine Reihe von Instrumenten<br />
entwickelt, die – wenn richtig und selektiv<br />
Wahrschl. Marktschäden bei Katastrophenszenarien<br />
angewendet<br />
– eine Eingrenzung und Beherrschung des Katastrophenrisikos<br />
erlauben. Dank eines immer ausgeklügelteren<br />
globalen Risikomanagements scheint sie gut für<br />
den Ernstfall vorbereitet zu sein und auch die Katastrophenprobleme<br />
der Zukunft meistern zu können. Dabei<br />
kann sie z. B. auch aktiv zu einem nachhaltigen Klimaschutz<br />
beitragen, indem sie ihren finanziellen und politischen<br />
Einfluss, ihre Motivierungsinstrumente und ihre eigenen<br />
Umweltschutzpotenziale nützt, um die möglichen<br />
negativen Auswirkungen der sich abzeichnenden Klimaänderung<br />
– im eigenen Interesse – möglichst gering<br />
zu halten.<br />
Aus der Sicht des Rückversicherers, aber auch aus gesamtwirtschaftlicher<br />
und politischer Sicht, gefährden die<br />
aus Stürmen und anderen extremen Naturereignissen zu<br />
erwartenden Größtschadenpotenziale die nachhaltige Entwicklung<br />
in vielen Regionen. Auch in Mitteleuropa liegen die möglichen Schadensummen<br />
in Größenordnungen, die eine umfassende Risiko-Partnerschaft, d.h. eine ausgewogene<br />
Risikobeteiligung, der Versicherungsnehmer, der Erst- und Rückversicherungsmärkte<br />
und im Notfall auch des Staates erforderlich machen. Hierfür finden sich in Europa eine<br />
Reihe unterschiedlicher Ansätze, die eine adäquate finanzielle Absicherung von Bevölkerung<br />
und Wirtschaft gegen die größten zu erwartenden Schadenbelastungen sicherstellen.<br />
Szenario Wiederkehrperiode Marktschaden<br />
1x in ...Jahren (in Mrd. Euro)<br />
Sturm USA 100 40<br />
Erdbeben USA 100 20<br />
1000 80<br />
Sturm Europa 100 20<br />
Sturm Japan 100 15<br />
Erdbeben Japan 100 7<br />
1000 45<br />
Deutschland<br />
Sturm 100 5<br />
Hagel 100 3<br />
Überschwemmung 100 3<br />
Erdbeben 100 3<br />
1000 15<br />
Einige Größtschaden-<br />
Szenarien für<br />
Naturkatastrophen in<br />
Deutschland und<br />
anderen Ländern.<br />
15
Plenarteil<br />
Wirtschaftliche Effekte des Klimawandels<br />
durch anthropogene Einflüsse<br />
Dr. Gerhard Berz<br />
Resümee<br />
Häufigkeit und Schadenausmaß großer Naturkatastrophen werden auch in Zukunft<br />
weltweit drastisch zunehmen. Die sich abzeichnende Erwärmung der Erdatmosphäre<br />
und die daraus resultierende Intensivierung der Sturm- und Niederschlagsprozesse sowie<br />
der Anstieg des Meeresspiegels werden diesen Trend erheblich verstärken, wenn<br />
nicht rasch einschneidende Vorsorgemaßnahmen ergriffen werden.<br />
Die Versicherungswirtschaft muss sich in ihrem eigenen Interesse maßgeblich an den<br />
Vorsorgemaßnahmen beteiligen, um die Deckung von Elementarschäden auf Dauer gewährleisten<br />
zu können. Durch eine geeignete Gestaltung der Versicherungsprodukte<br />
kann sie die Versicherungsnehmer, aber auch die Behörden zur Schadenvorsorge motivieren<br />
und gleichzeitig ihr eigenes Schadenpotenzial und damit einhergehende Kapazitätsprobleme<br />
verringern.<br />
Literatur<br />
Berz, G., 1999:<br />
Naturkatastrophen an der Wende zum<br />
nächsten Jahrhundert – Trends, Schadenpotentiale<br />
und Handlungsoptionen der<br />
Versicherungswirtschaft Zeitschrift für die<br />
gesamte Versicherungswissenschaft 2/3,<br />
1999; S. 427 - 442<br />
Intergovernmental Panel on Climate<br />
Change, 2001: Third Assessment Report.<br />
Cambridge University Press, Cambridge.<br />
Münchener Rück, 1997 a:<br />
Überschwemmung und Versicherung. 79 S.<br />
Münchener Rück, 1997 b:<br />
Treibhaus Erde – Die Extreme nehmen zu.<br />
Topics, S. 13 – 15.<br />
Münchener Rück, 1999 a:<br />
Topics 2000 – Jahrtausendrückblick<br />
Naturkatastrophen. 126 S.<br />
Münchener Rück, 1999 b: Naturkatastrophen<br />
in Deutschland. 100 S.<br />
Münchener Rück, 2001:<br />
Topics - Jahresrückblick Naturkatastrophen<br />
2000. 56 S.<br />
Reuvekamp, A. & A. Klein Tank, 1996:<br />
Probability Estimates of Extreme Winter<br />
Rainfall in a Changing Climate.<br />
Climate Change 30, S. 8 – 10.<br />
16
Plenarteil<br />
Status der internationalen Verhandlungen im<br />
Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />
Ministerialrat Franzjosef Schafhausen<br />
Leiter der Arbeitsgruppe ZII6<br />
Bundesministerium für Umwelt,<br />
Naturschutz und Reaktorsicherheit<br />
Die in diesem Jahrhundert beobachtete globale Erwärmung wird auf eine Verstärkung<br />
des natürlichen Treibhauseffektes, verursacht durch das Freisetzen klimawirksamer Gase<br />
– aufgrund menschliche Aktivitäten – zurückgeführt.<br />
Der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC = Intergovernmental<br />
Panel on Climate Change) kam schon in seinem zweiten Bericht im Jahre 1996 zu folgendem<br />
Ergebnis: "Die Abwägung der wissenschaftlichen Erkenntnisse legt einen erkennbaren<br />
menschlichen Einfluss auf das globale Klima nahe. Die bisher beobachteten durchschnittlichen<br />
globalen Temperaturerhöhungen von 0,3 bis 0,6º C in den letzten 100 Jahren<br />
sind mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht völlig auf natürliche Ursachen zurückzuführen."<br />
In seinem dritten Sachstandsbericht macht IPCC deutlich, dass die wissenschaftlichen<br />
Erkenntnisse weiter zugenommen haben und dass sich die Hinweise darauf verdichten,<br />
dass menschliche Aktivitäten die Ursache für bereits erkennbare Veränderungen des<br />
globalen Klimas sind.<br />
Im Falle einer globalen Klimaänderung wird das Schadensausmaß sehr hoch sein. Es<br />
wäre daher grob fahrlässig, dieser Erkenntnis nicht durch vorsorgendes Handeln so früh<br />
wie möglich Rechnung zu tragen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass selbst bei Stabilisierung<br />
der globalen Emissionen auf dem derzeitigen Niveau die Konzentration von CO 2<br />
und anderen Treibhausgasen (THG) weiter ansteigen wird und sich das Klima trotz aktiver<br />
Gegenmaßnahmen weiter verändern würde.<br />
Um die atmosphärische Konzentration und damit die Klimaänderungen auf ein vertretbares<br />
Niveau zu stabilisieren, wäre eine Minderung der weltweiten Treibhausgasemissionen<br />
auf etwa die Hälfte des heutigen Wertes bis zur zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts<br />
erforderlich.<br />
Vor dem Hintergrund der zunehmenden wissenschaftlichen Gewissheit über die Veränderung<br />
des globalen Klimas durch menschliche Aktivitäten und zusätzlich forciert durch<br />
die Notwendigkeit zum sparsamen Umgang mit endlichen Rohstoffen sowie weitere<br />
Fortschritte beim traditionellen Umweltschutz hat die Bundesregierung bereits sehr<br />
frühzeitig mit der politischen Aufarbeitung des Problems begonnen und seit Anfang<br />
1990 ein umfassendes Klimaschutzprogramm erarbeitet und die institutionellen Vorkehrungen<br />
für die Bewältigung einer solchen Querschnittsaufgabe geschaffen. Dieses<br />
Programm des Bundes wird mittlerweile wirksam ergänzt durch Programme der Länder<br />
sowie der Städte und Gemeinden. Komplettiert wird das Bild durch Aktivitäten der Umwelt-<br />
und Verbraucherverbände, der Wirtschaft, der Gewerkschaften und anderer gesellschaftlich<br />
relevanter Gruppen.<br />
17
Plenarteil<br />
Status der internationalen Verhandlungen im<br />
Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />
Franzjosef Schafhausen<br />
Von Beginn an hat die Bundesregierung allerdings darauf hingewiesen, dass die anspruchsvolle<br />
und übergreifende deutsche Klimaschutzpolitik alleine nicht in der Lage<br />
ist, das globale Problem zu lösen Wirksamer Klimaschutz erfordert vielmehr weltweit<br />
abgestimmte Anstrengungen.<br />
Mit der 1994 in Kraft getretenen Klimarahmenkonvention und dem 1997 verabschiedeten<br />
Kyoto-Protokoll existieren belastbare Grundlagen für ein weltweit koordiniertes Vorgehen.<br />
Angesichts ihres hohen Anteils an den Treibhausgasemissionen (rund 75 % der gegenwärtigen<br />
Treibhausgasemissionen stammen aus den Industrieländern) sowie ihres technischen<br />
und wirtschaftlichen Entwicklungsstandes sind die Industriestaaten auch über<br />
das Jahr 2012 hinaus besonders gefordert.<br />
Die Frage nach den Auswirkungen einer konsequenten Klimaschutzpolitik auf die deutsche<br />
Wirtschaft allein auf die internationale Dimension zu beschränken wäre verkürzt<br />
und falsch. Die Betrachtung muss sich vielmehr auf alle Ebenen – die internationale wie<br />
die europäische und die nationale – richten.<br />
A. Die deutsche Klimaschutzpolitik zwischen 1990 und 2002<br />
Der Startschuss für die Entwicklung und Umsetzung des Klimaschutzprogramms der<br />
Bundesregierung fiel am 15. Januar 1990 vor dem Hintergrund der Ende der achtziger<br />
Jahre im wissenschaftlichen Raum mehr und mehr geführten Diskussionen über Ursachen<br />
und Wirkungen des globalen Treibhauseffekts sowie dem lauter werdenden Ruf<br />
nach wirksamen Maßnahmen zur Bekämpfung dieses globalen Umweltproblems. Dieser<br />
Prozess führte in Deutschland im Jahre 1987 dazu, dass der Deutsche Bundestag<br />
eine Enquête-Kommission zum Thema "Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre" einrichtete,<br />
die in ihrem ersten Bericht feststellte: "Menschliche Eingriffe in die Natur sind<br />
auch zu einer Bedrohung der Erdatmosphäre geworden und gefährden das Leben auf<br />
der Erde."* Die Aufbruchstimmung gegen Ende der achtziger Jahre bereitete schließlich<br />
den Boden für nationale, europäische und internationale Beschlüsse, die bis heute<br />
nachwirken.<br />
* Deutscher Bundestag (Hrsg.), Schutz der Erdatmosphäre:<br />
Eine internationale Herausforderung; Zwischenbericht der<br />
Enquête-Kommission des 11. Deutschen Bundestages<br />
"Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre", 5/88,<br />
Bonn 1988; S. 22<br />
Nach sehr intensiven und meist kontroversen Diskussionen innerhalb<br />
der Bundesregierung konnte das Bundesumweltministerium dem Kabinett<br />
am 13. Juni 1990 erste Empfehlungen vorlegen, mit denen die<br />
späteren Zielsetzungen und Strukturen vorgeprägt wurden.<br />
Dem Grundsatzbeschluss folgten bis heute fünf<br />
Berichte der Interministeriellen<br />
Arbeitsgruppe "CO 2 -Reduktion" und sechs Beschlüsse der Bundesregierung:<br />
• 7. November 1990 (Erster Bericht der "IMA CO 2 -Reduktion")<br />
• 11. Dezember 1991 (Zweiter Bericht der "IMA CO 2 -Reduktion")<br />
• 29. September 1994 (Dritter Bericht der "IMA CO 2 -Reduktion")<br />
• 6. November 1997 (Vierter Bericht der "IMA CO 2 -Reduktion")<br />
18
Status der internationalen Verhandlungen im<br />
Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />
Struktur der Interministeriellen Arbeitsgruppe “CO 2 -Reduktion”<br />
Abbildung 1<br />
Interministerielle Arbeitsgruppe “CO 2 -Reduktion” (“IMA CO 2 -Reduktion”) – Vorsitz: Bundesumweltministerium<br />
Arbeitskreis I<br />
Energieversorgung<br />
(Vorsitz BMWI)<br />
Arbeitskreis II<br />
Verkehr<br />
(Vorsitz BMVBW)<br />
Arbeitskreis III<br />
Gebäudebereich<br />
(Vorsitz BMVBW)<br />
Arbeitskreis IV<br />
Neue Technologien<br />
(Vorsitz BMWI)<br />
Arbeitskreis V<br />
Land- und Forstwirtschaft<br />
(Vorsitz BMVEL)<br />
Arbeitskreis VI<br />
Emissionsinventare<br />
(Vorsitz BMU)<br />
• 26. Juli 2000 (Zwischenbericht zum Klimaschutzprogramm der Bundesregierung)<br />
• 18. Oktober 2000 (Fünfter Bericht der "IMA CO 2 -Reduktion")<br />
Im Verlauf dieser Schar von Klimaschutzbeschlüssen, die sich bis zum November 1990<br />
an der Bundesrepublik Deutschland vor der Vereinigung orientierten und danach ihre<br />
Betrachtung auf das ehemalige Gebiet der DDR ausweitete, wurde ein mittlerweile umfassendes<br />
Konzept mit sehr anspruchsvollen Zielsetzungen geschaffen. International<br />
stellt dieses Programm nicht nur eines der ersten politischen Programme zur Bekämpfung<br />
des Treibhauseffekts dar, sondern ist wohl auch das ambitionierteste.<br />
1. Ansatzpunkte<br />
Bereits am 13. Juni 1990 waren die zentralen technischen Ansatzpunkte für das Klimaschutzprogramm<br />
der Bundesregierung identifiziert worden:<br />
• "Energieeinsparung und rationelle Energienutzung auf der Angebots- und Nachfrageseite<br />
bilden einen Schwerpunkt einer nachhaltig wirksamen Politik zur Verminderung<br />
von CO 2 -Emissionen und weiterer energiebedingter Treibhausgase.<br />
• Der Beitrag der bereits heute genutzten Energiequellen muss so umweltverträglich<br />
wie möglich erbracht werden.<br />
• Das längerfristig wirtschaftliche Potential der erneuerbaren Energien soll im Hinblick<br />
auf deren Lösungsbeitrag so rasch wie möglich erschlossen werden." *<br />
Bis auf die Tatsache, dass der zweite Anstrich durch die "Vereinbarung<br />
über die geordnete Beendigung der Nutzung der<br />
Kernenergie in Deutschland"** präzisiert wurde, sind dies auch<br />
heute noch die Ansatzpunkte für die Klimaschutzpolitik der<br />
Bundesregierung.<br />
* Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit<br />
(Hrsg.), Beschluss der Bundesregierung vom 11. Dezember 1991:<br />
Verminderung der energiebedingten CO 2 -Emissionen in der Bundesrepublik<br />
Deutschland, Bonn 1. Auflage Januar 1992, S. 84<br />
** Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit<br />
(Hrsg.), Vereinbarung über die geordnete Beendigung der Nutzung<br />
der Kernenergie in Deutschland vom 14. Juni 2000, Berlin<br />
19
Plenarteil<br />
Status der internationalen Verhandlungen im<br />
Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />
Franzjosef Schafhausen<br />
Der bis heute noch weitgehend gültige Arbeitsauftrag ist zudem wie folgt konditioniert:<br />
* Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit<br />
(Hrsg.), Beschluss der Bundesregierung vom<br />
11. Dezember 1991: Verminderung der energiebedingten<br />
CO 2 -Emissionen in der Bundesrepublik Deutschland,<br />
Bonn 1. Auflage Januar 1992, S. 85<br />
"Dabei ist zu prüfen,<br />
• mit welcher Kombination von ordnungsrechtlichen und ökonomischen Instrumenten<br />
unter besonderer Berücksichtigung einer CO 2 -Abgabe oder -steuer, diese Maßnahmen<br />
umgesetzt werden können, wobei marktwirtschaftliche Instrumente Vorrang<br />
haben,<br />
• welche gesamtwirtschaftlichen und sozialpolitischen Konsequenzen mit den Maßnahmen<br />
verbunden sind,<br />
• welche Prioritäten sich auf der Basis von Kosten-Nutzen-Abschätzungen ergeben,<br />
• mit welchen Implementationszeiträumen unter Berücksichtigung z.B. der Altersstruktur<br />
vorhandener Anlagen, der vorhandenen Produktionskapazitäten im produzierenden<br />
Gewerbe sowie administrativer und verhaltensbedingter<br />
Hemmnisse zu rechnen ist,<br />
• welche Interdependenzen und Zielkonflikte zwischen den Bereichen<br />
und mit anderen Politikbereichen auftreten können,<br />
• welche Maßnahmen der internationalen Abstimmung bedürfen."*<br />
Die Arbeiten zur Entwicklung des deutschen Klimaschutzprogramms gingen systematisch<br />
wie folgt vor:<br />
• Bestandsaufnahme (Ermittlung der herrschenden Strukturen und Rahmenbedingungen)<br />
• Identifizierung der physikalischen, technischen und wirtschaftlichen Potenziale<br />
und Optionen,<br />
• Identifizierung von Hemmnissen (administrative, informatorische, organisatorische,<br />
institutionelle, rechtliche und wirtschaftliche Barrieren),<br />
• Analyse der verfügbaren Maßnahmen zur Beseitigung bzw. Reduzierung der identifizierten<br />
Hemmnisse,<br />
• Gestaltung eines Programms und Beschreibung der einzusetzenden Maßnahmen,<br />
• politische Umsetzung des definierten Maßnahmenbündels,<br />
• Überprüfung und ggfs. Modifizierung des eingesetzten Maßnahmenbündels.<br />
Bei dieser Vorgehensweise wurde sehr schnell klar, dass<br />
• es kein instrumentelles Patentrezept zur Lösung des globalen Klimaschutzproblems<br />
gab. Vielmehr zeichnete sich sehr schnell ab, dass das Klimaschutzprogramm<br />
sowohl ordnungsrechtliche Anforderungen als auch ökonomische Anreize<br />
und flankierende Maßnahmen wie Information und Beratung sowie Aus- und Fortbildung<br />
enthalten würde. Im letzten Jahrzehnt hat sich hieraus ein interdependentes,<br />
vielfältiges und sehr komplexes Maßnahmenbündel entwickelt, das Schritt für<br />
Schritt umgesetzt wird.<br />
20
Status der internationalen Verhandlungen im<br />
Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />
• es nicht allein Aufgabe der Bundesregierung sein könnte, nachhaltig zur Bekämpfung<br />
des durch den Menschen verursachten Treibhauseffekt beizutragen. Vielmehr<br />
kann ein solches Ziel nur verwirklicht werden, wenn alle Ebenen von Wirtschaft<br />
und Gesellschaft ihre Beiträge leisten. In der Folge hat dies dazu geführt, dass<br />
mittlerweile nicht nur ein Klimaschutzprogramm der Bundesregierung vorliegt,<br />
sondern auch zahlreiche Länder sowie mehr als 1.000 Kommunen über Klimaschutzprogramme<br />
verfügen. Hinzu kommt, dass auch die Wirtschaft sowie andere<br />
gesellschaftlich relevante Gruppen Strategien und Konzepte entwickelt haben und<br />
diese nunmehr umsetzen.<br />
2. Status quo<br />
Die nachfolgenden Ausführungen setzen am letzten Beschluss der Bundesregierung<br />
vom 18. Oktober 2000 an und geben darüber hinaus den gegenwärtigen Stand der Umsetzung<br />
dieses Beschlusses wieder.<br />
Die Ausgangslage für den Beschluss der rot-grünen Bundesregierung war außerordentlich<br />
schwierig. Zwar hatte die neue Regierung in ihre Koalitionsvereinbarung das Klimaschutzziel<br />
der früheren Bundesregierung Minderung der CO 2 -Emissionen bis zum Jahre<br />
2005 gegenüber 1990 um 25 % ohne "Wenn und Aber" übernommen, jedoch wiesen bereits<br />
Ende 1998 verschiedene Studien darauf hin, dass dieses ehrgeizige nationale Ziel<br />
mit dem bis zum Regierungswechsel verabschiedeten Instrumentenmix deutlich verfehlt<br />
werden würde. Für 2005 wurde eine CO 2 -Minderung von lediglich 15 bis 17 % vorhergesagt.<br />
Folgende nach dem Regierungswechsel Ende 1998 ergriffenen Maßnahmen haben<br />
Beiträge zu den insgesamt rückläufigen CO 2 -Emissionen geleistet:<br />
• die ökologische Steuerreform, die durch einen stufenweisen Anstieg der Energiepreise<br />
in allen Bereichen Anreize zur Entwicklung und Markteinführung neuer<br />
Technologien sowie zum rationellen und sparsamen Umgang mit Energie gibt,<br />
• das Erneuerbare-Energien-Gesetz und die Biomasse-Verordnung, mit denen die<br />
Verstromung erneuerbarer Energien gefördert wird,<br />
• das Markteinführungsprogramm für erneuerbare Energien, das insbesondere dem<br />
Einsatz von Solarkollektoren zugute kommt,<br />
• das 100.000-Dächer-Programm, mit dem Investitionen in Photovoltaikanlagen unterstützt<br />
werden.<br />
• Die Förderung schwefelarmer bzw. schwefelfreier Kraftstoffe verhilft darüber hinaus<br />
verbrauchs- und emissionsarmen Motortechniken zum Durchbruch.<br />
Mit diesen Maßnahmen wird bis 2005 im Vergleich zu 1990 voraussichtlich eine CO 2 -<br />
Minderung von 18 bis 20 % (etwa 180 bis 200 Mio. t CO 2 ) erreicht.<br />
21
Plenarteil<br />
Status der internationalen Verhandlungen im<br />
Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />
Franzjosef Schafhausen<br />
Damit war das Ausgangsszenario für die Bundesregierung im Jahre 2000 klar. Unter<br />
Berücksichtigung der bereits ergriffenen Maßnahme waren weitere Anstrengungen notwendig,<br />
um bis 2005 eine CO 2 -Minderung von 25 % (dies entspricht etwa 250 Mio. t<br />
CO 2 ) bzw. bis 2008 / 2012 eine Minderung der sechs Treibhausgase des Kyoto-Protokolls<br />
um 21 % zu erreichen.<br />
Zwischen 1990 und 2000 sind die CO 2 -Emissionen in Deutschland bereits um 15,3 %<br />
zurückgegangen.<br />
Vergleicht man die Veränderungen der CO 2 -Emissionen im Betrachtungszeitraum 1990<br />
bis 2000, so schwanken die jährlichen Änderungsraten äußerst stark zwischen plus<br />
2,5 % (1996) und minus 5,0 % (1992).<br />
Die Ursachen für die Emissionsentwicklung im zurückliegenden Jahrzehnt sind äußerst<br />
vielfältig. Gründe liegen in der Umstrukturierung der Wirtschaft im östlichen Teil<br />
Deutschlands, in der Erhöhung der Anzahl der Haushalte und der Wohnfläche, aber<br />
auch in massiven Investitionen zur Verbesserung der Gebäudesubstanz und zur Modernisierung<br />
der Energieversorgung vor allem im östlichen Teil Deutschlands.<br />
Die regionale Verschiebung der CO 2 -Emissionen hat sich aus den erheblichen Bevölkerungswanderungen<br />
von Ost nach West ergeben. Als weitere Einflussfaktoren haben<br />
schließlich ganz erhebliche Anstrengungen zur Verbesserung der industriellen, örtlichen<br />
und regionalen Infrastruktur sowie nicht zuletzt die in der Vergangenheit unternommenen<br />
Aktivitäten von Bund, Ländern und Gemeinden zum Klimaschutz zum sinkenden<br />
Emissionstrend beigetragen. Hinsichtlich der verantwortlichen Faktoren wird auch auf<br />
Abbildung 2<br />
CO 2 -Emissionen in Deutschland und die Emissionsanteile fossiler Energieträger<br />
Entwicklung der CO 2 -<br />
Emissionen des Bruttoinlandprodukts<br />
und des<br />
Primärenergieverbrauchs<br />
in Deutschland sowie<br />
Emissionsanteile fossiler<br />
Energieträger<br />
22
Status der internationalen Verhandlungen im<br />
Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />
die einschlägigen Analysen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung<br />
(DIW), Berlin sowie des Fraunhofer Instituts<br />
für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI), Karlsruhe<br />
verwiesen.*<br />
* Umweltbundesamt (Hrsg.), Treibhausgasminderungen in Deutschland<br />
und UK. Folge "glücklicher" Umstände oder gezielter Politikmaßnahmen,<br />
Ein Beitrag zur internationalen Klimapolitik, Berlin, Juli 2001<br />
Sektoral betrachtet, geht die erzielte CO 2 -Minderung auf deutliche Rückgänge in den<br />
Bereichen Industrie (1990 bis 1998 minus 31 %), Energieerzeugung/-umwandlung<br />
(1990 bis 1998 minus 16 %) und – seit Ende der neunziger Jahre – auch im Bereich<br />
der privaten Haushalte zurück. Dagegen wies der Verkehrsbereich im zurückliegenden<br />
Jahrzehnt deutliche Emissionsanstiege (1990 bis 1999 plus 14 %) auf.<br />
Das Ziel der nationalen Klimaschutzpolitik ist es, die Emissionstrends im Verkehr zu<br />
stoppen und letztlich umzukehren, damit die in den Jahren 2000 und 2001 erzielte<br />
leichte Emissionsminderung beibehalten und weitergeführt werden kann. Darüber hinaus<br />
müssen aber die auch weiterhin noch beachtenswerten Minderungspotenziale in der Industrie,<br />
in der Energiewirtschaft und in den privaten Haushalten ausgeschöpft werden.<br />
Zwischen 1990 und 2000 ging das Verhältnis von CO 2 -Emissionen und Bruttoinlandsprodukt<br />
deutlich um 28 % zurück. Auch die energiebedingten CO 2 -Emissionen pro Kopf<br />
der Bevölkerung nahmen überproportional um rund 18 % ab. Geht man von den temperaturbereinigten<br />
CO 2 -Emissionen im Jahr 1999 aus, so sind bis zum Jahr 2005 die<br />
CO 2 -Emissionen um weitere 9,4 Prozentpunkte oder 95 Mio. t zu reduzieren.<br />
Bei der Entwicklung der anderen Treibhausgase und Vorläufersubstanzen ergibt sich<br />
das folgende Bild: Die Methanemissionen nahmen zwischen 1990 und 1998 um 36,2 %<br />
ab, während die N 2 O-Emissionen um 27,6 % sanken. Deutliche Anstiege sind allerdings<br />
bei den H-FKW-Emissionen (1995 bis 1998 35,1 %) festzustellen, während die SF 6 -<br />
Emissionen zwischen 1995 und 1998 um 8,5 % zurückgingen. Partiell sinkende Tendenzen<br />
lassen sich bei der Gruppe der FKW’s beobachten. Insbesondere durch Maßnahmen<br />
der Aluminiumindustrie gingen die Emission von CF 4 um 23,7 % zurück,<br />
während C 2 F 6 und C 3 F 8 im Betrachtungszeitraum anstiegen (+ 31,3 % bzw. + 300 %).<br />
Insgesamt summiert sich der generell sinkende Trend der Treibhausgasemissionen in<br />
Deutschland im Zeitraum 1990 bis 2000 auf 18,5 % (ausgedrückt in CO 2 -Äquivalenzwerten<br />
nach IPCC). Deutschland ist damit vom Erreichen seiner im Rahmen der EU-Lastenteilung<br />
gegebenen Zusage (minus 21 % Minderung der sogenannten "Kyoto-Gase" –<br />
CO 2 ,CH 4 ,N 2 O, H-FKW, FKW’s, SF 6 – im Zeitraum 2008 – 2012) noch 2,5 Prozentpunkte<br />
entfernt. Es ist sogar davon auszugehen, dass der deutsche Beitrag zur EU-Lastenteilung<br />
übererfüllt werden wird. Hierdurch käme Deutschland mit Blick auf die Diskussionen<br />
über die Nutzung des Emissionshandels als Instrument einer nachhaltigen Klimaschutzpolitik<br />
eindeutig in eine Verkäuferposition.<br />
23
Plenarteil<br />
Status der internationalen Verhandlungen im<br />
Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />
Franzjosef Schafhausen<br />
* Angaben in CO 2 -Äquivalenzwerten nach IPCC<br />
Auch bei den Vorläufersubstanzen lassen sich ganz erhebliche Emissionsminderungen<br />
feststellen. Kohlenmonoxid wurde zwischen 1990 und 1998 um 51,6 % reduziert,<br />
während NMVOC um 47,1 % und NOx um 34,3 % vermindert werden konnte. Die Emission<br />
von Schwefeldioxid sank – insbesondere auch aufgrund der massiven Emissionsminderungsbemühungen<br />
im Osten Deutschlands (Rauchgasentschwefelung von Kraftwerken,<br />
Brennstoffsubstitution) aber auch durch die Einführung schwefelarmer Brennund<br />
Treibstoffe – geradezu dramatisch um 75,7 %.<br />
Bemerkenswert ist die strukturelle Entwicklung der Treibhausgasemissionen in<br />
Deutschland. Seit 1990 hat der Anteil von Kohlendioxid an der deutschen Treibhausgasbilanz<br />
deutlich zugenommen. Ende 1998 repräsentierte Kohlendioxid<br />
nahezu 87 % der gesamten Treibhausgasemissionen.*<br />
Die Klimaschutzziele<br />
Die nationale Klimaschutzpolitik der Bundesregierung richtet sich an den folgenden<br />
Zielsetzungen aus:<br />
• Reduzierung der Kohlendioxidemissionen<br />
Die Bundesregierung hält an dem Ziel, die CO 2 -Emissionen bis 2005, bezogen auf<br />
1990, um 25 % zu vermindern, unverändert fest. Das für das Jahr 2005 formulierte<br />
Ziel ist ein wichtiger Zwischenschritt im Sinne des im Kyoto-Protokoll geforderten "vorzeigbaren<br />
Fortschritts". Die Verwirklichung dieser Zielsetzung ist ein wichtiger Beitrag<br />
Deutschlands zur EU-Lastenteilung.<br />
• Reduzierung der sogenannten "Kyoto-Gase" (CO 2 ,CH 4 ,N 2 O, H-FKW’s, FKW’s und SF 6 )<br />
Im Rahmen der Reduzierung der sogenannten "Kyoto-Gase" (CO 2 ,CH 4 ,N 2 O, H-FKW’s,<br />
FKW’s, SF 6 ) auf der Grundlage des im Jahre 1998 zwischen den Mitgliedstaaten der<br />
europäischen Union vereinbarten Lastenverteilung hat sich die Bundesregierung bereiterklärt,<br />
im Zeitraum 2008 bis 2012 die THG-Emissionen (gerechnet in CO 2 -Äquivalenten<br />
nach IPCC) um 21 % gegenüber 1990 zu vermindern. Damit trägt Deutschland etwa<br />
zur Hälfte (48%) zur Erfüllung der von der Europäischen Union in Kyoto übernommenen<br />
Verpflichtung bei (Minderung der Treibhausgasemissionen der EU in der Periode<br />
2008 /2012 um insgesamt 8 % gegenüber 1990).<br />
Mittel- bis langfristige Ziele<br />
Nationale und internationale Klimaschutzpolitik darf nicht im Jahre 2005 oder 2012<br />
enden. Die Bundesregierung hält es für unbedingt erforderlich, allen Akteuren eine längerfristige<br />
Perspektive und damit verlässliche Rahmenbedingungen zu geben. Sie unterstreicht<br />
die Notwendigkeit für weitere drastische Minderungen der Treibhausgasemissionen.<br />
Über die Kyoto-Zielzone 2008/2012 hinaus wird sowohl national als auch international<br />
eine weitere drastische Minderung der Treibhausgasemissionen erforderlich<br />
sein. Die Bundesregierung geht davon aus, dass andere Industriestaaten sich zu vergleichbar<br />
anspruchsvollen Zielsetzungen verpflichten, so dass der deutschen Wirtschaft<br />
keine Nachteile im internationalen Wettbewerb entstehen. Aus Sicht des Bundesum-<br />
24
Status der internationalen Verhandlungen im<br />
Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />
weltministeriums ist – in Übereinstimmung mit den Schlussfolgerungen der beiden Klimaenquetekommissionen<br />
des Deutschen Bundestages – bis 2020 die Minderung der Treibhausgasemissionen<br />
um 40 % und bis 2050 um 80 % notwendig.<br />
Die Bundesregierung hält es für erforderlich, dass die im Kyoto-Protokoll für die erste<br />
Verpflichtungsperiode 2008 bis 2012 enthaltenen Verpflichtungen der Industriestaaten<br />
in den darauffolgenden Verpflichtungsperioden erheblich verschärft werden und dass<br />
neben den Industriestaaten (Annex B Länder) auch die Entwicklungsländer (Nicht Annex<br />
B Staaten) Begrenzungsverpflichtungen übernehmen.<br />
• Technologie- bzw. energieträgerbezogene Ziele<br />
– Verdopplung des Anteils erneuerbarer Energien an der deutschen<br />
Energieversorgung bis zum Jahre 2010 gegenüber heute<br />
– Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung mit dem Ziel der Minderung der<br />
CO 2 -Emissionen in einer Größenordnung von 10 Mio. t bis 2005 bzw.<br />
23 Mio. t bis 2010<br />
– Deutliche Steigerung der Energieproduktivität<br />
Tabelle 1<br />
Zielindikationen für<br />
die kommenden Jahre<br />
Zielindikation zur Reduktion der Kyoto-Gase<br />
Bezugsjahr Emissionen Entwicklung Veränderung<br />
1990 bzw. 1995 1998 bzw. 1999 bis 2005<br />
(FKW, H-FKW, SF 6 ) (CO 2 )<br />
Treibhausgas in Gg in Gg in Gg in Gg<br />
CO 2 -Emissionen 1.014.500 859.000 760.500 -15,5% -25% 1 -32 %<br />
(IPCC-Vorgaben)<br />
CH 4 5.571 3.555 2.871 2.628 -36% -48% -53%<br />
N 2 O 225 163 159 157 -28% -29% -30%<br />
H-FKW 2,135 2,884 14,361 18,825 35% 573% 782%<br />
CF 4 0,224 0,171 0,105 -24% -53%<br />
C 2 F 6 0,032 0,042 0,011 31% -66%<br />
C 3 F 8 0,002 0,008 300%<br />
FKW 0,258 0,221 0,281 0,340 -14% 9% 32%<br />
SF 6 0,261 0,238 0,168 0,209 -9% -36% -20%<br />
Treibhausgas<br />
Emissionen in 1.210.049 1.022.346 896.986 18,5% -25,9 % 2<br />
CO 2 -Äquivalenten<br />
NMVOC 3.225 1.703 1.380 4 995 3 -47% -57% 4 - 69% 3<br />
NO x 2.709 1.780 1.421 4 1.051 3 -34% -48% 4 - 61% 3<br />
CO 11.219 5.425 5.400 -52% -52%<br />
SO 2 5.321 1.290 867 4 520 3 -76% -84% 4 - 90% 3<br />
1<br />
Zielsetzung der Bundesregierung<br />
2<br />
Unter Berücksichtigung der Zielsetzung der Bundesregierung zur Minderung der CO 2 -Emissionen<br />
3<br />
Zielsetzung entsprechend Beschluss des EU-Umweltrates vom 22.6.2000 zur NEC-Richtlinie<br />
4<br />
entsprechend Referenzszenario Umweltbundesamt zur NEC-Richtlinie<br />
25
Plenarteil<br />
Status der internationalen Verhandlungen im<br />
Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />
Franzjosef Schafhausen<br />
Die Einbindung des nationalen Programms<br />
Angesichts der globalen Dimensionen des Klimaproblems reichen nationale Alleingänge<br />
zur Problemlösung nicht aus. Erforderlich ist eine EU-weit und international abgestimmte<br />
Strategie. Vor diesem Hintergrund beobachtet die Bundesregierung mit großer<br />
Sorge, dass die Entwicklung der Treibhausgasemissionen in den meisten westlichen Industrieländern<br />
deutlich nach oben zeigt. Lediglich in Großbritannien, Luxemburg,<br />
Frankreich, Finnland und Deutschland sind die Emissionstrends nach unten gerichtet.<br />
Die Zeiten der drastischen Emissionsrückgänge in den Ländern Mittel- und Osteuropas<br />
nähern sich ebenfalls ihrem Ende. Zahlreiche Länder dieser Region melden wieder ansteigende<br />
Tendenzen.<br />
Zum Bündel klimapolitischer Maßnahmen<br />
Die Interministerielle Arbeitsgruppe "CO 2 -Reduktion" ging bei ihren Beratungen von den<br />
folgenden Minderungszielen in den einzelnen Sektoren aus:<br />
• Private Haushalte und Gebäudebereich 18 – 25 Mio. t,<br />
• Energiewirtschaft und Industrie 20 – 25 Mio. t,<br />
• Verkehr 15 – 20 Mio. t.<br />
Sollte sich bei der Umsetzung des Klimaschutzprogramms zeigen, dass der Minderungsbeitrag<br />
einzelner Sektoren durch bestimmte Maßnahmen nicht erbracht werden<br />
kann, sind zunächst andere Maßnahmen in diesem Sektor zu prüfen. Sollte sich dann<br />
noch immer ein Minderungsdefizit ergeben, muss dies durch verstärkte Anstrengungen<br />
in anderen Sektoren kompensiert werden.<br />
Um die für die Realisierung des 25 %-Ziels noch bestehende Lücke (50 – 70 Mio. t CO 2 )<br />
zu schließen, hat die Bundesregierung mehr als 60 zusätzlichen Maßnahmen beschlossen.<br />
Dazu zählen insbesondere die nachfolgend genannten Maßnahmen (Beschlusslage<br />
18. Oktober 2000).<br />
1. Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK)<br />
2. Verabschiedung der Energieeinsparverordnung<br />
3. Förderprogramm zur CO 2 -Minderung im Gebäudebestand<br />
4. Erklärung der Deutschen Wirtschaft zur Klimavorsorge<br />
5. Maßnahmenbündel für den Verkehrsbereich<br />
6. Selbstverpflichtung der Bundesregierung<br />
7. Weitere Treibhausgase<br />
26
Status der internationalen Verhandlungen im<br />
Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />
Gesamtübersicht der CO 2 -Minderungsbeiträge<br />
Tabelle 2<br />
Handlungsbereich Durch das neue Klimaschutzprogramm Durch das neue Klimaschutzprogramm<br />
der Bundesregierung erschlossene der Bundesregierung erschlossene<br />
Minderungsbeiträge in Mio. t CO 2 Minderungsbeiträge in Mio. t CO 2<br />
bis zum Jahre 2005 1 bis zum Jahre 2010<br />
Ökologische Steuerreform 10 Mio. t 20 Mio. t<br />
(Minderungsbeitrag als Summe<br />
(Minderungsbeitrag als Summe<br />
aller Sektoren)<br />
aller Sektoren)<br />
Gebäudebereich<br />
13 – 20 Mio. t<br />
(Heizung /Brauchwasser)<br />
Private Haushalte<br />
5 Mio. t<br />
außer Gebäudebereich<br />
(Strom und ähnliches)<br />
Industrie<br />
15 – 20 Mio. t<br />
Verkehr<br />
15 – 20 Mio. t<br />
Energiewirtschaft<br />
20 Mio. t<br />
Erneuerbare Energien 13 – 15 Mio. t etwa 20 Mio. t<br />
Abfallwirtschaft 15 Mio. t 20 Mio. t<br />
Landwirtschaft<br />
nicht quantifizierbar<br />
Gesamteffekt<br />
unter Berücksichtigung<br />
von Doppelzählungen<br />
90 – 95 Mio. t<br />
nachrichtlich:<br />
Senkenfunktion 30 Mio. t 30 Mio. t<br />
des deutschen Waldes<br />
1 Die Zahlen in dieser Spalte setzen sich zusammen aus Minderungseffekten bereits verabschiedeter Maßnahmen (24 – 34 Mio. t) und den auf der<br />
Grundlage dieses Berichtes zusätzlich verabschiedeten Maßnahmen.<br />
Eine komplette Übersicht über alle am 18. Oktober 2000 zusätzlich<br />
verabschiedeten Maßnahmen enthält das vom Bundesumweltministerium<br />
veröffentlichte "Klimaschutzprogramm der<br />
Bundesregierung". 2<br />
2 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit<br />
(Hrsg.),<br />
Nationales Klimaschutzprogramm , Fünfter Bericht der Interministeriellen<br />
Arbeitsgruppe "CO 2 -Reduktion", Berlin 2001<br />
Die Einbindung aller Ebenen und aller Akteure<br />
Das Klimaschutzprogramm versucht, alle Ebenen von Wirtschaft und Gesellschaft und<br />
alle Akteure einzubinden. So werden die bestehenden Programme der Länder dargestellt,<br />
die Anstrengungen der Städte und Gemeinden gewürdigt<br />
und die Rahmenbedingungen für den kommunalen Klimaschutz<br />
kritisch analysiert sowie die Beiträge der Wirtschaft 3 und anderer<br />
gesellschaftlich relevanter Gruppen erläutert.<br />
3<br />
Vereinbarung zwischen der Regierung der Bundesrepublik<br />
Deutschland und der deutschen Wirtschaft zur Klimavorsorge<br />
vom 9. November 2000<br />
27
Plenarteil<br />
Status der internationalen Verhandlungen im<br />
Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />
Franzjosef Schafhausen<br />
3. Zum Stand der Umsetzung<br />
Unmittelbar nach Verabschiedung des neuen Klimaschutzprogramms der Bundesregierung<br />
setzte die Umsetzung zentraler Maßnahmen ein. Dabei handelte es sich vor allem<br />
um die Selbstverpflichtungserklärung der Deutschen Wirtschaft zur Klimavorsorge, um<br />
Maßnahmen für die Erhaltung, Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung,<br />
um die Verabschiedung der Energieeinsparverordnung, um das Angebot von zinsgünstigen<br />
Krediten im Rahmen des KfW-Klimaschutzprogramms und um die Biomasseverordnung.<br />
(1) Die Selbstverpflichtungserklärung der Deutschen Wirtschaft zur Klimavorsorge<br />
Die Selbstverpflichtung der deutschen Wirtschaft soll bis zum Kyoto-Zieljahr 2012 fortgeführt<br />
werden. Dabei sind die bisher einseitigen Erklärungen von Bundesregierung und<br />
Wirtschaft durch eine von beiden Seiten am 9. November 2000 in Berlin unterzeichnete<br />
langfristige "Vereinbarung zwischen der Regierung der Bundesrepublik und deutschen<br />
Wirtschaft zur Klimavorsorge" abgelöst worden. Die Wirtschaft erklärt darin ihre Bereitschaft,<br />
ihre spezifischen CO 2 -Emissionen bis 2005 um 28 % und ihre spezifischen<br />
Emissionen über alle sechs im Kyoto-Protokoll genannten Treibhausgase bis 2012 um<br />
35 % gegenüber 1990 zu mindern. Die Bundesregierung und die deutsche Wirtschaft<br />
gehen davon aus, dass damit die Emissionsvolumina im Jahre 2005 um zusätzlich 10<br />
Mio. t CO 2 und im Jahre 2012 nochmals um zusätzlich 10 Mio. t CO 2 -Äquivalente gegenüber<br />
der bisherigen Selbstverpflichtungserklärung gesenkt werden können.<br />
(2) Maßnahmen zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung<br />
Im März 2000 hatte der Deutsche Bundestag das Gesetz zum Schutz der Stromerzeugung<br />
aus Kraft-Wärme-Kopplung (Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz) beschlossen. Zweck<br />
dieses Gesetzes sollte der befristete Schutz der Kraft-Wärme-Kopplung der allgemeinen<br />
Versorgung sein.<br />
Obschon die Bundesregierung am 26. Juli und 18. Oktober 2000 das Bundeswirtschaftsministerium<br />
beauftragt hatte, gemeinsam mit dem Bundesumweltministerium<br />
bis Jahresende 2000 Eckpunkte für eine Quotenregelung zum Ausbau der Kraft-Wärme-<br />
Kopplung und einen Gesetzentwurf so rechtzeitig vorzulegen, dass das Gesetzgebungsverfahren<br />
spätestens bis Mitte 2001 abgeschlossen werden konnte, entwickelte sich die<br />
politische Entscheidung in eine völlig andere Richtung.<br />
Aufgrund nachhaltiger Interventionen insbesondere aus der Elektrizitätswirtschaft aber<br />
auch aus einzelnen Bundesländern sollen nunmehr die Zielsetzungen der Bundesregierung<br />
im Bereich der Kraft-Wärme-Kopplung durch ein Maßnahmenbündel aus einer<br />
übergreifenden Selbstverpflichtung vor allem der Elektrizitätswirtschaft und einem<br />
KWK-Gesetz verwirklicht werden. Das neue KWK-Gesetz ist am 1. April 2002 in Kraft getreten.<br />
Es sieht begrenzte Aufschläge auf die Strompreise der Industrie (maximal<br />
28
Status der internationalen Verhandlungen im<br />
Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />
0,1 Pfg/kWh) sowie prinzipiell unbegrenzte Aufschläge auf die Strompreise der Tarifabnehmer<br />
vor. Das Aufkommen von 8,7 Mrd. DM bis zum Jahre 2010 soll zur Förderung<br />
der Kraft-Wärme-Kopplung verwendet werden (Zahlung von definierten Vergütungssätzen<br />
für Strom aus bestimmten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen). Die Arbeitsteilung zwischen<br />
den verschiedenen Instrumenten sieht so aus, dass das Gesetz bis 2010 einen<br />
Beitrag von 12,5 Mio. t CO 2 -Minderung leisten soll, während über die Zusage der Elektrizitätswirtschaft<br />
weitere 12,5 Mio. t CO 2 -Minderung erbracht werden soll. Insgesamt<br />
hat sich die gesamte deutsche Wirtschaft durch die Vereinbarung zur Klimavorsorge<br />
vom 9. November 2000 und die ergänzende KWK-Vereinbarung dazu verpflichtet, insgesamt<br />
45 Mio. t Kohlendioxid bis zum Jahre 2010 (Basisjahr 1998) zu mindern.<br />
(3) Die Energieeinsparverordnung<br />
Nach einem jahrelangen Verhandlungsmarathon hat das Bundeskabinett im Juni 2001<br />
die Energieeinsparverordnung verabschiedet, die nach Zustimmung des Bundesrates<br />
am 1. Februar 2002 in Kraft getreten ist. Diese Verordnung wird das Anforderungsniveau<br />
der Wärmeschutzverordnung von 1995 um rund 30 % verschärfen (spezifischer<br />
Energieverbrauch von Gebäuden) und als umweltpolitisch zu begrüßendes Novum den<br />
primärenergetischen Ansatz einführen. Prinzipiell soll damit eine Wettbewerbsgleichheit<br />
zwischen den einzelnen Energieträgern nach physikalischen Gesetzmäßigkeiten hergestellt<br />
werden. Leider ist dieses Ziel im Verlauf des politischen Abstimmungsprozesses<br />
deutlich verwässert worden. Auf der Grundlage der Maßgabebeschlüsse des Bundesrates<br />
vom 13. Juli 2001 wurde der Bonus für die Stromanwendung deutlich verbessert. Insgesamt<br />
werden mit der Verordnung die derzeitigen technischen Möglichkeiten nur ansatzweise<br />
ausgeschöpft. Während der Umsetzung des Verordnung wird ein begleitendes Monitoring<br />
zeigen müssen, ob die von der Bundesregierung gesetzten Ziele erreicht werden.<br />
(4) Die Biomasseverordnung<br />
Auf der Grundlage des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) wurde mittlerweile auch<br />
die Biomasseverordnung verabschiedet. Bis zu einer Größe von 20 MW t h wird nunmehr<br />
der mittels Biomasse erzeugte Strom mit festen, nach verschiedenen Kriterien aber differenzierten<br />
Einspeisevergütungen gefördert. Die Verordnung schließt eine bislang bestehende<br />
Lücke und soll die erhebliche CO 2 -Minderungspotential durch Biomasseverbrennung<br />
erschließen helfen.<br />
Neben den genannten Regelungen sind auch andere Maßnahmen mittlerweile im Umsetzungsstadium.<br />
Dies betrifft zum Beispiel das Zukunftsinvestitionsprogramm, die Informationskampagnen<br />
zur Klimavorsorge und im Verkehrsbereich sowie die streckenabhängige<br />
Autobahngebühr für schwere LkW (Schwerlastabgabe).<br />
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass erstmals die marktbedingten Erhöhungen<br />
der Tankstellenpreise für Benzin und Superkraftstoffe gemeinsam mit der<br />
29
Plenarteil<br />
Status der internationalen Verhandlungen im<br />
Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />
Franzjosef Schafhausen<br />
Ökologischen Steuerreform zu einem deutlichen und wohl mittelfristig anhaltenden Verbrauchsrückgang<br />
der genannten Energieträger geführt hat. Eine derartige Entwicklung<br />
war bislang immer mit Hinweis auf die mangelnde Preiselastizität in diesem Marktsegment<br />
für mittel- bis langfristig unmöglich gehalten worden.<br />
4. Energieträgerbezogene Auswirkungen<br />
Die Bundesregierung hat den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen. Die dadurch<br />
erforderliche Umstrukturierung der Energieversorgung muss den technologischen, ökologischen<br />
und energiewirtschaftlichen Erfordernissen Rechnung tragen.<br />
Bis 2005 müssen Kernkraftwerke mit einer Stromerzeugung von etwa 8 Mrd. kWh/a ersetzt<br />
werden. Je nach unterstellter Substitution durch Einsatz vorhandener oder neu zu<br />
errichtender GuD-Anlagen (auf Erdgasbasis), Steinkohle- oder Braunkohlekraftwerke<br />
entstehen zusätzlich 3 – 7 Mio. t CO 2 .<br />
Von 2006 bis 2010 wären Kernkraftwerke mit einer Stromerzeugung von rund 19 Mrd.<br />
kWh/a (zusätzlich 7 – 17 Mio. t CO 2 ) und von 2011 bis 2020 weitere Kernkraftwerke<br />
mit einer Stromerzeugung von rund 87 Mrd. kWh/a (zusätzlich 33 – 74 Mio. t CO 2 ) zu<br />
ersetzen. Unter dem Aspekt einer konsequenten Klimaschutzpolitik erfordert der Ausstieg<br />
aus der Kernenergie ein alle Bereiche einschließendes Konzept, um mittelfristig<br />
CO 2 -neutral, langfristig sogar CO 2 -mindernd ausgestaltet zu werden. Kurz- bis mittelfristig<br />
werden die im Rahmen dieses Klimaschutzprogramms beschlossenen Maßnahmen<br />
dazu beitragen, dass der Ausstieg aus der Kernenergie zu keinen klimaschutzpolitischen<br />
Nachteilen führt.<br />
Dass dieser Weg technisch und zu volkswirtschaftlich darstellbaren Konditionen beschritten<br />
werden kann, zeigen Studien, die vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz<br />
und Reaktorsicherheit in Auftrag gegeben wurden. Ganz entscheidend für die Ergebnisse<br />
der Untersuchungen ist dabei der gewählte Zeitpfad. Die Studie des Wuppertal<br />
Instituts "Bewertung eines Ausstiegs aus der Kernenergie aus klimapolitischer Sicht"<br />
aus dem Jahre 2000, die bereits zitierte Untersuchung "Politikszenarien I und II" sowie<br />
die Studie der PROGNOS AG "Arbeitsplätze durch Klimaschutz" belegen, dass ein vollständiger<br />
Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland selbst vor dem Jahre 2020 ohne<br />
klimaschutzpolitisch negative Effekte möglich ist.<br />
B. Brüsseler Trends – Die EU - Klimastrategie<br />
Die Aktivitäten der EU-Kommission in den letzten beiden Jahren waren geprägt von der<br />
Erkenntnis, dass die EU als Ganzes im "business-as-usual-case" ihre in Kyoto 1997<br />
übernommenen Verpflichtungen deutlich verfehlen würde. Dies ist das Ergebnis wissenschaftlicher<br />
Studien, die Anfang 2000 vorlagen. Die alarmierende Aussage lautete damals:<br />
Anstatt dem im Kyoto übernommenen Ziel "Minderung der Treibhausgase um 8 %<br />
in der Periode 2008 – 2012 (Basisjahr 1990)" sehr nahe gekommen zu sein, wird der<br />
30
Status der internationalen Verhandlungen im<br />
Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />
Umfang der vom Territorium der Europäischen Union emittierten Treibhausgase im Jahre<br />
2012 rund 1 % höher liegen als im Basisjahr 1990 (vgl. nachstehende Tabelle).<br />
Die Schlussfolgerung der EU-Kommission: Da die Mitgliedsstaaten offensichtlich mit<br />
nationalen Politiken und Maßnahmen nicht in der Lage sind, die erforderlichen Minderungsbeiträge<br />
zu realisieren (vgl. Tabelle unten), sind zusätzliche gemeinschaftliche<br />
Maßnahmen unabdingbar.<br />
Dies war der Startschuss für das Europäische Klimaschutzprogramm (ECCP = European<br />
Climate Change Programme). Im Rahmen eines umfangreichen Verfahrens an dem<br />
nicht nur Vertreter der Regierungen der Mitgliedsstaaten, sondern auch Industrievertreter<br />
und Vertreter der Umweltverbände beteilt waren wurden vom Frühjahr 2000 bis zum<br />
Juli 2001 Empfehlungen ausgearbeitet. Die Ergebnisse dieses Prozesses konzentrieren<br />
sich auf die Bereiche "Flexible Mechanismen", "Nachfragebezogene Maßnahmen", "Energiewirtschaft",<br />
"Industrie", "Verkehr" sowie "Fluorierte Gase".<br />
Treibhausgas – Minderungspotentiale innerhalb der Europäischen Union<br />
Tabelle 3<br />
Grenzkosten 20 $/t THG-Emissionen Baseline Emissionen 2010 Kosteneffizientes<br />
CO 2 -Äquivalent 1990 bzw. 1995 nach Maßgabe Potenzial über den<br />
Mt CO 2 -Äquivalent "business as usual” "business as usual"-<br />
Fall hinaus<br />
Energiewirtschaft 1.422 minus 6 % minus 13 %<br />
Industrie 757 minus 9 % minus 12 %<br />
Verkehr 753 plus 31 % minus 4 %<br />
Haushalte 447 plus/minus 0 % minus 6 %<br />
Kleinverbrauch 176 plus 14 % minus 15 %<br />
Landwirtschaft 417 minus 5 % minus 4 %<br />
Abfallwirtschaft 166 minus 18 % minus 13 %<br />
EU insgesamt 4138 plus 1 % minus 9 %<br />
Treibhausgas – Minderungspotentiale<br />
innerhalb der<br />
Europäischen Union unter<br />
Kosteneffizienzkriterien für<br />
alle relevanten Sektoren bis<br />
2012 (einschließlich der<br />
Umsetzung der Selbstverpflichtung<br />
der Europäischen<br />
Automobilindustrie)<br />
Das Ergebnis des einjährigen Diskussionsprozesses: Es wurden 40 kosteneffiziente<br />
Maßnahmen identifiziert. Mit einem jährlichen Treibhausgas-Minderungspotenzial von<br />
664 – 765 Mt CO 2 - Äquivalente erschließen diese Maßnahmen ein Reduktionspotential,<br />
das dem Doppelten des von der EU in Kyoto übernommenen Ziels entspricht. Die von<br />
der EU-Kommission ermittelten Gesamtkosten für die Realisierung der EU-Ziels mit den<br />
kosteneffizientesten Maßnahmen liegen 2010 bei 3,7 Billionen Euro oder bei 0,06 %<br />
des Bruttoinlandsprodukts.<br />
31
Plenarteil<br />
Status der internationalen Verhandlungen im<br />
Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />
Tabelle 4<br />
Franzjosef Schafhausen<br />
EU-burden sharing, Emissionsentwicklung 1990 bis 1999<br />
EU-burden sharing,<br />
Emissionsentwicklung 1990<br />
bis 1999 sowie Zielerreichungsgrade<br />
der einzelnen<br />
Mitgliedsstaaten<br />
EU-Mitgliedsstaat Ziele für die Emissionstrends bis 2008 – 2012<br />
Verpflichtungsperiode zwischen zu leistende<br />
2008 – 2012 1990 und 1999 Emmissionsnach<br />
dem “burden<br />
minderung<br />
sharing” von 1998<br />
Belgien minus 7,5 % plus 2,6 % minus 10,1 %<br />
Dänemark minus 21 % plus 4 % minus 25 %<br />
Finnland plus/minus 0 % minus 1,1 % Ziel erreicht<br />
Frankreich plus/minus 0 % minus 0,2 % Ziel erreicht<br />
Deutschland minus 21 % minus 18,7 % minus 2,3 %<br />
Griechenland plus 25 % plus 16,9 % Ziel erreicht,<br />
aber weiter<br />
steigender Trend<br />
Irland plus 13 % plus 22,1 % minus 9,1 %<br />
Italien minus 6,5 % plus 4,4 % minus 10,9 %<br />
Luxemburg minus 28 % minus 43,3 % Ziel erreicht<br />
Niederlande minus 6 % plus 6,1 % minus 12,1 %<br />
Österreich minus 13 % plus 2,6 % minus 15,6 %<br />
Portugal plus 27 % plus 22,4 % Ziel erreicht,<br />
aber weiter<br />
steigender Trend<br />
Spanien plus 15 % plus 23,2 % minus 8,2 %<br />
Schweden plus 4 % plus 1,5 % Ziel erreicht<br />
Vereinigtes Königreich minus 12,5 % minus 14 % Ziel erreicht<br />
EU insgesamt minus 8 % minus 4 % minus 4 %<br />
Quelle: Europäische Kommission 2001<br />
Der Schwerpunkt der Maßnahmen liegt in den folgenden Bereichen:<br />
• Einführung eines EU-weiten Emissionshandels<br />
• Verstärkter Einsatz erneuerbarer Energien<br />
• Verbesserung der Energieeffizienz im Gebäudebereich<br />
• Verschärfung der Energiestandards von Haushaltsgeräten sowie Geräten<br />
der Kommunikations- und Unterhaltungstechnik<br />
• Energieverbrauchsmanagement<br />
• Intensivere Nutzung der Kraft-Wärme-Kopplung<br />
• Bessere Kontrolle der fluorierten Treibhausgase durch Wartung,<br />
Dichtigkeitsprüfungen und Monitoring<br />
• Klimaeffizienter "modal split" im Verkehr durch verbesserte Infrastruktur,<br />
Nutzung von Gebühren und Abgaben<br />
Wegen der derzeit sehr kontroversen und zum Teil mit völlig falschen Argumenten<br />
geführten Diskussion über die Einführung eines EU-weiten Handels mit Treibhausgasemissionen<br />
einige Ausführungen zu dieser Frage. Die Grundstruktur des von der EU-Kommis-<br />
32
Status der internationalen Verhandlungen im<br />
Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />
sion am 23. Oktober 2001 vorgelegten Richtlinienvorschlags ergibt sich aus der nachfolgenden<br />
Übersicht:<br />
Grundstruktur des Richtlinienvorschlags der EU-Kommission zur Einführung eines<br />
EU-weiten Handels mit Treibhausgasen<br />
• Verbindliches Konzept<br />
• Anlagenbezug (> 20 MW Feuerungswärmeleistung) bzw. Erfassung der<br />
energieintensiven Sektoren<br />
• Grundsätzlich alle "Kyotogase" – Start mit CO 2<br />
• Einführungsphase 2005 – 2007<br />
• Endgültige Phase 2008 – 2012 – nach 2012 jeweils Verlängerung um 5 Jahre<br />
• Aufstellung "Nationaler Allokationspläne" für alle Sektoren<br />
• Allokationsmethode "grandfathering"<br />
• Allokationsregeln (Anhang III) berücksichtigen technische Möglichkeiten,<br />
Bedarf/ Wachstum, New comer und early action<br />
• burden sharing" von 1998 bleibt unberührt<br />
• 46 % der geschätzten CO 2 -Emissionen der EU in 2010 erfasst<br />
Betrachtet man die Möglichkeiten, die der Kommissionsvorschlag bei der Ausgestaltung<br />
des nationalen Allokationsplans vorsieht, so zeigt sich, dass ein völlig ausreichender Gestaltungsspielraum<br />
zur Berücksichtigung deutscher Anliegen existiert.<br />
Die Mär von der "Wachstumsbremse" erweist sich schon deshalb als falsch, weil bei der<br />
kostenlosen Zuteilung der Emissionsrechte nicht nur das technische Potential der jeweiligen<br />
Anlage berücksichtigt werden kann, sondern auch der Bedarf und – was besonders<br />
wichtig vor dem Hintergrund der von Deutschland und nicht zuletzt auch von der<br />
deutschen Wirtschaft geleisteten frühzeitigen Minderungen von Treibhausgasemissionen<br />
ist – sogenannte "early action".<br />
Auch das Drohen mit Arbeitsplatzverlusten kann nicht überzeugen, weil die Abschätzungen<br />
mit denen dies bewiesen werden soll vom worst case und der falschen Annahme<br />
ausgehen, dass jede Tonne CO 2 bezahlt werden muss. Die Tatsache, dass die Erstallokation<br />
nach dem EU-Richtlinienentwurf kostenlos erfolgen soll und dass Deutschland<br />
und die deutsche Wirtschaft aller Voraussicht nach als Verkäufer von Emissionsrechten<br />
auftreten wird und nicht die Nachfrage nach Emissionszertifikaten anheizen dürfte wird<br />
dabei offensichtlich bewusst ignoriert.<br />
Auch das Argument, dass mit dem Emissionshandel "Stilllegungsprämien" gezahlt werden<br />
würden und die deutsche Wirtschaft aus dem Lande getrieben würde ist eigentlich<br />
so unsinnig, dass man gar nicht erst darauf eingesehen sollte. Hier nur soviel: Keinem<br />
vernunftbegabten Ökonomen, aber auch keinem konsequenten Ökologen würde es im<br />
Traum einfallen, eine solche "Stilllegungsprämien" im Rahmen eines Emissionshandels<br />
zu konstruieren.<br />
33
Plenarteil<br />
Status der internationalen Verhandlungen im<br />
Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />
Franzjosef Schafhausen<br />
Betrachtet man insgesamt die Situation der deutschen Wirtschaft, so muss man sich<br />
fragen, ob die Fundamentalkritiker des Emissionshandels nicht die Fakten zu Kenntnis<br />
nehmen wollen und ob ihr Bewertungsmaßstab nicht völlig unrealistisch geworden ist:<br />
So ist Deutschland im letzten Jahr in der Gunst ausländischer Investoren massiv gestiegen.<br />
Während Deutschland in 2001 Zuwächse zu verzeichnen hatte, erlitten Großbritannien<br />
und Frankreich deutliche Einbußen. 1 Man kann sich schwer vorstellen, dass ausländische<br />
Investoren in ein Land hinein investieren, von dem zu erwarten ist, dass die Einführung<br />
eines umweltpolitischen Instruments zu dem führt, was mit dem<br />
Morgenthau-Plan nach dem Zweiten Weltkrieg bewirkt werden sollte.<br />
1 Mehr Direktinvestitionen, in: Handelsblatt 11. April 2002<br />
2 Deutsche Exportwirtschaft kann ihren Anteil am Weltmarkt<br />
ausbauen, in: Handelsblatt 11. April 2002<br />
Dies gilt im selben Maße für den Export. 2001 erwirtschaftete die deutsche Wirtschaft<br />
ihr zweitbestes Exportergebnis seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. Gegenwärtig<br />
rechnen die Prognostiker mit einem weiteren Anstieg<br />
des Exportüberschusses im Verlauf dieses Jahres. Deutschland<br />
erwirtschaftete 2001 erstmals wieder einen Überschuss<br />
in der chronisch defizitären Zahlungsbilanz. 2 Auch vor diesem<br />
Hintergrund nimmt sich das Argument, ausgerechnet<br />
der Emissionshandel würde die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen<br />
Wirtschaft zerschlagen, äußerst merkwürdig aus.<br />
Weshalb in dieser Situation massive und teure Werbekampagnen der Chemischen Industrie<br />
gegen die Emissionshandel lanciert werden statt sich konstruktiv mit der Umsetzung<br />
deutscher Interessen im Rahmen eines EU-weiten Konzepts auseinander zu setzen,<br />
bleibt für den Betrachter weitgehend im Dunkeln!<br />
Es muss sich mehr und mehr der Eindruck verfestigen, dass es den Kritikern gar nicht<br />
um das Instrument geht, sondern vielmehr die klimaschutzpolitischen Ziele ungeliebt<br />
sind, man dies aber – aus welchen Gründen auch immer – nicht aussprechen will. Ferner<br />
stärkt der eigentlich unbegründete Widerstand aus der deutschen Industrie die Vermutungen<br />
derjenigen, die seit Existenz der Selbstverpflichtungserklärung der deutschen<br />
Wirtschaft zur Klimavorsorge nicht müde werden zu behaupten, dass die hier gesetzten<br />
Zielen allenfalls "business as usual" seien und von einem anspruchsvollen<br />
klimaschutzpolitischen Beitrag der deutschen Wirtschaft nicht die Rede sein könne. Der<br />
Chronist muss hier anmerken, dass diese Stimmen nicht nur aus der Umweltbewegung<br />
stammen, sondern sich darunter auch ernst zu nehmende Vertreter deutscher Unternehmen<br />
befinden.<br />
Was bleiben muss ist<br />
• Das prinzipielle Gutheißen des EU-Richtlinienentwurfs,<br />
• Das konstruktive Mitwirken an der Ausgestaltung dieses Richtlinienentwurfs sowie<br />
der Versuch, deutsche Anliegen in dem Entwurf zu verankern.<br />
34
Status der internationalen Verhandlungen im<br />
Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />
Fundamentalopposition macht auch deshalb keinen Sinn, weil die Signale sowohl im<br />
EU-Rat als auch im EU-Parlament auf "Grün" stehen. Zudem wird die Entscheidung über<br />
die Einführung des Emissionshandels mit qualifizierter Mehrheit gefasst werden (Art.<br />
175.1 EWGV), so dass Deutschland – unterstellt, dass die Bundesregierung dies wollte<br />
– nicht in der Lage wäre, eine positive Ratsentscheidung aufzuhalten.<br />
Aus Sicht der Bundesregierung bedeutet dies: Arbeiten am vorliegenden Richtlinienentwurf<br />
mit den folgenden Zielen:<br />
• Schaffung einer aus Freiwilligkeit setzenden Pilotphase für den Zeitraum 2005 bis<br />
2007, bevor der EU-weite Emissionshandel im Jahre 2008 verbindlich in Kraft<br />
tritt,<br />
• Formulierung von eindeutigen und transparenten Regeln für die Erstallokation der<br />
Emissionsrechte schon um Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedsstaaten<br />
zu verhindern,<br />
• Klärung des Zusammenwirkens bzw. der Verhältnisses zwischen dem EU-weiten<br />
Emissionshandel und anderen bereits wirksamen Instrumenten wie der Ökologischen<br />
Steuerreform, der Klimaschutzvereinbarung mit der deutschen Wirtschaft,<br />
dem EEG, dem KWK-G und der IVU-Richtlinie.<br />
• Sicherstellen eine konsequenten Kontrolle und spürbarer Sanktionsmaßnahmen<br />
für den Fall, dass Anlagenbetreiber die gesetzten Regeln verletzen.<br />
• Einbeziehen der projektbezogenen Mechanismen "Joint Implementation" und "Clean<br />
Development Mechanism" von Beginn an.<br />
• Öffnen des Richtlinienentwurfs auch für andere Sektoren und Akteure (z.B. private<br />
Haushalte und Verkehr).<br />
C. Zum Stand der internationalen Klimaschutzverhandlungen<br />
Die Siebte Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention (7.VSK oder CoP7),<br />
die vom 29. Oktober bis zum 10. November 2001 in Marrakesch, Marokko, stattfand<br />
hat nach einem äußerst langwierigen Verhandlungsprozess mit den Stationen Rio de Janeiro<br />
1992, Berlin 1995 (1.VSK), Genf 1996 (2. VSK), Kyoto 1997 (3.VSK), Buenos Aires<br />
1998 (4.VSK), Bonn 1999 (5.VSK), Den Haag 2000 (6.VSK) und erneut Bonn 2001<br />
(Fortsetzung der 6. VSK) einen wichtigen Schritt in den internationalen<br />
Klimaschutzverhandlungen vollzogen. Am 10. November 2001 wurden<br />
die sogenannten "Marrakesh - Accords" 1 angenommen. Damit wurde die<br />
politische Einigung von Bonn 2001 2 so konkretisiert, dass das Kyoto-<br />
Protokoll nunmehr umgesetzt werden kann. Seit Marrakesch verfügt die<br />
internationale Staatengemeinschaft über Prinzipien, Modalitäten, Verfahren,<br />
Regeln und Leitlinien mit denen das Kyoto-Protokoll handhabbar<br />
und umsetzbar gemacht worden ist. Alle erforderlichen Detailregelungen liegen vor und<br />
die nationalen Maßnahmen zur Erbringung der Emissionsminderungs- bzw. Emissionsbegrenzungsverpflichtungen<br />
der einzelnen Vertragsstaaten sind jetzt erkennbar.<br />
1 Verfügbar über die Startseite des UN-Klimasekretariats<br />
in Bonn unter http://www.unfccc.de/index.html<br />
2 Verfügbar in deutscher Sprache über die Startseite<br />
des Bundesumweltministeriums unter<br />
http://www.bmu.de/download/dateien/kyoto Bonn.pdf<br />
35
Plenarteil<br />
Status der internationalen Verhandlungen im<br />
Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />
Franzjosef Schafhausen<br />
Will man den derzeitigen Stand der internationalen Klimaschutzpolitik beschreiben, so<br />
befindet sie sich derzeit in einem Spannungsfeld zwischen wissenschaftlichen Warnungen<br />
und einer zunehmenden politischen Verweigerungshaltung:<br />
• IPCC weist nachdrücklich darauf hin, dass der steigende Trend beim Zuwachs<br />
der Treibhausgasemissionen überdeutlich und vom Menschen verursacht ist.<br />
• Die bislang von den Industriestaaten eingeleiteten Aktivitäten reichen deshalb bei<br />
weitem nicht aus, um zu einer Trendumkehr und zu einer Entkopplung zwischen<br />
Wirtschaftswachstum und Anstieg der Treibhausgasemissionen zu kommen.<br />
• Die US-amerikanische Regierung hat im Februar 2001 den weltweit größten Emittenten<br />
von Treibhausgasen der internationalen Klimaschutzpolitik entzogen.<br />
Es muss in dieser Situation gelingen, die Schere zwischen den technischen und den<br />
wirtschaftlichen Möglichkeiten zu schließen – international, regional und national. Dies<br />
lag auch den Bemühungen bei der Ausgestaltung der Regeln des Kyoto-Protokolls zugrunde.<br />
Umweltpolitische Anliegen in Einklang mit den wirtschaftspolitischen Erfordernissen<br />
zu bringen lautete das – nicht immer von allen Teilnehmern an den Verhandlungen<br />
erkannte – Ziel. Der Versuch einer Symbiose zwischen Ökologie und Ökonomie wurde<br />
– bei sich zunehmend verschlechternden weltwirtschaftlichen Verhältnissen – mit<br />
zeitlicher Entfernung von Kyoto immer deutlicher.<br />
Alle im Kyoto-Protokoll verfügbaren Ventile wurden geöffnet:<br />
• die Anwendung der Regeln für die Senken,<br />
• die sogenannten "flexiblen" Mechanismen Joint Implementation (Art. 6 KP), Clean<br />
Development Mechanism (Art. 12 KP) und emissions trading (Art. 17 KP),<br />
• der Berichterstattung und des Monitoring (Art. 5,7,8 KP),<br />
• der Erfüllungskontrolle (Art.18 KP)<br />
wurden genutzt. Es muss sich nun zeigen, ob die gefundenen Regeln sich im praktischen<br />
Einsatz auch bewähren. Vor der Bewährung hat allerdings das Procedere noch eine<br />
weitere Hürde gesetzt: Erst die Erste Tagung der Vertragsparteien des Kyotoprotokolls<br />
(sogenannte MoP1) wird die von CoP7 zur Annahme empfohlenen Regeln beschließen<br />
können. Die Konsequenz: Frühestens 2003 werden wir endgültig wissen, wie die Regeln<br />
für die 1. Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls (2008 – 2012) aussehen.<br />
Dennoch haben die Beschlüsse von Bonn und Marrakesch Klarheit und Rechtssicherheit<br />
gebracht. Sie haben auch deutlich gemacht, dass sich das Gros der Industriestaaten<br />
seiner Verantwortung stellt, obwohl der weitweit größte Emittent von Treibhausgasen –<br />
die USA – auf der Flucht vor dieser Verantwortung ist und sich allenfalls bereit findet etwas<br />
mehr als "business as usual" umzusetzen.<br />
Damit besteht ein verlässliches Fundament für die Ausgestaltung der Politiken der Industriestaaten<br />
aber auch der Entwicklungsländer. Ein Fundament, dass letztlich auch die<br />
Wirtschaft benötigt, um sich der Instrumente zu bedienen, die das Kyoto-Protokoll offeriert<br />
und die wirtschaftlichen Chancen zu nutzen, die sich gerade für die deutsche Wirtschaft<br />
aus einer international abgestimmten Klimaschutzstrategie ableiten lassen.<br />
36
Status der internationalen Verhandlungen im<br />
Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />
Der Verhandlungspoker<br />
Marrakesch brachte selbst für "alte Verhandlungshasen" wieder neue Erfahrungen. Bis<br />
zum Schluss versuchten Japan, Kanada und Russland mit ausschließlich egoistischen<br />
Motiven den internationalen Geleitzug des Klimaschutzes aufzuhalten. Die Verhandlungen<br />
wurden letztlich nur zwischen der EU und den drei genannten Staaten zu Ende gebracht.<br />
Als besonderer "Hardliner" stellte sich Kanada heraus. Erst als die EU mit Japan<br />
einen Kompromiss ausgehandelt hatte und damit die Gefahr drohte, dass nur noch Russland<br />
und Kanada am Pranger der Weltöffentlichkeit stehen würden, lenkte Kanada ein.<br />
Dies war letztlich auch nur durch den Schulterschluss zwischen der EU und den G77<br />
möglich. Russland zwang dann die Konferenz unter der Androhung, Marrakesch scheitern<br />
zu lassen, seine Obergrenze für die Anrechenbarkeit forstlicher Senkenaktivitäten<br />
von 17 Mt auf 33 Mt in einem naturwissenschaftlich<br />
nicht gerechtfertigten Maße auszudehnen. 1<br />
Russland hat damit seine Schlüsselstellung, die ihm beim In-Kraft-Treten des Kyoto-<br />
Protokolls zukommt, brutal ausgenutzt und dem Rest der Staatengemeinschaft unter<br />
Zuhilfenahme einiger Länder der sogenannten "umbrella-group" keine Wahlmöglichkeiten<br />
gelassen. Allerdings hat dies auf der anderen Seite dazu geführt, dass das ökonomische<br />
Interesse Russlands am Kyoto-Protokoll weiter gestärkt wurde.<br />
1 Nach FAO-Daten wären maximal 24,85 Mt zulässig gewesen.<br />
Von ganz entscheidender Bedeutung für die Ergebnisse von Bonn und Marrakesch war<br />
die positive Grundstimmung der Entwicklungsländer. Aber auch diese positive Grundhaltung<br />
musste von den Industriestaaten – insbesondere von der EU – mit Zugeständnissen<br />
erkauft werden. In Marrakesch konnten dann die Regelungen für die Nationalberichte<br />
der Entwicklungsländer weiterentwickelt werden. Zudem wurde zum Transfer umweltverträglicher<br />
Technologien ein Aktionsrahmen mit weiteren Einzelmaßnahmen<br />
festgelegt.<br />
Logischerweise stellt die Erfüllungskontrolle (Compliance) ein Kernstück des internationalen<br />
Klimaschutzregimes dar. Im Marrakesch gelang es ein vergleichsweise starkes<br />
Compliance-Konzept zu verabschieden. Dieses System sieht verbindliche Konsequenzen<br />
für den Fall vor, dass die eingegangenen Verpflichtungen verfehlt werden und enthält detaillierte<br />
Verfahrensregelns für die Entscheidungsfindung.<br />
In Marrakesch wurde ferner vereinbart, dass beim Verfehlen der mit Ratifizierung des<br />
Kyoto-Protokolls übernommenen Verpflichtungen eine Anzeige auch durch andere Vertragsparteien<br />
erfolgen kann. Schließlich existiert nunmehr auch ein Beschwerdeverfahren<br />
gegen Entscheidungen der "Enforcement Branch", das aber nur dann zum Erfolg<br />
führen kann, wenn kein ordnungsgemäßes Verfahren durchgeführt wurde. Läuft das Beschwerdeverfahren,<br />
bleibt allerdings die von der "Enforcement Branch" getroffenen Entscheidung<br />
in Kraft. Die in Marrakesch beschlossenen Regeln und Verfahren sind offen<br />
für die Öffentlichkeit.<br />
37
Plenarteil<br />
Status der internationalen Verhandlungen im<br />
Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />
Franzjosef Schafhausen<br />
Im Anschluss an CoP in Marrakesch trat erstmalig der neu gebildete Exekutivrat des<br />
Clean Development Mechanism zusammen. Vornehmste Aufgabe dieses Ausschusses<br />
ist es, CDM-Projekte zu registrieren und zu überprüfen. Zwei EU-Vertreter gehören diesem<br />
Gremium an.<br />
Um die flexiblen Mechanismen nutzen zu können, müssen die folgenden Bedingungen<br />
erfüllt sein:<br />
• Ratifizierung des Kyoto-Protokolls,<br />
• Bindung an das in Marrakesch beschlossene Compliance System, wobei die Teilnahme<br />
nicht rückwirkend durch die Einrichtung eines Systems mit völkerrechtlich<br />
verbindlichen Konsequenzen entzogen werden kann.<br />
• Schaffung eines nationalen Systems zur Emissionserfassung,<br />
• Pünktliche und korrekte Vorlage von jährlichen Treibhausgasbilanzen und Vorlage<br />
von Senkeninventaren,<br />
• Rechtzeitige und korrekte Berichterstattung über die Einbindung von Kohlenstoff<br />
in Senken ab der zweiten Verpflichtungsperiode (2013 – 2017). Während der ersten<br />
Verpflichtungsperiode (2008 – 2012) führt eine qualitativ nicht korrekte Berichterstattung<br />
lediglich dazu, dass die jeweilige Senke keine Emissionsgutschriften generieren<br />
kann.<br />
Seit Marrakesch gibt es 4 Varianten von Emissionsrechten bzw. Emissionsgutschriften:<br />
• Assigned Amount Units (AAU’s): Emissionrechte, die den Annex-I-Staaten für den<br />
Zeitraum 2008 – 2012 im Rahmen des Kyoto-Protokolls zugestanden werden.<br />
• Removal Units (RMU’s): Emissionsgutschriften, die ein Staat erhält, wenn die auf<br />
seinem Territorium vorhandenen Ökosystem der Atmosphäre Kohlenstoff entnehmen.<br />
("Senkenfunktion").<br />
• Emission Reduction Units (ERU’s): Emissionsgutschriften, die im Rahmen von Projekten<br />
(Joint Implementation) generiert werden, die zwischen Industriestaaten<br />
nach Art. 6 Kyoto-Protokoll durchgeführt werden.<br />
• Certified Emission Reductions (CER’s): Emissionsgutschriften, die im Rahmen von<br />
Projekten (Clean Development Mechanism) generiert werden, die gemeinsam von<br />
Industrie- und Entwicklungsländern durchgeführt werden.<br />
Folgende Verwendungsmöglichkeiten sind vorgesehen:<br />
• Alle Emissionsrechte können dazu dienen, die eingegangenen Emissionsverpflichtungen<br />
zu erfüllen.<br />
• Alle Emissionsrechte sind zwischen den Vertragsstaaten frei handelbar. Diese Regel<br />
erhöht eindeutig die Liquidität des Marktes.<br />
• Emissionsrechte können in folgendem Umfang in künftige Verpflichtungsperioden<br />
übertragen werden ("banking"): AAU’s unbegrenzt; ERU’s und CER’s in Höhe von jeweils<br />
bis zu 2,5 % der ursprünglich zugestandenen AAU’s; RMU’s überhaupt nicht.<br />
38
Status der internationalen Verhandlungen im<br />
Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />
Dies erfordert ein ausgereiftes "tracking"-System mit dem der Weg der verschiedenen<br />
Emissionsrechte konsequent verfolgt werden kann.<br />
Im Hinblick auf den Emissionshandel ist geklärt, dass Vertragsparteien des Kyoto-Protokolls<br />
mit den vier genannten Emissionsrechten untereinander handeln können. Um einen<br />
ungedeckten Verkauf von Emissionsrechten zu verhindern ist jeder Vertragsstaat<br />
verpflichtet, eine gewisse Menge von Emissionsrechten ("Commitment Period Reserve")<br />
zurückzuhalten. Unterscheitet ein Vertragsstaat diese Grenze, darf er solange keine<br />
Emissionsrechte verkaufen, bis die definierte Mindestmenge wieder realisiert wurde.<br />
Trotzdem verkaufte Emissionsrechte werden im Rahmen der Verpflichtungserfüllung<br />
nach Annex B des Protokolls nicht anerkannt: Sie sind damit wertlos.<br />
Nicht ausdrücklich untersagt und damit zulässig ist der Fall, dass Entwicklungsländer<br />
ohne die Beteiligung von Industriestaaten CDM-Projekte durchführen (sogenannte "unilateral<br />
projects").<br />
Der bereits erwähnte CDM-Exekutivrat wurde mit Blick darauf eingerichtet, dass CDM-Projekte<br />
schon ab Anfang 2000 durchgeführt werden können. Er entscheidet über Funktion,<br />
über Richtlinien und Methoden, die von den Akteuren angewandt werden müssen. Senkenprojekte<br />
können solange nicht im CDM berücksichtigt werden, solange der CDM-Exekutivrat<br />
keine Richtlinien für die Durchführung solcher Projekte im CDM verabschiedet hat.<br />
Klimaschutzprojekte zwischen zwei Industriestaaten tragen den Namen "Joint Implementation".<br />
Grundsätzlich existieren zwei Verfahren nach denen JI-Projekte anerkannt<br />
werden können:<br />
• First track: Sofern das Gastland alle Voraussetzungen zur Teilnahme an den Kyoto-Mechanismen<br />
erfüllt hat (siehe oben), kann es selbst das<br />
Registrierungs- und Überprüfungsverfahren durchführen.<br />
• Second track: Erfüllt das Gastland seine Berichtspflichten dagegen<br />
nicht, so muss ein JI-Projekt von dem völlig neu eingerichteten<br />
"JI-Supervisory-Committee" registriert und international<br />
geprüft werden.*<br />
* Das Supervisory Committe besteht aus 10 Mitgliedern (plus<br />
10 Vertretern) und setzt sich wie folgt zusammen: drei Vertreter<br />
aus westlichen Industriestaaten, drei Vertreter aus Mittel-<br />
und Osteuropa, vier Vertreter aus Nicht-Annex-I-Staaten,<br />
wobei aus diesem Kontingent ein Platz den kleinen Inselstaaten<br />
vorbehalten ist. Der Abstimmungsmodus entspricht dem<br />
des "CDM-execulive-board".<br />
Im beschlossenen Gesamtpaket musste die Europäische Union Zugeständnisse an die<br />
"umbrella group" und die G 77 machen, konnte aber im Gegenzug einige bedeutsame<br />
Anliegen ihrerseits durchsetzen. Bedeutsamster Punkt in den Verhandlungen waren die<br />
Anforderungen und Verfahren bei der Berichterstattung und der Anrechnung von Senken<br />
nach Art. 3.3 und 3.4 des Kyoto-Protokolls (Aufforstung, Waldbewirtschaftung, Emissionsminderung<br />
in der Landwirtschaft). Nach den Zugeständnissen in Bonn im Hinblick<br />
auf die Anrechnung von Senken vor allem an die umbrella group musste Marrakesch<br />
ausreichend hohe Anforderungen an die Berichterstattung über Senken einzufordern<br />
und Anreize für eine gute Qualität der Senkeninventare zu schaffen. Hier konnte schließlich<br />
ein für alle Seiten befriedigender Kompromiss erzielt werden.<br />
39
Plenarteil<br />
Status der internationalen Verhandlungen im<br />
Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />
Franzjosef Schafhausen<br />
Im Hinblick auf die Überprüfung der Treibhausgasinventare und weiterer Berichte werden<br />
sogenannte Expert Review Teams (ERT’s) eingerichtet. Diese Teams können bei einer<br />
mangelhaften Berichterstattung die Inventare korrigieren und abschließend Berichte<br />
vorlegen, die Grundlage für die Erfüllungskontrolle durch das Compliance Committee<br />
ist. Bei den Auswahlkriterien für die technischen Revie-Experten konnten ein Kompromiss<br />
zwischen technischem Sachverstand und einer ausgewogenen internationalen Vertretung<br />
gefunden werden.<br />
Wann wird das Kyoto-Protokoll in Kraft treten<br />
Das Quorum für das Kyoto-Protokoll enhält zwei Anforderungen, die beide erfüllt sein<br />
müssen:<br />
• mindestens 55 Vertragsstaaten müssen ratifizieren und<br />
• darunter müssen sich mindestens 55 Prozent der CO 2 -Emissionen der<br />
Annex- I-Staaten im Jahre 1990 befinden.<br />
Derzeit haben rund 50 Staaten das Kyoto-Protokoll ratifiziert. Das Gros der "Ratifizierer"<br />
stammt allerdings derzeit noch aus den Entwicklungsländern. Noch vor Johannesburg<br />
wird allerdings mit den EU-Mitgliedsstaaten und der EU-Kommission ein politisch potenter<br />
Block das Kyoto Protokoll gemeinsam ratifizieren. Der Weg dazu wurde am<br />
4. März 2002 in Brüssel mit dem Beschluss des Umweltrates geebnet. Die Europäische<br />
Union wird nach derzeitiger Planung noch vor der Sommerpause die Ratifizierungsurkunden<br />
hinterlegen und damit einen Beitrag von 24,1 % zur Erfüllung des Quorums einbringen.<br />
Im Hinblick auf die Verwirklichung des Quorums von 55 % ist insbesondere Russland<br />
(17,4 %) immer noch ein "Wackelkandidat", der den Schlüssel zum in Kraft treten des<br />
Kyoto-Protokolls in der Hand hält. Verschiedene Akteure in Russland haben wohl nach<br />
wie vor die Absicht, noch weitere "Wohltaten" für Russland einzuhandeln. Es muss damit<br />
gerechnet werden, dass noch einige Wochen und möglicherweise sogar Monate ins<br />
Land gehen werden, bevor sich die verschiedenen Akteure in Russland (Regierung, Parlament,<br />
Duma) zusammengerauft haben. Grundsätzlich ist jedoch der wirtschaftliche<br />
Anreiz der "Kyoto-Mechanismen" für Russland so immens, dass man letztlich das Kyoto-<br />
Protokoll ratifizieren wird. Dies wird bereits heute von den maßgeblichen Regierungsstellen<br />
nachdrücklich betont.<br />
D. Auswirkungen des internationalen Klimaschutzprozesses auf die deutsche Wirtschaft<br />
Vorweg ist zu bemerken, dass Aussagen zu den Auswirkungen des internationalen Klimaschutzprozesses<br />
auf die deutsche Wirtschaft angesichts der Komplexität des Wirkungsumfeldes<br />
und der Vielgestaltigkeit der Wirkungszusammenhänge nicht einfach zu treffen<br />
sind. Wer hier vorgaukelt – wie dies teilweise in Studien versucht wird – eineindeutige<br />
Ergebnisse präsentieren zu können, ignoriert entweder die komplexen Zusammenhänge, ist<br />
naiv oder hat von vorneherein ein bestimmtes Ergebnis im Blick.<br />
40
Status der internationalen Verhandlungen im<br />
Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />
Eine nüchterne Analyse wird zu dem Ergebnis kommen, dass die Auswirkungen zumindest<br />
von den folgenden Determinanten mitbestimmt werden:<br />
• die Ausgangslage und damit verbunden die technisch-wirtschaftlichen Minderungspotenziale<br />
sowie die historisch entwickelten Versorgungsstrukturen,<br />
• die klimapolitische Zielsetzung,<br />
• der Zeitrahmen,<br />
• die wirksamen Politiken und Maßnahmen,<br />
• die Zielsetzungen und Programme in anderen Ländern insbesondere in denen der<br />
Hauptkonkurrenten.<br />
Betrachtet man nun die deutsche Situation, so mag man auf den ersten Blick der Auffassung<br />
zuneigen, dass gerade Deutschland eine schlechte Ausgangslage habe:<br />
• Ein hoher Anteil fossiler Brennstoffe speziell Braun- und Steinkohle, daraus resultierende<br />
vergleichsweise hohe Pro-Kopf-Emissionen, eine äußerst komplexe Industriestruktur,<br />
ein vergleichsweise sehr hohes Wohlstandsniveau sowie der mit der<br />
Wirtschaft abgestimmte Ausstieg aus der Kernenergie kennzeichnen für den Pessimisten<br />
die Ausgangslage.<br />
• Der Optimist sieht dies ganz anders: Große Treibhausgasminderungspotentiale<br />
und ein traditionell fortschrittliches know how der deutschen Wirtschaft auf dem<br />
Gebiet der Energietechnik und der CO 2 -Minderungstechnik bestimmen dessen<br />
Ausgangslage.<br />
Wie so häufig wird die Wahrheit in der Mitte liegen: Eine konsequente Klimaschutzpolitik<br />
hat für Deutschland seit jeher sowohl eine Herausforderung bedeutet, als auch Zukunftschancen<br />
offeriert.<br />
Hinsichtlich der Zielsetzungen in Deutschland in anderen Staaten bleibt auf die Ergebnisse<br />
von Kyoto zu verweisen, wonach in einem ersten Schritt<br />
die Industriestaaten als Hauptverursacher des anthropogenen<br />
Treibhauseffektes ihrer Verantwortung gerecht werden müssen. 1<br />
Zwar war Kyoto das Ergebnis eines politischen Kompromisses,<br />
die dort vereinbarten Ziele wurden nichtsdestoweniger auf der<br />
Grundlage von nachprüfbaren Daten und erwarteten Entwicklungen<br />
abgestimmt. Sie gehen vom Grundsatz der gemeinsamen<br />
aber differenzierten Verantwortung aus und versuchen sowohl<br />
den Gerechtigkeits- als auch den Vorsorgeaspekt zu<br />
berücksichtigen. Es sei zugegeben, dass dies nicht in jedem<br />
Falle gelungen ist. 2<br />
1 Die Industriestaaten (= Annex I-Länder nach der Klimarahmenkonvention)<br />
sind derzeit für mehr als zwei Drittel der weltweiten<br />
Treibhausgasemissionen verantwortlich obwohl lediglich 25 %<br />
der Weltbevölkerung dort leben. Allerdings nimmt der Anteil<br />
der Entwicklungsländer an den globalen Treibhausgasemissionen<br />
sprunghaft zu, so dass damit zu rechnen ist, dass bis zum Jahre<br />
2020 die weltweite Treibhausgasbilanz von den Entwicklungsstaaten<br />
dominiert werden wird.<br />
2<br />
Russland und die Ukraine sind Beispiele für nicht gerechtfertigt<br />
günstige Zielsetzungen. An die Diskussion über die mit den<br />
Ergebnissen von Kyoto geschaffene "heiße Luft" sei hier nur erinnert.<br />
Ein weiterer Versuch, historische, klimatische, geografische, wirtschaftliche und gesellschaftliche<br />
Rahmenbedingungen "gerecht" zu berücksichtigen ist das innerhalb der Europäischen<br />
Union gefundene "burden sharing". Die weiter oben stehende Tabelle 4 zeigt,<br />
41
Plenarteil<br />
Status der internationalen Verhandlungen im<br />
Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />
Franzjosef Schafhausen<br />
dass Deutschland im Kreis der anderen EU-Mitgliedsstaaten – aber nicht nur dort –<br />
über sehr gute Karten verfügt. Während Deutschland von der Verwirklichung seines Beitrags<br />
zur EU-Lastenteilung durch seine "early action" nur marginal entfernt ist, müssen<br />
andere Länder noch große Wegstrecken zurücklegen. Dies kommt der Wettbewerbsposition<br />
Deutschlands und der deutschen Wirtschaft entgegen. Die Politik muss nun darauf<br />
achten, dass dieser Wettbewerbsvorteil nicht aufgezehrt wird bzw. von unseren<br />
Partnerstaaten kostenlos in Anspruch genommen wird. Hier hilft der Emissionshandel,<br />
deutsche Vorreiterleistungen umzumünzen in Deckungsbeiträge für die betriebliche Kostenrechnung.<br />
In jedem Falle muss hier das Credo gelten, dass ökologische Ziele ökonomisch effizient<br />
umgesetzt werden. Deutschland verfügt mittlerweile über ein breit gefächertes Maßnahmenbündel,<br />
das allerdings – dies zeigen zahlreiche wissenschaftliche Studien – in seiner<br />
wirtschaftlichen Effizienz sowie im Zusammenwirken der einzelnen Maßnahmen<br />
noch verbessert werden kann. Der Emissionshandel bietet hier äußerst interessante<br />
Perspektiven auch in seiner Verknüpfung mit den so hoch gelobten Selbstverpflichtungen<br />
der deutschen Wirtschaft zur Klimavorsorge.<br />
Im internationalen und europäischen Vergleich gilt es nun darauf zu drängen, dass andere<br />
Staaten vergleichbare Anstrengungen wie Deutschland unternehmen und ähnlich<br />
anspruchsvolle Klimaschutzprogramme entwickeln und umsetzen. Mit dem weiter oben<br />
dargestellten Europäischen Klimaschutzprogramm sind wir hier schon auf dem richtigen<br />
Wege. ECCP setzt gemeinschaftsweit Politiken und Maßnahmen um, die in Deutschland<br />
bereits seit langen Jahren selbstverständlich sind. Ein Beispiel hierfür sind nur die<br />
EU-weit geplanten Anforderungen im Gebäudebereich. Aber nicht nur die Tatsache, dass<br />
andere Länder nachziehen verbessert die Wettbewerbsposition Deutschlands, sondern<br />
auch die Tatsache, dass Deutschland bereits heute über die notwendigen Techniken verfügt,<br />
dies umzusetzen. Wärmeschutzfenster, Brennwertkessel, Windgeneratoren, Photovoltaik,<br />
Solarkollektoren, Biomasseverbrennungsanlagen, Biogasanlagen, GuD-Kraftwerke,<br />
Mikroturbinen, BHKW’s, Clean Coal Technologies, Mess-, Regelungs- und Steuerungssysteme,<br />
drehzahlgeregelte Antriebe, sparsame Fahrzeuge – die Liste ließe sich<br />
noch lange fortsetzen.<br />
Bereits seit Jahren liegen wissenschaftliche Studien vor, die beweisen, dass Industrien,<br />
die Klimaschutztechniken anbieten ein weit über dem Durchschnitt des Produzierenden<br />
Gewerbes liegendes Wirtschaftswachstum haben und zudem weit überdurchschnittliche<br />
Exportsteigerungen verzeichnen können. Jüngstes Beispiel: Die Stromkrise in Kalifornien<br />
hat sich auf die Auftragslage deutscher Turbinenhersteller und Kraftwerksbauer sehr<br />
positiv ausgewirkt.<br />
42
Status der internationalen Verhandlungen im<br />
Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />
Das Fazit<br />
Eine konsequente, international eingebundene und insgesamt "richtig"<br />
ausgestaltete Klimaschutzpolitik<br />
• gibt Anreize zur Weiterentwicklung von Know How<br />
• fördert Wachstum und Beschäftigung<br />
• verbessert die internationale Wettbewerbssituation der deutschen Wirtschaft<br />
• verringert die Importabhängigkeit von Erdöl- und Erdgasproduzenten und<br />
verbessert auch damit die deutsche<br />
Leistungsbilanz<br />
• entlastet die Umwelt und trägt zur Ressourcenschonung bei<br />
• steuert das klimapolitische Ziel ökonomisch effizient an und trägt damit<br />
zur Kostenentlastung bei<br />
Die Nutzung des Emissionshandels ist hierfür ein hervorragendes Beispiel<br />
Derartige Schlussfolgerungen sind nicht aus der Luft gegriffen, sondern wissenschaftlich<br />
nachgewiesen. Das renommierte Baseler PROGNOS-Institut hat in einer Untersuchung<br />
belegt, dass ein 40 %ige Reduzierung der CO 2 -Emissionen bis zum Jahre 2020<br />
bei gleichzeitigem Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie möglich ist. Im Rahmen<br />
einer solchen Strategie werden quasi als "Nebeneffekt" bis 2020 noch 200.000 Arbeitsplätze<br />
geschaffen oder erhalten. Einen besseren Beleg für ein Verschmelzen ökologischer<br />
Anliegen mit gesamtwirtschaftlichen Zielen kann es wohl nicht geben.<br />
43
Plenarteil<br />
Der EU Richtlinienvorschlag im Spannungsfeld<br />
zwischen europäischer und nationaler Klimapolitik<br />
Dr. Joachim Klaus Ehrenberg<br />
Europäische Kommission<br />
Generaldirektion Unternehmen<br />
Referat "Umweltaspekte der Unternehmenspolitik"<br />
Der EU Richtlinienvorschlag zum Emissionshandel im Spannungsfeld zwischen<br />
europäischer und nationaler Klimapolitik<br />
Wie Ihnen ja wahrscheinlich bekannt, ist die für den Klimaschutz im Allgemeinen und<br />
den Emissionshandel im Speziellen zuständige Dienststelle der Kommission die Generaldirektion<br />
"Umwelt". Allerdings hat die Generaldirektion "Unternehmen" in der Vorbereitungsphase<br />
zu dieser RL eine aktive Rolle gespielt, und die kommissionsinternen Diskussionen<br />
waren dabei nicht unähnlich den Diskussionen, die nun in der breiten Öffentlichkeit<br />
geführt werden.<br />
Nachdem der Vorschlag für einen Emissionshandel auf Gemeinschaftsebene von der<br />
Kommission am 23. Oktober des letzten Jahres verabschiedet worden war, ist es nun<br />
gemäß des Verfahrens der "Mitentscheidung" an den anderen Institutionen, Rat und Parlament,<br />
Meinungen und Ideen der Mitgliedstaaten sowie weiterer gesellschaftlicher<br />
Gruppen in den Entscheidungsprozess einzubringen.<br />
Der Zeitpunkt für diesen Kongress hätte daher in der Tat kaum besser gewählt werden<br />
können. Um die allgemeinere Diskussion im Zusammenhang mit dem Kommissionsvorschlag<br />
zum Emissionshandel in ein richtiges Licht zu rücken ist es wichtig darauf hinzuweisen,<br />
dass die Europäische Gemeinschaft durch den Umweltrat am 4. März dieses<br />
Jahres das Protokoll von Kyoto ratifiziert hat, und gleichzeitig in einer Entscheidung die<br />
Mitgliedstaaten aufforderte, die notwendigen Schritte einzuleiten damit eine nationale<br />
Ratifizierung bis zum 1. Juni 2002 erfolgen kann.<br />
Mit dieser Entscheidung hat die Gemeinschaft nun verbindlich die Ratsschlussfolgerung<br />
vom 16. Juni 1998 umgesetzt, nachdem die Mitgliedstaaten von Artikel 4 des Kyoto<br />
Protokolls Gebrauch machen und die Emissionsreduktionslasten, die das KP vorsieht,<br />
neu verteilen. Diese Neuverteilung soll es ermöglichen, das Kyoto Protokoll unter<br />
Berücksichtigung umwelt- und wirtschaftspolitischer Unterschiede leichter gemeinsam<br />
zu erfüllen.<br />
Bekanntlich ergibt sich daraus für Deutschland innerhalb der ersten Kyoto Verpflichtungsperiode<br />
von 2008 bis 2012 ein Reduktionsziel für Klimagase von 21% statt 8%<br />
unter dem Emissionsniveau des Jahres 1990.<br />
Nun bewirkt eine Ratifizierung durch die EU noch nicht gleichzeitig das Inkrafttreten<br />
des Kyoto Protokolls. Dafür müssen gemäß des Artikels 25 des Protokolls weitere Bedingungen<br />
erfüllt werden: Ratifizierung durch mindestens 55 der im Anhang I der Klimakonvention<br />
der Vereinten Nationen genannten Vertragsparteien, die zusammen für mindestens<br />
55% der gesamten Klimagasemissionen des Jahres 1990 verantwortlich sind.<br />
44
Der EU Richtlinienvorschlag im Spannungsfeld<br />
zwischen europäischer und nationaler Klimapolitik<br />
Nach dem effektiven Ausstieg der USA aus dem KP müssen vor allem Rußland und Japan<br />
das Protokoll ebenfalls ratifizieren, um es in Kraft treten zu lassen.<br />
Gleichwohl hat die Gemeinschaft mit der Ratifizierung nun ein deutliches Signal gesetzt:<br />
Sie bindet sich an die Verpflichtungen des KP, wird die zu ihrer Umsetzung notwendigen<br />
Maßnahmen ergreifen und hofft, dass dieses Beispiel Schule macht.<br />
Die Kyotoverpflichtung besteht vor allem anderen darin, ab 2008 bis 2012 die absoluten<br />
Emissionen von Klimagasen vom Territorium der Gemeinschaft zu deckeln.<br />
Maßnahmen wie der vorliegende Vorschlag zum Emissionshandel sind Gemeinschaftsinstrumente<br />
zur Umsetzung dieser Verpflichtung.<br />
Es ist ganz wesentlich, dass unterschieden wird zwischen Verpflichtung und Instrument.<br />
Denn tatsächlich ergeben sich viele Fragen im Zusammenhang mit dem vorgeschlagenen<br />
Emissionshandelssytem nicht aus dem Instrument selbst, sondern aus der<br />
Emissionsreduktionsverpflichtung, die die Gemeinschaft verbindlich eingegangen ist.<br />
Diskussionen darüber mögen ökologisch oder ökonomisch interessant sein, politisch<br />
sind sie jedoch irrelevant.<br />
Warum jetzt ein Europäisches Emissionshandelsystem<br />
Artikel 17 des KP sieht vor, dass die Vertragsparteien zur Erfüllung Ihrer Verpflichtungen,<br />
d.h. der Emissionsreduzierungen, zusätzlich zu eigenen Anstrengungen an einem<br />
Emissionshandelsystem teilnehmen können. Die eigentlich handelnden Akteure, Vertragsparteien<br />
oder andere juristische Personen, werden nicht weiter definiert.<br />
Die Kommission hat bereits sehr frühzeitig das Potential eines solchen ökonomischen<br />
Instrumentes erkannt und hat in verschiedenen Mitteilungen von 1999 und 2000 in Vorbereitung<br />
des Europäischen Klimaschutzprogramms einen sogenannten doppelspurigen<br />
Ansatz (twin track approach) verfolgt: Entwicklung eines Emissionshandelsytems sowie<br />
gleichzeitig Entwicklung spezifischer Maßnahmen zur Emissionssenkung.<br />
Beschäftigt man sich mit der Theorie eines EHS so mag dieser Ansatz etwas widersprüchlich<br />
klingen. Prinzipiell könnte der EH geeignet sein andere Maßnahmen weitgehend<br />
überflüssig zu machen. Ein EHS sollte das kosteneffektivste Instrument sein und<br />
schreibt im Prinzip nicht vor, welche Art von Reduktionsmaßnahmen die Teilnehmer vornehmen<br />
sollen.<br />
Tatsächlich reduziert der EH selbst ja keine Emissionen, aber er induziert die dazu notwendigen<br />
Maßnahmen dort, wo sie am kostengünstigsten durchzuführen sind.<br />
Allerdings, und hier muss die Theorie der Praxis weichen, ist dieses Instrument neu, im<br />
großen Maßstab nicht gut erprobt und kann Risiken bergen. Zudem wird zumindest in<br />
einer ersten Phase ein solches EHS nicht alle Emittenten von Klimagasen einschließen<br />
können.<br />
45
Plenarteil<br />
Der EU Richtlinienvorschlag im Spannungsfeld<br />
zwischen europäischer und nationaler Klimapolitik<br />
Dr. Joachim Klaus Ehrenberg<br />
Es ist ein Gebot der Fairness, dass Klimagasemittenten, die nicht am EHS teilnehmen<br />
durch andere Maßnahmen in die Pflicht genommen werden.<br />
Um ein erfolgreiches EHS einzuführen, bedarf es allerdings eines ordnungsrechtlichen<br />
Rahmens, der vorgibt wie hoch die gesamten Emissionen zu sein habe, und wie sich diese<br />
über einen gewissen Zeitraum verändern sollen.<br />
Diese ordnungsrechtlichen Vorgaben müssen allerdings in einem vernünftigen Verhältnis<br />
zu den Möglichkeiten der Teilnehmer stehen, die zur Verfügung stehende Reduktionstechniken<br />
und Technologien einzusetzen und neue zu entwickeln.<br />
Allgemein gilt: Je größer das Teilnehmerfeld, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass<br />
ein EHS erfolgreich wirkt.<br />
Deswegen, aber auch aufgrund der gemeinsamen sowie geteilten Verantwortung der Gemeinschaft<br />
und ihrer Mitgliedstaaten gegenüber dem KP macht es Sinn ein Emissionshandelsystem<br />
gerade auf Gemeinschaftsebene zu entwerfen.<br />
Im Übrigen haben die Mitgliedstaaten schon bereits seit einiger Zeit damit begonnen ihre<br />
Emissionen durch entsprechende Maßnahmen zu reduzieren oder zu stabilisieren.<br />
Darunter sind auch EHS wie in Großbritannien oder Dänemark. Auch deswegen ist es<br />
notwendig jetzt ein gemeinschaftliches EHS vorzuschlagen.<br />
Ein europäisches EHS ist grundsätzlich mit vielen anderen Maßnahmen kompatibel,<br />
entweder spezifischen auf Mitgliedstaatenebene oder anderen Gemeinschaftsmaßnahmen.<br />
Allerdings ist es notwendig auf größtmögliche Kohärenz zu achten, und Synergieeffekte<br />
zu bewirken.<br />
Der Kommissionsvorschlag versucht dem gerecht zu werden. Aber hier sind vor allem<br />
auch die Mitgliedstaaten gefordert bei der Umsetzung der Richtlinie die eigenen<br />
klimaspezifischen Maßnahmen zu berücksichtigen.<br />
Wie ist nun die Kommission vorgegangen, um in dem vorgezeichneten Rahmen ein<br />
Emissionshandelsystem zu entwickeln <br />
Um es vorweg zu nehmen. Die Kommission hat genau das Gegenteil von dem getan was<br />
ihr oft (aus weniger unterrichteten Kreisen) vorgeworfen wird: Sie hat nicht in "weltfremder<br />
Isolation" gehandelt, sondern hat ein sehr breit angelegtes Konsultationsprogramm<br />
durchgeführt.<br />
Im Jahre 2000 wurde ein Grünbuch zum Emissionshandel vorgelegt. Zwischen 2000<br />
und 2001 im Rahmen des europäischen Klimaschutzprogramms wurde eine Arbeitsgruppe<br />
zum Thema Emissionshandel eingerichtet, in der Vertreter aller gesellschaftlicher<br />
Bereiche gemeinsam ein Arbeitspapier entwickelten. Noch im Sommer 2001 hat<br />
die Kommission zusätzlich zu den internen Konsultationen, Konsultationen mit Fachver-<br />
46
Der EU Richtlinienvorschlag im Spannungsfeld<br />
zwischen europäischer und nationaler Klimapolitik<br />
tretern der Mitgliedstaaten und der Industrie durchgeführt. Allein zum Grünbuch gingen<br />
etwa 100 Kommentare und Beiträge ein.<br />
Insgesamt lag also eine außerordentlich breite Informationsbasis vor, von der die Kommission<br />
auch ganz wesentlich Gebrauch machte. Allerdings wurden auch die potentiellen<br />
Konfliktfelder deutlich. Und nicht selten wurden von ein und denselben Kommentatoren<br />
widersprüchliche Anforderungen gestellt.<br />
Im Allgemeinen fand der Plan der Kommission ein europäisches EHS vorzuschlagen<br />
große Zustimmung. Sehr unterschiedliche Auffassungen gab es bei der Beantwortung<br />
der Frage nach dem notwendigen Grad der Harmonisierung von Bestimmungen gegenüber<br />
der angestrebten und ebenso notwendigen Flexibilität um eine Anpassung an spezifische<br />
nationale Gegebenheiten zu ermöglichen.<br />
In der Tat ist genau dieser Punkt ein zentrales Thema bei den Beratungen im Rat und<br />
im Europäischen Parlament.<br />
Flexibilität ist notwendig. Rein technisch wird der Kommissionsvorschlag dem schon dadurch<br />
gerecht, dass er in Form einer Richtlinie und nicht in Form einer Verordnung vorgelegt<br />
wurde. Eine Richtlinie muss in das bestehende nationale Recht umgesetzt werden<br />
und läßt somit einen gewissen Spielraum.<br />
Aus den zahlreichen Kommentaren während der Konsultationen lassen sich folgende<br />
Ziele ableiten, denen ein europäisches EHS Genüge tun muss:<br />
Es muss zur Umsetzung der Kyotoverpflichtungen beitragen, es muss sich am Verursacherprinzip<br />
orientieren, es muss vereinbar sein mit den bereits vorhandenen nationalen<br />
Klimamaßnahmen, es darf den Binnenmarkt nicht gefährden und es muss einen gemeinsamen<br />
Markt für Emissionsrechte etablieren. Es darf allerdings auch die wirtschaftlichen<br />
Wachstumskräfte nicht schwächen, und muss möglichst einfach und mit<br />
geringem administrativen Aufwand für Industrie und Behörden umsetzbar sein. Schließlich<br />
muss es dem Prinzip der Subsidiarität folgen und nur das auf Gemeinschaftsebene<br />
regeln, was nicht auf Mitgliedstaatenebene geregelt werden kann.<br />
Ich werde nun versuchen, die vorgeschlagene RL zum EH im Lichte der wichtigsten<br />
Rahmenbedingungen zu erörtern.<br />
Diese Rahmenbedingungen sind neben den internationalen Abkommen zum Klimaschutz<br />
natürlich definiert durch das Gemeinschaftsrecht, die Klimapolitik der Gemeinschaft<br />
und ihrer Mitgliedstaaten, aber auch durch die ökonomischen und technischen<br />
Bedingungen der wirtschaftenden Sektoren wie Industrie, Transport, Handel, Haushalte,<br />
innerhalb wie auch außerhalb der Europäischen Union.<br />
Die Bestimmungen zur vorgeschlagene RL lassen sich in folgende Teilbereiche gliedern:<br />
Definitions- und Anwendungsbereich, Bestimmungen zur Teilnahme- und Betriebsge-<br />
47
Plenarteil<br />
Der EU Richtlinienvorschlag im Spannungsfeld<br />
zwischen europäischer und nationaler Klimapolitik<br />
Dr. Joachim Klaus Ehrenberg<br />
nehmigung, Bestimmungen zur Zuteilung der Emissionsrechte, Bestimmungen bzgl.<br />
Transaktionen von Emissionsrechten und Bestimmungen zu Überwachungsmaßnahmen,<br />
Berichterstattung, Verfizierung sowie Strafmaßnahmen.<br />
Zum Definitions- und Anwendungsbereich (Artikel 1-3):<br />
Schon rein praktische Gründe legen es nahe, zunächst große stationäre Emissionsquellen<br />
zu erfassen. Der Geltungsbereich der RL ist im Wesentlichen ein Teilbereich der unter<br />
die Richtlinie zur integrierten Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung<br />
(IVU) fallenden industriellen Anlagen und bezieht sich ausschließlich auf Emissionen<br />
von Kohlendioxid. Damit werden etwa 46% der gesamten CO 2 Emissionen der EU<br />
erfasst, und es ist eine voraussichtliche Teilnehmerzahl von 4000 bis 5000 Anlagen zu<br />
erwarten. Für den Anfang ist dies wahrscheinlich ein guter Kompromiss zwischen großer<br />
Marktbreite und verwaltungstechnischer Machbarkeit.<br />
Im Zuge einer wachsenden Erfahrung kann durch eine Abänderung der Richtlinie ihr<br />
Anwendungsbereich erweitert werden.<br />
Der Forderung von Anfang an alle Kyotogase zu berücksichtigen stehen zur Zeit noch<br />
Durchführungsprobleme beim Monitoring gegenüber.<br />
Eine Entkopplung von der IVU Richtlinie ist tatsächlich schwer denkbar, eben weil die<br />
IVU RL bereits so ein breites Feld industrieller Anlagen abdeckt und somit zwangsweise<br />
eine Überlappung entsteht. Damit liegt es aber nahe das Genehmigungsverfahren nach<br />
der EHRL mit der nach der IVU RL zu verknüpfen. So wird Doppelarbeit erspart und<br />
Synergieeffekte möglich.<br />
Bestimmungen zur Genehmigungen sind in Artikel 4 bis 7 verfasst<br />
Nach der EHRL wird es in Zukunft nicht möglich sein eine Anlage, die unter den Anhang I<br />
fällt, ohne Genehmigung zu betreiben. Wie bereits erwähnt wäre dies auch ohne EHRL<br />
praktisch nicht möglich, da in fast jedem Falle die IVU Richtlinie greifen würde. Eine Änderung<br />
ergibt sich nur für Verbrennungsanlagen in der Energiewirtschaft mit einer Nettowärmezufuhr<br />
von zwischen 20 und 50MW.<br />
In dem Genehmigungsverfahren für eine oder mehrere Anlagen müssen Betreiber den<br />
Nachweis erbringen, dass sie in der Lage sind die Klimagasemissionen zu überwachen<br />
und über sie zu berichten. Wie in der IVU Richtlinie auch müssen Anlagenveränderungen<br />
den Behörden mitgeteilt werden, wenn diese zu einer Abänderung der Genehmigung<br />
führen könnten.<br />
Wichtig für den Betreiber ist, dass diese Genehmigung keine Emissionsgrenzwerte festlegen<br />
werden, es sei denn es besteht das Risiko einer erheblichen lokalen Umweltverschmutzung,<br />
was zumindest für Kohlendioxid jedoch ausgeschlossen werden kann.<br />
48
Der EU Richtlinienvorschlag im Spannungsfeld<br />
zwischen europäischer und nationaler Klimapolitik<br />
Genauso wichtig wie die Genehmigung ist jedoch der Besitz von Emissionsrechten<br />
und spezieller Bedeutung kommt hier vor allem der Erstzuteilung dieser Rechte zu<br />
(Art.9-11).<br />
Zur Erstzuteilung hat die Kommission den Mitgliedstaaten einen Spielraum gelassen,<br />
allerdings mit gemeinsamen Kriterien im Anhang III. Außerdem dürfen nationale Zuteilungen<br />
von Emissionsrechten natürlich nicht spezifischen Regelungen in den Gemeinschaftsverträgen<br />
widersprechen, hier im besonderen Regeln zum Wettbewerbsrecht und<br />
zum Beihilfenrecht.<br />
Das Beihilfenrecht sieht eine exante Notifizierung und Genehmigungspflicht durch die<br />
Kommission vor.<br />
Auch die nationale Lastenverteilung gibt einen Rahmen vor, innerhalb dessen sich nationale<br />
Zuteilungspläne bewegen müssen.<br />
Andererseits ist es gerade die unterschiedliche Lastenverteilung zwischen den Mitgliedstaaten,<br />
die schon aus sich selbst heraus ein hohes Maß an Flexibilität bei Vorschlägen zu<br />
gemeinschaftlichen Maßnahmen erzwingt.<br />
Diese Gestaltungsfreiheit für die Mitgliedstaaten soll es ermöglichen den sehr unterschiedlichen<br />
existierenden nationalen Maßnahmen zum Klimaschutz Genüge zu tun.<br />
Die Kommission ist überzeugt, dass sich hier auch eine Lösung finden lässt, die kompatibel<br />
ist mit den in Deutschland bestehenden Selbstverpflichtungsvereinbarungen zur<br />
Emissionsreduktion.<br />
Ein nationaler Zuteilungsplan für Emissionsrechte sollte sich also an den nationalen Reduktionszielen<br />
und Klimapolitiken (nicht nur in Bezug auf die Industrie) aber auch den<br />
wirtschaftlichen Auswirkungen orientieren.<br />
Außerdem sind Fragen zur Verteilungsgerechtigkeit zu berücksichtigen, vor allem im Zusammenhang<br />
mit vergangenen Emissionsreduzierungen, aber gleichzeitig müssen<br />
marktverzerrende Einflüsse verhindert werden.<br />
Ohne Zweifel sind Konflikte möglich. Aber es ist wahrscheinlich, dass potentielle Konflikte<br />
zahlreicher und schwerwiegender wären, wenn die Kommission versucht hätte<br />
allen 15 Mitgliedstaaten mit einem verbindlichen Zuteilungssystem gerecht zu werden.<br />
Ein "level playing field" wird auch dadurch angestrebt, dass die Kommission nach Überprüfung<br />
nationaler Zuteilungspläne die Zustimmung in Teilen oder im Ganzen ablehnen<br />
und Veränderungen verlangen kann, wenn gemeinschaftliche Regeln verletzt werden<br />
würden.<br />
49
Plenarteil<br />
Der EU Richtlinienvorschlag im Spannungsfeld<br />
zwischen europäischer und nationaler Klimapolitik<br />
Dr. Joachim Klaus Ehrenberg<br />
Das vorgeschlagene EHS sieht im ersten Schritt zwei Handelszeiträume vor.<br />
Einen dreijährigen ersten Zeitraum von 2005 bis 2007, für den Emissionsrechte kostenfrei<br />
verteilt werden und einen zweiten, von 2008 bis 2012, den ersten Kyotoverpflichtungszeitraum,<br />
für den die Kommission eine gemeinschaftliche Verteilungsmethode<br />
vorschlagen wird.<br />
Die erste Handelsperiode soll zwar im Wesentlichen mit allen Regeln beginnen, die auch<br />
für die zweite Periode vorgesehen sind, dem Charakter nach wird sie jedoch eine "learning<br />
by doing" Phase ermöglichen.<br />
Der Handel mit Emissionsrechten sollte nach den Vorstellungen der Kommission so frei<br />
wie möglich sein, nicht unähnlich dem Handel mit Aktien oder anderen Wertpapieren.<br />
Auch "Nichtemittenten" können sich daran beteiligen, was die Liquidität des Marktes erhöhen<br />
wird.<br />
Die EHRL sieht ein jährliches Abgleichen von Emissionen und Emissionsrechten auf Anlagenebene<br />
vor. Dies trägt den Anforderungen des Kyoto Protokolls Rechnung und reduziert<br />
das Risiko sich akkumulierender Defizite zwischen Emissionen und Emissionsrechten.<br />
Es sollte in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, dass die Mitgliedstaaten<br />
verpflichtet sind ihr Lastenverteilungsziel zu erreichen und daher auch die Möglichkeit<br />
haben müssen, bei Fehlentwicklungen rechtzeitig einzugreifen.<br />
Emissionsrechte sind innerhalb der EU natürlich frei handelbar, und auch gerade dafür<br />
ist diese RL notwendig.<br />
Der vorliegende RL-Vorschlag berücksichtigt noch nicht den Handel von Emissionszertifikaten,<br />
die durch JI und CDM generiert werden können. Dies liegt daran, dass endgültige<br />
Kriterien zu JI und CDM zur Zeit auf internationaler Ebene erst definiert werden, und<br />
die Gemeinschaft im Rahmen der zweiten Phase ihres Klimaschutzprogrammes gerade<br />
erst die Bedingungen festlegt, unter denen die Emissionszertifikate aus den verschiedenen<br />
flexiblen Mechanismen zusammengeführt werden können. Ein einschlägiger Kommissionsvorschlag<br />
ist im nächsten Jahr zu erwarten.<br />
Natürlich wäre es wünschenswert, wenn das europäische EHS verknüpft wäre mit anderen<br />
Systemen. Der RL Vorschlag lässt mit Artikel 24 diese Möglichkeit zu, allerdings müssen<br />
diese anderen EHS von unseren Handelspartnern erst geschaffen werden, und sie<br />
müssen den Bedingungen des KP genüge tun.<br />
Ein intakter Markt für Emissionsrechte erfüllt nicht nur umweltpolitische Ziele, er bewegt<br />
auch beträchtliche Vermögenswerte. Ein ordnungsrechtlicher Rahmen muss auch<br />
deswegen strenge Überwachung, Überprüfung und, wenn notwendig, Strafen beinhalten.<br />
Gerade hier ist ein hohes Maß von Harmonisierung notwendig. Die Kommission wird dazu<br />
zusätzlich zu den in dem Vorschlag enthaltenen Prinzipien weitere Leitlinien entwerfen.<br />
50
Der EU Richtlinienvorschlag im Spannungsfeld<br />
zwischen europäischer und nationaler Klimapolitik<br />
Transaktionen von Emissionsrechten werden auf Mitgliedstaatenebene registriert und<br />
zusätzlich durch einen Zentralverwalter auf Gemeinschaftsebene einer unabhängigen<br />
Kontrolle unterzogen. Auch dadurch soll ein Höchstmaß an Transparenz im Handel<br />
sichergestellt werden.<br />
Dazu, aber auch um Korrekturen, so sie denn notwendig sind, zu ermöglichen, sieht der<br />
EHRL Vorschlag eine jährlich Berichterstattung durch die Mitgliedstaaten vor. Die Kommission<br />
wird daraus einen Synthesebericht fertigen, und außerdem wird die Kommission<br />
den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten organisieren.<br />
Die Kommission erwägt auch bis zum Jahre 2006 einen Erfahrungsbericht dem Parlament<br />
und dem Rat vorzulegen und gegebenenfalls Abänderungsvorschläge zu machen.<br />
Zusammenfassung<br />
Die Europäische Gemeinschaft hat mit der Ratifizierung des Kyoto Protokolls nun<br />
eine verbindliche gemeinschaftliche Verantwortung zur Reduzierung der anthropogenen<br />
Emissionen von Klimagasen übernommen.<br />
Dieser Verantwortung wird sie auch durch die Durchführung gemeinschaftlicher Klimaschutzmaßnahmen<br />
gerecht.<br />
Die Kommission hat einen Vorschlag für ein gemeinschaftliches EHS vorgelegt, dessen<br />
wesentliches Merkmal ein hohes Maß von Flexibilität ist, sowohl was die Umsetzung<br />
auf Mitgliedstaatenebene angeht, wie auch was das Instrument selbst betrifft.<br />
Die Kommission ist überzeugt, dass ihr Vorschlag nicht nur wesentlich dazu beitragen<br />
kann, dass die Gemeinschaft ihre umweltspezifischen Ziele erreicht, sondern<br />
dass er auch die ökonomischen Interessen der Teilnehmer berücksichtigt und damit<br />
eine gute Grundlage für eine nachhaltige Entwicklung darstellt.<br />
Die Kommission hofft, dass die anstehenden Beratungen im Rat und Parlament zügig<br />
durchgeführt werden können, damit bis zum Jahre 2005 ein europäisches EHS<br />
fristgerecht in Kraft treten kann.<br />
51
Plenarteil<br />
Handlungsoptionen aus Sicht der Energiewirtschaft<br />
Dr. Henning Rentz<br />
Leiter der Abteilung Umweltkoordination<br />
RWE AG<br />
1. Ausgangssituation: Internationaler Klimaschutz<br />
Die Europäische Kommission und das Bundeskabinett haben im März diesen Jahres die<br />
Ratifizierung des Kyoto-Protokolls eingeleitet. Die Zustimmung von kritischen Ländern<br />
wie insbesondere Japan, Russland oder Kanada wurde im Rahmen der letzten Klimaschutzverhandlungen<br />
allerdings durch die zum Teil weitgehende Möglichkeit, CO 2 -Senken<br />
anzurechnen, teuer erkauft. Dadurch wird das bereits im Kyoto-Protokoll angelegte –<br />
und mit dem EU-Burden Sharing Agreement verstärkte – Problem ungleicher Minderungsverpflichtungen<br />
weiter verschärft. Die Europäische Union gerät damit nicht nur in<br />
wirtschaftlichen Nachteil gegenüber den USA, die das Kyoto-Protokoll erklärtermaßen<br />
nicht ratifizieren werden, sondern zunehmend auch gegenüber anderen Industriestaaten.<br />
Bei Betrachtung der Minderungsverpflichtungen der Industrieländer fallen große Unterschiede<br />
auf. Noch größer werden diese, wenn die bislang tatsächlich erreichten Emissionsminderungen<br />
betrachten werden. Nur drei EU-Länder konnten ihre Treibhausgasemissionen<br />
reduzieren: Großbritannien, vor allem wegen der Umstellung der Energieversorgung<br />
von Kohle auf Gas, Luxemburg, hier gibt es einen Sondereffekt wegen der Schließung<br />
eines Stahlstandortes, und Deutschland. Etwa die Hälfte der bisherigen Emissionsminderungen<br />
in Deutschland geht auf das Konto des Zusammenbruchs der alten DDR-Wirtschaft,<br />
die andere Hälfte beruht auf massiven Investitionen in die Steigerung der Energieeffizienz.<br />
Als Vorreiter des internationalen Klimaschutzes gilt Deutschland, auf das über 80 Prozent<br />
aller EU-Reduktionspflichten für Treibhausgasemissionen entfallen. Zwischen 1990<br />
und 2000 hat sich hierzulande die Energieproduktivität um rund 15 Prozent erhöht.<br />
Gleichzeitig sanken die CO 2 -Emissionen um knapp 16 Prozent. Das Statistische Bundesamt<br />
betonte in seinem Bericht zu den umweltökonomischen Gesamtrechnungen 2000,<br />
dass insbesondere die Bereiche Kohlenbergbau, Energieversorgung, chemische Industrie<br />
sowie Kokerei und Mineralölverarbeitung "bedeutende Beiträge zur Minderung der CO 2 -<br />
Emissionen zwischen den Jahren 1991 und 1998 geliefert" hätten. Und auch weiterhin<br />
leisten die deutschen Unternehmen ihren Beitrag zur Steigerung der Energieeffizienz:<br />
Zwischen 2000 und 2020 kann sich die Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und<br />
Energieverbrauch weiter fortsetzen, da der Primärenergieverbrauch laut Szenario I des<br />
Energieberichts des BMWi trotz eines Zuwachses des realen Bruttoinlandsprodukts von<br />
rd. 45 Prozent um absolut 3 Prozent sinken wird.<br />
Zur Reduktion der CO 2 -Emissionen haben die Verbände der deutschen Energiewirtschaft<br />
und der energieintensiven Branchen ergänzend zu ihrer im Jahr 2000 eingegangenen<br />
Selbstverpflichtung im Frühjahr 2001 mit der Bundesregierung ein "Aktionsprogramm<br />
Klimaschutz" vereinbart: Mit einem Bündel freiwilliger Maßnahmen sowie öffentlich<br />
52
Handlungsoptionen aus Sicht der Energiewirtschaft<br />
geförderter Vorhaben soll in konkreten und quantifizierten Schritten bis zum Jahr 2010<br />
eine Senkung von 45 Millionen Tonnen CO 2 pro Jahr erreicht werden.<br />
2. Engagement und praktische Erfahrungen des RWE-Konzerns<br />
Der RWE-Konzern setzt im europäischen Binnenmarkt auf einen breiten Erzeugungsmix<br />
mit einer starken inländischen Erzeugungsbasis. Gerade vor dem Hintergrund politischer<br />
Risiken beim Import von Energieträgern und nur schwer prognostizierbarer Preisentwicklungen<br />
bei Öl und Gas gilt es RWE als großer Vorteil, mit der Braunkohle einen<br />
langfristig wettbewerbsfähigen heimischen Energieträger im Portfolio zu haben. Um die<br />
Maßgaben des Klimaschutzes zu erfüllen, will RWE durch Neubau und Modernisierung<br />
die Energieeffizienz des Kraftwerksparks steigern. Gleichzeitig gilt es, die installierte<br />
Kraftwerksleistung auf der Basis regenerativer Energien auszubauen, innovative Lösungen<br />
wie die Brennstoffzelle zur Marktreife zu bringen und die dezentrale Energieversorgung<br />
auf Basis der Kraft-Wärme-Kopplung weiterzuentwickeln.<br />
Unter Erfüllung optimistischer Annahmen könnte die dezentrale Energieversorgung auf<br />
Basis von erneuerbaren Energien, Kraft-Wärme-Kopplung und Brennstoffzellen bis zum<br />
Jahr 2015 einen Anteil von etwa 30 Prozent am Strommarkt in Deutschland erreichen.<br />
Programm zur Modernisierung der Kraftwerke:<br />
Durch Investitionen in Modernisierung und Ausbau wird die Energieeffizienz unseres<br />
Kraftwerksparks bis 2010 um weitere 15 bis 20 Prozent steigen. Zu den Maßnahmen<br />
gehören die Errichtung eines Braunkohlenblocks mit optimierter Anlagentechnik (BoA)<br />
in Niederaußem im rheinischen Braunkohlerevier. Dieses neue Kraftwerk hat einen Wirkungsgrad<br />
von über 43 Prozent und ersetzt Altanlagen mit Wirkungsgraden von rund<br />
31 Prozent. Die Weiterentwicklung dieser Anlage zur BoA-Plus wird bereits erprobt:<br />
Plus steht für Wirbelschichttrocknung und mechanisch-thermische Entwässerung der<br />
Braunkohle – eine Vorbehandlung, die die Energieausbeute bei der Verbrennung<br />
nochmals steigert.<br />
Ausbau erneuerbarer Energien:<br />
RWE wird die installierte Leistung erneuerbarer Energien von derzeit rund 800 Megawatt<br />
(MW) bis 2010 auf etwa 1.700 MW mehr als verdoppeln. RWE engagiert sich deshalb<br />
bei der Erprobung größerer Windenergieanlagen im Binnenland. Bis zum Jahr 2020<br />
wird diese Art der Energieerzeugung die Wasserkraft als dominierende regenerative<br />
Quelle abgelöst haben, da deren Möglichkeiten – insbesondere in Deutschland – auf<br />
Grund der geographischen Gegebenheiten begrenzt und nahezu ausgeschöpft sind.<br />
Ebenso steigen wird der Anteil von Biomasse und Müll, Klär-, Bio- und Deponiegas sowie<br />
Fotovoltaik. Mit ihren Gesellschaften Harpen und RWE Solar ist RWE für den weiteren<br />
Ausbau regenerativer Energiequellen hervorragend gerüstet. RWE Solar gehört zu<br />
53
Plenarteil<br />
Handlungsoptionen aus Sicht der Energiewirtschaft<br />
Dr. Henning Rentz<br />
den führenden Solarzellenherstellern der Welt und baut derzeit ihre Kapazitäten in<br />
Alzenau um eine dritte Fertigungslinie aus. Harpen setzt unter anderem auf Windenergie<br />
und nahm Ende 2001 in Spanien einen Windkraftpark in Betrieb, der im Endausbau<br />
eine Gesamtleistung von 16,5 MW besitzen wird.<br />
Innovationspotenzial Brennstoffzelle:<br />
Brennstoffzellen sind ideale Bausteine für eine dezentrale Energieversorgung, denn sie<br />
ermöglichen die gleichzeitige Erzeugung von Strom und Wärme. Darüber hinaus sind<br />
sie in Systemen fast jeder Größenordnung flexibel einsetzbar und unabhängig von der<br />
Auslastung durch ihren ausgezeichneten Wirkungsgrad hocheffizient, geräuscharm und<br />
nahezu wartungsfrei. Unter Erfüllung optimistischer Voraussetzungen kann die Brennstoffzelle<br />
in Deutschland bis 2015 einen Marktanteil von bis zu zehn Prozent an der<br />
deutschen Stromerzeugung erreichen.<br />
Gas- und Dampfturbinen und Kraft-Wärme-Kopplung:<br />
GuD (Gas- und Dampfturbinen) und KWK (Kraft-Wärme-Kopplung) stehen für dezentrale<br />
Wege einer effizienten Energieversorgung, in denen sich RWE bereits seit geraumer Zeit<br />
engagiert. GuD-Kraftwerke koppeln Gas- und Dampfturbinen miteinander, um den Wirkungsgrad<br />
zu steigern, und werden in der Regel mit Erdgas betrieben. Wenn sich der<br />
Niedertemperaturdampf noch zusätzlich mittels Kraft-Wärme-Kopplung verwerten lässt,<br />
erreicht man besonders hohe Energienutzungsgrade von bis zu 87 Prozent. Solche Anlagen<br />
von RWE bauen und betreiben zu lassen ist vor allem für jene Industriekunden interessant,<br />
die einen konstanten Bedarf an Wärme bzw. Prozessdampf aufweisen,<br />
während der gleichzeitig erzeugte Strom teilweise ins eigene Netz oder aber in das Verbundnetz<br />
geht. Neben den von RWE betriebenen GuD-Anlagen bei BASF, Bayer und Opel<br />
hat auch die RWE-Gesellschaft Harpen zur dezentralen Energieversorgung bereits verschiedene<br />
KWK-Anlagen errichtet, die mit verschiedensten Energieträgern arbeiten und<br />
gleichzeitig Strom und Wärme erzeugen. Mit In-Kraft-Treten des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz<br />
im April 2002 wurde diese dezentrale Versorgungsstrategie deutlich gestärkt.<br />
Es sieht eine Vergütung für Strom vor, der aus besonders effizienten KWK-Anlagen<br />
stammt und in das allgemeine Versorgungsnetz eingespeist wird.<br />
Kyoto-Instrumente:<br />
Praktische Erfahrungen konnte RWE auch mit der Umsetzung Projekten im Rahmen der<br />
Flexiblen Instrumente des Kyoto-Protokolls Joint Implementation (JI) und Clean Development<br />
Mechanism (CDM) sammeln. RWE ist Mitglied im Prototype Carbon Fund der<br />
Weltbank, mit dem weltweit JI- und CDM-Projekte durchgeführt werden. Im April 2000<br />
wurde das Kraftwerk für die SKODA-Automobilfabrik in Mlada Boleslav, Tschechische<br />
Republik, von den deutschen und den tschechischen Behörden als "Activity Implemented<br />
Jointly" (AIJ) nach der Klimarahmenkonvention anerkannt. Im Rahmen der E7-Initiative,<br />
einem Zusammenschluss von neun der weltweit führenden Elektrizitätsversor-<br />
54
Handlungsoptionen aus Sicht der Energiewirtschaft<br />
gungsunternehmen, wurde beispielsweise in Indonesien eine netzunabhängige Stromversorgung<br />
aus Wasser-, Wind- und Sonnenenergie aufgebaut. Ebenfalls erfolgreich abgeschlossen<br />
wurde das Projekt Effizienzsteigerung und Emissionsreduzierung bei<br />
ölgefeuerten Kraftwerken in Jordanien.<br />
Unsere praktischen Erfahrungen führten dazu, dass wir folgende Anforderungen an solche<br />
Klimaschutzprojekte stellen:<br />
• Einfache Anwendung / standardisierte Abläufe,<br />
• keine Beschränkung der Projektgröße oder der Rentabilität,<br />
• Einbeziehung vieler Projekttypen,<br />
• wenig bürokratische Hemmnisse,<br />
• niedrige Transaktionskosten,<br />
• klare und stabile politische Rahmenbedingungen.<br />
RWE ist in regelmäßigem Dialog mit der Bundesregierung und Organisationen der Klimarahmenkonvention,<br />
um diesen Anforderungen, ohne die aus unserer Sicht JI und<br />
CDM nicht sinnvoll durchführbar sind, Gehör zu verschaffen.<br />
3. Vorschlag der EU-Kommission für ein Emissions Trading-System<br />
Neben den genannten Instrumenten JI und CDM sieht das Kyoto-Protokoll auch Emissions<br />
Trading (ET) vor. Durch Einbeziehung aller Klimagase, aller Regionen und aller<br />
Emittenten soll ein Höchstmaß an Flexibilität erreicht und damit eine möglichst kosteneffiziente<br />
Reduktion von Klimagasemissionen im globalen Maßstab ermöglicht werden.<br />
Der von der Europäischen Kommission am 23. Oktober 2001 vorgelegte Richtlinienentwurf<br />
für ein EU-weites Emissions Trading-System wird diesem Ansatz aber nicht gerecht.<br />
Er bezieht nur die heutigen EU-Mitgliedstaaten ein, betrifft nur wenige Sektoren<br />
(Strom- und Wärmeerzeugung über 20 MW, Eisen- und Stahl, Glas, Papier, Zement),<br />
berücksichtigt nur CO 2 – und davon nur rd. 46 % der EU-weiten Emissionen – und vernachlässigt<br />
damit andere Treibhausgase, vor allen Dingen Methan und Distickstoffoxid.<br />
Darüber hinaus ist nicht geklärt, ob der EU-Entwurf kompatibel ist mit den in Deutschland<br />
bereits existierenden Instrumenten zur Klimavorsorge (Selbstverpflichtungen,<br />
Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz, Erneuerbare-Energien-Gesetz, Ökosteuer etc.), mit denen<br />
die nationalen Verpflichtungen zur Minderung von Treibhausgasemissionen bis 2010<br />
sehr wahrscheinlich erfüllt werden. Es ist vielmehr zu befürchten, dass die bisherigen<br />
Instrumente weiter bestehen bleiben und zusätzliche Belastungen für Unternehmen<br />
und Verbraucher entstehen, die zu Arbeitsplatzverlusten und Wohlfahrtseinbußen<br />
führen.<br />
55
Plenarteil<br />
Handlungsoptionen aus Sicht der Energiewirtschaft<br />
Dr. Henning Rentz<br />
Will die EU-Kommission an ihrem Vorhaben festhalten, müssen die Lasten der europäischen<br />
Klimaschutzpolitik gleichmäßig auf alle Sektoren verteilt werden, die betroffenen<br />
Unternehmen möglichst viel Flexibilität erhalten und die Kosten des Systems so gering<br />
wie möglich gehalten werden.<br />
Mindestanforderungen wären daher:<br />
• Aufnahme einer "Opt-Out-Klausel" für EU-Mitgliedstaaten, die ihre<br />
Emissionsziele auch ohne die Einführung eines Emissions Trading-Systems<br />
erreichen können.<br />
• Vorschaltung einer Pilotphase zur Erprobung des Systems.<br />
• Kostenlose Vergabe der Emissionsrechte (Grandfathering) unter<br />
Berücksichtigung bereits erbrachter Minderungsleistungen und nach<br />
EU-weit einheitlichen Kriterien.<br />
• Verknüpfung mit dem in Deutschland erfolgreich praktizierten System der<br />
freiwilligen Vereinbarungen.<br />
• Einbeziehung auch der anderen im Kyoto-Protokoll erwähnten Treibhausgase.<br />
• Einbeziehung der EU-Beitrittskandidaten.<br />
• Einbeziehung der projektbezogenen Kyoto-Mechanismen<br />
(Joint Implementation, Clean Development Mechanism).<br />
56
Pleanrteil<br />
Nachhaltige Klimavorsorge der Stahlindustrie<br />
Prof. Dr. Dieter Ameling<br />
Präsident Wirtschaftsvereinigung Stahl,<br />
Vorsitzender Verein Deutscher<br />
Eisenhüttenleute<br />
Co-Autor: Dr. mont. Horst Michael Aichinger<br />
Abteilungsleiter Energiewirtschaft<br />
VDEh Düsseldorf<br />
Verpflichtungen der EU und ihrer Mitgliedsstaaten<br />
Im Protokoll von Kyoto verpflichtete sich im Dezember 1997 die Europäische Gemeinschaft<br />
als Ganzes, ihre Treibhausgasemissionen bis spätestens 2012 um 8 % gegenüber<br />
1990 zu vermindern. Für diese Zeitspanne hat jeder der fünfzehn EU-Mitgliedstaaten<br />
gleichfalls eine 8 %ige Emissionsminderungsverpflichtung zugesagt. Im Anschluss an<br />
die Beschlüsse von Kyoto wurde im Juni 1998 auf der EU-Umweltministerkonferenz eine<br />
EU-interne Lastenverteilung, das Burden-Sharing, beschlossen. Diese Ziele der Lastenverteilung<br />
(Verständigung) sind zwar völkerrechtlich nicht verbindlich, wie jene im Rahmen<br />
des Kyoto-Protokolls, europapolitisch aber von erheblicher Bedeutung. Von der rd.<br />
332 Mio t Emissionsminderung der Gemeinschaft hat Deutschland mit dem 21%igen<br />
Minderungsziel 252 Mio t Emissionsminderung und damit über 75 % der EU-Gesamtminderung<br />
übernommen. Damit stellt sich die Frage, ob in Deutschland dieses Minderungsziel<br />
der EU-Lastenverteilung auch erreichbar ist. Die in Tafel 1 wiedergegebene Auswertung<br />
des Umweltbundesamtes über die Entwicklung der Emissionen an sechs Kyoto-<br />
Treibhausgasen von 1990 bis 1999 dokumentiert eine bereits erreichte Minderung um<br />
18,7 %. Damit scheinen die internationalen Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll<br />
1997 und der EU-Lastenverteilung 1998 bis 2012 als sicher erfüllbar. Entscheidend<br />
dafür ist, dass Deutschland bereits seit 1990 mit Programmen und Aktivitäten zur Klimavorsorge<br />
in Vorleistung getreten ist.<br />
Betrachtet man in der europäischen Übersicht nur allein die Emissionstrends der drei<br />
Kyoto-Gase CO 2 ,CH 4 und N 2 O aller EU-Mitgliedstaaten von 1990 bis 1998, so ist die<br />
bisherige Entwicklung von 1990 bis 1998 mit einer Abnahme von 2,5 % nicht sehr zielführend.<br />
Mit Ausnahme von Deutschland, Luxemburg und Großbritannien steigen die<br />
Treibhausemissionen in allen anderen Mitgliedstaaten deutlich an. Die Europäische<br />
Kommission verfolgt deshalb mit dem im März 2000 vorgelegten ECCP – Europäischer<br />
Programm zur Klimaänderung (Dokument KOM {2000} 87) – und dem Grünbuch zum<br />
innergemeinschaftlichen Emissionshandel (Dokument KOM {2000} 88) eine zweigleisige<br />
Strategie zur Erreichung des Kyoto-Ziels. Die erste Säule stellen gezielte Maßnahmen in<br />
den Schlüsselbereichen zur Emissionsminderung dar, nämlich Energieversorgung, Industrie,<br />
Privathaushalte und Tertiärsektor, Verkehr und Verkehrspolitik, Infrastruktur, Abfall,<br />
Forschung sowie die internationale Zusammenarbeit, insbesondere wird hier der<br />
Technologietransfer an Entwicklungsländer angesprochen. In dem Grünbuch, als zweite<br />
Säule, wird die Einführung eines innergemeinschaftlichen Handels mit CO 2 -Emissionen<br />
57
Plenarteil<br />
Nachhaltige Klimavorsorge der Stahlindustrie<br />
Prof. Dr. Dieter Ameling<br />
Tafel 1<br />
Entwicklung der sechs Kyoto-Gase in Deutschland<br />
Basisjahr 1999<br />
gemäß Kyoto-Protokoll<br />
KlimawirksameSpurengase<br />
Mio t CO 2 -Äquivalent<br />
CO 2 -Emissionen 1014,5 858,5<br />
Ch 4 117,0 68,7<br />
N 2 O 66,2 43,7<br />
HFC 3,1 4,3<br />
PFC 1,8 1,7<br />
SF 6 6,2 5,5<br />
Insgesamt 1208,8 982,4<br />
Quelle: Umweltbundesamt, Stand Januar 2001<br />
für Branchen des Energieumwandlungssektors<br />
und von ausgewählten energieintensiven<br />
Industriezweigen als sogenannte CO 2 -Großemittenten<br />
vorgeschlagen. Begründet wird<br />
dies mit marktwirtschaftlichen Argumenten:<br />
Die Wirtschaft könne mit einem Emissionshandel<br />
die CO 2 -Minderungen in ihrer Entscheidung<br />
dort vornehmen, wo diese am effektivsten<br />
und kostengünstigsten seien. Als<br />
Vorbereitung eines möglichen weltweiten<br />
Emissionshandelssystem ab 2008 soll nach<br />
dem Zeitplan der EU-Kommission das innergemeinschaftliche<br />
Handelssystem mit CO 2 -<br />
Emissionszertifikaten im Jahre 2005 eingeführt<br />
werden. Mittlerweile liegt ein Richlinienvorschlag<br />
der Europäischen Kommission für den Handel mit Treibhausgasemissionen<br />
vor, der auf teilweise heftige Kritik gestoßen ist.<br />
Beide Maßnahmen, innergemeinschaftlicher Emissionshandel und ECCP, werden als<br />
wichtige Meilensteine bei den Vorbereitungen zur Ratifizierung des Kyoto-Protokolls<br />
durch die EU angesehen. Die EU setzt sich dafür ein, dass das Kyoto-Protokoll auf der<br />
im Jahr 2002 vorgesehenen Konferenz ”Rio + 10” in Kraft treten kann.<br />
Sollten die auf gemeinschaftlicher Ebene angestoßenen Politiken und Maßnahmen in<br />
den Mitgliedstaaten mit Nachholbedarf zur Emissionsminderung nicht greifen, besteht<br />
die Gefahr, dass die von der Europäischen Union als Ganzes in Kyoto zugesagte Treibhausgasminderung<br />
von 8 % bis zum Zeitraum 2008/2012 gegenüber 1990/1995 verfehlt<br />
wird. Die deutsche Bundesregierung beteiligt sich an dem von der Kommission<br />
eingeleiteten Prozess zur Entwicklung einer europäischen Strategie sehr intensiv und<br />
sehr konstruktiv. Sie bringt in die gegenwärtigen Beratungen die in Deutschland seit<br />
1990 mit der Entwicklung und Umsetzung des nationalen Klimaschutzprogramms gewonnenen<br />
Erfahrungen ein.<br />
Eckpunkte der nationalen Klimavorsorgepolitik<br />
Die Ende der 80er Jahre verdichtete und wissenschaftlich auf Basis von klimatheoretischen<br />
Computersimulationen begründete langfristig zu erwartende globale Klimaproblematik<br />
war 1990 für die Regierung Kohl Veranlassung, in einer Art Vorreiterrolle eine<br />
nationale Klimavorsorgepolitik in die Tat umzusetzen. Deutschland hatte sich damals<br />
mit der 25%igen Minderung der absoluten CO 2 -Emissionen von 1990 bis 2005 ein<br />
äußerst anspruchsvolles Klimavorsorgeziel gesetzt. Dies wurde von der Regierung Kohl<br />
anlässlich der 1. Vertragsstaatenkonferenz zur Klimarahmenkonvention im Frühjahr<br />
1995 in Berlin international bekräftigt und 1999 von der Regierung Schröder übernommen<br />
und erneut bestätigt. Diese nationale Selbstverpflichtung beinhaltet bis 2005 einen<br />
58
Nachhaltige Klimavorsorge der Stahlindustrie<br />
Rückgang der CO 2 -Emissionen von 1 014 Mio t (1990) auf 760 Mio t. Was wurde bisher<br />
erreicht Bild 1 spiegelt die Entwicklung der CO 2 -Emissionen, des Primärenergieverbrauchs<br />
und des Bruttoinlandsproduktes (BIP) sowie der Emissionsanteile fossiler<br />
Energieträger ab 1990 wider. Die bis 1999 erreichte Absenkung des absoluten CO 2 -Ausstoßes<br />
von 156 auf 859 Mio t und damit um 15,3 % ist allerdings zu einem erheblichen<br />
Prozents-Anteil auf die vereinigungsbedingten Sonderfaktoren in den neuen Bundesländern<br />
von 1990 bis 1994 zurückzuführen. In dieser kurzen Zeitspanne wurden bedeutende<br />
Effizienzsteigerungen durch die Elektrizitäts- und Gaswirtschaft wie in Teilbereichen<br />
der Produktionstechnik erzielt.<br />
Der Anstieg des BIP von 14,1 %<br />
bei vermindertem Primärenergieverbrauch<br />
um 4,8 % belegt<br />
die fortschreitende Entkopplung<br />
von Wachstum und Energieverbrauch.<br />
In einem hochentwickelten<br />
Land wie der Bundesrepublik<br />
Deutschland bestimmt<br />
eine Vielzahl von Determinanten<br />
Höhe und Struktur des Energieverbrauchs.<br />
Neben volkswirtschaftlich<br />
zyklischen wie auch<br />
saisonalen und witterungsabhängigen<br />
Faktoren beeinflussen<br />
CO 2 -Emissionen in Deutschland<br />
Entwicklung der CO 2 -<br />
Emissionen des Bruttoinlandprodukts<br />
(BIP)<br />
und des Primärenergieverbrauchs<br />
in Deutschland sowie<br />
Emissionsanteile<br />
fossiler Energieträger<br />
von 1990 bis 1999<br />
vor allem die Bevölkerungszahl, die Größe der gesamten Wohnfläche, die Anzahl an<br />
Kraftfahrzeugen und ihre Fahrleistungen, die wirtschaftliche und strukturverändernde<br />
Produktion, aber auch Energieeinsparung und rationale Energienutzung das Niveau des<br />
konsumtiven und produktiven Energieverbrauchs. Hier gibt es besonders im konsumtiven<br />
Verbrauchsbereich Entwicklungen, die seit 1990 zu einem Energiemehrverbrauch<br />
führten. So ist die Wohnbevölkerung innerhalb der letzten zehn Jahre um 2,7 Mio. auf<br />
82,1 Mio gestiegen. Noch mehr beeinflusst den Energieverbrauch jedoch die steigende<br />
Anzahl der Haushalte, insbesondere der Ein- und Zwei-Personen Haushalte. Die beheizte<br />
Wohnfläche nimmt demnach immer weiter zu. Gleichzeitig hat sich der Pkw-/Kombibestand<br />
von 35,5 auf 42,3 Mio Fahrzeuge, damit um fast 20 % erhöht.<br />
Bild 1<br />
Diese Entwicklungen hatten einen deutlichen Anstieg der CO 2 -Emissionen im Verbrauchssektor<br />
Verkehr trotz sparsamerer Fahrzeuge zur Folge. Die europäische Automobilindustrie<br />
(ACEA) unternimmt im Rahmen ihrer Selbstverpflichtung erhebliche Anstrengungen,<br />
die mittleren CO 2 -Emissionen neuer Pkw von ca. 200 auf 140 g/km bis<br />
zum Jahr 2008 zu vermindern. Beim stark witterungsabhängigen Verbrauch des Haus-<br />
59
Plenarteil<br />
Nachhaltige Klimavorsorge der Stahlindustrie<br />
Prof. Dr. Dieter Ameling<br />
Bild 2<br />
haltssektors konnte bisher nur eine Stabilisierung<br />
Entwicklung der absoluten CO 2 -Emissionen<br />
der CO 2 -Emissionen erreicht werden. Wesentlich<br />
zielkonformer entwickelten sich die energiebedingten<br />
CO 2 -Emissionen in den Verbrauchssektoren Energiewirtschaft,<br />
Industrie und Kleinverbrauch (Gewerbe,<br />
Handel, Dienstleistungen). Aus der Gegenüberstellung<br />
der absoluten CO 2 -Emissionsentwicklung<br />
in Deutschland in Bild 2 ist ablesbar, dass diese drei<br />
Verbrauchssektoren im Jahr 1999 172 Mio t CO 2 weniger<br />
emittierten als 1990. Als saldierte CO 2 -Gesamtemissionsminderung<br />
wurde mit bisher 156 Mio t<br />
ein Rückgang von 15,3 % erreicht. Somit fehlen auf<br />
dem Weg zum Zieljahr 2005 der nationalen Selbstverpflichtung<br />
rund 10 Prozentpunkte. Damit diese<br />
Minderungslücke geschlossen werden kann, hat das<br />
Entwicklung der Bundeskabinett am 11. November 2000, einen Monat vor Beginn der 6. Vertragsstaatenkonferenz<br />
in Den Haag, ein neues nationales Klimaschutzprogramm verabschiedet,<br />
absoluten CO 2 -<br />
Emissionen nach<br />
mit dem der CO 2 -Ausstoß in Deutschland bis 2005 durch ein Bündel von zusätzlichen<br />
Verbrauchssektoren<br />
in Deutschland Maßnahmen um bis zu 70 Mio t verringert werden soll. Zur Erreichung des Minderungsziels<br />
gibt das neue Klimaschutzprogramm erstmals auch für die einzelnen Sektoren<br />
1990 gegenüber<br />
1999<br />
konkrete Minderungsbeiträge vor. Demnach müssen in privaten Haushalten und im Gebäudebereich<br />
18 bis 25 Mio t, in der Energiewirtschaft und Industrie 20 bis 25 Mio t<br />
und im Verkehr 15 bis 20 Mio t CO 2 bis 2005 zusätzlich eingespart werden.<br />
Die wichtigsten Maßnahmen im einzelnen sind:<br />
• Sanierung und Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung,<br />
• Energieeinsparverordnung zur Senkung des Energiebedarfs von Neubauten,<br />
• Programm für die Sanierung von Altbauten,<br />
• Förderung der Entwicklung und Demonstration umwelt- und klimaschonender<br />
Energieformen,<br />
• Förderung von Infrastrukturmaßnahmen der Deutschen Bahn AG,<br />
• Beseitigung von Wettbewerbsnachteilen für hocheffiziente Energieerzeugung,<br />
• streckenabhängige Autobahnbenutzungsgebühr für schwere Lkw ab 2003,<br />
• verstärkte Förderung verbrauchsarmer Pkw im Rahmen der Kfz-Steuer,<br />
• Einführung emissionsdifferenzierter Landeentgelte für Flugzeuge u.a.m.<br />
Zudem hat sich die Bundesregierung mit der deutschen Wirtschaft auf die Fortführung<br />
und den Ausbau der freiwilligen Selbstverpflichtung von 1995/96 verständigt, mit der<br />
Zielmarke, den CO 2 -Ausstoß bis 2005 um zusätzliche 10 Mio t und die Emission der<br />
sechs Kyoto-Gase bis 2012 um weitere 10 Mio t CO 2 -Äquivalente zu senken. Damit bekennt<br />
sich erneut die deutsche Wirtschaft zu einer vorsorgenden Klimapolitik und leistet<br />
einen wichtigen Beitrag zum nationalen CO 2 -Minderungsziel der Bundesregierung.<br />
60
Nachhaltige Klimavorsorge der Stahlindustrie<br />
Die Selbstverpflichtung der deutschen Wirtschaft zur Klimavorsorge<br />
Die Wirtschaft der Bundesrepublik praktiziert bereits seit 1995 ein selbstorganisiertes,<br />
eigenverantwortliches, branchenübergreifendes, zielgerichtetes, überprüfbares und Erfolge<br />
vorweisendes Instrument zur CO 2 -Minderung. Mit diesem Instrument der Selbstverpflichtung<br />
der Wirtschaft wurde auf Basis einer freiwilligen Vereinbarung mit der<br />
Bundesregierung ein flexibles marktwirtschaftliches Instrument installiert, das allen Beteiligten<br />
den eigenverantwortlichen Spielraum belässt, um durch verfahrenstechnische<br />
Modernisierungsinvestitionen aller Art, durch Investitionen in den Strukturwandel und<br />
gezielte Energiesparinvestitionen nachhaltige Effizienz- und Kostensenkungspotentiale<br />
zu verwirklichen. Damit unterscheidet sich dieses marktwirtschaftliche Instrument in<br />
seiner Zielsetzung grundsätzlich von den Kyoto-Mechanismen und insbesondere vom<br />
Emissionshandel. Die Selbstverpflichtung als wesentliches Element der deutschen Klimavorsorgeziele<br />
hat bereits weltweit Beachtung und auch erste Nachahmer gefunden. Die<br />
Wirtschaft hat sich mit ihrer ersten Selbstverpflichtung von 1995 das Ziel gesetzt, freiwillig<br />
besondere Anstrengungen zu unternehmen, um die spezifischen CO 2 -Emissionen<br />
bzw. den spezifischen Energieverbrauch bis zum Jahre 2005 gegenüber 1990 um 20 % zu<br />
mindern. Getragen wird sie – unter Federführung des BDI – von fünf Spitzenverbänden<br />
der deutschen Wirtschaft und 14 Verbänden des produzierenden Gewerbes. Die Verpflichtung<br />
erfasst rd. 80 % des industriellen Energieverbrauches, nahezu vollständig<br />
den Bereich der öffentlichen und industriellen Stromversorgung und einen erheblichen<br />
Teil des Energieverbrauchs des Sektors private Haushalte und gewerblicher Kleinverbrauch.<br />
Im Bereich des industriellen Energieverbrauchs verpflichteten sich die Wirtschaftszweige<br />
für Chemie, Fahrzeugbau, Feuerfest, Glas, Kalk, Kali, Keramik, NE-Metalle,<br />
Papier, Stahl, Textil, Zement und Zucker. Für den öffentlichen Versorgungsbereich der<br />
Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW), die Vereinigung Deutscher<br />
Elektrizitätswerke (VDEW), der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) und der<br />
VIK als Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft.<br />
Ein wesentlicher Bestandteil der Erklärung zur Klimavorsorge von 1995 ist das umfassende<br />
CO 2 -Monitoring-Konzept unter Einschaltung eines neutralen Dritten als Gutachter.<br />
Mit der gutachterlichen Überprüfung und Bewertung ist das Rheinisch-Westfälische Institut<br />
für Wirtschaftsforschung (RWI), Essen, beauftragt. Die bisher veröffentlichten drei<br />
Monitoring-Berichte, die den Zeitraum 1990 bis 1998 beschreiben, bewerten die vielfältigen<br />
Bemühungen der Unternehmen aller Wirtschaftszweige um einen rationelleren<br />
Energieeinsatz und die Einzelmaßnahmen zur Verringerung der CO 2 -Emissionen. Eine<br />
gesonderte Auswertung ergab, dass durch die an der Selbstverpflichtung beteiligte Industrie<br />
eine gewichtete Minderung der spezifischen CO 2 -Emissionen von 1990 bis 1998<br />
von bereits 23 % erreicht werden konnte. Als absolute CO 2 -Minderung wurden vom RWI<br />
für diesen Zeitraum 46,6 Mio t ermittelt. Der absolut größte Beitrag dazu kam mit 21,5<br />
Mio t von der Chemischen Industrie, die Stahlindustrie trug 9,6 Mio t, der Bereich Steine<br />
und Erden 7,5 Mio t bei. Insgesamt erzielten Industrie und Energieversorgung einen<br />
61
Plenarteil<br />
Nachhaltige Klimavorsorge der Stahlindustrie<br />
Prof. Dr. Dieter Ameling<br />
Rückgang der CO 2 -Emissionen von 80 Mio t, dies entspricht einem Beitrag zum nationalen<br />
Klimavorsorgeziel von 2005 in Höhe von 36 %.<br />
Substantielle Weiterentwicklung der Selbstverpflichtung zur Klimavorsorge.<br />
Aufgrund der Ergebnisse und insbesondere vor dem Hintergrund der europäischen und<br />
internationalen Verpflichtungen zur Umsetzung der Klimarahmenkonvention und des<br />
Kyoto-Protokolls haben die Bundesregierung und die Wirtschaft im Jahr 2000 mehrmonatige<br />
Verhandlungen zur Weiterentwicklung der Selbstverpflichtung aus den Jahren<br />
1995/96 geführt. Dabei haben sich die Beteiligten darauf verständigt, die bisherige einseitige<br />
Erklärung auf eine gemeinsame Basis zu stellen und damit auch die beiderseitige<br />
Verbindlichkeit der Zusagen zu unterstreichen. Diese neue Vereinbarung wurde am<br />
6. November 2000 vom Bundeskanzler, Bundesumweltminister und Bundeswirtschaftsminister<br />
sowie den Verbandspräsidenten des BDI, der VDEW, des BGW und des VIK unterzeichnet.<br />
Der Inhalt der Vereinbarung entspricht der aktuellen umweltpolitischen Entwicklung.<br />
Anders als in der Selbstverpflichtung aus den Jahren 1995/96 sind die Leistungen<br />
der Vertragsparteien in der neuen Vereinbarung konkreter als bisher umschrieben.<br />
Die Regierung erklärt ihrerseits den Verzicht auf die Einführung eines verbindlichen<br />
Energieaudits sowie auf zusätzliches Ordnungsrecht. Über den Einsatz der flexiblen Instrumente<br />
des Kyoto-Protokolls wird sie unter Beteiligung der Wirtschaft entscheiden.<br />
Außerdem wird sie sich dafür einsetzen, dass der an der Vereinbarung teilnehmenden<br />
Wirtschaft auch bei der Fortentwicklung der ökologischen Steuerreform im internationalen<br />
Vergleich keine Wettbewerbsnachteile entstehen. Diese neue Vereinbarung ist wesentlicher<br />
Bestandteil des im November 2000 verabschiedeten Klimaschutzprogramms<br />
der Bundesregierung. Bestandteil der neuen Vereinbarung ist auch, dass die Zusagen<br />
der deutschen Wirtschaft durch Einzelerklärungen der beteiligten Wirtschaftsverbände<br />
konkretisiert und untermauert werden. Ihrer Zusage nachkommend hat die Stahlindus -<br />
trie im Mai 2001 die folgende Erklärung abgegeben:<br />
Erweiterte Selbstverpflichtung der Stahlindustrie zur Klimavorsorge bis 2012.<br />
Im Rahmen der "Vereinbarung zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland<br />
und der deutschen Wirtschaft zur Klimavorsorge” vom 9. November 2000 wurde die<br />
Selbstverpflichtung erweitert. Die Stahlindustrie bekennt sich zum Ziel einer nachhaltigen,<br />
zukunftsfähigen Wirtschaftsweise unter gleichgewichtiger Berücksichtigung ökonomischer,<br />
ökologischer und sozialer Zielsetzungen entsprechend den Intentionen der<br />
Agenda 21. Es ist das Hauptanliegen der Stahlindustrie, ihre ständig weiterentwickelten<br />
Produkte mit immer geringerem, umweltentlastendem Ressourceneinsatz und höherem<br />
Anwendernutzen zu erzeugen.<br />
Die umfassende Effizienzsteigerung beim Einsatz aller Ressourcen mit dem Ziel einer<br />
möglichst hohen Ressourcenproduktivität ist durch folgende Handlungsfelder gekennzeichnet:<br />
62
Nachhaltige Klimavorsorge der Stahlindustrie<br />
• Weiter- und Neuentwicklung nachhaltig angepasster Technologien und Produktionssysteme,<br />
• Verbesserung der ressourcenschonenden Nutzung und Umweltverträglichkeit der<br />
Stoff- und Energieströme,<br />
• Erweiterung und Schließung von Stoffkreisläufen, insbesondere des Sekundärrohstoffes<br />
Stahlschrott, und von Nebenprodukten der Roheisen- und Stahlherstellung,<br />
• Weiter- und Neuentwicklung ressourceneffizienter maßgeschneiderter Werkstoffe,<br />
• Nachhaltiger Kunden- und Anwendernutzen der Stahlwerkstoffe.<br />
Im Rahmen dieser ganzheitlichen Entwicklungsziele sieht die Stahlindustrie ihren Beitrag<br />
zur Klimavorsorge und erklärt ihre Bereitschaft, über die 1995/96 abgegebenen Zusagen<br />
hinaus einen weiteren substantiellen Beitrag zur Minderung der spezifischen CO 2 -<br />
Emissionen zu leisten.<br />
Zusage<br />
Die Stahlindustrie verpflichtet sich hiermit, im Rahmen der ”Vereinbarung zwischen der Regierung<br />
der Bundesrepublik Deutschland und der deutschen Wirtschaft zur Klimavorsorge”<br />
vom 9. November 2000 ein zusätzliches CO 2 -Minderungsangebot für den Kyoto-Zeitraum<br />
1990 bis zum Jahre 2012 wie folgt zu konkretisieren:<br />
Der auf die gesamte Rohstahlerzeugung bezogene spezifische rohstoff- und energiebedingte<br />
CO 2 -Ausstoß wird von 1990 bis 2012 um insgesamt 22 % gemindert. Hierin ist der<br />
Emissionsanteil der Eigenerzeugung und aus dem Fremdbezug elektrischer Energie von<br />
den öffentlichen Kraftwerken für die Stahlindustrie enthalten. Die um 5 bis 6 Prozentpunkte<br />
gegenüber dem ursprünglichen Zieljahr 2005 auf insgesamt 22 % erhöhte spezifische<br />
CO 2 -Minderung im Gesamtbereich der Oxygen- und Elektrostahlerzeugung berücksichtigt<br />
bereits den Energiemehraufwand, der durch Verlängerung der Wertschöpfungskette mit<br />
neuen Folgeprozessen in der Weiterverarbeitung, durch weitere Maßnahmen zur Automatisierung<br />
sowie durch noch höhere Anforderungen des Umweltschutzes verursacht wird.<br />
Die Stahlindustrie bindet ihre Zusage an die Rahmenbedingungen, die in der Vereinbarung<br />
zwischen der Bundesregierung und der deutschen Wirtschaft festgelegt sind. Sie<br />
geht insbesondere davon aus, dass die Bundesregierung auf die Einführung eines verbindlichen<br />
Energieaudits sowie auf zusätzliche ordnungsrechtliche und fiskalische Regelungen<br />
verzichtet und sich außerdem dafür einsetzen wird, dass der an der Vereinbarung<br />
teilnehmenden Wirtschaft auch bei einer Fortentwicklung der ökologischen Steuerreform<br />
im internationalen Vergleich keine Wett bewerbsnachteile entstehen.<br />
Für die Stahlindustrie hat das flexible, weiterentwicklungsfähige, marktwirtschaftliche<br />
und zielgerichtete Effizienzinstrument der Selbstverpflichtung der Wirtschaft auf der<br />
Basis einer Vereinbarung zur Klimavorsorgepolitik und einer nachhaltigen Entwicklung<br />
Vorrang vor allen anderen Klimapolitikinstrumenten. Die Stahlindustrie steht weiterhin<br />
zu der Verpflichtung im Rahmen des CO 2 -Monitoring-Konzeptes unter Einschaltung des<br />
63
Plenarteil<br />
Nachhaltige Klimavorsorge der Stahlindustrie<br />
Prof. Dr. Dieter Ameling<br />
Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) als neutralem Gutachter,<br />
jährlich einen CO 2 -Monitoring-Fortschrittsbericht der Stahlindustrie zu erstellen.<br />
Maßnahmen<br />
Als Hauptmaßnahmen zur Energie- und Stoffeffizienzsteigerung und CO 2 -Minderung für<br />
den Zeitraum 1990 bis 2012 sieht die Stahlindustrie die folgenden Optimierungsfelder:<br />
• Prozessinnovationen, Verfahrens- und Strukturwandel<br />
- Konzentration und Erhöhung der Leistungsfähigkeit<br />
der Roheisen- und Oxygenstahlerzeugung,<br />
- Prozessinnovationen in der Hochofen- und Oxygenstahltechnologie<br />
sowie Sekundärmetallurgie,<br />
- Modernisierung und Neubau von Elektrostahlwerken<br />
mit Zunahme des Elektrostahlanteils,<br />
- Prozessinnovationen in der Elektrostahltechnologie<br />
einschließlich Sekundärmetallurgie,<br />
- Einführung von neuen ressourcenschonenden Gießwalzverfahren<br />
für Flachprodukte und Profile,<br />
- verstärkter Software-Einsatz zur Steuerung, Regelung und<br />
Überwachung von Prozessen und Anlagen,<br />
- Verkettung von bisher getrennt arbeitenden Erzeugungsanlagen<br />
(Multi-Processing-Line),<br />
• Energietechnische und energie- und stoffwirtschaftliche Maßnahmen<br />
- ständige energietechnische Prozessoptimierung,<br />
- Optimierung der Kuppelenergiewirtschaft und des Energieverbundes,<br />
- Ausführung von Energierückgewinnungsmaßnahmen,<br />
- Ausführung von Abwärmeprojekten,<br />
- CO 2 -mindernde Energieträgersubstitution,<br />
- metallurgische und verfahrenstechnische Entwicklungen zur Erhöhung<br />
des Stoffausbringens in allen Produktionsprozessen,<br />
- Erhöhung des Aufbereitungsanteils des Nebenproduktes Hochofenschlacke<br />
als Rohstoffsubstitut Hüttensand/ Granulat zur Zementherstellung.<br />
Besonderheiten metallurgischer Stoffumwandlung<br />
Im Zusammenhang mit der Zusage zur CO 2 -Minderung wird auf die besonderen prozesstechnischen<br />
Gegebenheiten der stoffwandelnden Nutzung fossiler Energierohstoffe<br />
bei den metallurgischen Umwandlungsprozessen der Reduktion von Eisenerzen zu Roheisen<br />
oder Eisenschwamm hingewiesen. Aus naturwissenschaftlicher und verfahrenstechnischer<br />
Sicht ist unstreitig, dass die beim Hochofenverfahren eingesetzten Kohlenstoff-<br />
und Kohlenwasserstoffträger wie Koks und dessen Substitute, beispielsweise<br />
Schweröl, Einblaskohle, Gas oder auch Altkunststoffe, primär als chemische Rohstoffe<br />
eingesetzt werden. Mit diesen chemischen Rohstoffen werden in einer prozessintegrier-<br />
64
Nachhaltige Klimavorsorge der Stahlindustrie<br />
ten Verfahrensstufe die für die Eisenerzreduktion zwingend erforderlichen Reduktionsgase<br />
mit unterschiedlichen Anteilen an Kohlenmonoxid und Wasserstoff erzeugt. Ohne<br />
das chemisch wirkende Reduktionspotential dieser Reduktionsgase kann die Eisenerzreduktion,<br />
d. h. der Abbau des mineralisch gebundenen Sauerstoffs, nicht ablaufen. Daraus<br />
ergibt sich, dass der Einsatz dieser Kohlenstoff- und Kohlenwasserstoffträger beim<br />
Hochofenverfahren eine stoffliche oder rohstoffliche Nutzung darstellt. Gleiches gilt für<br />
das beim Midrex- oder HyL-Verfahren eingesetzte Erdgas, aus dem katalytisch im Gasumformer<br />
das Reduktionsgas erzeugt wird.<br />
Die gleichzeitige doppelwertige Nutzung der stofflichen und energetischen Eigenschaften<br />
von Koks als Reduktions-, Heiz- und Aufkohlungsmittel sowie als hochtemperaturfestes<br />
Stützgerüst im Gegenstromreaktor Hochofen ist Grundlage der energieoptimierten<br />
Arbeitsweise der Stahlerzeugung über den Hochofen und das Oxygenstahlverfahren. Der<br />
Kohlenstoff ist unverzichtbares Reagenz und nicht substituierbar. Der heute erreichte<br />
Verbrauch an Kohlenstoffträgern bei der Roheisenerzeugung nähert sich bereits asymptotisch<br />
dem verfahrenstechnischen Minimum, so dass auch die chemisch-physikalisch<br />
bedingten CO 2 -Emissionen nahe am Minimum liegen. Eine Lenkungswirkung zur CO 2 -<br />
Minderung, gleich welcher Art, ist aus diesen Gründen nicht mehr gegeben.<br />
In Summe ergeben sich folgende Reaktionen:<br />
2C + O 2 ➝ 2 CO Kohlenstoffvergasung im Hochofen,<br />
2Fe 2 O 3 + 6CO ➝ 4Fe + 6CO 2 indirekte Erzreduktion,<br />
FeO + C ➝ Fe fl + CO direkte Erzreduktion,<br />
C ➝ [C] Lösung im flüssigen Eisen,<br />
[C] + [O] ➝ CO Oxidation bei der Stahlherstellung.<br />
Das entstehende CO wird jeweils kaskadisch genutzt und schließlich zu CO 2 oxidiert.<br />
Eine ausgereifte und ständig optimierte Energieverbundwirtschaft trägt dazu bei, dass<br />
durch die möglichst vollständige Nutzung der zwangsweise anfallenden Kuppelenergien<br />
Koksofengas, Hochofengas und Konvertergas der Oxygenstahl mit geringstmöglichem<br />
CO 2 -Anfall erzeugt wird.<br />
Bei der Elektrostahlmetallurgie ist aufgrund des Entwicklungsstandes der UHP-Elektrolichtbogenöfen<br />
die Höhe der CO 2 -Emission heute schon fast ausschließlich von dem<br />
standortgegebenen Energieträgereinsatz und vom Umwandlungswirkungsgrad zur Erzeugung<br />
elektrischer Energie in den Kraftwerken der öffentlichen Elektrizitätswirtschaft<br />
der jeweiligen Länder abhängig. So zeigen die unterschiedlichen Voraussetzungen in<br />
den einzelnen europäischen Ländern für den CO 2 -Emissionsanfall bei der Elektrostahlerzeugung<br />
auf, dass insgesamt eine bewertungsneutrale Aussage zu den CO 2 -Emissionen<br />
für dieses Verfahren nicht möglich ist. Die Emissionsunterschiede sind bei der<br />
Strombereitstellung hauptsächlich auf den Wasserkraft- und Kernenergieanteil, der sich<br />
in Deutschland leider rückläufig entwickeln wird, sowie den Stand der Kraftwerkstech-<br />
65
Plenarteil<br />
Nachhaltige Klimavorsorge der Stahlindustrie<br />
Prof. Dr. Dieter Ameling<br />
nik in den jeweiligen Ländern zurückzuführen. Zweifellos ist das Umschmelzen des Sekundärrohstoffes<br />
Stahlschrott energetisch günstiger und weniger emissionsbelastend,<br />
weil im Endverbrauch lediglich Prozessenergie zum Schmelzen in Form des Sekundärenergieträgers<br />
elektrische Energie benötigt wird. Der für die Reduktion und Verhüttung<br />
von oxidischen Erzen zu primärem Eisen erforderliche unverzichtbare Reduktionsmittelbedarf<br />
an Kohlenstoff einschließlich des Reaktionsenergiebedarfs ist im Stahlschrott<br />
schon als eine Art Primärumwandlungs- und Energiegutschrift der Roheisenerzeugung<br />
enthalten. Nach vorstehenden Prämissen sind die zwei Verfahrenswege demnach keine<br />
alternativen, sondern additive Erzeugungswege, bei denen es aus energetischer, stofflicher<br />
und realitätsbezogener klimarelevanter Sicht ausschließlich darum geht, den bestmöglichen<br />
Stand der Stoff- und Energienutzungseffizienz anzustreben. Die Höhe des<br />
Elektrostahlanteils an der gesamten Rohstahlerzeugung hängt im wesentlichen von der<br />
jeweils gegebenen Nachfragestruktur auf den Stahlmärkten in Verbindung mit der Verfügbarkeit<br />
von Schrott und der Energieversorgung ab.<br />
Stahlspezifische Effizienzinstrumente<br />
Die Stahlindustrie misst ihren internationalen projektbezogenen Instrumenten für eine<br />
dauerhaft tragfähige Entwicklung auch in Zukunft einen hohen Stellenwert bei. Im Gegensatz<br />
zu den im frühen Entwicklungsstadium befindlichen Klimapolitikinstrumenten<br />
JI, CDM und ET des Kyoto-Protokolls praktiziert sie national, europa- und weltweit seit<br />
Jahren ein vielfältiges Netzwerk bewährter, flexibler, projektbezogener Effizienzinstrumente.<br />
Gemeinsames weltumspannendes Ziel dieser selbstorganisierten Instrumente<br />
ist, ständig die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Stahlerzeugnisse länderübergreifend<br />
möglichst wirtschaftlich und ressourceneffizient hergestellt und genutzt werden.<br />
Institutionalisierte projektbezogene technisch-wissenschaftliche Effizienzinstrumente<br />
der Stahlindustrie sind beispielsweise:<br />
• Internationale Studien des Committee on Technology (Techco) des IISI – International<br />
Iron and Steel Institute, Brüssel, zum Stand der Technik und zur zukünftigen<br />
Entwicklung einschließlich der Energieeffizienz metallurgischer Prozesse und Prozessketten<br />
(z. B. IISI-Study ”Energy Use in the Steel Industry”; IISI-Study ”EAF<br />
Technology – State-of-the-Art & Future Trends”);<br />
• Internationale Konsortien zur Entwicklung und Umsetzung von neuen gewichtssparenden<br />
Stahlkonstruktionen für schadstoffärmere, sicherere und zuverlässigere<br />
Automobile. Diese vom IISI koordinierten internationalen Aktivitäten betreffen<br />
die Entwicklungs- und Konstruktionsprojekte ULSAB, ULSAC, ULSAS, ULSAB-AVC<br />
und LTS (Light Truck Structures);<br />
• Technologieschaltpläne (Technology road maps) der europäischen Stahlindustrie<br />
zur Identifikation künftiger technologischer Herausforderungen und neuer Marktanforderungen;<br />
• Benchmarking-Projekte: Europäischer Kennzahlenvergleich von Prozessen der<br />
Stahlmetallurgie (z. B. der Bereiche Kokereien, Sinteranlagen, Hochöfen, Oxygen-<br />
66
Nachhaltige Klimavorsorge der Stahlindustrie<br />
und Elektrostahlwerke, Stranggießanlagen, Warmbandstraßen, Grobblechstraßen<br />
u. a.).<br />
• Gemeinschaftliche FuE-Projekte der EU-Stahlindustrie (EGKS). In der EU werden<br />
die FuE-Schwerpunkte im Rahmen der EGKS-Stahlgemeinschaftsforschung koordiniert.<br />
Schwerpunkte sind Expertenkomitees auf den Gebieten: Eisenerzreduktion,<br />
Primär- und Sekundärstahlerzeugung, Stranggießen, Walzen von Flach- und Langprodukten,<br />
Wärmöfen, Produkt- und Umweltanalytik, Verbesserung der Eigenschaften<br />
von Stählen einschließlich Oberflächentechnik, Automatisierung und Online-Kontrolle<br />
sowie Optimierung von Stahlkonstruktionen.<br />
• Best Available Techniques (BAT). BATs beschreiben die besten verfügbaren Techniken<br />
mit dem effizientesten und fortschrittlichsten Entwicklungsstand im Hinblick auf<br />
den prozessintegrierten Umweltschutz. BAT geht auf die Richtlinie 96/61/EG vom<br />
24. September 1996 zurück und wurde bisher für Sinteranlagen, Hochöfen und<br />
Oxygenstahlwerke erarbeitet. Hinzu kommen internationale, europäische und zwischenstaatliche<br />
Fachkonferenzen, -messen, Kolloquien und Seminare der metallurgischen<br />
Technologie – z. B. Metec (Internationaler Kongress und Fachmesse);<br />
europäische Kongresse zur Koks-, Roheisen-, Oxygenstahl- und Elektrostahlerzeugung;<br />
Schmiedekongress; Feuerfest-Kolloquium u. a. Begleitet werden diese internationalen<br />
Effizienzinstrumente der Stahlindustrie durch eine Vielfalt an Kooperationen,<br />
Basic Agreements oder Joint-ventures auf Unternehmensebene. Wie bisher,<br />
so werden auch künftig technologischer Fortschritt, Ressourcenverfügbarkeit,<br />
wirtschaftliche Entwicklung und funktionierende Institutionen die wichtigsten Determinanten<br />
für die Fortentwicklung einer Nachhaltigkeits-Entwicklungsstrategie für<br />
die gesamte Stahlindustrie abgeben.<br />
Das Fazit<br />
Konsequente Fortsetzung des Klimavorsorgeweges<br />
Der 1995 eingeschlagene und nunmehr weiterentwickelte Klimavorsorgeweg<br />
der Stahlindustrie, produktionsbezogene Beiträge zur CO2-Minderung im Rahmen<br />
einer freiwilligen, durch das Stahl-Zentrum koordinierten Selbstverpflichtung<br />
durch Eigenleistung zu erbringen, wird damit konsequent fortgesetzt.<br />
Für die Stahlindustrie, die sich in einem intensiven Erfahrungsaustausch und<br />
Abstimmungsprozess befindet, hat dieses erfolgreich praktizierte, zielgerichtete<br />
und überprüfbare Instrument erste Priorität.<br />
67
Plenarteil<br />
Nachhaltiger Klimaschutz und Zementindustrie<br />
Dr. Martin Schneider<br />
Hauptgeschäftsführer Verein Deutscher<br />
Zementwerke e.V. Düsseldorf<br />
Einleitung<br />
Im vergangenen Jahr produzierten die deutschen Zementhersteller an 65 Standorten<br />
etwa 31 Millionen Tonnen Zement. Der Zement wird durch gemeinsames Vermahlen von<br />
Portlandzementklinker und Calciumsulfat hergestellt. Darüber hinaus kann Zement andere<br />
Bestandteile wie Hüttensand, natürliche Puzzolane (z.B. Trass), Flugasche, Ölschieferabbrand<br />
oder Kalkstein enthalten. Eine schematische Darstellung des Herstellungsprozesses<br />
zeigt Abbildung 1.<br />
Portlandzementklinker wird in Drehöfen (Abbildung 2) gebrannt. Die Ausgangsstoffe für<br />
den Klinker, Kalkstein und Ton oder deren natürliches Gemisch, der Kalkmergel, werden<br />
zerkleinert, getrocknet und auf 1.450°C erhitzt. Während dieses Vorgangs laufen chemische<br />
Reaktionen ab, bei denen sich der Zementklinker bildet. Er verleiht später dem<br />
Zement die hydraulischen Eigenschaften (Erhärtung bei Wasserzugabe).<br />
Beim Klinkerbrennprozess wird CO 2 als klimarelevantes Gas emittiert. CO 2 entsteht<br />
energiebedingt direkt bei der Verbrennung der Brennstoffe und indirekt durch den Einsatz<br />
elektrischer Energie. Rohstoffbedingt entsteht CO 2 darüber hinaus bei der Entsäuerung<br />
des Kalksteins. Andere klimarelevante Gase, wie z. B. Distickstoffoxid (N 2 O) oder<br />
Methan (CH 4 ) werden nicht oder nur in sehr geringem Umgang emittiert.<br />
Abbildung 1<br />
Der Zementproduktionsprozess<br />
Die aus dem Brennstoffbedarf resultierenden<br />
CO 2 -Emissionen betrugen im<br />
Jahr 2000 bundesweit 0,195 t CO 2 /t<br />
Zement oder 6,83 Mio. t/a: Der elektrische<br />
Energiebedarf macht etwa<br />
10% des gesamten Energieverbrauchs<br />
der Zementwerke aus. Als Primärenergie<br />
gerechnet ist der Anteil des<br />
elektrischen Energieverbrauchs und<br />
damit der CO 2 -Emissionen, die sich<br />
aus dem Einsatz ergeben, jedoch größer.<br />
Die durch den Stromverbrauch bedingte<br />
CO 2 -Emission betrug im Jahr<br />
2000 0,068 t CO 2 /t Zement oder<br />
2,39 Mio. t/a. Die bei jeder Tonne produzierten<br />
Klinkers erzeugte rohstoffbedingte<br />
CO 2 -Emission hängt von der<br />
Rohstoffrezeptur ab, variiert aber nur<br />
68
Nachhaltiger Klimaschutz und Zementindustrie<br />
in geringem Maße. Sie beträgt ca. 0,53 t CO 2 /t<br />
Klinker oder derzeit ca. 0,431 t CO 2 /t Zement.<br />
Für 2000 ergab sich für die deutschen Zementwerke<br />
eine rohstoffbedingte CO 2 -Emission von<br />
ca. 15,1 Mio. t/a. Zusammengefasst betragen<br />
die CO 2 -Emissionenen aus den Brennstoffen,<br />
der Stromerzeugung und dem Rohmaterial etwa<br />
0,7 t CO 2 /t Zement.<br />
Abbildung 2<br />
Drehofenanlage<br />
Die Selbstverpflichtung der Zementindustrie<br />
Im Jahr 1995 hat sich die deutsche Zementindustrie<br />
gemeinsam mit anderen energieintensiven<br />
Industriebranchen verpflichtet, ihren Beitrag<br />
zum Klimaschutz zu leisten und ihren spezifischen<br />
Brennstoffenergieverbrauch von 1987<br />
bis 2005 um 20% zu senken. Aufgrund des hohen<br />
Anteils der Energiekosten an den Herstellkosten<br />
für Zement ist die Zementindustrie seit jeher bemüht, den Bedarf an Brennstoffen<br />
und elektrischer Energie zu reduzieren. Abbildung 3 zeigt die Entwicklung des spezifischen<br />
thermischen Energieverbrauchs in der Zementindustrie seit 1950. Ab dem<br />
Jahr 1987 sind darin die neuen Bundesländer enthalten.<br />
Wie die Abbildung zeigt, hat vor allem die Modernisierung der Zementstandorte in den<br />
neuen Bundesländern nach 1990 zu einer deutlichen Abnahme des spezifischen Brennstoffenergieverbrauchs<br />
beigetragen. Zur Erreichung ihres Minderungsziels verfolgt die<br />
Zementindustrie verschiedene Wege:<br />
• die verfahrenstechnische Optimierung der Ofen- und Mahlanlagen,<br />
• die zunehmende Substitution fossiler Brennstoffe durch Sekundärbrennstoffe,<br />
• eine Reduzierung des energieintensiven Portlandzementklinkers im Zement durch<br />
einen verstärkten Einsatz weiterer Hauptbestandteile wie Hüttensand oder Kalkstein<br />
bei der Zementherstellung.<br />
Untersuchungen des Forschungsinstituts der Zementindustrie haben gezeigt, dass das<br />
verfahrenstechnische Potential zur Energieverbrauchsminderung bei der Zementherstellung<br />
heute praktisch erschöpft ist. Daher konzentrieren sich die zukünftigen Anstrengungen<br />
auf die Substitution fossiler Brennstoffe sowie die verstärkte Herstellung von<br />
Zementen mit geringeren Klinkeranteilen.<br />
Eine weiterentwickelte Vereinbarung zum Klimaschutz haben die Bundesregierung sowie<br />
die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft am 09.11.2000 unterzeichnet. In<br />
69
Plenarteil<br />
Nachhaltiger Klimaschutz und Zementindustrie<br />
Abbildung 3<br />
Dr. Martin Schneider<br />
Entwicklung des spezifischen thermischen Energieeinsatzes<br />
dieser Vereinbarung wurde insbesondere der Verpflichtungszeitraum<br />
– analog dem Kyoto-Protokoll<br />
– auf die Periode zwischen 1990 bis 2008/2012<br />
ausgedehnt. Die deutsche Wirtschaft hat ihre Verpflichtung<br />
zur Verminderung der CO 2 -Emissionen<br />
bis 2005 von 20 auf 28% erhöht (Basis 1990)<br />
und zusätzlich eine Verpflichtung zur Minderung<br />
ihrer Treibhausgasemissionen von 1990 bis<br />
2008/2012 um 35% zugesagt. Es ist davon auszugehen,<br />
dass die Industrie durch diese erweiterte<br />
Verpflichtung ihre Treibhausgasemissionen bis<br />
zum Jahr 2012 um zusätzlich 20 Mio. t/a verringern<br />
wird.<br />
Die deutsche Zementindustrie hat die Initiative der deutschen Wirtschaft unterstützt<br />
und ihre eigene Selbstverpflichtung zum Klimaschutz weiterentwickelt. Während sich<br />
die Minderungszusage bislang auf den Energieverbrauch bezog, wurde eine weitergehende<br />
Verpflichtung eingegangen, in der Minderungsziele für CO 2 zugesagt wurden, die<br />
in ihrer Substanz über die bisherige Zusage deutlich hinausgehen. So verpflichtet sich<br />
die deutsche Zementindustrie unter Einbeziehung der CO 2 -Emissionen aus dem Stromverbrauch<br />
und unter Anpassung des Verpflichtungszeitraums zu einer 28%igen Minderung<br />
ihrer energiebedingten CO 2 -Emissionen (1990 – 2008/2012). Insgesamt wird sie<br />
damit auch unter der zusätzlichen Berücksichtigung der rohstoffbedingten Anteile die<br />
spezifischen CO 2 -Emissionen aus der Zementherstellung um 16% bis zum Jahr 2012<br />
reduzieren. Unter der Voraussetzung gleicher Produktionsmengen wie 1990 werden die<br />
energiebedingten CO 2 -Emissionen der Zementindustrie damit im Jahr 2012 um etwa<br />
3,4 Mio. t/a (einschließlich des CO 2 aus der Entsäuerung des Kalksteins sogar 4,4 Mio.<br />
t/a) niedriger sein als im Jahr 1990.<br />
Die Entwicklung der energiebedingten CO 2 -Emissionen in Abbildung 4 zeigt, dass die<br />
Anstrengungen der Zementindustrie, ihre energiebedingten CO 2 -Emissionen zu verringern,<br />
erfolgreich waren. Die Verminderung wurde im letzten Jahr vor allem durch eine<br />
deutliche Steigerung des Absatzes hüttensand- bzw. kalksteinhaltiger CEM II-Zemente<br />
erreicht. Dadurch sank der Anteil des Klinkers im Zement in den letzten drei Jahren von<br />
etwa 85% (1997) auf nunmehr 80,6%. Der Anteil der Sekundärbrennstoffe stieg auf<br />
nunmehr 26%.<br />
Die Auswirkungen der Europäschen Richtlinie zum Emissionshandel<br />
Die Europäische Union hat mit ihrer Vereinbarung zur Lastenverteilung (Burden sharing)<br />
ihre Minderungsverpflichtung aus dem Kyoto-Protokoll auf die EU-Mitgliedsstaaten<br />
herunter gebrochen. Darin wurden sehr unterschiedliche Minderungsziele verein-<br />
70
Nachhaltiger Klimaschutz und Zementindustrie<br />
bart, die von -28% (Luxemburg) und -21% (Deutschland und Dänemark) bis zu +25%<br />
(Griechenland) oder +27% (Portugal) reichen. Mit einem Anteil von 30% der Treibhausgasemissionen<br />
ist Deutschland der größte Emittent in der EU. Mit seiner Minderungsverpflichtung<br />
von -21% übernimmt Deutschland dagegen etwa drei Viertel der gesamteuropäischen<br />
Minderungsverpflichtung. Dieser hohe Anteil wurde zum Teil mit der Verringerung<br />
der Industrieproduktion und dem Strukturwandel in Ostdeutschland nach der<br />
Wiedervereinigung Deutschlands begründet.<br />
Im Laufe des Jahres 2001 wurde von der Kommission ein Entwurf für eine Richtlinie zur<br />
Einführung eines Emissionshandelssystems in Europa ab dem Jahr 2005 erarbeitet. Die<br />
Richtlinie sieht eine verpflichtende Teilnahme für energieintensive Industriebranchen<br />
(mineralverarbeitende Industrie inkl. Zement, Kalk, Keramik und Glas sowie Stahl, Energiewirtschaft<br />
und Papierindustrie) vor. Jede Anlage dieser Branchen muss darüber hinaus<br />
über eine Genehmigung zur CO 2 -Emission verfügen. Der Betreiber muss zudem<br />
über eine ausreichende Anzahl von CO 2 -Emissionszertifikaten verfügen. Wie die Betreiber<br />
von Anlagen an ihre Zertifikate gelangen, und in welcher Höhe sie zugeteilt werden<br />
sollten, bleibt weitgehend offen. Die Allokation der Zertifikate soll zwar durch die jeweiligen<br />
Mitgliedstaaten erfolgen, allerdings behält sich die Kommission das Recht vor, die<br />
einzelnen Allokationspläne zurückzuweisen.<br />
Im Kern führt die Richtlinie somit zu<br />
einer Zwangsbewirtschaftung unter der Regie<br />
der Kommission, indem für jede Anlage<br />
Emissionsobergrenzen für CO 2 festgelegt<br />
werden sollen, die letztlich einer Begrenzung<br />
der Produktionsmengen gleichkommen.<br />
Für den Fall, dass ein Unternehmen sein<br />
Minderungsziel nicht erreicht und die Emissionsüberschreitung<br />
nicht durch Zukauf von<br />
Emissionsrechten ausgleicht, sind Sanktionen<br />
in Höhe des doppelten Marktpreises,<br />
CO 2 -Emissionen der deutschen Zementindustrie<br />
kg CO 2 /kg Zement<br />
Abbildung 4<br />
mindestens aber 100 Euro pro Tonne CO 2<br />
(50 Euro in der ersten Verpflichtungsperiode<br />
2005/2007) vorgesehen. Eine Einbeziehung<br />
von Emissionsrechten aus projektbezogenen<br />
Mechanismen ist dagegen vorerst<br />
nicht geplant.<br />
Entwicklung der spezifischen<br />
energiebedingten CO 2 -Emissionen<br />
der deutschen Zementindustrie<br />
Die Befürworter eines Emissionshandels verweisen oft auf die Vereinigten Staaten, in<br />
denen entsprechende Systeme z. B. für organische Abgasbestandteile sowie für NOx<br />
71
Plenarteil<br />
Nachhaltiger Klimaschutz und Zementindustrie<br />
Dr. Martin Schneider<br />
oder SO 2 eingeführt wurden. Die Erfahrungen hieraus können jedoch nur sehr bedingt<br />
auf ein Emissionshandelssystem für CO 2 übertragen werden, denn diese Gase liegen<br />
im Abgas von industriellen Anlagen in der Regel nur in sehr geringen Konzentrationen<br />
vor. Darüber hinaus existieren für NOx, SO 2 und ähnliche Abgaskomponenten technische<br />
Abgasreinigungsverfahren, mit denen diese Emissionen weitgehend gemindert<br />
werden können. CO 2 hingegen liegt in industriellen Abgasen in einem Konzentrationsbereich<br />
von bis zu 30% vor. Abgasreinigungsverfahren sind bislang ausschließlich theoretisch<br />
denkbar und wären zudem mit immensen Kosten verbunden.<br />
Wird ein Emissionshandelssystem eingeführt, ist die entscheidende Frage, welches<br />
Preisniveau sich für Zertifikate bzw. Emissionsrechte ergeben wird. Das "Grünbuch" der<br />
Europäischen Kommission zum Emissionshandel nennt eine zu erwartende Preisspanne<br />
zwischen 15 und 75 Euro/t CO 2 sowie ein wahrscheinliches mittleres Preisniveau von<br />
30 Euro/t CO 2 . Diese Schätzungen beruhen auf Studien, die im Auftrag der Kommission<br />
in den verschiedenen Industriebereichen die verfügbaren Minderungspotentiale und<br />
die entsprechenden Minderungskosten ermittelt haben. Die Bedeutung dieser Minderungskosten<br />
für die betroffenen Industrien lässt sich an der CO 2 -Intensität der verschiedenen<br />
Industriebereiche verdeutlichen. Abbildung 5 zeigt hierzu die spezifische CO 2 -<br />
Emission bezogen auf eine Tonne Produkt. Für die Zement- und Kalkindustrie sind jeweils<br />
die rohmaterialbedingten Emissionen mit berücksichtigt worden. Im Vergleich<br />
hierzu dürfte der spezifische Beitrag aus den Rohmaterialien in den anderen Industrien<br />
gering sein.<br />
Aus der Abbildung wird deutlich, dass die Zementherstellung mit einer spezifischen<br />
CO 2 -Emission von ca. 0,7 t CO2/t Zement verbunden ist, während z. B. die Kalkherstellung<br />
fast eine Tonne CO 2 / t Produkt verursacht. Die anderen Branchen der Steine-und-Erden-<br />
Industrie sind weniger CO 2 -intensiv. Die höchsten Werte weisen die Stahlindustrie und<br />
die Nicht-Eisenmetallindustrie mit Werten von 1,7 bzw. 1,9 t CO 2 / t Produkt auf. Papierund<br />
Glasindustrie liegen bei etwa 0,8 t CO 2 /t Produkt. Da die chemische Industrie eine<br />
große Zahl von Produkten herstellt, kann ein entsprechender Wert für diese Branche<br />
nicht angegeben werden.<br />
Die Betroffenheit einer Industrie durch die Einführung eines Emissionshandels wird<br />
deutlich, wenn neben der CO 2 -Intensität auch ökonomische Faktoren betrachtet werden.<br />
Dazu wurden die CO 2 -Emissionen bezogen auf den Umsatz der verschiedenen Industriezweige<br />
berechnet und in Abbildung 6 dargestellt. Daraus geht hervor, dass die<br />
Zementindustrie je Euro Umsatz ca. 11 kg CO 2 emittiert. Übertroffen wird sie nur von<br />
der Kalkindustrie mit ca. 19 kg CO 2 /Euro. Für die Stahlindustrie liegt dieser Wert bei<br />
ca. 3 kg CO 2 /Euro, für alle anderen Branchen beträgt er weniger als 2 kg CO 2 /Euro.<br />
72
Nachhaltiger Klimaschutz und Zementindustrie<br />
Abbildung 5<br />
CO 2 -Intensität unterschiedlicher Industriezweige (Deutschland 1999)<br />
Abbildung 6<br />
CO 2 -Emissionen unterschiedlicher Industriezweige bezogen auf den Umsatz<br />
(Deutschland 1999)<br />
kg CO 2 /Euro<br />
t CO 2 /t Produkt<br />
73
Plenarteil<br />
Nachhaltiger Klimaschutz und Zementindustrie<br />
Dr. Martin Schneider<br />
Euro/t CO 2<br />
In Abbildung 7 wird das Verhältnis aus dem Deckungsbeitrag, der bei der jeweiligen<br />
Produktion erzielt wird, und den hierdurch verursachten CO 2 Emissionen gebildet. Hierzu<br />
wurde der Deckungsbeitrag auf Grundlage von Daten des Rheinisch-Westfälischen<br />
Instituts für Wirtschaftsforschung als Differenz zwischen Umsatz und variablen Kosten<br />
errechnet. Die Herstellung energieintensiver Güter würde sich in Deutschland spätestens<br />
dann nicht mehr lohnen, wenn der Deckungsbeitrag durch die Mehrkosten infolge<br />
des Zukaufs von Emissionsrechten aufgebraucht würde.<br />
Abbildung 7<br />
Die Abbildung macht deutlich, dass energieintensive<br />
Industrien nicht in der Lage<br />
Deckungsbeitrag bezogen auf die CO 2 -Emissionen<br />
(Deutschland 1999)<br />
sein werden, Emissionszertifikate zu kaufen,<br />
wenn diese wie vorhergesagt 30 Euro/t<br />
CO 2 kosten werden. Für die Zementindustrie<br />
würden sich die Herstellkosten<br />
für den Fall, dass sie alle Emissionszertifikate<br />
kaufen müsste, in etwa verdoppeln.<br />
Hierdurch entstünden Wettbewerbsverzerrungen,<br />
die eine Produktion in Europa<br />
nicht mehr zulassen. Auch für den Fall,<br />
dass die Emissionsminderungsziele ohne<br />
ein Zukaufen von Zertifikaten erreicht werden<br />
könnten, wäre es für die Zementunternehmen<br />
wesentlich lukrativer, die Emissionszertifikate<br />
zu verkaufen, als Zement<br />
in Europa herzustellen. Als Konsequenz<br />
eines Emissionshandelssystems, so wie es derzeit von der EU-Kommission vorgeschlagen<br />
wird, wird die europäische Zementindustrie die Produktion an ihren heimischen<br />
Standorten reduzieren. Der Bedarf an Zement kann vom Weltmarkt gedeckt werden;<br />
schon heute stehen weltweit entsprechende Überkapazitäten zur Verfügung. Die Zementindustrie,<br />
die durch ein dem EU-Vorschlag entsprechendes Emissionshandelssystem<br />
im Kern betroffen sein wird, lehnt den Vorschlag der EU-Kommission in der vorliegenden<br />
Form entschieden ab.<br />
Für energieintensive Industrien sind freiwillige Vereinbarungen auf Branchenebene, wie<br />
sie in Deutschland existieren, hingegen vorteilhaft, weil sie eine große Flexibilität bei der<br />
Auswahl der CO 2 -Minderungsmaßnahmen ermöglichen. Eine Kompatibilität solcher<br />
branchenweiter Vereinbarungen mit einem Emissionshandel, der nur auf Unternehmensebene<br />
funktioniert, ist dagegen kaum denkbar. Daher ist davon auszugehen, dass eine<br />
Umsetzung des vorliegenden europäischen Richtlinienentwurfs mittelfristig das Ende<br />
der freiwilligen Vereinbarung zwischen deutscher Wirtschaft und Bundesregierung bedeuten<br />
würde. In der Konsequenz fordert die Zementindustrie im Einklang mit dem<br />
74
Nachhaltiger Klimaschutz und Zementindustrie<br />
Bundesverband der Deutschen Industrie, dass die Mitgliedstaaten die für ihre jeweiligen<br />
Industrien geeigneten flexiblen Instrumente selber festlegen können. Die Mitgliedstaaten<br />
müssen insbesondere entscheiden können, ob sie an einem Emissionshandelssystem<br />
teilnehmen wollen, und für welche Industrien ein Emissionshandelssystem angewendet<br />
werden soll und für welche nicht (Opt-in/opt-out).<br />
Zusammenfassung<br />
Die Entwicklung der energiebedingten CO 2 -Emissionen in der Zementindustrie zeigt,<br />
dass die Anstrengungen der Zementhersteller, ihre CO 2 -Emissionen zu verringern,<br />
erfolgreich waren. Die deutsche Zementindustrie hat die Initiative der deutschen<br />
Wirtschaft unterstützt und ihre eigene Selbstverpflichtung zum Klimaschutz weiter<br />
entwickelt. So verpflichtet sich die deutsche Zementindustrie unter Einbeziehung der<br />
CO 2 -Emissionen aus dem Stromverbrauch, ihre energiebedingten CO 2 -Emissionen<br />
(1990 - 2008/20012) um 28% zu verringern. Für energieintensive Industrien sind<br />
freiwillige Vereinbarungen auf Branchenebene, wie sie in Deutschland existieren, vorteilhaft,<br />
weil sie eine große Flexibilität in der Auswahl der CO 2 -Minderungsmaßnahmen<br />
ermöglichen. Eine Kompatibilität solcher branchenweiter Vereinbarungen mit einem<br />
Emissionshandel, der nur auf Unternehmensebene funktioniert, ist nicht denkbar.<br />
Die Einführung eines europaweiten Handels mit CO 2 -Emissionsrechten wird vielmehr<br />
– vor allem, wenn der derzeit vorliegende Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission<br />
unverändert umgesetzt wird – für energieintensive Industrien einen Anreiz<br />
schaffen, ihre Produktionsstandorte in das außereuropäische Ausland zu verlagern.<br />
Die Ursache hierfür liegt vor allem in den hohen Preisen, die für CO 2 -Emissionsrechte<br />
zu erwarten sind. Dem von der Europäischen Kommission geschätzten mittleren<br />
Preisniveau von 20 – 30 e / t CO 2 steht bei vielen energieintensiven Industrien ein<br />
Deckungsbeitrag in vergleichbarer Höhe gegenüber. Bei der Herstellung des Massengutes<br />
Zement, die in Deutschland mit Emissionen von ca. 0,7 t CO 2 / t verbunden ist,<br />
entspricht die Wertschöpfung in etwa dem Erlös, der sich aus dem Verkauf der damit<br />
verbundenen Emissionsanteile erzielen ließe.<br />
Eine Verlagerung von Produktionsstandorten hätte zur Folge, dass Zement zunehmend<br />
nach Europa importiert werden müsste, und zwar mit den damit verbundenen höheren<br />
CO 2 -Emissionen durch die Transporte. Der Emissionshandel würde somit die europäischen<br />
Produktionsstandorte gefährden – mit den damit verbunden negativen sozialen<br />
Auswirkungen, aber ohne weltweiten ökologischen Effekt. Letztlich ist daher die<br />
Auswirkung des vorgeschlagenen Emissionshandelssystems für energieintensive Industrien<br />
wie die Zementindustrie kontraproduktiv. Im Kern führt die Richtlinie vielmehr<br />
zu einer Zwangsbewirtschaftung unter der Regie der Kommission, indem für jede<br />
Anlage Emissionsobergrenzen für CO 2 festgelegt werden sollen, die letztlich einer Begrenzung<br />
er Produktionsmengen gleichkommen.<br />
75
Workshop I<br />
Chancen und Risiken der<br />
Wirtschaft in NRW durch den<br />
Emissionshandel<br />
Moderation:<br />
Ministerialrat<br />
Franzjosef Schafhausen<br />
76
Einleitung<br />
Regierungen müssen entscheiden, mit welchen Instrumenten sie ihre umweltpolitischen<br />
Ziele am besten erreichen. Im Fall des Klimaschutzes ist es das vorrangige Ziel, die<br />
Emissionen von Treibhausgasen zu verringern. Ferner soll diese Zielerreichung möglichst<br />
kostengünstig für Unternehmen und die Volkswirtschaft als Ganzes erreicht werden.<br />
Zur Zeit verwendete Instrumente sind zum Beispiel die ökologische Steuerreform,<br />
die Festsetzung von Einspeisungspreisen für Strom aus erneuerbaren Energien und die<br />
Förderung von Strom- und Wärmeproduktion aus KWK-Anlagen. Ein weiteres Instrument,<br />
das möglicherweise bald in Deutschland eingeführt wird, ist der Emissionshandel<br />
Workshop I<br />
Der Emissionshandel im Kontext des bestehenden<br />
umweltpolitischen und -rechtlichen Instrumentariums<br />
Dr. Hermann E. Ott – Leiter Abteilung Klimaschutz<br />
Co-Autor: Thomas Langrock, Wuppertal Institut für<br />
Klima, Umwelt, Energie GmbH<br />
für Unternehmen.<br />
Wie im ersten Teil des Artikels dargestellt wird, wäre ein Emissionshandel für Treibhausgase<br />
eine wesentliche Neuerung. Derartig weite Freiräume wie der Emissionshandel zur<br />
Erfüllung von Verpflichtungen bieten nur wenige umweltpolitische Instrumente. Im zweiten<br />
Teil des Artikels wird die derzeitige Diskussion dargestellt, eine typische Vorphase der<br />
Einführung eines neuen umweltpolitischen Instruments. Danach wird im dritten Teil das<br />
umweltpolitische Ziel des Emissionshandels mit den Zielen von fünf weiteren Klimaschutzmaßnahmen<br />
verglichen. Die bestehenden Unterschiede der umweltpolitischen<br />
Ziele lassen Rückschlüsse zu über die zukünftigen Beziehungen zwischen diesen Instrumenten.<br />
Hermann E. Ott<br />
Das Instrument Emissionshandel<br />
Das Prinzip des Emissionshandels zwischen Unternehmen ist recht einfach und lautet<br />
wie folgt: die Emission einer Tonne CO 2 (bzw. auch anderer Treibhausgase) durch ein<br />
Unternehmen ist nur dann erlaubt, wenn ein entsprechendes Emissionszertifikat vorgelegt<br />
werden kann. Zu Beginn des Verpflichtungszeitraums verteilt eine Emissionshandelsbehörde<br />
(die nicht unbedingt eine staatliche Behörde sein muss) an jedes verpflichtete<br />
Unternehmen eine so genannte "Anfangsausstattung" an Emissionszertifikaten<br />
nach einem bestimmten Schlüssel. Die am Ende eines Verpflichtungszeitraums eingereichte<br />
Anzahl der Emissionszertifikate muss der Menge an Treibhausgasen entsprechen,<br />
die das verpflichtete Unternehmen während dieses Zeitraums in die Atmosphäre<br />
emittiert hat. Wird diese Verpflichtung nicht eingehalten, muss das betreffende Unternehmen<br />
mit Sanktionen rechnen.<br />
Durch die Anfangsausstattung ist für das Unternehmen jedoch noch nicht entschieden,<br />
welche Menge an Treibhausgasen es während des Verpflichtungszeitraums insgesamt<br />
ausstoßen darf. Das System des Emissionshandels sorgt insofern für Flexibilität. Das<br />
Unternehmen kann sich dafür entscheiden, mehr als die Anfangsausstattung zu emittieren.<br />
In diesem Fall muss es Zertifikate spätestens gegen Ende der Verpflichtungsperiode<br />
zukaufen. Oder es kann in neue Anlagen investieren, effizienter wirtschaften und<br />
dadurch weniger emittieren. Dann kann es die Zertifikate, die es nicht braucht, verkaufen.<br />
Wichtig ist nur, dass das Unternehmen am Ende des Verpflichtungszeitraums die<br />
77
Workshop I<br />
Der Emissionshandel im Kontext des bestehenden<br />
umweltpolitischen und -rechtlichen Instrumentariums<br />
Dr. Hermann E. Ott · Thomas Langrock<br />
Menge an Zertifikaten einreicht, die mengenmäßig den tatsächlichen Emissionen entspricht.<br />
Um die tatsächlichen Emissionen der Unternehmen überprüfbar zu machen, ist<br />
jeder Teilnehmer verpflichtet, regelmäßig Rechenschaft über seine Emissionsquellen<br />
abzulegen. Da die Zertifikate im Prinzip frei gehandelt werden können, nennt sich dieses<br />
System "Emissionshandel".<br />
Für Umweltpolitiker und auch für Unternehmen bietet ein solches System einige Vorteile,<br />
nämlich die Verbindung von Zielgenauigkeit und Effizienz. Das umweltpolitische Ziel,<br />
die Emissionen auf ein bestimmtes Maß zu reduzieren, wird präzise erreicht. Denn alle<br />
verpflichteten Unternehmen zusammen dürfen nicht mehr Treibhausgase emittieren als<br />
Emissionszertifikate im Rahmen der Anfangszuteilung an die Unternehmen ausgegeben<br />
wurden. Die Summe der Anfangsausstattungen begrenzt also die Emissionen aller Anlagen<br />
zusammen genommen während des Verpflichtungszeitraums. Dies ist ein großer<br />
Unterschied zur ökologischen Steuer, die eine solche Zielgenauigkeit nicht garantieren<br />
kann. Auch aus administrativer Sicht ist der Emissionshandel positiv zu bewerten, da<br />
von der Erfassung der Emissionen bis zur Organisation des Marktes für Emissionszertifikate<br />
große Teile des Systems durch private Träger abgewickelt werden können. Allgemein<br />
gelten Emissionshandelssysteme deshalb hinsichtlich der Transaktionskosten als<br />
sehr günstig.<br />
Auch im Hinblick auf die Kosten für die Emissionsminderung selbst können Emissionshandelssysteme<br />
sehr effizient sein. Da die Teilnehmer selbst entscheiden dürfen, wie<br />
hoch ihre Emissionsminderungen sind, werden nur die kostengünstigsten Minderungen<br />
vorgenommen. Dadurch sind die Kosten pro Unternehmen wie auch die volkswirtschaftlichen<br />
Gesamtkosten für die Reduktion des Ausstoßes der Treibhausgase minimal.<br />
Wie diese Kosten zwischen der Wirtschaft und dem Staat aufgeteilt werden und ob noch<br />
weitere Kosten für die Unternehmen entstehen, wird wesentlich durch die Art der Vergabe<br />
der Emissionszertifikate entschieden. Grundsätzlich gibt es drei verschiedene Möglichkeiten,<br />
die Emissionszertifikate zu vergeben. Aufgelistet nach steigender Kostenbelastung<br />
für die Unternehmen lauten diese Möglichkeiten:<br />
• Der Staat unterstützt die verpflichteten Unternehmen finanziell, bzw. räumt den<br />
Teilnehmern steuerliche Privilegien ein. Die Emissionszertifikate werden kostenlos<br />
vergeben. In diesem Fall beteiligt sich der Staat an den Kosten für die Minderung<br />
der Emissionen durch Subventionen oder Steuerermäßigungen.<br />
• Es gibt keine finanzielle Unterstützung für verpflichtete Unternehmen. Die Emissionszertifikate<br />
werden kostenlos vergeben. In diesem Fall tragen die verpflichteten<br />
Unternehmen die Kosten für die Minderung der Emissionsreduktionen.<br />
• Die verpflichteten Unternehmen müssen für jedes Emissionszertifikat, das sie vor<br />
dem Beginn des Verpflichtungszeitraums von der ausgebenden Behörde erhalten,<br />
einen Preis zahlen. Hierbei könnte der Preis pro Emissionszertifikat durch ein Auk-<br />
78
Der Emissionshandel im Kontext des bestehenden<br />
umweltpolitischen und -rechtlichen Instrumentariums<br />
tionsverfahren gebildet werden. Bei dieser Lösung übernehmen die Unternehmen<br />
nicht nur die Kosten für die Minderung der Treibhausgasemissionen, sie müssen<br />
darüber hinaus für jede emittierte Einheit von Treibhausgasen einen Preis bezahlen.<br />
Das resultierende Aufkommen könnte wiederum eingesetzt werden, um die<br />
Kosten für die Anpassung an den schon stattfindenden Klimawandel zu finanzieren<br />
oder um neue Klimaschutztechnologien zu fördern.<br />
In dem bisher vorliegenden Entwurf der EU-Kommission für<br />
eine Richtlinie über den Emissionshandel wird die Art der<br />
Anfangsverteilung für die erste Phase bis 2008 den nationalen<br />
Regierungen freigestellt*. Danach soll eine europäisch harmonisierte<br />
Regelung erfolgen.<br />
* Originaltitel der aktuellen Fassung:<br />
Proposal for a Directive of the European Parliament and of the<br />
European Council establishing a framework for greenhouse gas<br />
emissions trading within the European Community.<br />
Siehe als Quelle die Webseite des European Climate Change<br />
Programm der EU Kommission unter:<br />
http://europa.eu.int/comm/environment/climat/eccp.htm.<br />
Wie in der Beschreibung des Emissionshandels deutlich wurde, greift der Emissionshandel<br />
nicht in die Produktionsprozesse der verpflichteten Unternehmen ein. Das Instrument ist<br />
lediglich am Gesamtausstoß aller verpflichteten Unternehmen insgesamt interessiert.<br />
Damit steht der Emissionshandel in starkem Kontrast zu klassischen regulatorischen<br />
Instrumenten, wie zum Beispiel den Genehmigungsverfahren für Industrieanlagen.<br />
Vergleichbare Freiheiten bei der Wahl der Anpassungsstrategie bieten derzeit nur die<br />
Selbstverpflichtung der deutschen Industrie und die ökologische Steuerreform. Die<br />
Selbstverpflichtung der deutschen Industrie ist ebenfalls nur am Gesamtausstoß einzelner<br />
Wirtschaftssektoren interessiert, während die ökologische Steuerreform überhaupt<br />
kein konkretes quantifiziertes Umweltziel vorgibt.<br />
Die Diskussion um den nationalen Emissionshandel – ein deja vu <br />
Zur Zeit wird der Emissionshandel für Unternehmen in Deutschland auf ungezählten<br />
Konferenzen diskutiert, in einigen Pilotprojekten erforscht und in einer Arbeitsgruppe<br />
des Bundesumweltministeriums mit Vertretern aller Gruppen vorbereitet. Es handelt sich<br />
also um die typische Phase vor der Einführung eines neuen umweltpolitischen Instruments.<br />
Wie bei allen umweltpolitischen Instrumenten ist die Vorphase geprägt von drei Grundelementen:<br />
da ist erstens ein grundsätzlicher Konflikt zwischen der Bundesregierung<br />
und den Unternehmen. Denn während die Regierung ein umweltpolitisches Ziel durchsetzen<br />
will, lehnen die Unternehmen die damit einhergehenden Kosten typischerweise<br />
ab. Zweitens ist das umweltpolitische Ziel, also das Reduktionsziel für Treibhausgase,<br />
noch nicht präzisiert. Drittens wird erst nach und nach erkennbar, wie das neue umweltpolitische<br />
Instrument tatsächlich ausgestaltet werden soll. Wie die Beschreibung<br />
der verschiedenen Vergabearten der Emissionszertifikate zeigt, entscheidet die konkrete<br />
Ausgestaltung des Systems über die Kostenbelastung der Unternehmen. Hierbei ist<br />
im besonderen die Einbettung des neuen Instruments in das schon bestehende Maß-<br />
79
Workshop I<br />
Der Emissionshandel im Kontext des bestehenden<br />
umweltpolitischen und -rechtlichen Instrumentariums<br />
Dr. Hermann E. Ott · Thomas Langrock<br />
nahmenbündel entscheidend. Diese Einbettung entscheidet darüber, welche Last die<br />
Unternehmen im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Gruppen tragen müssen.<br />
Klar ist, dass die Kosten für die zum Emissionshandel verpflichteten Unternehmen mit<br />
der Höhe des Reduktionsziels steigen. Die Gesamtkosten steigen demnach je höher das<br />
Klimaschutzziel und je weniger Emissionszertifikate an die Unternehmen ausgegeben<br />
werden. Auf Unternehmensebene ist die Situation komplexer: Unternehmen mit billigen<br />
Optionen zur Minderung der Emissionen können unter Umständen bei einer Verknappung<br />
der Emissionszertifikate höhere Erlöse durch den Verkauf überschüssiger Zertifikate<br />
erzielen. Für Unternehmen mit nur wenigen und teuren Minderungsoptionen gilt jedoch,<br />
je weniger Emissionszertifikate sie in der Anfangsausstattung erhalten, desto<br />
höher die Kostenbelastung durch den eventuell erforderlichen Zukauf von Zertifikaten.<br />
Mittel- und langfristig können sich Klimaschutzmaßnahmen jedoch auch in diesem Fall<br />
positiv auswirken. Denn schon oft hat sich gezeigt, dass Umweltmaßnahmen die Unternehmen<br />
unter einen heilsamen Entwicklungsdruck setzen, der diese in eine (nationale<br />
oder internationale) Vorreiterposition bringt. Der Emissionshandel begünstigt deshalb<br />
kreative und dynamische Unternehmen.<br />
* Santarius, Tilmann und Hermann E. Ott (2002): Meinungen in der deutschen<br />
Industrie zur Einführung eines Emissionshandels, Wuppertal Paper<br />
Nr. 122, Wuppertal: Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH,<br />
download: http://www.wupperinst.org/publikationen.<br />
Die ablehnende Haltung einiger deutscher Unternehmen zum Emissionshandel beruht –<br />
neben der irrigen Annahme, der Staat greife in die Produktion ein – in hohem Maße auf<br />
der Unsicherheit über zu erwartende Kosten, die sich als Standortnachteile<br />
auswirken könnten. In einer kürzlich veröffentlichten<br />
Studie* des Wuppertal Instituts wurde festgestellt, dass<br />
derzeit nur sehr wenige Unternehmen abschätzen können, welche<br />
Kosten in Abhängigkeit von der Anfangsausstattung und<br />
der Art der Vergabe tatsächlich auf das jeweilige Unternehmen<br />
zukommen würden. Es wurde allerdings auch deutlich, dass die Mehrzahl der Unternehmen<br />
keinen Standortnachteil aufgrund des Emissionshandels erwartet. Für die<br />
deutschen Umweltpolitiker wird es in der Anfangsphase des Emissionshandels darauf<br />
ankommen, die Standortinteressen der Unternehmen und ihre umweltpolitischen Ziele<br />
gegeneinander abzuwägen. Für diesen Ausgleich stehen vielfältige Möglichkeiten offen,<br />
die wesentlich mit der Menge und der Art der Vergabe der Emissionszertifikate zusammenhängen.<br />
So könnte sich der Staat beispielsweise in der Anfangsphase an den Kosten für die Minderung<br />
der Emissionen beteiligen, in dem er Anreizzahlungen vornimmt oder den verpflichteten<br />
Unternehmen andere finanzielle Vorteile einräumt. Im britischen Emissionshandelssystem,<br />
wurden zwei verschiedene Wege gewählt, um Unternehmen für die Teilnahme<br />
zu gewinnen. Eine Gruppe von Teilnehmern wird signifikant von der britischen<br />
Klimasteuer entlastet. Eine zweite Gruppe erhält direkte Anreizzahlungen für die Teilnahme<br />
am Emissionshandel. Hierbei ist die Höhe der Zahlungen abhängig von der Höhe<br />
80
Der Emissionshandel im Kontext des bestehenden<br />
umweltpolitischen und -rechtlichen Instrumentariums<br />
der zugesagten Emissionsminderungen. Gezahlt wird ein Preis pro zugesagter Tonne an<br />
Emissionsminderung. Einen anderen Weg bei der Einführung des Emissionshandels beschreitet<br />
Dänemark: dort wurde der Emissionshandel so eingeführt, dass in der Anfangsphase<br />
nur sehr geringe Strafzahlungen fällig werden, wenn das Ziel nicht erreicht<br />
wird. Damit soll erreicht werden, dass kein Unternehmen in der anfänglichen Phase der<br />
Unsicherheit über die Kosten überlastet wird.<br />
Weiterhin besteht bei den Unternehmen eine große Unsicherheit über die Kosten der<br />
nötigen Investitionen, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu mindern. Denn bisher<br />
bleiben viele Optionen zur Veränderung der Produktionsprozesse, um klimafreundlicher<br />
zu produzieren, ungenutzt. Eine größere Informationskampagne über Möglichkeiten<br />
des Klimaschutzes in Unternehmen wäre deshalb sinnvoll.<br />
Die umweltpolitischen Ziele des Emissionshandels und anderer Instrumente<br />
Um den Emissionshandel in einen Kontext mit schon bestehenden Maßnahmen zu bringen<br />
ist es geboten, sich zunächst über die Ziele der verschiedenen Instrumente klar zu<br />
werden. Erst dann können über die Beziehungen der Instrumente untereinander sinnvolle<br />
Aussagen getroffen werden. Das umweltpolitische Hauptziel des Emissionshandels ist<br />
die Begrenzung bzw. die Minderung der Emissionen durch die Teilnehmer am Emissionshandel.<br />
Das ist nicht bei allen schon so genannten "Klimaschutzmaßnahmen" so.<br />
Das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung enthält Instrumente, die den Klimaschutz<br />
nur als ein Ziel unter vielen verfolgen. Das prominenteste Beispiel ist hierbei<br />
sicherlich die ökologische Steuerreform. Soll der Emissionshandel in dieses Paket sinnvoll<br />
integriert werden, dann müssen die umweltpolitischen Ziele, die Zielgruppen und<br />
die Wirkungsweise der korrespondierenden Instrumente aufeinander abgestimmt werden.<br />
Welche Instrumente haben das gleiche Ziel und die gleiche Zielgruppe<br />
wie der nationale Emissionshandel Zwei für die Industrie<br />
wesentliche Instrumente des Klimaschutzprogramms würden<br />
sich mit der Zielsetzung des nationalen Emissionshandels<br />
überschneiden. Diese Instrumente sind die Selbstverpflichtung<br />
der deutschen Industrie 1 und die ökologische Steuerreform 2 .<br />
Zwei weitere Instrumente – das Erneuerbare Energien Gesetz<br />
und die KWK-Förderung (Fördergesetz und Selbstverpflichtung<br />
der deutschen Wirtschaft zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung) – haben teilweise<br />
überlappende Ziele und werden zum Teil als konkurrierende Maßnahmen angesehen.<br />
Die IVU-Richtlinie 3 dagegen hat andere Ziele und richtet sich an eine andere Zielgruppe.<br />
1 Originaltitel: Vereinbarung der Regierung der Bundesrepublik Deutschland<br />
und der deutschen Wirtschaft zur globalen Klimavorsorge<br />
2 Originaltitel: Gesetz zur Einführung der ökologischen Steuerreform und<br />
Gesetz zur Fortführung der ökologischen Steuerreform<br />
3 Originaltitel: EG-Richtlinie 96/61 über die integrierte Vermeidung und<br />
Verminderung der Umweltverschmutzung, Umsetzung in deutsches Recht:<br />
Gesetz zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie<br />
und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz "Artikelgesetz"<br />
Von den fünf näher zu betrachtenden Instrumenten verfolgt nur die Selbstverpflichtung<br />
der deutschen Industrie das alleinige Ziel, die Emissionen von Treibhausgasen zu verringern.<br />
Damit ergeben sich für die möglichen Beziehungen zwischen Emissionshandel<br />
81
Workshop I<br />
Der Emissionshandel im Kontext des bestehenden<br />
umweltpolitischen und -rechtlichen Instrumentariums<br />
Dr. Hermann E. Ott · Thomas Langrock<br />
und Selbstverpflichtung zwei Möglichkeiten: entweder der Emissionshandel ersetzt die<br />
Selbstverpflichtung oder beide Instrumente gehen ineinander auf. Es steht jedoch außer<br />
Frage, dass bei einem Umbau der Selbstverpflichtung der deutschen Industrie in ein<br />
Emissionshandelssystem der Staat die wesentlichen Rahmenbedingungen vorgeben<br />
muss. Insbesondere müssten die bisher noch relativen Ziele einzelner Sektoren (also im<br />
Verhältnis zur Produktion) in absolute umgewandelt und die Ziele auf einzelne Unternehmen<br />
herunter gebrochen werden.<br />
Die ökologische Steuerreform wurde eingeführt, um "die Nachfrage in Richtung energiesparender<br />
und ressourcenschonender Produkte" umzulenken, um "Anstöße zur Entwicklung<br />
umweltfreundlicher Verfahren und Technologien" zu geben und um die Sozialversicherungsbeiträge<br />
spürbar zu senken. Strom, Benzin, Gas, leichtes Heizöl und Diesel<br />
werden aus diesem Grund stärker besteuert. Das Steueraufkommen wird benutzt, um<br />
die Kassen der Rentenversicherung zu entlasten. Klimaschutz ist demnach nur eines<br />
der umweltpolitischen Ziele der ökologischen Steuerreform, denn durch die Verteuerung<br />
der Energieträger werden Unternehmen (und private Haushalte) allgemein angehalten,<br />
ressourcenschonend (und damit auch klimafreundlicher) zu wirtschaften. Der<br />
Emissionshandel verfolgt also zum Teil das gleiche Ziel und es müssen Wege gefunden<br />
werden, um beide Instrumente miteinander in Einklang zu bringen. Von besonderer Bedeutung<br />
ist dabei die Tatsache, dass nicht alle Unternehmen in gleicher Weise von der<br />
Ökosteuer erfasst werden, es könnte somit zu einer Mehrbelastung bisher von der Ökosteuer<br />
ausgenommener Unternehmen kommen. Regelungen dafür zu finden ist nicht<br />
schwierig, wie die Praxis in anderen Staaten zeigt, die Diskussion darüber gehört aber<br />
in jedem Fall in den Bereich politischer Aushandelsprozesse.<br />
Das Erneuerbare Energien Gesetz und die KWK-Förderung sind Instrumente, die speziell<br />
zur Förderung dieser klimafreundlichen Technologien entwickelt wurden. Damit steht<br />
die Technologieförderung im Zentrum dieser beiden Instrumente. Der Emissionshandel<br />
hingegen verfolgt nur indirekt das Ziel, neue Technologien zu fördern. KWK-Förderung<br />
und Erneuerbare Energien Gesetz verfolgen also andere umweltpolitische Ziele und ein<br />
paralleles Fortbestehen dieser Instrumente ist daher auch nach der Einführung des<br />
Emissionshandels geboten. Mittelfristig wäre es auch möglich, die Förderung der erneuerbaren<br />
Technologien und der KWK-Anlagen in den Emissionshandel zu integrieren. Für<br />
eine derartige Integration müsste jedoch das eingangs beschriebene Grundkonzept des<br />
Emissionshandels um weitere Module ergänzt werden. Im britischen Emissionshandelssystem<br />
wird diese Integration angestrebt.<br />
Mit der IVU-Richtlinie soll die Umwelt durch medienübergreifende Genehmigungsverfahren<br />
für Industrieanlagen generell entlastet werden. Medienübergreifend heißt, dass<br />
alle Emissionsformen (fest, flüssig, gasförmig, physikalisch) und alle Medien (Wasser,<br />
Boden, Luft) zusammengefasst werden. Damit ist das ökologische Ziel dieses Instru-<br />
82
Der Emissionshandel im Kontext des bestehenden<br />
umweltpolitischen und -rechtlichen Instrumentariums<br />
ments wesentlich breiter als das des Klimaschutzes. Aber auch die Zielgruppe für die<br />
IVU-Richtlinie ist größer als die Menge der Teilnehmer am Emissionshandel. Der Emissionshandel<br />
wird daher die IVU-Richtlinie nicht beeinträchtigen. Beide Instrumente können<br />
gut nebeneinander existieren. Darüber hinaus ist es möglich, dass sich die IVU-<br />
Richtlinie zu einem Klimaschutzinstrument für Industrieanlagen entwickelt, die aufgrund<br />
ihrer geringen Größe vorerst nicht am Emissionshandel teilnehmen können.<br />
Die tatsächlichen Zusammenhänge zwischen den Instrumenten sind natürlich erst dann<br />
erkennbar, wenn der Entwurf der EU-Kommission für ein Emissionshandelssystem und<br />
die Optionen für die Umsetzung in Deutschland weiter konkretisiert werden. Wie die Betrachtung<br />
jedoch gezeigt hat, können erste Aussagen über die Beziehungen zwischen<br />
den einzelnen umweltpolitischen Instrumenten getroffen werden, wenn die umweltpolitischen<br />
Ziele und die Zielgruppen der jeweiligen Instrumente miteinander in Bezug gesetzt<br />
werden. Probleme entstehen dabei weniger auf der "technischen" Ebene der Instrumente,<br />
sondern auf der politischen Ebene – wie bei praktisch jeder Einführung eines<br />
neuen Instruments.<br />
Schlussbetrachtung<br />
Der Emissionshandel ist ein anspruchsvolles Instrument. Es geht darum, den Klimaschutz<br />
in Deutschland so zu organisieren, dass mittel- bis langfristig deutlich weniger<br />
Treibhausgase emittiert werden als bisher. Dazu ist dieses Instrument sowohl theoretisch<br />
als auch praktisch gut geeignet.<br />
Vor allem zwei Argumente rechtfertigen den entsprechenden politischen und administrativen<br />
Aufwand. Zum einen die Kosten. Der Emissionshandel ist ein Instrument, das<br />
sehr kosteneffizient und flexibel für die Reduktion der Treibhausgase sorgen kann. Weil<br />
auf die deutsche Wirtschaft langfristig deutlich stärkere Minderungslasten zukommen<br />
werden (Stichwort: "carbon constrained future"), ist es wichtig, mit dem geringstem<br />
finanziellen Aufwand die größtmögliche Wirkung im Sinne des Klimaschutzes zu erzielen.<br />
Zweitens bietet ein nationaler Emissionshandel die Möglichkeit, in den europaweiten<br />
Emissionshandel und in weiterer Zukunft in den internationalen Emissionshandel<br />
(z.B. mit Japan) einzusteigen. Durch die Teilnahme am grenzüberschreitenden Emissionshandel<br />
könnten deutsche Unternehmen noch flexibler Emissionen reduzieren und in<br />
neue Geschäftsfelder einsteigen.<br />
Der nationale Emissionshandel zwischen Unternehmen auf nationaler Ebene wird deshalb<br />
vermutlich mittelfristig in Deutschland eingeführt werden. Sollte die Richtlinie zum EUweiten<br />
Emissionshandel durch den Rat der EU-Umweltminister mit Mehrheit angenommen<br />
werden, wäre Deutschland sogar verpflichtet, dieses Instrument einzuführen. Mit dem<br />
Emissionshandel werden auf die deutsche Wirtschaft neue Herausforderungen zukommen.<br />
Mit ihm wird die "Aufgabe Klimaschutz" deutlich konkreter in den Alltag der Unternehmen<br />
integriert werden, wie das Beispiel des unternehmensinternen Emissionshandels<br />
83
Workshop I<br />
Der Emissionshandel im Kontext des bestehenden<br />
umweltpolitischen und -rechtlichen Instrumentariums<br />
Dr. Hermann E. Ott · Thomas Langrock<br />
bei BP zeigt. Und ohne Zweifel wird der Emissionshandel bestimmte Teile der deutschen<br />
Wirtschaft unter Anpassungsdruck setzen. Dieser Druck entsteht jedoch aus der<br />
Aufgabe Klimaschutz und nicht aus dem nationalen Emissionshandel. Dieser ist lediglich<br />
das (effektive) Instrument der Umsetzung.<br />
Für die Umweltpolitik wird es daher darauf ankommen, den Ausgleich zu finden zwischen<br />
den berechtigten Standortinteressen der deutschen Wirtschaft und ihren umweltpolitischen<br />
Zielen. Ein wesentliches Mittel für den Ausgleich ist die Art der Vergabe der<br />
Emissionszertifikate. Das zweite Mittel für den Ausgleich ist das Einpassen des nationalen<br />
Emissionshandels in das nationale Klimaschutzprogramm. Denn nicht nur die deutsche<br />
Wirtschaft muss Emissionsminderungen erbringen – auch die privaten Haushalte<br />
und der Staat selbst sind Adressaten von Klimaschutzmaßnahmen. Theoretisch (und<br />
auch praktisch, wie das Beispiel Großbritannien zeigt) kann der Emissionshandel so gestaltet<br />
werden, dass es sich für Unternehmen lohnt, Emissionsminderungen beispielsweise<br />
im Bereich der Gebäude privater Haushalte zu erbringen. Damit würde durch den<br />
Emissionshandel ein weiteres Geschäftsfeld eröffnet.<br />
In einer Arbeitsgruppe beim Bundesumweltministerium wird derzeit unter großer Beteiligung<br />
der Wirtschaft diskutiert, wie der nationale Emissionshandel in Deutschland eingeführt<br />
werden kann. Diese gesamtgesellschaftliche Vorbereitung der Einführung eines<br />
umweltpolitischen Instruments ist der Komplexität dieses Instruments angemessen.<br />
Wie der Stand der Diskussionen in dieser Arbeitsgruppe und wie die Erfahrungen des<br />
Wuppertal Instituts zeigen, bestehen bei den Unternehmen noch große Unsicherheiten<br />
über die Chancen und Herausforderungen eines nationalen deutschen Emissionshandels.<br />
Dies muss sich ändern und die Landesregierung NRW hat mit der Ausrichtung des<br />
Klimaschutzkongresses deshalb einigen Verdienst erworben. Das Wuppertal Institut als<br />
Einrichtung des Landes wird ebenfalls an der Vorbereitung auf den Emissionshandel<br />
mitwirken, eine Informationsbroschüre für Unternehmen ist in Vorbereitung.<br />
84
Dr. Jürgen Engelhard<br />
Direktor RWE Rheinbraun AG, Köln<br />
Workshop I<br />
Die Bedeutung des Emissionshandels<br />
für Kraftwerksbetreiber<br />
Emissions Trading – Ein Instrument unter anderen<br />
Mit der Vorlage des Entwurfs einer Emissons Trading-Richtlinie durch die EU-Kommission<br />
am 23.10.2001 ist auch in Deutschland dieses neue Instrument der Klima- und Umweltpolitik<br />
in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. Emissions Trading<br />
verspricht der Umweltpolitik eine präzise Mengensteuerung bei den Emissionen, andererseits<br />
setzt es für die zwangsbeteiligte Industrie wachstumsbehindernde Emissionsobergrenzen<br />
voraus, die in der Folge verbunden sind mit einer steuerähnlichen Kostenbelastung.<br />
Die Wirkung eines Emissionsrechtehandels entfaltet bei ungeeigneter Ausformulierung<br />
und Anwendung die Wirkung einer von uns strikt abzulehnenden CO 2 -Steuer.<br />
Es ist daher kein Wunder, dass mit der Vorlage des Richtlinienentwurfs eine sehr kontroverse<br />
Diskussion zwischen umweltpolitischen Befürwortern und potentiell Betroffenen,<br />
z.B. der Stromwirtschaft, eingesetzt hat und seither unvermindert anhält.<br />
Die Emissions Trading-Richtlinie der EU trifft nicht auf einen bisher regelungsfreien<br />
Raum, sondern konkurriert mit einer Vielzahl bereits bestehender Regelungen der<br />
Klimavorsorge in Deutschland. Dies hat zur Konsequenz, dass viele wissenschaftliche<br />
Arbeiten zum Emissions Trading und über dessen Wirkungen nicht einfach auf den EU-<br />
Vorschlag übertragen werden können und oft nicht zutreffen. Die in der Theorie unterstellten<br />
Rahmenbedingungen sind in der Realität nicht gegeben. Dies trifft auch und gerade<br />
auf die Stromwirtschaft in Deutschland zu, für die seit Beginn der 90er Jahre bereits<br />
eine Reihe von Gesetzen und anderen Regelungen zur Klimavorsorge geschaffen<br />
wurden, und diese Regelungen werden auch zumindest bis 2012, dem Ende der ersten<br />
Kyoto-Verpflichtungsperiode, noch fortwirken.<br />
Abbildung 1<br />
Beitrag der Stromwirtschaft zum Klimaschutz in<br />
Klimaschutz - Ziele für Deutschland<br />
Deutschland<br />
Nach der Festlegung des nationalen deutschen CO 2 -Minderungziels<br />
von 25 % bezogen auf 1990 (Abb. 1) wurden<br />
konkrete CO 2 -Minderungsmaßnahmen bereits 94/95<br />
zwischen der deutschen Wirtschaft und der Bundesregierung<br />
diskutiert. Dies hat 1995 zur ersten Selbstverpflichtung<br />
der Elektrizitätswirtschaft im Rahmen der Gesamtverpflichtung<br />
der deutschen Wirtschaft unter<br />
Führung des Bundesverband der deutschen Industrie<br />
(BDI) geführt. Diese erste Selbstverpflichtung ist im Jahr<br />
2000 durch eine erweiterte Vereinbarung zwischen Wirtschaft<br />
und Bundesregierung fortgeschrieben worden. Die<br />
in der VDEW organisierten öffentlichen Stromerzeuger<br />
haben sich in dieser neuen Vereinbarung zu einer Effizienzverbesserung der nicht nuklearen<br />
Kraftwerke, d.h. zu einer Verminderung der spezifischen CO 2 -Emission, um nahezu<br />
85
Workshop I<br />
Die Bedeutung des Emissionshandels für<br />
Kraftwerksbetreiber<br />
Dr. Jürgen Engelhard<br />
30 % bis zum Jahr 2012 verpflichtet. Mit der Vereinbarung über die verstärkte Nutzung<br />
und Modernisierung der Kraft-Wärme-Kopplung, die im Sommer 2001 paraphiert wurde,<br />
sind weitere konkrete Maßnahmen festgelegt worden. Mit diesen Zusagen hat die<br />
Energiewirtschaft die Belastungsgrenze auch im Interesse ihrer Kunden, die im internationalen<br />
Wettbewerb stehen, erreicht.<br />
Die Bundesregierung hat über die genannten Vereinbarungen hinaus weitere Gesetze<br />
mit dem Ziel eines vorsorgenden Klimaschutzes im Energiebereich in Kraft gesetzt; dies<br />
sind insbesondere das Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz, das Erneuerbare Energie Gesetz<br />
und die Ökosteuer. Im Jahr 2005 werden sich die Belastungen des Stromverbrauchers<br />
aus diesen Gesetzen voraussichtlich auf mehr als 9 Mrd. e belaufen. Damit sind für die<br />
Stromverbraucher in Summe die Strompreisentlastungen aus der Deregulierung aufgezehrt.<br />
Neue Belastungen, auch aus Gründen der Klimavorsorge, müssen unbedingt vermieden<br />
werden, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas und Deutschlands<br />
nicht zu gefährden.<br />
Die genannten Instrumente der Klimavorsorge haben in der Zwischenzeit die gewünschte<br />
Wirkung gezeigt. Von 1990 bis 2000 sind die CO 2 -Emissionen in der öffentlichen<br />
Stromerzeugung um rd. 30 Mio. t/a gesenkt worden. Die spezifischen Emissionen der<br />
fossilen EVU-Kraftwerke ist von 1,08 auf 0,96 kg CO 2 /kWh gesunken. Beispielhaft seien<br />
für den Bereich der Braunkohlestromerzeugung die wichtigsten Maßnahmen genannt:<br />
• Neustrukturierung der Braunkohlekraftwerke in den neuen Bundesländern<br />
• Retrofitmaßnahmen an Braunkohlekraftwerken im Rheinland<br />
• Verwirklichung der ersten Stufe des Kraftwerkerneuerungsprogramms<br />
im Rheinland.<br />
Ein weiterer Maßnahmenschwerpunkt des RWE lag beim Ausbau der industriellen Kraft-<br />
Wärme-Kopplung; neue und sehr effiziente Anlagen wurden an industriellen Standorten,<br />
z.B. bei der BASF, bei Bayer und bei der Fa. Opel errichtet; Schwerpunkt der RWE Rheinbraun-Aktivitäten<br />
der nächsten Jahre wird die konsequente Fortführung des mit der Landesregierung<br />
NRW vereinbarten Kraftwerkserneuerungsprogramm sein. Neue Kostenbelastungen<br />
oder Wettbewerbsverzerrungen – egal ob herrührend aus CO 2 -Steuern oder<br />
Emissions Trading – dürfen dieses Ziel nicht in Frage stellen, weil es umwelt- und klimapolitisch<br />
kontraproduktiv wäre.<br />
Ein weiterer Aspekt, der die CO 2 -Emissionen der deutschen Stromwirtschaft langfristig<br />
tendenziell ansteigen lassen wird, ist der für Deutschland beschlossene Kernenergieausstieg,<br />
der nach der ersten Kyoto-Verpflichtungsperiode praktisch wirksam werden<br />
wird: Jedes Instrument der Klimavorsorge, das neu eingeführt wird, muss dies berücksichtigen<br />
und eine flexible Anpassung der Energieversorgungsstruktur unter Erhalt der<br />
Wettbewerbsfähigkeit der Stromerzeugung ermöglichen.<br />
86
Die Bedeutung des Emissionshandels für<br />
Kraftwerksbetreiber<br />
Wirkung des Richtlinienentwurfs der EU-Kommission<br />
Der Richtlinienentwurf der EU-Kommission vom 23.10.2002 ist vor allem darauf gerichtet,<br />
ein Umweltinstrumentarium zu schaffen, das es der EU-Kommission ermöglicht,<br />
die Einhaltung ihrer Verpflichtung aus dem Kyoto-Protokoll abzusichern und entsprechenden<br />
Druck auf die Mitgliedsländer auszuüben. Über die Genehmigung der vorgesehenen<br />
länderspezifischen Allokationspläne schafft die Kommission das erforderliche Werkzeug.<br />
Dieser Ansatz vernachlässigt aber völlig, dass der Eingriff in die Energieversorgungsstruktur<br />
und den Betrieb energieintensiver Anlagen massive wirtschaftliche<br />
Auswirkungen auf Industriestandorte und Unternehmen haben kann, die im Interesse<br />
der Wettbewerbsfähigkeit Europas nicht ignoriert werden dürfen. Die wichtigsten Kritikpunkte<br />
aus Sicht der Stromwirtschaft sind:<br />
• Die obligatorische Einbeziehung der energieintensiven Anlagen benachteiligt die<br />
Länder mit hohem Kohleanteil in der Energieversorgung und mit hohem Anteil industrieller<br />
Produktion. Beides trifft auf Deutschland zu.<br />
• Der vorliegende Richtlinienentwurf ist mit den freiwilligen Vereinbarungen in<br />
Deutschland nicht vereinbar und würde diese mitten in der Umsetzungsphase de<br />
facto ablösen. Ein bewährtes und kosteneffizientes Instrument würde damit aufgegeben,<br />
und die eingeleiteten, aber noch nicht umgesetzten Maßnahmen, z.B. der<br />
Bau der 2. BoA im rheinischen Revier, würden infrage gestellt.<br />
• Die Kosten für CO 2 -Zertifikate addieren sich in Deutschland zu den bereits hohen<br />
Belastungen des Stroms durch die genannten gesetzlichen Regelungen der Klimavorsorge.<br />
• CO 2 -Zertifikatskosten belasten die Energiekosten der europäischen Unternehmen;<br />
sie gefährden die Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu den USA und Japan und<br />
führen zur Standortverlagerung in Länder außerhalb der EU.<br />
• Die Richtlinie setzt zur CO 2 -Minderung einseitig auf den Ersatz von Kohle durch<br />
Erdgas. Dies vernichtet Arbeitsplätze in der Kohle- und Stromindustrie von Nordrhein-Westfalen<br />
und anderer Bundesländern, und beeinträchtigt langfristig massiv<br />
die Sicherheit der Energieversorgung, ganz abgesehen von unvermeidbaren Preisausschlägen<br />
für importiertes Erdgas.<br />
• Die von der EU-Kommission kalkulierten CO 2 -Zertifikatskosten führen etwa zu einer<br />
Verdoppelung der Stromerzeugungskosten aus Braunkohle, während sich die Kosten<br />
der Stromerzeugung aus Erdgas nur um rd. 30 % erhöhen wird. Diese Wettbewerbsverzerrung<br />
kann durch Rationalisierungsmaßnahmen nicht aufgefangen werden.<br />
• Auch Kohlekraftwerke, die nach neuestem Stand der Technik errichtet werden,<br />
wären wegen der kontinuierlichen Absenkung der CO 2 -Emissionsgrenzen, bereits<br />
nach wenigen Jahren nicht mehr ohne Zukauf von Zertifikaten zu betreiben, sofern<br />
ein wirtschaftlicher Betrieb dann überhaupt noch möglich ist. Damit entfiele für<br />
Neubauten jegliche Investitionssicherheit.<br />
87
Workshop I<br />
Die Bedeutung des Emissionshandels für<br />
Kraftwerksbetreiber<br />
Dr. Jürgen Engelhard<br />
Forderungen der Elektrizitätswirtschaft<br />
Neue Instrumente der Klimavorsorge sind kein Selbstzweck, sondern machen nur dann<br />
Sinn, wenn sie den betroffenen Unternehmen größere Flexibilität einräumen und damit<br />
zu geringeren Kosten bei der Erfüllung der Klimaschutzziele führen. Daher ist die Konkurrenz<br />
aller Instrumente zur Erreichung höchstmöglicher Flexibilität im Kyoto-Protokoll<br />
verankert worden. Der EU-Kommissionsvorschlag verkehrt dieses Ziel ins Gegenteil: Die<br />
beabsichtigte Emissions Trading-Regelung erweitert nicht die Möglichkeiten der betroffenen<br />
Industrieunternehmen, sondern ersetzt die bewährten Instrumente durch ein<br />
neues Zwangsinstrument mit heute noch unüberschaubaren wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen<br />
Konsequenzen.<br />
Die deutsche Elektrizitätswirtschaft bekennt sich zu den Zielen der Klimavorsorge, lehnt<br />
aber aus den genannten Gründen den vorliegenden Emissions Trading-Entwurf der EU-<br />
Kommission strikt ab. Andererseits verkennen wir nicht, dass eine Reihe von Mitgliedsländern<br />
der EU, die bisher nur über ein unzureichendes Instrumentarium zur Erfüllung<br />
ihrer Kyoto-Ziele verfügen, Interesse an der Einführung von Emissions Trading haben<br />
können. Für diese Länder kann der EU-Vorschlag ein nützliches Angebot sein. Falls es<br />
daher zu Vereinbarungen in Europa kommen sollte, halten wir folgende Änderungen am<br />
Kommissionsentwurf für unverzichtbar, um den wichtigsten Bedenken der deutschen<br />
Industrie Rechnung zu tragen:<br />
• Die Beteiligung von Mitgliedsstaaten und Branchen ist optional zu gestalten, auch<br />
für den Klimaschutz muss das Subsidiaritätsprinzip gelten.<br />
• Bereits bestehende nationale Regelungen dürfen durch das EU-System nicht infrage<br />
gestellt werden.<br />
• Es ist eine ergebnisoffene Pilotphase durchzuführen, um dieses neue Instrument,<br />
das gravierende, noch nicht absehbare wirtschaftliche Auswirkungen haben kann,<br />
zu testen.<br />
• Heimische Energieträger dürfen durch das Emissions Trading nicht gegenüber Importenergien<br />
benachteiligt werden, wie dies beim EU-Entwurf der Fall ist.<br />
• Alle flexiblen Instrumente des Kyoto-Protokolls müssen genutzt werden können,<br />
d.h. auch die projektbezogenen Maßnahmen JI und CDM, damit das Minderungsziel<br />
so kostengünstig wie möglich erreicht wird.<br />
• Alle 6 Kyoto-Gase und weitere industrielle Branchen sollten in die Regelung<br />
einbezogen werden.<br />
Die Stromwirtschaft stellt nicht die Ziele der Kyoto-Protokoll in Frage, im Gegenteil, sie<br />
hat in den letzten Jahren erhebliche Beiträge dazu geleistet, dass Deutschland bei der<br />
Zielerfüllung in Europa eine Spitzenstellung einnimmt. Gemeinsam mit der gesamten<br />
deutschen Industrie müssen wir aber jedes neue Instrument ablehnen, das zu weiteren<br />
Kostenbelastungen und damit letztlich zur Arbeitsplatzvernichtung führt, und dies vor<br />
88
Die Bedeutung des Emissionshandels für<br />
Kraftwerksbetreiber<br />
Abbildung 2<br />
Treibhausgas-Emissionsminderung in Deutschland 1990 - 2000 in Mio. t<br />
allem in einem industriellen Ballungsraum wie Nordrhein-Westfalen. Betrachtet man die<br />
CO 2 -Bilanz Deutschlands in den letzten Jahren vorurteilsfrei (Abb. 2), dann wird<br />
ohnehin deutlich, dass nicht vordringlich Industrie und Kraftwerken neue Anstrengungen<br />
zum Klimaschutz abverlangt werden sollten, sondern dass zusätzliche Maßnahmen bei<br />
Haushalten und vor allem beim Verkehr ansetzen müssten.<br />
89
Workshop I<br />
Emissionshandel in der Praxis<br />
Dr. Karlheinz Berg<br />
Berater und ehem. Geschäftsführer der<br />
Deutsche Shell Chemie GmbH<br />
Klimaschutz ist integraler Bestandteil der langfristigen SHELL-Strategie. Abgeleitet wurde<br />
diese Stategie aus den SHELL-Szenarien zur Entwicklung des langfristigen Energiebedarfes<br />
(bis 2060), der Möglichkeiten der Deckung dieses Bedarfes (Energiemix) und<br />
der daraus resultierenden Konsequenzen (CO 2 -Emissionen/Klimaentwicklung).<br />
SHELL-Position zum Klimaschutz<br />
• SHELL teilt den wissenschaftlichen Konsens, dass sich das Klima verändert<br />
und dass dies möglicherweise das Ergebnis menschlicher Aktivität ist.<br />
• Klimaveränderung ist ein globales Problem. Deshalb unterstützt SHELL<br />
statt lokaler oder regionaler Lösungen einen globalen Ansatz.<br />
• SHELL glaubt, dass Marktmechanismen einen integralen Teil eines jeden<br />
globalen Klimaschutzprogrammes spielen müssen. Dies stellt den<br />
größtmöglichen Nutzen für das eingesetzte Kapital sicher und vermeidet<br />
Preisverzerrungen, die den Welthandel beeinflussen könnten.<br />
Als Teil der Umsetzung dieses Aktionsplanes<br />
wurde das Pilotprojekt STEPS<br />
gestartet (SHELL Tradeable Emission<br />
Permit System).<br />
Daraus abgeleitet wurde folgendes Aktionsprogramm:<br />
• Reduzierung der eigenen CO 2 -Emissionen<br />
• Berichten auf der Basis vollständiger Messungen incl. Verifizierung<br />
der eigenen GHG-Emissionen<br />
• Einbeziehung von CO 2 -Kosten in Geschäftsentscheidungen<br />
• Bevorzugung von Marktlösungen incl. eines internen Pilotprojektes<br />
Emissionshandel<br />
• Aktive Beteiligung an der öffentlichen Diskussion auf nationaler<br />
und internationaler Ebene<br />
• Unterstützung unserer Kunden bei der Reduzierung ihrer GHG<br />
Motivation für STEPS<br />
• Lernen aus einem solchen Pilotprojekt zu einem frühen Zeitpunkt<br />
• Beantwortung der Frage inwieweit ein Handelssystem kostengünstiger<br />
CO 2 -Reduzierung erreichen kann<br />
• Wie lässt sich die Reduzierung von CO 2 -Emissionen in Rahmen eines<br />
Handelssystems erreichen<br />
Merkmale von STEPS<br />
• Beginn Januar 2000, Ende Dezember 2002<br />
• Ca. 30% der CO 2 -Emissionen der SHELL-Gruppe (Annex I)<br />
• Basisjahr 1998<br />
• Elektronischer Handel unterstützt von vierteljährlichen Auktionen<br />
90
Emissionshandel in der Praxis<br />
Ergebnisse von STEPS<br />
• Umfassende Kenntnis der eigenen Emissionen, der Energieeinsparpotentiale<br />
und deren Kosten<br />
• Gehandelt wurden ca. 19 mio t CO 2 in 2 Jahren<br />
• Durchschnittlicher Preis ca.5 US-Dollar<br />
• Die angestrebte Reduzierung von 2% wird erreicht werden<br />
Erfahrungen durch STEPS<br />
• CO 2 wird/ist ein commodity<br />
• Die attraktivsten/kostengünstigsten Projekte setzten sich durch<br />
• Marktgröße und Transaktionskosten kritisch, Preise wenig repräsentativ<br />
• Spezialisten für Handel<br />
• Die attraktivsten/kostengünstigsten Projekte setzen sich durch<br />
• Forward sales und banking werden als zusätzliche Instrumente benötigt<br />
Ausblick<br />
• CO 2 -Vermeidungskosten werden Bestandteil jedes Investitionsantrages<br />
• Verstärkung der Aktivitäten in realen Märkten<br />
• Sicherung der Werthaltigkeit von Zertifikaten aus aktuellen Deals<br />
• Teilnahme an Pilotprojekten (z.B. Hessentender, Ostseesimulation etc.)<br />
• Kommunikation der Erfahrungen<br />
Die Grundposition von SHELL ist:<br />
• Teilnahme: verpflichtend für die Industrie<br />
• Struktur: cap + trade mit absoluten Caps<br />
• Allokation: kostenlose Zuteilung<br />
basierend auf historischer Baseline<br />
• Strafen: ja, gekoppelt mit Kontollsystem<br />
• Banking: unbegrenzt<br />
• Umfang: vereinbar mit anderen Systemen/<br />
Mechanismen, z.B. JI und CDM<br />
ET-Richtlinie der EU<br />
SHELL unterstützt aktiv die Einführung<br />
der ET-Richtlinie, fordert aber Anpassungen,<br />
Klarstellungen und weitergehende<br />
Spezifizierung des vorliegenden Textes.<br />
Zusammenfassung<br />
Das von SHELL intern aufgesetzte Pilotprojekt Emissionshandel hat seinen Zweck<br />
erfüllt. Die Erfahrungen sind vergleichbar mit anderen Pilotprojekten. Der wichtigste<br />
Lerneffekt liegt in der frühzeitigen Außeinandersetzung mit einem Handelssystem, der<br />
Kenntnis der eigenen Situation und der Möglichkeiten, die ein Handelssystem für die<br />
Umsetzung der eigenen Strategie bietet .<br />
91
Workshop I<br />
Emissions Trading aus Sicht der Chemischen<br />
Industrie<br />
Dr. Jochen Rudolph – Leiter des<br />
Konzernbereichs Umwelt, Sicherheit,<br />
Gesundheit, Qualität, Degussa AG<br />
In der Diskussion um den Emissionshandel mit Treibhausgasen werden gelegentlich<br />
Ziele und Instrumente nicht klar voneinander getrennt. Insbesondere wird Kritikern eines<br />
Instruments bisweilen unterstellt, es ginge in Wahrheit um eine Zieldiskussion. Aus diesem<br />
Grund konzentriert sich der erste Teil der folgenden Ausführungen auf die Einbettung<br />
der Klimaschutzziele der chemischen Industrie in die nationalen und internationalen<br />
Klimaschutzverpflichtungen. Der zweite Teil ist dann ausschließlich der Instrumentendiskussion<br />
gewidmet.<br />
Im Kyoto-Protokoll verpflichtet sich die EU dazu, ihre Treibhausgas-Emissionen im Zeitraum<br />
2008 – 2012 im Durchschnitt um 8% gegenüber 1990 zu senken. Deutschland<br />
übernimmt im Rahmen des Burden Sharing eine deutlich höhere Reduktionsverpflichtung,<br />
nämlich 21 %. Dies führt dazu, dass von der gesamten Reduktionsverpflichtung<br />
der EU in Höhe von 332 Mio. t CO 2 -Äquivalenten mehr als 75%, nämlich 252 Mio. t von<br />
Deutschland zu erbringen sind.<br />
Neben Großbritannien hat Deutschland allerdings auch als einziges EU-Land überhaupt<br />
eine nennenswerte CO 2 -Senkung – prozentual und absolut – erreicht (bis 2000 etwa drei<br />
Viertel der bis 2008/2012 zu erreichenden Senkung). Es ist daher zu erwarten, dass<br />
Deutschland seinen Verpflichtungen im internationalen und EU-Rahmen nachkommen<br />
wird. Dazu beigetragen haben die unterschiedlichen wirtschaftlichen Sektoren allerdings<br />
in sehr unterschiedlichem Maße: Während im Zeitraum zwischen 1990 und 1998 die<br />
Industrie ihre CO 2 -Emissionen um 27% zurückgeführt hat, haben Verkehr und Haushalte<br />
um 9% bzw. 8% zugelegt.<br />
Die verlässliche Partnerschaft der Industrie beim Klimaschutz wird durch die Klimaschutzvereinbarung<br />
zwischen Bundesregierung und BDI von Ende 2000 abgesichert, in<br />
der der weitere Beitrag der Industrie für die Zukunft festgeschrieben wurde. Die chemische<br />
Industrie trägt mit ihrer Selbstverpflichtungserklärung in besonders hohem Maße<br />
bei: Die Chemieunternehmen werden im Rahmen des Kyoto-Zeitraums ihre Klimagasemissionen<br />
um wenigstens 45% senken und haben im Rahmen des Monitoring-Prozesses<br />
bereits nachgewiesen, dass auch dieses Ziel realistisch ist.<br />
Der besondere Vorteil dieser nachweislich erfolgreichen Selbstverpflichtungserklärung<br />
auf Branchenebene liegt in dem einfachen Controlling-Mechanismus und dem branchenweiten<br />
Ausgleich der unternehmensbezogenen Emissionen. So gibt es zweifellos Unternehmen,<br />
die aufgrund ihrer besonderen Prozesse oder Investitionszyklen nicht dazu in<br />
der Lage sind, im Zeitraum 1990 bis 2008 Reduktionen in Höhe des Branchenziels zu<br />
realisieren, ohne ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit einzubüßen und damit ihre<br />
Existenz aufs Spiel zu setzen. Die Branchenbetrachtung gewährleistet, dass die Klimaziele<br />
erreicht werden, ohne dass die Branchenintegrität mit ihrer sinnvollen Arbeitsteilung<br />
zwischen den Unternehmen und damit Arbeitsplätze gefährdet werden.<br />
92
Emissions Trading aus Sicht der Chemischen<br />
Industrie<br />
Generell muss bei allen Maßnahmen zur regionalen Reduktion von Emissionen peinlich<br />
darauf geachtet werden, dass Emissionen nicht lediglich verlagert werden wodurch<br />
dem Klimaschutz wenig gedient wäre (das RWI spricht in diesem Zusammenhang vom<br />
"Leakage-Effekt"). Die im Rahmen des Kyoto-Protokolls vorgesehenen zwischenstaatlichen<br />
Instrumente Joint Implementation, Clean Development Mechanism und Emissions<br />
Trading sind letztlich Abrechnungs- und Controlling-Instrumente, die dem globalen Charakter<br />
des Klimaschutzes in sinnvoller Weise Rechnung tragen.<br />
Die chemische Industrie bekennt sich nachdrücklich zu den Kyoto-Zielen und steht nach<br />
wie vor zu den im Rahmen der Selbstverpflichtung übernommenen Reduktionszielen.<br />
Wir halten auch eine sinnvolle Verknüpfung der Selbstverpflichtung mit den zwischenstaatlichen<br />
Instrumenten des Kyoto-Protokolls für möglich, insbesondere bei den projektbezogenen<br />
Maßnahmen im Rahmen von Joint Implementation und Clean Development.<br />
Es gibt allerdings aus deutscher Sicht keinen besonderen Handlungsbedarf, zusätzliche,<br />
die Industrie treffende Instrumente einzuführen, da sich das bestehende Instrumentarium<br />
der Selbstverpflichtung als kosteneffizient und zuverlässig bewährt hat. Auch die EU-<br />
Kommission hat dies ausdrücklich anerkannt, in dem sie die weitere Genehmigung der<br />
Ökosteuer-Sonderregelungen für das produzierende Gewerbe von einer weiteren erfolgreichen<br />
Umsetzung der Klimaschutzvereinbarung bzw. der unerlagerten Selbstverpflichtungen<br />
abhängig gemacht hat.<br />
Der Vorstoß der EU-Kommission in Form einer Richtlinie für einen anlagen- und unternehmensbezogenen<br />
Emissionshandel ist daher unter den Gesichtspunkten zu bewerten,<br />
ob er eine sinnvolle Ergänzung des bestehenden Instrumentariums darstellt und die betroffenen<br />
Unternehmen nicht wirtschaftlich negativ beeinträchtigt. Beides ist aus Sicht<br />
der Chemischen Industrie klar zu verneinen.<br />
Zunächst stellt das vorgeschlagene System einen Torso dar, der mit dem im Kyoto-Protokoll<br />
vorgesehenen System nichts mehr zu tun hat: Statt im Rahmen eines globalen<br />
Ansatzes Emissionen dort zu reduzieren, wo dies am kostengünstigsten möglich ist,<br />
soll ein Emissionshandel nur stattfinden:<br />
• regional auf die EU begrenzt<br />
• für ganz bestimmte Anlagen bzw. Sektoren<br />
• ausschließlich auf Unternehmensebene<br />
• ohne Verknüpfung zu den anderen Kyoto-Instrumenten<br />
• und schließlich unter Beibehaltung ordnungsrechtlicher Emissionsvorschriften<br />
Die wesentlichen Vorteile eines globalen Emissionshandels werden damit von vornherein<br />
ausgehebelt, so dass die Sinnhaftigkeit des Instrumentes per se anzuzweifeln ist.<br />
Viel gravierender sind jedoch die konkreten Auswirkungen, die das vorgeschlagene System<br />
auf die Chemieunternehmen hat. Wegen der Einbeziehung aller Feuerungsanlagen über<br />
20 MW wären alle nennenswerten Chemiestandorte von der Richtlinie betroffen.<br />
93
Workshop I<br />
Emissions Trading aus Sicht der Chemischen<br />
Industrie<br />
Dr. Jochen Rudolph<br />
Dabei wäre es ein folgenschwerer Fehler, die Auswirkungen des Systems auf die Frage<br />
zu verkürzen, wie viele CO 2 -Zertifikate die Unternehmen denn möglicherweise kostenlos<br />
als Anfangsausstattung erhalten. Viel wichtiger ist, dass ab dem Zeitpunkt der Ausgabe<br />
jeder mit CO 2 -Emissionen verbundene Produktionsprozess betriebswirtschaftlich mit<br />
entsprechenden Zertifikaten zum Marktwert zu bewerten ist. Dies wird natürlich völlig<br />
unabhängig von der Frage der Anfangsausstattung geschehen, da überzählige Zertifikate<br />
jederzeit am Markt abgesetzt werden können. Ob eine Produktionssteigerung dazu<br />
führt, dass Zertifikate zusätzlich vom Markt beschafft werden müssen, oder lediglich zur<br />
Folge hat, dass im Besitz befindliche Zertifikate nicht verkauft werden können, ist unter<br />
betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten unerheblich.<br />
Unsere internationale Konkurrenz ist jedoch keinesfalls den gleichen Mechanismen unterworfen.<br />
Wer Teile seiner Produktion in die USA, nach Brasilien, Polen oder sogar nur<br />
in die Schweiz verlagert bzw. Erweiterungen dort durchführt, benötigt keine zusätzlichen<br />
Zertifikate bzw. kann ggf. im Besitz befindliche Zertifikate verkaufen. Ein anlagenund<br />
unternehmensbezogener Zertifikatehandel entfaltet also exakt die gleiche Lenkungswirkung<br />
wie eine CO 2 -Steuer, die in ihrer Höhe im Vorhinein nicht abzuschätzen ist.<br />
Für beliebige angenommene Werte eines CO 2 -Zertifikats lässt sich das entsprechende<br />
Steueräquivalent einfach errechnen. Nimmt man einen Wert von 25 e/t an, dann entspricht<br />
das für Braunkohle und Steinkohle (beides wird im Moment ja nicht besteuert)<br />
einem Aufschlag von 199 % bzw. 127 %. Der Einsatz von leichtem Heizöl und Ergas wäre<br />
mit 23 % bzw. 33 % zusätzlich belastet. Daraus wird deutlich, dass von dem vorgeschlagenen<br />
System eine individuelle Lenkungswirkung auf die Wirtschaft ausginge, die<br />
um Faktoren größer ist als die der – aus gutem Grund begrenzten – Belastungen durch<br />
die Ökosteuer. Bewertet man die aus den Feuerungsanlagen der Chemieindustrie stammenden<br />
CO 2 -Emissionen mit 25 e/t dann ergibt sich eine implizite Gesamtbelastung<br />
von über 500 Mio. e.<br />
Nachdem mittlerweile erkannt wurde, dass der vorgeschlagene Zertifikatehandel wie eine<br />
Stilllegungsprämie für Betriebe in der EU wirken würde, werden nun auch Überlegungen<br />
angestellt, wie dies durch zusätzliche staatliche Kontrollmechanismen verhindert<br />
werden könnte. Angesichts der Komplexität chemischer Produktionen ist es allerdings<br />
selbst bei einem enormen bürokratischen Kontrollaufwand schlicht unmöglich,<br />
Stilllegungen gegen Produktionsverlagerungen und Strukturveränderungen abzugrenzen<br />
und dann beispielsweise durch Zertifikate-Entzug zu sanktionieren.<br />
Die Chemie wäre aber noch durch einen weiteren Faktor massiv betroffen:<br />
Ebenso wie die Chemieunternehmen werden bzw. müssen auch die Stromerzeuger ihre<br />
Brennstoffe im Hinblick auf die benötigten Zertifikate bewerten. Strom aus Braunkohle<br />
und Steinkohle würde damit ungleich teurer, was aufgrund des relativen hohen Stromanteils<br />
aus diesen Kraftwerken in Deutschland mit Sicherheit dazu führt, dass sich die<br />
industriellen Strompreise erhöhen. Auch eine mittelfristige Brennstoff-Substitution würde<br />
94
Emissions Trading aus Sicht der Chemischen<br />
Industrie<br />
daran nichts ändern: Da es derzeit offensichtlich nicht wirtschaftlich ist, diese vorzunehmen,<br />
müssten wiederum letztlich die Verbraucher in Form höherer Strompreise dafür<br />
aufkommen. Bewertet man die deutsche Stromerzeugung nach ihrem derzeitigen<br />
Brennstoffmix, dann sind weitere Preiserhöhungen um mehr als 20% zu erwarten, was<br />
die chemische Industrie nochmals mit über 500 Mio. e belasten würde.<br />
Dass sich jeder Gedanke an eine praktische Kompatibilität von Selbstverpflichtungserklärung<br />
und Emissionshandel nach EU-Vorschlag erübrigt, liegt auf der Hand: Welchen<br />
Grund sollte ein Unternehmen noch haben, eigene Reduktionserfolge mit anderen Unternehmen<br />
der Branche zu teilen, wenn sie sich am Markt zu Geld machen lassen<br />
Ein weiterer Schwachpunkt des EU-Vorschlags ist der enorme Controlling- und Verwaltungsaufwand<br />
innerhalb der Unternehmen sowie in nationalen und EU-Behörden. Jede<br />
Anlage müsste künftig einzeln notifiziert, im Hinblick auf ihren Brennstoffeinsatz überwacht<br />
und der Brennstoffeinsatz sowie die benötigten Zertifikate den Behörden jährlich<br />
nachgewiesen werden. Die Unternehmen müssten eigene Zertifikatsverwaltungen und<br />
-handelsabteilungen aufbauen – alles, ohne einen Beitrag zur Wertschöpfung zu leisten.<br />
Schließlich wirkt der EU-Vorschlag bereits heute investitionshemmend: Wie soll eine Anlageninvestition<br />
heute ausgelöst werden, die in 2 Jahren in Betrieb geht, wenn völlige<br />
Unklarheit darüber besteht, welchen gravierenden wirtschaftlichen Steuerungsinstrumenten<br />
die Investition in den nächsten 10 Jahren unterworfen ist<br />
Die chemische Industrie lehnt daher einen unternehmensbezogenen Emissionshandel<br />
in der im Richtlinienvorschlag dargestellten Form entschieden ab. Die Vorteile, die einzelne<br />
Unternehmen aus dem vorgeschlagenen System möglicherweise generieren können,<br />
rechtfertigen nicht die gravierenden negativen Auswirkungen auf die Branche als<br />
Ganzes.<br />
Die chemische Industrie bekennt sich zum Klimaschutz und zu den übernommenen<br />
Reduktionsverpflichtungen; sie erwartet im Gegenzug:<br />
• Verpflichtende zusätzliche Instrumente nur insoweit, wie eine Gefährdung<br />
erfolgreicher nationaler Instrumente ausgeschlossen werden kann<br />
• Zunächst Umsetzung des Emissionshandels nur auf Staatenebene<br />
gemäß Kyoto-Protokoll<br />
• Konsequente Verknüpfung des Emissionshandels mit anderen Instrumenten<br />
des Kyoto-Protokolls<br />
• Ausdrückliche Berücksichtigung aller "Early Actions" ab Kyoto-Basisjahr 1990<br />
• Vermeidung jeglicher Wettbewerbsverzerrungen.<br />
Auf dieser Grundlage wird sich die chemische Industrie auch weiterhin konstruktiv an<br />
der Diskussion um die Ausgestaltung der Instrumente zum Klimaschutz beteiligen.<br />
95
Workshop II<br />
Technologieexport durch flexible<br />
Instrumente - neue Chancen für die<br />
Wirtschaft<br />
Moderation:<br />
Dr. Gerhard Sohn<br />
96
Workshop II<br />
Beitrag moderner Bergbautechnologie<br />
zum Klimaschutz<br />
Dr. Thomas Kreuder, Leiter Zentralbereich/<br />
Zentralstab Internationale Koordination<br />
RAG Aktiengesellschaft, Essen<br />
Seit der Rio-Konferenz im Jahr 1992 werden ”Ökonomie, Ökologie und soziale Entwicklung”<br />
als gemeinsame und gleichrangige Komponenten eines globalen Nachhaltigkeitssystems<br />
angesehen. Nicht zuletzt die Diskussion über die Umsetzung und konkrete Ausgestaltung<br />
des Ende 1997 in Kyoto beschlossenen Klimaschutzprotokolls haben die Aufmerksamkeit<br />
der Öffentlichkeit auf die Erfüllung dieser Nachhaltigkeitsziele gelenkt. Im<br />
Verlauf dieser Entwicklung wurden auf nationaler und internationaler Ebene Klimaschutzziele<br />
festgelegt, bei deren Umsetzung die Industriestaaten eine Vorreiterrolle<br />
übernommen haben.<br />
Parallel dazu stellte sich die Wirtschaft der neuen Herausforderung. In Deutschland<br />
gründeten im Jahr 2000 führende national und international tätige Unternehmen zur<br />
Umsetzung des Nachhaltigkeitskonzeptes das ”Forum Nachhaltige Entwicklung”. Ziel<br />
ist, ihre Leistungsfähigkeit bei nachhaltigem Wirtschaften durch die Erarbeitung und<br />
Realisierung neuer Lösungsstrategien unter Beweis zu stellen. Für die RAG Aktiengesellschaft<br />
war es selbstverständlich, sich als Gründungsmitglied zu engagieren. Wir konzentrieren<br />
uns dabei auf die Nachhaltigkeitsdiskussion für die Energiewirtschaft. Der Bedarf<br />
an Energie wird weltweit steigen und dieser Bedarf wird vor allem in den Entwicklungs-<br />
und Schwellenregionen dieser Welt durch Kohle gedeckt werden. Rund um die<br />
Kohle verfügt die RAG Aktiengesellschaft über ein hohes Maß an Kompetenz. Konzernweit<br />
werden bereits zahlreiche Nachhaltigkeitsprojekte<br />
bearbeitet, insbesondere<br />
im Bereich der Kraftwirtschaft.<br />
Ich werde im folgenden überblickshaft<br />
nur auf den Beitrag moderner<br />
Bergbautechnologie zum Klimaschutz<br />
eingehen.<br />
Brandzone Wassertal<br />
Abbildung 1<br />
Löschen von Kohlenbränden in China<br />
Ebenso wie Indien kennt China das<br />
Naturphänomen übertägiger Kohlenbrände.<br />
Millionen Tonnen Kohle, die<br />
sich aufgrund des Klimas und der<br />
Kohleeigenschaften selbst entzünden,<br />
verbrennen dort jährlich.<br />
Durch die Brände, die Sie hier exemplarisch auf einer Infrarotaufnahme aus einer der<br />
Brandzonen in der Nordwestprovinz Xinjiang sehen, verbrennen 10 – 20 Mio t Kohle/a;<br />
weitere 200 Mio t Kohle/a gehen chinaweit für eine wirtschaftliche Nutzung verloren.<br />
Die Brände gefährden laufende benachbarte Bergbauaktivitäten und verursachen zu-<br />
Beispiel:<br />
IR-Aufnahmen am<br />
Tag (Temperaturen<br />
ca. 80°C bis<br />
1000°C)<br />
97
Workshop II<br />
Beitrag moderner Bergbautechnologie<br />
zum Klimaschutz<br />
Dr. Thomas Kreuder<br />
dem enorme lokale und globale Umweltschäden. Ihre Schwelprodukte belasten die Umwelt<br />
nicht nur unmittelbar vor Ort, sondern beeinflussen jährlich auch das Weltklima in<br />
einer bislang nur schätzbaren Größenordnung von zusätzlich 50 – 100 Mio. Tonnen CO 2 -<br />
äquivalenten Emissionen.<br />
Abbildung 2<br />
Einsatz leistungsfähiger Mess- und Analysemethoden<br />
Bei einem Besuch von Bundeskanzler Schröder im November 1999 in Beijing sagte die<br />
Bundesregierung zu, die chinesische Seite bei der Bekämpfung dieser Brände zu unterstützen.<br />
Auf dieser Grundlage vereinbarten RAG und das damalige chinesische Kohleministerium<br />
die Erstellung einer Machbarkeitsstudie. Die Ende 2000 fertig gestellte Expertise<br />
erbrachte, dass durch einen erfolgreichen Technologie- und Know-how-Transfer<br />
die Effizienz der Brandlöschung gesteigert, wertvolle Kohlereserven geschützt und<br />
Schadstoffemissionen in Luft, Boden und Grundwasser vermieden werden können.<br />
Nachdem das Bundesministerium für<br />
• Exploration<br />
- Geophysik (Geoelektrik,<br />
Geomagnetik, Thermographie)<br />
- Bohranlagen<br />
• Vermessung<br />
- GPS-geschützte<br />
Messgeräte<br />
- photogrammetrische<br />
Auswertungen<br />
• Geoinformationssystem<br />
wirtschaftliche Zusammenarbeit in<br />
2001 für die Projektbearbeitung über<br />
einen Zeitraum von 3 Jahren öffentliche<br />
Mittel zur Verfügung gestellt hatte, wurde<br />
mit der Umsetzung der in der Machbarkeitsstudie<br />
empfohlenen Schritte begonnen.<br />
Im Rahmen der Projektrealisierung<br />
werden in Xingjiang von der RAG im<br />
Bergbau erprobte – hier: untertägige<br />
Gruben- und übertägige Haldenbrände<br />
– und entsprechend fortentwickelte<br />
und erweiterte Mess- und Analysemethoden<br />
eingesetzt: Bei der Exploration<br />
kommen moderne Technologien der<br />
Geophysik wie Geoelektrik, Geomagnetik und Thermographie sowie leistungsfähige<br />
Bohranlagen zum Einsatz, die eine detailliertere Erkundung der Brandfelder ermöglichen.<br />
In der Vermessung wird durch den Einsatz von GPS-gestützten Geräten und photogrammetrischen<br />
Auswertungen der Aufwand deutlich reduziert werden und gleichzeitig<br />
der Detaillierungsgrad und die Genauigkeit gesteigert. Mit der Einführung eines leistungsfähigen<br />
Geoinformationssystems wird eine frühere Erkennung von Brandzonen<br />
sowie eine genauere Planung und Überwachung der Löscharbeiten ermöglicht.<br />
Durch den Einsatz der leistungsfähigen Mess- und Analysemethoden werden durch eine<br />
gezielte Lokalisierung der Brandherde und entsprechend angepasster Löschverfahren<br />
die Dauer der Brandlöschung verkürzt und die Kosten der Löschung gesenkt. Vor allem<br />
wird die Sicherheit und Nachhaltigkeit des Löscherfolges erhöht.<br />
98
Beitrag moderner Bergbautechnologie<br />
zum Klimaschutz<br />
Der Know-how-Transfer der RAG zur<br />
Brandlöschung im Schwefeltal<br />
Löschung chinesischer Kohlebrände<br />
ist ein Beispiel für nachhaltiges<br />
Wirtschaften. Den vorhandenen Berechnungen<br />
zufolge werden allein<br />
im Rahmen der schon begonnenen<br />
Pilotprojekte neben der Sicherung<br />
von vorhandenen Kohlereserven<br />
rund 20 Millionen Tonnen CO 2 -äquivalente<br />
Emissionen vermieden. Dieser<br />
Beitrag zum Klimaschutz ist im<br />
übrigen im Vergleich zu anderen<br />
Vermeidungs- bzw. Verminderungsstrategien<br />
relativ preiswert. Der<br />
Aufwand pro vermiedener Tonne<br />
CO 2 innerhalb der Projekte liegt bei<br />
0,70 beziehungsweise 2,30 US$,<br />
während in Deutschland 5 bis 15<br />
US$ aufzuwenden wären, um eine<br />
entsprechende CO 2 -Reduzierung, etwa durch technische Aufrüstung von Kraftwerken,<br />
zu erreichen. Zusammen mit dem Bundesministerium für Umwelt werden gegenwärtige<br />
Möglichkeiten geprüft, das Vorhaben zur Löschung von Kohlebränden in ein deutschchinesisches<br />
CDM-Projekt zu integrieren.<br />
Abbildung 3<br />
Bilder wie dieses<br />
werden künftig der<br />
Vergangenheit<br />
angehören.<br />
Nutzung von Grubengas national<br />
und international<br />
Zu nachhaltigem Wirtschaften gehört,<br />
fossile Energieträger so effizient wie<br />
möglich zu nutzen. RAG fördert nicht<br />
nur Steinkohle, sondern verwertet<br />
deshalb auch das in den Lagerstätten<br />
gebundene Grubengas.<br />
Grubengasabsaugung und Analysemethoden<br />
Abbildung 4<br />
Ursprünglich allein unter Sicherheitsaspekten<br />
betrachtet – Grubenwetter<br />
dürfen maximal 1 % Methan<br />
enthalten – wird Grubengas – mit<br />
Luft angereichertes Methan – seit<br />
Jahren auch wirtschaftlich genutzt.<br />
Namentlich im Saarland wird Grubengas<br />
schon seit langem weiträu-<br />
99
Workshop II<br />
Beitrag moderner Bergbautechnologie<br />
zum Klimaschutz<br />
Dr. Thomas Kreuder<br />
Abbildung 5<br />
Grubengasabsaugung an der Saar (1948 - 2001)<br />
Jahresförderung<br />
Methan abgesaugt<br />
Methan verwertet<br />
mig abgesaugt und über ein insgesamt 110<br />
km umfassendes Netz einer Verwertung in<br />
der Kraft- und Wärmewirtschaft sowie bei<br />
der Stahlerzeugung zugeführt.<br />
Gewonnen wird das Grubengas in Deutschland<br />
in laufenden Anlagen regelmäßig durch<br />
Bohrungen in den Abbaustrecken in das<br />
Hangende und Liegende des Flözbereiches.<br />
Das anfallende Gas-Luft-Gemisch wird durch<br />
künstlich erzeugten Unterdruck einem Leitungssystem<br />
zugeführt und letztlich über Tage<br />
gesammelt. Die angewendete Technik wurde<br />
kontinuierlich modernisiert und im Hinblick<br />
auf Aufwand und Kosten optimiert.<br />
Abbildung 6<br />
Grubengasaktivitäten in NRW<br />
Bewilligungsfelder, Stand 12/2001<br />
Quelle: Bezirksregierung Arnsberg<br />
Bei stillgelegten Anlagen erfolgt der Gasaustritt<br />
an der Ruhr über verfüllte Schächte, an<br />
der Saar wird im Prinzip wie bei aktiven<br />
Bergwerken weiter abgepumpt.<br />
Unter Klimagesichtspunkten ist Grubengas<br />
enorm relevant, da es gegenüber CO 2 ein<br />
23fach höheres treibhausrelevantes Potenzial<br />
aufweist. Im Klimaschutzprogramm der<br />
Bundesregierung ist deshalb auch vorgesehen,<br />
die auf Methan entfallenden CO 2 -Äquivalente<br />
von 17 Mio. t aus dem Jahr 1990 bis<br />
2005 auf 5,8 Mio. t zu verringern. Das Klimaschutzkonzept<br />
des Landes Nordrhein-<br />
Westfalen von 2001 sieht darüber hinaus vor,<br />
weitere rund 3,6 Mio. t CO 2 -Äquivalente<br />
durch die zusätzliche energetische Verwertung<br />
von Grubengas im Steinkohlenbergbau<br />
einzusparen.<br />
100
Beitrag moderner Bergbautechnologie<br />
zum Klimaschutz<br />
Durch seinen Beitritt zur Klimaschutzvereinbarung zwischen der Bundesregierung und<br />
der deutschen Wirtschaft hat sich der Steinkohlenbergbau verpflichtet, seine CO 2 /CH 4 -<br />
Emissionen im Zeitraum von 1990 bis 2012 um absolut 70 % zu vermindern.<br />
Mittlerweile hat das Gesetz für Erneuerbare Energien die Rahmenbedingungen für eine<br />
wirtschaftliche Verwertung von Grubengas erheblich verbessert. Das Gesetz erlaubt,<br />
Grubengas nicht nur zu Wärmezwecken, sondern auch zur Stromerzeugung zu nutzen.<br />
Damit wurden die Verwertungsmöglichkeiten und zugleich die Optionen zur Schadstoffreduzierung<br />
erweitert.<br />
Für Nordrhein-Westfalen ist vorgesehen, die<br />
Nutzung von Grubengas erheblich auszuweiten.<br />
Die RAG Aktiengesellschaft ist hier<br />
führend tätig und hat zur operativen Umsetzung<br />
gemeinsam mit Partnern zwei Gesellschaften<br />
gegründet. Die MINEGAS GmbH<br />
wird in Zukunft Grubengas aus bereits stillgelegten<br />
Bergwerken zur Strom- und Wärmeerzeugung<br />
nutzen. Im Juni 2001 ist die Inbetriebnahme<br />
der ersten beiden Blockheizwerk-<br />
Module erfolgt, ein Modul hat eine Leistung<br />
von ca. 10 Mio. kWh/a. Zwischenzeitlich<br />
konnten weitere Module an verschiedenen<br />
Standorten im Ruhrgebiet in Betrieb genommen<br />
werden; zahlreiche weitere sind in Planung.<br />
Die MINEGAS-POWER GmbH wird die<br />
Verstromung von Grubengas aus aktiven<br />
Schachtanlagen an der Ruhr und in Ibbenbüren<br />
abwickeln. Daneben sind wir dabei,<br />
auch an der Saar eine entsprechende Verwertungsstruktur<br />
zu schaffen.<br />
Grubengasbetriebenes Blockheizkraftwerk<br />
Quelle: Stadtwerke Herne AG<br />
Abbildung 7<br />
Geplant ist, auf Dauer durch Grubengasverwertung allein an der Ruhr jährlich rund 450<br />
Millionen kWh Strom zu erzeugen. Damit wird die Atmosphäre um das Äquivalent von<br />
rund 2,5 Millionen Tonnen CO 2 entlastet. Darüber hinaus ist je nach Infrastruktur beabsichtigt,<br />
auch die anfallende Abwärme für die Nahwärmeversorgung zu nutzen.<br />
Auch Zukunftsvisionen stehen bereits im Raum: Die Nutzung von Grubengas in Brennstoffzellen<br />
– hieran ist auch das Land NRW sehr interessiert – und der Einsatz unseres<br />
gewachsenen Know-hows im Ausland, etwa in Polen, wo es bereits konkrete Kontakte<br />
gibt, in der Ukraine oder China.<br />
101
Workshop II<br />
Beitrag moderner Bergbautechnologie<br />
zum Klimaschutz<br />
Dr. Thomas Kreuder<br />
Abbildung 8<br />
Typischer Gasbrunnen im Powder River Basin<br />
Abbildung 9<br />
Umwandlung von Thermalwasser in Fernwärme<br />
Die Verwertung von Methan im Ausland ist für den<br />
Teilkonzern RAG Coal International keine Vision<br />
mehr. Schon heute betreibt RAG Coal International in<br />
den USA und in Australien aktiv die Gewinnung und<br />
Nutzung von Methan. Im Vordergrund steht hier die<br />
Flözgasgewinnung (Coal Bed Methane, CBM). Dabei<br />
wird das Methan über Gasbrunnen direkt aus dem<br />
noch unberührten Flöz gewonnen. So wurden im Powder<br />
River Basin in Wyoming bis Ende letzten Jahres<br />
100 Gasbrunnen ans Netz angeschlossen und insgesamt<br />
53,9 Mio Kubikmeter Gas gefördert und dabei<br />
in 2001 ein Ergebnis von 1,1 Mio e erwirtschaftet.<br />
Doch nicht nur unter Ertragsgesichtspunkten ist dieses<br />
Verfahren sinnvoll: Mit der Verwertung des Methangases,<br />
das im Vorfeld künftigen Bergbaus gewonnen<br />
wird und somit beim späteren Kohleabbau nicht<br />
in die Atmosphäre gelangt, wird künftig eine Minderung<br />
des Treibhauseffektes in CO 2 -Äquivalenten in<br />
Höhe von jährlich mehr als 10 Mio. t CO 2 erzielt.<br />
Geothermie – Heizkraftwerk Erding<br />
Erfahrungen aus der Exploration und der Wärmewirtschaft<br />
macht sich der Teilkonzern RAG Saarberg bei<br />
der Verwendung einer Energie nutzbar, die fast<br />
schon an das perpetuum mobile heranreicht: Mit Unterstützung<br />
des Thermie-Programms der EU und<br />
des Programms ”Rationellere Energiegewinnung und<br />
-verwendung” des Freistaates Bayern betreibt SaarbergFernwärme<br />
in Erding ein Projekt zur Verwertung<br />
von Geothermie.<br />
Aus 2.350 Meter Tiefe wird 65 Grad warmes Wasser<br />
an die Erdoberfläche geführt und in mehreren Prozessstufen<br />
in Fernwärme umgewandelt, die über<br />
Fernwärmeleitungen zum Endverbraucher transportiert<br />
wird. Nach seiner Nutzung wird das Fernwärmewasser<br />
wieder zurück ins Geoheizwerk geleitet und<br />
zu Trinkwasser aufbereitet. Geplant ist auch eine<br />
Nutzung in einem Thermalbad.<br />
102
Beitrag moderner Bergbautechnologie<br />
zum Klimaschutz<br />
In dem Geothermie-Fernwärme-Kreislauf wird die Erdwärme als praktisch unerschöpfliche<br />
Energiequelle genutzt. Rund 50 % der benötigten Gesamtenergiemenge wird durch<br />
Geowärme erzeugt. Bei einem gegenwärtigen Anschlusswert von 21,4 MW und einer<br />
Wärmeproduktion von fast 40.000 MWh/a werden – im Umkehrschluss – in entsprechender<br />
Größenordnung fossile Brennstoffe eingespart und der Schadstoffausstoß<br />
ebenfalls verringert. So entstehen rund 7.000 t CO 2 bei dieser Art der Fernwärmeerzeugung<br />
erst gar nicht.<br />
Globale Nutzung moderner Technologien zur Lösung globaler Klimaprobleme<br />
Die drei hier kurz vorgestellten Beispiele einer Nutzung moderner aus dem Bergbau<br />
entwickelter Technologie geben Hinweise auf heute schon mögliche Beiträge zum Klimaschutz.<br />
Und das, was hier in Deutschland geleistet werden kann, sollte auch umgesetzt<br />
werden. Die Verwertung von Grubengas auf der Basis des EEG verdeutlicht zudem, dass<br />
Rahmenbedingungen geschaffen werden können, die die Wirtschaftlichkeit ökologisch<br />
sinnvoller Maßnahmen erheblich verbessern.<br />
Gleichwohl werden die wesentlichen Impulse für den Schutz des Weltklimas in den Entwicklungs-<br />
und Schwellenländern zu setzen sein. Maßgebliche Energieszenarien gehen<br />
davon aus, dass bereits ab dem Jahr 2010 die CO 2 -Emissionen der Entwicklungs- und<br />
Schwellenländer die der Industrieländer übersteigen werden – für Kohleländer wie Südafrika,<br />
Indien oder China stellt sich die Frage nach Alternativen zum Ausbau der Elektrizitätserzeugung<br />
auf Kohlebasis als ein wichtiger Standortfaktor im Wettbewerb um Investoren<br />
erst gar nicht. Deshalb gilt es, die Voraussetzungen zu schaffen, damit in den<br />
Entwicklungs- und Schwellenländern moderne Technologien zum Einsatz kommen, um<br />
den weltweiten CO 2 -Ausstoß zu vermindern.<br />
Die RAG Aktiengesellschaft nimmt für sich in Anspruch, über das Know-how für saubere<br />
und zukunftsfähige Technologien rund um Bergbau und Kraftwirtschaft zu verfügen. Wir<br />
versuchen die Chance zu nutzen, die Erfahrungen, die im Umfeld des deutschen Steinkohlenbergbaus<br />
gemacht wurden, weltweit einzusetzen und damit auch einen Beitrag<br />
zu einer global nachhaltigen Energiepolitik zu leisten.<br />
103
Workshop II<br />
Perspektiven für den Ausbau Erneuerbarer Energien<br />
durch flexible Instrumente<br />
Heinrich Lohmann<br />
CEO Umweltkontor AG<br />
• Umweltkontor Renewable Energy AG<br />
• Wachstumsmarkt Erneuerbare Energien<br />
• Grundsätze der nachhaltigen Energieversorgung<br />
• Erneuerbare Energien Gesetz<br />
• Erneuerbare Energien und flexible Instrumente<br />
• Schlussbetrachtung<br />
104
Perspektiven für den Ausbau Erneuerbarer Energien<br />
durch flexible Instrumente<br />
105
Workshop II<br />
Perspektiven für den Ausbau Erneuerbarer Energien<br />
durch flexible Instrumente<br />
Heinrich Lohmann<br />
106
Perspektiven für den Ausbau Erneuerbarer Energien<br />
durch flexible Instrumente<br />
107
Workshop II<br />
Perspektiven für den Ausbau Erneuerbarer Energien<br />
durch flexible Instrumente<br />
Heinrich Lohmann<br />
108
Perspektiven für den Ausbau Erneuerbarer Energien<br />
durch flexible Instrumente<br />
109
Workshop II<br />
Perspektiven für den Ausbau Erneuerbarer Energien<br />
durch flexible Instrumente<br />
Heinrich Lohmann<br />
110
Perspektiven für den Ausbau Erneuerbarer Energien<br />
durch flexible Instrumente<br />
111
Workshop II<br />
Perspektiven für den Ausbau Erneuerbarer Energien<br />
durch flexible Instrumente<br />
Heinrich Lohmann<br />
112
Perspektiven für den Ausbau Erneuerbarer Energien<br />
durch flexible Instrumente<br />
113
Workshop II<br />
Neue Impulse für den Kraftwerksbau durch<br />
flexible Instrumente<br />
Klaus Dieter Rennert, Vorsitzender der<br />
Geschäftsführung Babcock Borsig Power<br />
Energy GmbH<br />
114
Neue Impulse für den Kraftwerksbau durch<br />
flexible Instrumente<br />
115
Workshop II<br />
Neue Impulse für den Kraftwerksbau durch<br />
flexible Instrumente<br />
Klaus Dieter Rennert<br />
116
Neue Impulse für den Kraftwerksbau durch<br />
flexible Instrumente<br />
117
Workshop II<br />
Neue Impulse für den Kraftwerksbau durch<br />
flexible Instrumente<br />
Klaus Dieter Rennert<br />
Fortschritte in der Kraftwerkstechnik - Lösungsansatz zur CO 2 -Emissionsbegrenzung<br />
118
Neue Impulse für den Kraftwerksbau durch<br />
flexible Instrumente<br />
119
Workshop II<br />
Neue Impulse für den Kraftwerksbau durch<br />
flexible Instrumente<br />
Klaus Dieter Rennert<br />
120
Neue Impulse für den Kraftwerksbau durch<br />
flexible Instrumente<br />
121
Workshop III<br />
Unterstützung der<br />
marktorientierten<br />
Instrumente durch<br />
öffentliche<br />
Institutionen<br />
Moderation:<br />
Delia Villagrasa<br />
122
Workshop III<br />
Der "Hessen-Tender"<br />
- Ausgestaltung der hessischen Marktinitiative für den Kauf von<br />
Emissionsvermeidungszertifikaten<br />
Rüdiger Schweer,<br />
Referatsleiter Klimaschutz<br />
Hessisches Ministerium für Umwelt,<br />
Landwirtschaft und Forsten<br />
1. Der Hintergrund für die hessische Marktinitiative zum Emissionshandel<br />
Der Handel mit Treibhausgasen stellt im Kyoto Protokoll neben den Mechanismen des<br />
"Joint Implementation" und dem "Clean Development Mechanismen" eine tragende Säule<br />
für eine marktorientierte Klimaschutzpolitik dar. Die Beratungen im Bundesrat und Bundestag<br />
zum Ratifizierungsgesetz ergaben, wie auch im EU-Ministerrat, ein einheitliches<br />
Votum für die jetzt geplante Ratifizierung des Kyoto Protokolls. Gleichzeitig will die EU<br />
im 6. Rahmenprogramm zur Umweltpolitik den Klimaschutz als eine zentrale Zukunftsaufgabe<br />
aufnehmen.<br />
Dabei will die EU auch den Emissionshandel als wesentliches Instrument für einen wirtschaftlichen<br />
und kostengünstigen Klimaschutz verankern Voraussichtlich werden die EU<br />
und die Bundesrepublik das Kyoto Protokoll noch in diesem Jahr ratifizieren.<br />
Nach der Veröffentlichung des Grünbuchs der EU zum Emissionshandel (April 2000)<br />
und den Vorbereitungen für eine entsprechende EG Richtlinie (23.10.2001) ist eine Verabschiedung<br />
unter der dänischen Präsidentschaft bis Ende 2002 wahrscheinlich. Der<br />
EU-Richtlinienentwurf zum Handel mit Emissionsberechtigungen für Treibhausgase<br />
sieht vor, dass energieintensive Betriebe (Raffinerien, Stahl, Zement, Keramik, Ziegel,<br />
Glas, Papier und Zellstoff) sowie Anlagen der Energiewirtschaft ab 20 MW Feuerungswärmeleistungen<br />
in einen europaweiten Emissionshandel einbezogen werden. Die EU<br />
Richtlinie zum Emissionshandel soll bis Ende 2003 in nationales Recht umgesetzt sein<br />
und Anfang 2005 in Kraft treten.<br />
Emissionshandel, wie er heute bereits bei Unternehmen wie BP und Shell praktiziert<br />
wird, kann zu niedrigsten Grenzkosten (ca. 8 bis 12 USD / t CO 2 bei BP, wobei durchschnittliche<br />
Vermeidungskosten in Europa bei ca. 70 bis 100 USD / t CO 2 liegen) CO 2 -<br />
Vermeidungsmaßnahmen bereitstellen. Diese in der ökonomischen Theorie seit den<br />
70iger Jahren empfohlene Orientierung für einen marktwirtschaftlich organisierten Umweltschutz<br />
wurde in verschiedenen Studien der EU untermauert. Demnach soll der<br />
Emissionshandel um ca. 25% geringere volkswirtschaftliche Kosten verursachen, als<br />
vergleichbare ordnungs- oder steuerrechtliche Instrumente.<br />
Der Emissionshandel mit dem Treibhausgas CO 2 wird derzeit in Großbritannien und Dänemark<br />
praktisch erprobt. In Großbritannien wird der Emissionshandel in zwei Sparten aufgebaut.<br />
In einer Auktion von 215 Mio Pfund verpflichten sich 34 Unternehmen (darunter<br />
Blue Circle (Zement), British Airways, BP, Dalkia, Dupont (Chemie), Ford, Motorola,<br />
Rolls-Royce, Shell, UK Coal Mining, etc.) gegenüber der Regierung zur Vermeidung von<br />
ca. 4 Mio Tonnen CO 2 bis 2006. Hierfür akzeptieren die Unternehmen ein individuelles<br />
"cap". In einem zweiten Strang können Unternehmen einen 80% Nachlass auf die<br />
123
Workshop III<br />
Der "Hessen-Tender"<br />
- Ausgestaltung der hessischen Marktinitiative für den Kauf von<br />
Emissionsvermeidungszertifikaten<br />
Rüdiger Schweer<br />
"climate change levy" (Klimaschutzabgabe) erhalten, wenn sie sich am Emissionshandel<br />
beteiligen. Hier können auch spezifische Minderungen, die jährlich abgerechnet werden,<br />
vereinbart werden. Nähere Informationen hierzu über www. defra.gov.uk. In Dänemark<br />
beteiligen sich neun Energieversorger an einer gemeinsamen Selbstverpflichtung mit<br />
Emissionshandelsaustausch. In den Niederlanden, Frankreich und Norwegen werden<br />
Emissionshandelsinitiativen vorbereitet. In der Bundesrepublik will eine nationale Emissionshandelsgruppe<br />
der Bundesregierung unter Beteiligung von 30 Unternehmen, 9 Industrieverbänden<br />
und den Landesregierungen aus Rheinland-Pfalz und Hessen einen<br />
Handlungsrahmen für die Einführung eines Emissionshandelssystems vorlegen.<br />
Nach Ansicht von Experten ergeben sich für Dienstleister und Technologieunternehmen<br />
attraktive Geschäftschancen. Auch Unternehmen im energieintensiven Bereich können<br />
bei richtiger Ausgestaltung der Instrumente durch vorausschauendes Handeln profitieren.<br />
Nach verschiedenen Quellen soll der weltweite Markt für CO 2 -Zertifikate bis 2010<br />
ein Volumen von 30 bis 100 Mdr. USD erreichen können. Voraussetzung hierfür wäre allerdings<br />
auch die Teilnahme der USA und Ausstraliens.<br />
Entscheidend für die Entwicklung eines funktionsfähigen Marktes ist die vernünftige<br />
Ausgestaltung des EU- Richtlinienentwurfs zum Handel mit Emissionsrechten für Treibhausgase,<br />
in Vorbereitung eines Handels mit Emissionsrechten und garantierten Emissionsminderungen<br />
zwischen Staaten und Unternehmen ab 2008. Hier wird innerhalb<br />
der EU besonderer Wert auf eine Harmonisierung der nationalen Systeme zu legen<br />
sein, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.<br />
Wichtig sind insbesondere allgemeine Grundlagen für die Erstzuteilung von Zertifikaten<br />
unter Berücksichtigung von Vorleistungen, die eine verteilungsgerechte Anreizstruktur<br />
mit Transparenz und Akzeptanz verbinden. Die kritischen Äußerungen von BDI und VCI<br />
zum EU Richtlinienentwurf sind insoweit verständlich, als in diesen wesentlichen Punkten<br />
noch erhebliche Spielräume für die Mitgliedstaaten vorhanden sind. Unter dem<br />
Aspekt der großen Vorleistungen (die Bundesrepublik stellt ca. 70% der CO 2 Minderungen<br />
im "burden sharing") sollte nicht nur ein frühes Basijahr (1990 bis 1992) berücksichtigt<br />
werden und der sofortige Einbezug von JI und CDM, sondern auch die Möglichkeit<br />
weiterer kostenfreier Zuteilungen an Zertifikaten in Mitgliedstaaten, die ihre Kyoto<br />
Verpflichtungen bereits weitgehend erfüllt haben. Für Branchen mit nachweislich erfüllten<br />
Selbstverpflichtungen sollten konditionierte "opt in / opt out" Lösungen bestehen.<br />
Die Einbettung in nationale und internationalen Klimaschutzinstrumente sowie die Harmonisierung<br />
der Allokations-, Transaktions-, und Nachweisregeln muss in einer Pilotphase<br />
sorgfältig erprobt werden.<br />
In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass Emissionshandel im Wesentlichen auf<br />
freiwilliger Beteiligung der Wirtschaft und der wesentlichen Akteure beruhen sollte. Voraussetzung<br />
ist die Akzeptanz und die realitätsnahe Durchführung von Projekten, die in<br />
einer tatsächlichen CO 2 -Vermeidung münden.<br />
124
Der "Hessen-Tender"<br />
- Ausgestaltung der hessischen Marktinitiative für den Kauf von<br />
Emissionsvermeidungszertifikaten<br />
2. Hessische Aktivitäten zum Emissionshandel<br />
Das gemeinsam mit der Deutschen Ausgleichsbank und acht hessischen Unternehmen<br />
durchgeführte hessische Planspiel hat positive Ergebnisse für eine Testphase zum<br />
Emissionshandel erbracht. Die Transaktionskosten für einen Einstieg der Unternehmen<br />
in einen CO 2 -Emissionshandel lagen deutlich unter 1% der Energiekosten, die Kaufoptionen<br />
für Zertifikate waren in der Regel erheblich günstiger als die Durchführung von<br />
Maßnahmen am eigenen Standort und mittelständischen Unternehmen könnten bei geeigneter<br />
Standardisierung eine wichtige Rolle spielen.<br />
Acht mittlere und große hessische Unternehmen mit einem Umsatz von 14,5 Mrd. DM<br />
und einem Anteil von ca. 5% der hessischen CO 2 -Emissionen hatten sich an dem Planspiel<br />
beteiligt, einer Gemeinschaftsinitiative des Hessischen Umweltministeriums und<br />
der Deutschen Ausgleichsbank (DtA). Das Planspiel zielte darauf ab, realistische Rahmenbedingungen<br />
für ein funktionierendes Handelssystem zu simulieren und insbesondere<br />
die beteiligten Unternehmen auf der praktischen Ebene für die Teilnahme an einem solchen<br />
System zu befähigen.<br />
Wesentliche Ergebnisse waren:<br />
• erstmals wurde ein Handwerkszeug für konkrete Transaktionen im Emissionshandel<br />
entwickelt und erprobt (Emissionsinventare, Vermeidungsmaßnahmen<br />
und -kosten, Emissionsprognosen und Handlungsstrategien)<br />
• 1,31 Mio. t CO 2 konnten als handelbar erkannt werden (12 Jahre)<br />
• Unternehmen wollen aufgrund des Planspiels ca. 135.000 to/CO 2 auch ohne<br />
Zertifikatehandel einsparen (12 Jahre)<br />
• die Einstiegskosten in ein Handelssystem sind mit < 1% der jährlichen<br />
Energiekosten für die Unternehmen vergleichsweise niedrig ausgefallen<br />
• die Teilnahme an einem Handelssystem ist auch für mittlere Unternehmen<br />
möglich<br />
• in der Spitze fallen im Emissionshandel bis zu 90% geringere Kosten zur<br />
Emissionsvermeidung an als bei Eigenvornahme.<br />
Die beteiligten acht hessischen Unternehmen, darunter der Chemie- und Pharmabetrieb<br />
Merck KG, die kommunalen Stadtwerke ESWE Wiesbaden, der Regionalversorger<br />
HEAG, die Fraport AG, der Windparkentwickler NEVAG und der Baustoffhersteller Knauf<br />
begrüßten die praxisnahe Durchführung des Planspiels.<br />
Projekte zu den Kyoto-Instrumenten (Emissionshandel, Joint Implementation), sollen<br />
weiterhin eine wichtige Rolle in der Hessischen Klimaschutzstrategie spielen. So wird<br />
derzeit mit der Fa. Viessmann ein Projekt zur Sanierung von Heizzentralen in Jaroslawl<br />
(Rußland) durchgeführt, mit dem die Anerkennung als Joint Implementation erprobt<br />
wird.<br />
125
Workshop III<br />
Der "Hessen-Tender"<br />
- Ausgestaltung der hessischen Marktinitiative für den Kauf von<br />
Emissionsvermeidungszertifikaten<br />
Rüdiger Schweer<br />
3. Der "Hessen-Tender" - Marktinitiative für den Kauf von<br />
Emissionsvermeidungszertifikaten<br />
Die Ergebnisse des Planspiels haben das HMULF ermutigt, einen weiteren Schritt zur<br />
Konkretisierung von Handelsaktivitäten zu unternehmen. Das im Planspiel erarbeitete<br />
Handwerkszeug zur Erstellung von Emissionsinventaren und Prognosen soll genutzt<br />
werden, um einen "Hessen-Tender" gemeinsam mit Partnern aus der Wirtschaft im<br />
Sommer diesen Jahres aufzulegen. Mit dem Höchster Unternehmen Infraserv aus dem<br />
Bereich der Chemie, mit dem Telekom AG aus dem Bereich der Telekommunikationsdienstleistungen,<br />
mit der Deutschen Börse / xlaunch AG, der Dresdner Bank AG aus<br />
dem Finanzsektor und dem Kooperationspartner Deutsche Ausgleichsbank als staatlicher<br />
Förderbank ergibt sich eine starke Partnerschaft und ein positiver Impuls für den<br />
Standort Hessen. In dem Ausschreibungsverfahren werden die Partner innerhalb einer<br />
bestimmten Preisspanne garantierte CO 2 Minderungen für einen Fünfjahres-Zeitraum<br />
ab 2005 erwerben.<br />
Das Pilotverfahren soll einen Beitrag zur Erweiterung des Instrumentenkatalogs der<br />
Hessischen Klimapolitik leisten und hessische Unternehmen auf neue umweltpolitische<br />
Entwicklungen sowie die damit verbundenen Geschäftschancen vorbereiten. Der "Hessen-Tender"<br />
stellt als P&D Projekt erstens einen Beitrag zur Verfahrensentwicklung für<br />
Arbeitshilfen in den Bereichen Emissionshandel (ET) und ggf. Joint Implementation (JI)<br />
dar. Zweitens ergibt sich aus dem Ausschreibungsverfahren ein erster Markttest für aktuelle<br />
Zertifikatpreise im Vorfeld eines EU-weiten Emissionshandels.<br />
Für die Landesregierung und die beteiligten Projektpartner besteht darüber hinaus die<br />
Möglichkeit, die in demTender-Verfahren gewonnenen Zertifikate zur Entlastung der jeweiligen<br />
eigenen CO 2 -Bilanz zu verwenden. Die gewonnenen Standards sollen dazu dienen,<br />
die Qualität von CO 2 -Zertifikaten zu sichern und für die praktische Anwendung verfügbar<br />
zu machen. Zur Teilnahme an dem Auktionsverfahren "Hessen- Tender" sind auch<br />
Unternehmen aus anderen Bundesländern eingeladen, wenn sie eine Niederlassung in<br />
Hessen besitzen oder Projekte in Hessen durchführen wollen.<br />
Das Ausschreibungsverfahren im "Hessen-Tender" bezieht sich auf den Erwerb von CO 2 -<br />
Reduktionen in einem Fünfjahres-Zeitraum ab 2005. Die für diesen Zeitraum angebotenen<br />
Mengen sollen innerhalb einer vorgegebenen Preisspanne von 2 EUR bis 10 EUR<br />
nach den günstigsten Geboten erworben werden. Um die Beteiligung auch für KMU<br />
attraktiv zu gestalten, können CO 2 -Vermeidungsmaßnahmen ab 10.000 EUR pro Bieter<br />
angeboten werden. Für JI-Projekte soll ein gewisser Plafond vorgehalten werden. Die<br />
CO 2 -Minderungen müssen mit nachweislichen Investitionen in Anlagen verbunden sein.<br />
Es steht ein Volumen von 1,3 Mio EUR für die Auktion zur Verfügungung. Diese Mittel<br />
wurden zu jeweils ca. 50% von der Wirtschaft und dem hesssichen Umweltministerium<br />
aufgebracht.<br />
126
Der "Hessen-Tender"<br />
- Ausgestaltung der hessischen Marktinitiative für den Kauf von<br />
Emissionsvermeidungszertifikaten<br />
Das Ausschreibungsverfahren richtet sich an hessische Unternehmen oder an Unternehmen<br />
mit Standorten in Hessen oder solche, die von hesssichen Standorten aus JI-Projekte<br />
initiieren. Dem Verfahren wird eine Interessebekundung vorgeschaltet. Die Mindestgröße<br />
für Gebote liegt bei 10.000 EUR, die Höchstgrenze bei 100.000 EUR. Es<br />
werden keine Senkenprojekte aufgekauft, bis der wissenschaftliche Stand der Bewertung<br />
solcher Projekte bezüglich Nachhaltigkeit und Messbarkeit eindeutig geklärt ist.<br />
Im Auktionsverfahren sollen zunächst bis zu 60% der angebotenen CO 2 -Zertifikate pro<br />
Bieter erworben werden. Da 100% der angebotenen Emissionsminderungen zertifiziert<br />
werden, können 40% der Zertifikate als Zukaufsoption an Dritte vom Bieter veräußert<br />
werden. Dieser Käufer hat den Vorteil, schon zertifizierte und validierte CO 2 -Zertifikate<br />
erwerben zu können.<br />
Das Tender-Verfahren orientiert sich an dem niederländischen ERUPT-Programm. Um<br />
Schnittstellen zum JI und der freiwilligen Selbstverpflichtung zu entwickeln, ist bei der<br />
Ausarbeitung der Bewertungskriterien auf die "Zusätzlichkeit" von CO 2 -Vermeidungsmaßnahmen<br />
und die Flexibilität der Standortwahl für die Umsetzung großen Wert zu legen.<br />
Projekte, die bereits nach dem EEG oder anderen nationalen Förderprogrammen<br />
im Rahmen direkter Zuwendungen unterstützt werden, können nur mit einem begrenzten<br />
Teil der erbrachten CO 2 -Minderungsleistung anerkannt werden.<br />
Die Zertifikate zur garantierten CO 2 -Vermeidung unterliegen einer Zertifizierung, Validierung<br />
und einem Monitoring nach internationalen Standards (PCF, ERUPT, UK-ETG,<br />
IETA). Diese Standards zu adaptieren und zu vereinfachen ist eine wesentliche Aufgabe<br />
des Pilotverfahrens.<br />
Die Projektabwicklung teilt sich in die Phasen<br />
• Programmentwurf<br />
• Entwicklung der Ausschreibungsunterlagen<br />
• Ausschreibung und Bewertung der Gebote<br />
• Auktion<br />
• Nachweis und vereinfachtes Monitoring<br />
Die Ausschreibung ist für 06/2002 vorgesehen mit einer Bieterfrist nach einem Interessenbekundungsverfahren.<br />
Nach Prüfung der Gebote kann die Auktion in 12/2002 erfolgen.<br />
In einer Abschlussveranstaltung soll Ende Januar 2003 das Gesamtprojekt mit den<br />
Partnern präsentiert werden.<br />
127
Workshop III<br />
Förderpolitische Aspekte des Emissionshandels<br />
Dr. Klaus Oppermann<br />
Referent der Abtlg. Volkswirtschaft,<br />
Kreditanstalt für Wiederaufbau<br />
Frankfurt a. M.<br />
1 Vorbemerkung<br />
Mit den Fortschritten bei der Ratifizierung des Kyoto-Protokolls und mit dem für 2005<br />
geplanten Start eines europäischen Emissionshandelssystems ist die Einführung des<br />
Emissionshandels in Deutschland und Europa näher gerückt. Der Emissionshandel<br />
stellt für die KfW eine besondere Herausforderungen dar, denn der Klimaschutz ist eine<br />
der zentralen Förderaufgaben und Kompetenzfelder der KfW (Abschnitt 2). Das Instrument<br />
des Emissionshandels ist aus ökonomischer Sicht besonders geeignet, Klimaschutzziele<br />
kosteneffizient und treffsicher zu verfolgen (Abschnitt 3). Dabei kommt der<br />
Ausgestaltung des Handelssystems eine zentrale Bedeutung zu, um alle Kostensenkungspotentiale<br />
erschließen, sinnvolle Investitionsanreize setzen und jede Form von<br />
Benachteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen vermeiden zu können (Abschnitt 4).<br />
Innerhalb eines Emissionshandelssystems bestehen zahlreiche Ansatzpunkte für eine<br />
Förderung von Klimaschutzinvestitionen. Im Mittelpunkt stehen dabei spezielle Klimaschutzfonds<br />
zur Erwirtschaftung von Emissionsminderungsgutschriften (Abschnitt 5)<br />
und zur Beteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen am Emissionshandel (Abschnitt 6).<br />
Im Vorfeld des geplanten Emissionshandels bieten sich Pilotprojekte an, um erste Erfahrungen<br />
mit dem neuen Instrument zu sammeln. Die KfW engagiert sich gegenwärtig<br />
im Rahmen eines regionalen Ausschreibungswettbewerbs zur Erzeugung inländischer<br />
Emissionsminderungsgutschriften (Abschnitt 7). Dieses Engagement erlaubt es, Erfahrungen<br />
im Betrieb von Klimaschutzfonds zu sammeln (Abschnitt 8).<br />
2 Klimaschutz: eine zentrale Förderaufgabe der KfW<br />
Die KfW fördert im Rahmen ihrer Kreditprogramme, der Export- und Projektfinanzierung<br />
und der Finanziellen Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern Umwelt- und<br />
Klimaschutzmaßnahmen in nahezu allen Sektoren der in- und ausländischen Wirtschaft.<br />
Diese Förderung hat 2001 ein Volumen von 5,6 Mrd EUR angenommen. Davon<br />
entfielen 2,6 Mrd EUR auf inländische Klimaschutzinvestitionen und mehr als 1,1 Mrd<br />
EUR auf Projekte mit starkem Bezug zum Umwelt- und Klimaschutz im Ausland. Dabei<br />
berücksichtigt die KfW auch im Bereich des Umwelt- und Klimaschutzes in besonderem<br />
Maße kleine und mittlere Unternehmen.<br />
Die durch die KfW-Förderung bewirkten CO 2 -Minderungen sind beachtlich, wie das Beispiel<br />
der inländischen Förderprogramme für Energiesparmaßnahmen im Wohnungssektor<br />
zeigt. So wurden mit KfW-Mitteln seit 1990 CO 2 -mindernde Maßnahmen in 1,4 Mio<br />
Wohnungen finanziert. Dadurch wird der jährliche CO 2 -Ausstoß im Wohnungssektor um<br />
mehr als 7 Mio Tonnen pro Jahr reduziert. Zum Vergleich: Um das nationale CO 2 -Minderungsziel<br />
(minus 25% im Jahre 2005 gegenüber 1990) im Haushaltssektor zu erreichen,<br />
müsste der jährliche CO 2 -Ausstoß dort um 32 Mio t verringert werden. Die von der KfW<br />
geförderten Investitionen bewirken somit schon mehr als 20% der notwendigen Reduktion.<br />
128
Förderpolitische Aspekte des Emissionshandels<br />
3 Emissionshandel und Klimaschutz<br />
Gerade im Bereich des Klimaschutzes ist eine erfolgreiche Fördertätigkeit an regulatorische<br />
Rahmenbedingungen gebunden. Beispiele hierfür sind das Erneuerbare-Energien-<br />
Gesetz oder die Energieeinsparverordnung in Deutschland. Im Bereich des Klimaschutzes<br />
ist der Emissionshandel ein besonders geeignetes Instrument. Er ist effizient<br />
und grenzüberschreitend. Er ist zudem treffsicher, da die Emissionen direkt durch das<br />
Volumen der ausgegebenen Emissionsberechtigungen begrenzt werden. Eine Verbindung<br />
des Emissionshandels mit den projektbezogenen Mechanismen des Kyoto-Protokolls<br />
erlaubt zudem, verstärkt dort Klimaschutzinvestitionen zu fördern, wo sie langfristig<br />
von besonderer Bedeutung sind: in den Entwicklungs- und Transformationsländern,<br />
die künftig den stärksten Zuwachs beim Energiebedarf erwarten lassen.<br />
In welcher Weise die Einrichtung eines Emissionshandelssystems Klimaschutzinvestitionen<br />
fördert, hängt stark von der Ausgestaltung des Handelssystems ab. Gegenwärtig<br />
werden diese Ausgestaltungsmerkmale im Zusammenhang mit der beabsichtigten Einführung<br />
eines europäischen Emissionshandelssystems diskutiert.<br />
4 Ausgestaltungsmöglichkeiten eines europäischen Emissionshandelssystems<br />
Bei der Ausgestaltung des geplanten europäischen Emissionshandelssystems sind aus<br />
förderpolitischer Sicht folgende Aspekte von besonderer Bedeutung:<br />
4.1 Beitrittsoption für kleine und mittlere Unternehmen<br />
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sollen jederzeit dem Emissionshandelssystem<br />
auf freiwilliger Basis beitreten können. Für Unternehmen, die mit künftigen Emissionsreduktionen<br />
aufgrund von Veränderungen ihrer Geschäftstätigkeiten, dem Einsatz neuer<br />
Techniken oder anderer Brennstoffe rechnen sowie für Unternehmen mit einem hohen<br />
Potential an kostengünstigen Klimaschutzmaßnahmen bietet die Teilnahme am Emissionshandel<br />
wirtschaftliche Chancen. Wird den KMU, die vom Emissionshandel unmittelbar<br />
profitieren können, die freiwillige Teilnahme am Handelssystem verweigert, werden<br />
sie relativ zu ähnlich positionierten Großunternehmen schlechter gestellt.<br />
Die EU-Kommission sieht den Emissionshandel als Teil einer klimapolitischen Gesamtstrategie<br />
an, nach der nicht vom Handel erfasste Unternehmen oder Sektoren vergleichbar<br />
belastet werden sollen. Daher könnten bei Einführung entsprechender Regelungen<br />
(Steuern oder verschärfte ordnungsrechtliche Vorschriften) KMU selbst dann von einer<br />
Beteiligung am Emissionshandel profitieren, wenn ihnen hierdurch Kosten entstehen.<br />
Das ist immer dann der Fall, wenn diese Kosten niedriger sind als die Kosten, die alternativ<br />
zum Emissionshandel bestehende ordnungsrechtliche oder steuerliche Regelungen<br />
verursachen.<br />
Nachteile für KMU könnten auch entstehen, wenn für am Emissionshandel beteiligte<br />
Unternehmen Sonderregelungen bei steuerlichen oder ordnungsrechtlichen Vorschrif-<br />
129
Workshop III<br />
Förderpolitische Aspekte des Emissionshandels<br />
Dr. Klaus Oppermann<br />
ten, wie zum Beispiel weitere Nachlässe bei der Ökosteuer, gewährt würden. Ein freiwilliges<br />
Beitrittsrecht für KMU zum Emissionshandelssystem schließt diese Möglichkeiten<br />
der Diskriminierung aus.<br />
Die gleichen Argumente sind auch für alle Unternehmen relevant, die von der EU-Kommission<br />
wegen ihrer Branchenzugehörigkeit nicht für den Emissionshandel vorgesehen<br />
sind. Daher sollte auch für diese Unternehmen die Beitrittsoption gelten.<br />
4.2 Beteiligung des Haushalts- und Verkehrssektors am Emissionshandel<br />
Eine Integration des Haushalts- und Verkehrssektors in das Emissionshandelssystem ist<br />
aus Gründen der Kosteneffizienz wünschenswert. Eine unmittelbare Zuteilung von Treibhausgasemissionsberechtigungen<br />
ist für Haushalte und Emissionsquellen im Verkehrssektor<br />
aber nicht praktikabel.<br />
Häufig wird daher vorgeschlagen, stellvertretend Produzenten oder Lieferanten fossiler<br />
Brennstoffe am Emissionshandel zu beteiligen. Diese Unternehmen würden die ihnen<br />
entstehenden Kosten für den Erwerb der Emissionsrechte auf die Endverbraucher abwälzen.<br />
Durch dieses Preissignal erhielten dann Haushalte und Verkehrsteilnehmer ähnlich<br />
wie bei einer Steuer Anreize zum Energiesparen. Ein solcher up-stream-Ansatz wäre<br />
jedoch einer direkt wirkenden Steuer unterlegen, da er nicht bei den Akteuren ansetzen<br />
würde, die tatsächlich über Energiesparmaßnahmen entscheiden. Stattdessen würden<br />
vorgelagerten Produzenten oder Lieferanten Handlungsoptionen eingeräumt werden,<br />
wie zum Beispiel die Möglichkeit Emissionsrechte anzusparen, über die sie losgelöst<br />
von Klimaschutzaspekten entscheiden könnten.<br />
Eine Alternative zur direkten oder indirekten Beteiligung des Haushalts- und Verkehrssektors<br />
am Handel mit Treibhausgasemissionsberechtigungen bietet die Möglichkeit,<br />
Emissionsminderungsgutschriften aus diesen Sektoren in das Handelssystem zu integrieren.<br />
Dies könnte analog zur Integration der projektbezogenen Kyoto-Mechanismen<br />
CDM und JI erfolgen. Hierdurch würden unmittelbar Klimaschutzprojekte im Haushaltsund<br />
Verkehrssektor angeregt und es könnte eine Kostenentlastung bei den Unternehmen<br />
erreicht werden, die am Handel mit Treibhausgasemissionsberechtigungen beteiligt<br />
sind. Ihnen würde die zusätzliche Option eröffnet, inländische Emissionsminderungsgutschriften<br />
zu erwerben.<br />
Die Zulassung inländischer Emissionsminderungsgutschriften ist weiterhin aus Wettbewerbsgründen<br />
geboten, wenn das Emissionshandelssystem für CDM- und JI-Zertifikate<br />
geöffnet wird. Ansonsten entstünden willkürliche Beschränkungen der Handlungsoptionen.<br />
So könnte beispielsweise ein deutsches Unternehmen JI-Zertifikate aus einem Projekt<br />
zur energetischen Wohnraumsanierung in Frankreich zukaufen, nicht aber aus einem<br />
ähnlichen Projekt in Deutschland. Es ist offensichtlich, dass sich gerade für die großen<br />
130
Förderpolitische Aspekte des Emissionshandels<br />
Länder Nachteile ergäben, wenn im Rahmen von inländischen Klimaschutzprojekten erzeugte<br />
Emissionsminderungsgutschriften nur von ausländischen Käufern verwertet werden<br />
könnten.<br />
4.3 Integration der projektbasierten Kyoto-Mechanismen CDM und JI ab 2005<br />
Die projektbezogenen Kyoto-Mechanismen CDM und JI sollten von Anfang (2005) an<br />
vollständig in das Emissionshandelssystem integriert werden. Alle Teilnehmer des Handelssystems<br />
hätten dann die Möglichkeit, alternativ zu Emissionsberechtigungen Emissionsminderungsgutschriften<br />
aus CDM- oder JI-Projekten zur Deckung ihrer Emissionsaktivität<br />
zu verwenden oder zu handeln.<br />
Diese Regelung eröffnet zusätzliche Kostensenkungspotentiale. Sie erhöht damit die<br />
Akzeptanz des Emissionshandelssystems durch die europäische Wirtschaft und stärkt<br />
deren Position im internationalen Wettbewerb. Gleichzeitig fördern die projektbezogenen<br />
Mechanismen Investitionen in Energiesparmaßnahmen und in eine klimaschonende Energieversorgung<br />
in Entwicklungs- und Transformationsländern. Dadurch können dort,<br />
wo sonst die stärksten Zuwachsraten bei Treibhausgasemissionen zu erwarten wären,<br />
die Grundsteine für eine klimaschonende Energiewirtschaft gelegt werden.<br />
4.4 Teilnahmeoption für die EU-Beitrittskandidaten<br />
Der Richtlinienentwurf der Kommission sieht vor, dass die Gemeinschaft Vereinbarungen<br />
über die gegenseitige Anerkennung von Treibhausgasemissionsberechtigungen mit<br />
Drittstaaten schließen kann. Für Länder, die zum Startzeitpunkt des Emissionshandelssystems<br />
2005 im Aufnahmeprozess zur Gemeinschaft stehen, sollte jedoch zusätzlich<br />
ein Beitrittsrecht zum Handelssystem eingeführt werden. Dies würde erlauben, den<br />
Emissionshandel unmittelbar auszuweiten und die Anzahl der vorhandenen Emissionsminderungsoptionen<br />
zu erhöhen. Damit könnte ein weiterer Beitrag zur Kostenreduktion<br />
geleistet werden.<br />
Klimaschutzinvestitionen zur Erzeugung von CO 2 -Minderungsgutschriften und insbesondere<br />
die Teilnahme von KMU am Emissionshandel können gezielt gefördert werden.<br />
Hierzu bieten sich spezielle Klimaschutzfonds an.<br />
5 Klimaschutzfonds zur Erwirtschaftung von Emissionsminderungsgutschriften<br />
Zertifikate in Form von Emissionsminderungsgutschriften aus JI- und CDM-Projekten<br />
oder aus inländischen Klimaschutzprojekten können durch spezielle Klimaschutzfonds<br />
erwirtschaftet werden. Diese Fondslösungen bieten gegenüber der Durchführung isolierter<br />
Einzelprojekte Vorteile und können je nach Entwicklungsstand der Zertifikatemärkte<br />
unterschiedlich ausgestaltet werden. Bevor auf diese Ausgestaltungsmöglichkeiten eingegangen<br />
wird, soll zunächst das Grundprinzip der Erzeugung von Emissionsminderungsgutschriften<br />
skizziert werden.<br />
131
Workshop III<br />
Förderpolitische Aspekte des Emissionshandels<br />
Dr. Klaus Oppermann<br />
5.1 Das Grundprinzip der Erzeugung von Emissionsminderungsgutschriften<br />
Ein Projekt kann nur dann Zertifikate erzeugen, wenn es relativ zu einem Referenzszenario<br />
Treibhausgasminderungen bewirkt. Beispielsweise könnte das Referenzprojekt für<br />
einen Windpark ein Kraftwerk zur Verfeuerung fossiler Brennstoffe mit gleichem Stromertrag<br />
sein. Der CO 2 -Ausstoß dieses Kraftwerks definiert die sogenannte baseline, mit<br />
der der CO 2 -Ausstoß des Windparks (er dürfte nahe Null liegen) verglichen wird. Die<br />
relativ zum Kraftwerksbetrieb eingesparten Emissionen werden regelmäßig festgestellt<br />
und zertifiziert. Sie bilden die mit dem Projekt erzeugten Emissionsminderungsgutschriften.<br />
Dieser Vorgang ist durchaus aufwendig. Zunächst muss die für das Klimaschutzprojekt<br />
geeignete baseline gefunden und von unabhängigen Gutachtern bestätigt (validiert)<br />
werden. Im zweiten Schritt sind die relativ zur baseline eingetreten Minderungen zu<br />
messen. Im Beispiel des Windparks hängen Sie von der jährlichen Stromproduktion des<br />
Parks ab. Die ermittelten Minderungen müssen wiederum von einer unabhängigen Partei<br />
verifiziert und zertifiziert werden. Bei CDM- und JI-Projekten müssen weiterhin Genehmigungen<br />
bei den betroffenen Ländern eingeholt werden. Sie sind die Voraussetzung<br />
für die Anerkennung der Minderungsgutschriften als international handelbare JIoder<br />
CDM-Zertifikate.<br />
Die durch diesen Prozess bedingten Transaktionskosten sind für ein Einzelprojekt beträchtlich.<br />
Die Bündelung mehrerer Projekte in einem Fonds erlaubt es, economies of<br />
scale in diesem Bereich zu realisieren. Das in einem Fonds vorhandene Portfolio an Projekten<br />
unterschiedlichen Typs in unterschiedlichen Ländern (bei CDM und JI) ermöglicht<br />
es aber auch, die Risiken für die Investoren zu mindern. Sie hängen nicht länger<br />
vom Erfolg nur eines Projekts ab, vielmehr stammen die erwirtschafteten Zertifikaten<br />
aus einer größeren Anzahl von Quellen. Diese Aspekte der Transaktionskostenminderung<br />
und der Risikodiversifikation sprechen für Fondslösungen zur Erwirtschaftung von<br />
Emissionsminderungsgutschriften.<br />
* Klimaschutzprojekte weisen dagegen typischerweise<br />
niedrigere Betriebskosten als ihre Referenzprojekte auf<br />
(Einsparung bei fossilen Brennstoffen bei Projekten im<br />
Bereich erneuerbarer Energien, Einsparung von Strom oder<br />
Wärmebedarf bei Energieeffizienzmaßnahmen).<br />
Diese Einsparungen können jedoch in den meisten Fällen<br />
nicht die anfänglich höheren Investitionskosten decken,<br />
müssen aber mit diesen verrechnet werden.<br />
Die Zusatzkosten eines Klimaschutzprojekts ergeben sich<br />
daher wie folgt: Investitionsmehrkosten + spezifische<br />
Transaktionskosten für die Validierung, Verifizierung und<br />
Zertifizierung – Gegenwartswert der eingesparten<br />
Betriebskosten.<br />
Typischerweise sind Projekte zur Erwirtschaftung von Minderungsgutschriften teurer als<br />
die jeweiligen Referenzprojekte. Diese Mehrkosten können als Zusatzkosten<br />
der Klimaschutzmaßnahmen relativ zu den Kosten der Referenzprojekte,<br />
den Basiskosten, verstanden werden. Die Zusatzkosten fallen in<br />
den meisten Fällen in Form höherer anfänglicher Investitionskosten an,<br />
wie das Beispiel Windpark versus konventionelles Kraftwerk verdeutlicht.*<br />
Damit ein Klimaschutzprojekt wirtschaftlich ist, müssen aus dem Verkauf<br />
der Zertifikate ausreichend Erlöse erzielt werden, um die Zusatzkosten<br />
zu decken. Inwieweit das möglich ist, hängt einerseits vom<br />
132
Förderpolitische Aspekte des Emissionshandels<br />
Marktpreis der Zertifikate und andererseits von der Menge der mit dem Projekt erzeugten<br />
Minderungsgutschriften ab. Grundsätzlich ist es aber gerade die Funktion der Zertifikate,<br />
die Zusatzkosten von Klimaschutzmaßnahmen zu decken. Zertifikate sind daher<br />
ein Instrument der Projektfinanzierung. Sie erlauben allerdings lediglich die Zusatzkosten<br />
eines Klimaschutzprojekts zu finanzieren, nicht aber die Basiskosten. Die Basiskosten<br />
können demgegenüber durch traditionelle Finanzierungsformen abgedeckt werden.<br />
Alternativ ist eine kombinierte Finanzierung von Zusatzkosten und Basiskosten in Form<br />
einer Vollfinanzierung möglich. Entsprechend dieser Unterscheidung lassen sich Zusatzkostenfinanzierungsfonds<br />
und Vollkostenfinanzierungsfonds konstruieren.<br />
5.2 Zusatzkostenfinanzierungsfonds<br />
Ein Zusatzkostenfonds ist dadurch charakterisiert, dass die Summe seiner Projektfinanzierungsbeiträge<br />
der Summe der Fondsmittel entspricht, die die Anteilseigner dem<br />
Fonds für den Zertifikatekauf bereitstellen. Finanzierung erfolgt also durch Zertifikatekauf.<br />
Die Käufer sind identisch mit den Anteilseignern des Fonds.<br />
Solche Fonds werden bereits in der Praxis betrieben. So kauft der PCF der Weltbank<br />
Emissionsminderungsgutschriften für Pionierunternehmen und -institutionen, die dem<br />
Fonds zu diesem Zweck Mittel bereitstellen. In ähnlicher Weise kauft die niederländische<br />
Regierung im Rahmen des ERUPT-Programms Zertifikate aus Haushaltsmitteln.<br />
An einem Pilotfonds diesen Typs zum Erwerb inländischer Minderungsgutschriften ist<br />
die KfW beteiligt (siehe Abschnitt 7).<br />
Der Betrieb eines Zusatzkostenfonds kann beispielsweise wie folgt aussehen: Die Anteilseigner<br />
verpflichten sich, einen bestimmten Geldbetrag bereitzustellen. Das kann<br />
beispielsweise durch die vertragliche Verpflichtung erfolgen, in einem 5-Jahreszeitraum<br />
alle angebotenen Emissionsminderungsgutschriften zu einem Preis bis 5 EUR/t-CO 2<br />
aufzukaufen, bis ein Betrag von 1 Mio EUR erreicht ist. Eventuell müsste der Fonds zusätzlich<br />
einen sofort zahlbaren Transaktionskostenbeitrag erheben. Aus diesen Mitteln<br />
lassen sich die Zusatzkosten ausgewählter Klimaschutzprojekte finanzieren. Dabei können<br />
nur Projekte zum Zuge kommen, die mit einen Aufkauf ihrer CO 2 -Minderungen zu<br />
einem Preis von maximal 5 EUR/t-CO 2 die Rentabilitätsschwelle erreichen. Solche Projekte<br />
können im Rahmen einer Ausschreibung eingeworben werden.<br />
Im Gegenzug zum Finanzierungsbeitrag verpflichten sich die Betreiber der Klimaschutzprojekte,<br />
festgelegte Mengen an CO 2 -Minderungen an den Fonds zu liefern. Für<br />
Ausfälle tragen die Betreiber das Risiko, indem Sie beispielsweise für ausbleibende Zertifikate<br />
ein monetäres Äquivalent zu zahlen haben. Die Risiken der weiteren Zertifikatenutzung<br />
oder -verwertung liegt dagegen ausschließlich bei den Anteilseignern des<br />
Fonds. Diese bekommen die Zertifikaten im Verhältnis zu ihrem Finanzierungsbeitrag<br />
ausgeschüttet.<br />
133
Workshop III<br />
Förderpolitische Aspekte des Emissionshandels<br />
Dr. Klaus Oppermann<br />
Solange keine liquiden Märkte für Emissionsminderungsgutschriften existieren, können<br />
die Zertifikate nur durch Verkauf an eine vorab organisierte Käufergemeinschaft verwertet<br />
werden. Gerade das kann ein Zusatzkostenfonds sicherstellen. Er ist daher das relevante<br />
Fondsmodell in der Vorphase zum eigentlichen Emissionshandel, in der lediglich<br />
Staaten (wie im niederländischen ERUPT-Programm) oder Pionierunternehmen und<br />
-institutionen (wie beim PCF der Weltbank) Emissionsminderungsgutschriften erwerben.<br />
Der Zusatzkostenfonds hat aber auch eine Reihe von Nachteilen. Für die Betreiber der<br />
Klimaschutzprojekte bietet er nur eine Teilfinanzierung ihrer Investitionskosten. Die Basiskosten,<br />
der typischerweise weit größere Kostenanteil, wird nicht abgedeckt. Hierfür<br />
muss der Betreiber eine Ergänzungsfinanzierung suchen. Eine Finanzierungslücke entsteht<br />
zunächst sogar bei den Zusatzkosten. Das ergibt sich, weil die Zertifikate erst im<br />
Zeitablauf anfallen, die Zusatzkosten aber zu Beginn des Projekts. Diese Schwierigkeit<br />
erfordert besondere Konstruktionen wie Vorabzahlungen oder Vorfinanzierungsdarlehen.<br />
Wenn der Fonds von einem Finanzdienstleister betrieben wird, der im Bereich der<br />
Projektfinanzierung aktiv ist, können allerdings Synergien bei der Kreditvergabe genutzt<br />
werden. Das spricht dafür, dass ein Finanzinstitut mit entsprechender Geschäftstradition<br />
im Bereich der Finanzierung von Klimaschutzprojekten einen Zusatzkostenfonds betreibt.<br />
Auf der Seite der Zertifikatekäufer ergibt sich beim Zusatzkostenmodell eine vertragliche<br />
Bindung an die Projekte des Fonds. Es ist daher zweifelhaft, ob sich bei entwickelten<br />
Zertifikatemärkten, wenn Zertifikate am Markt gekauft werden können, Anteilseigner an<br />
einem Zusatzkostenfonds fänden. Für entwickelte Zertifikatemärkte bietet sich daher<br />
ein anderes Fondsmodell an, das zudem die Finanzierungssituation für die Investoren<br />
verbessern würde.<br />
5.3 Vollkostenfinanzierungsfonds<br />
Auch ein Vollkostenfinanzierungsfonds dient der Erwirtschaftung von Emissionsminderungsgutschriften<br />
und vergibt Mittel zur Finanzierung von Klimaschutzinvestitionen. Es<br />
bestehen jedoch wesentliche Unterschiede zum Zusatzkostenfinanzierungsmodell.<br />
Bei einem Vollkostenfonds besteht keine vorab vertraglich gebundene Käufergemeinschaft<br />
für die Zertifikate. Der Fonds verkauft die Zertifikate am Markt. Die Einleger des<br />
Fonds sind dementsprechend keine Zertifikatekäufer, sondern Kapitalmarktakteure, die<br />
bereit sind, in das Geschäft der Erwirtschaftung von Emissionsminderungsgutschriften<br />
zu investieren. Die einwerbbaren Mittel sind daher auch nicht auf das monetäre Äquivalent<br />
der Zertifikate begrenzt. Der Fonds ist dadurch in seinem Finanzierungsbeitrag<br />
nicht auf die Zusatzkosten der Klimaschutzprojekte beschränkt. Im Interesse der Investoren<br />
(Betreiber) würde der Finanzierungsanteil beim Vollkostenmodell vielmehr auf<br />
134
Förderpolitische Aspekte des Emissionshandels<br />
die gesamten Investitionskosten (abzüglich eines marktüblichen Eigenkapitalanteils)<br />
ausgedehnt. Diese Gesamtkostenfinanzierung ist gerade bei Klimaschutzprojekten<br />
wichtig, da diese typischerweise hohe anfängliche Investitionskosten bei relativ geringen<br />
Betriebskosten aufweisen.<br />
Die Projektfinanzierung aus einem Vollkostenfonds ließe sich beispielsweise wie folgt<br />
gestalten: Der Betreiber des Klimaschutzprojekts erhält ein langfristiges Darlehen mit<br />
einer Zinsverbilligung. Dieses Darlehen wird aus den Erlösen getilgt, die sich mit dem<br />
Projekt bzw. dessen Basiskomponente (beispielsweise Stromproduktion bei einem<br />
Windpark) erwirtschaften lassen. Zusätzlich tritt der Investor als Gegenleistung zur<br />
Zinsverbilligung die mit dem Projekt generierten Emissionsminderungsgutschriften an<br />
den Fonds ab. Diese Zertifikate werden am Markt verkauft. Aus den Erlösen wird die<br />
Zinsverbilligung finanziert. Wenn die vereinbarte Menge an Zertifikaten nicht geliefert<br />
werden kann, reduziert sich die Zinsverbilligung des Darlehens gemäß eines festgelegten<br />
Verrechnungspreises für die Zertifikate. Durch diese Konstruktion lässt sich für den<br />
Betreiber das Risiko reduzieren, das ihm sonst entstehen würde, wenn die Menge der<br />
zertifizierungsfähigen Emissionsminderungen hinter den Erwartungen zurückbleibt<br />
(beispielsweise aufgrund einer Verschiebung der baseline im Zeitablauf).<br />
Zur Refinanzierung des Fonds wird der Kapitalmarkt in Anspruch genommen. Das kann<br />
prinzipiell durch Emission geeigneter Fremdkapitaltitel, durch Eigenkapitalbeteiligungen<br />
oder in Form eines geschlossenen Fonds erfolgen, bei dem die Anteilseigner direkt<br />
zu Gesellschaftern werden. In allen Fällen erhalten sie für ihr Engagement eine Rendite,<br />
die sich einerseits aus den monetären Zahlungen der Projektbetreiber und andererseits<br />
aus den Zertifikateerlösen speist. Das Risiko der Vermarktung der Zertifikate liegt dabei<br />
bei den Anteilseignern des Fonds oder den entsprechenden Fremdkapitalgebern.<br />
Für entwickelte Zertifikatemärkte bietet der Vollkostenfonds Vorteile gegenüber der Zusatzkostenvariante.<br />
Das gilt für die Betreiber, die von einem höheren Finanzierungsanteil<br />
ihrer Investitionskosten und von einer Reduktion ihres Zertifikatelieferrisikos profitieren,<br />
wie für die Käufer der Zertifikate, die sich nicht vertraglich an bestimmte Projekte<br />
binden müssen. In einer Situation, in der noch keine ausreichend liquiden<br />
Zertifikatemärkte existieren, ist jedoch ausschließlich das Zusatzkostenmodell praktikabel.<br />
Es ist besonders geeignet für Pilotprojekte, um Erfahrungen mit dem Instrument<br />
der Emissionsminderungsgutschriften zu sammeln.<br />
Sowohl das Zusatzkosten- als auch das Vollkostenfondsmodell ist nicht nur für die Erwirtschaftung<br />
von CDM- und JI-Zertifikate verwendbar, sondern kommt auch im Bereich<br />
inländischer Emissionsminderungsgutschriften in Frage. So ist das in Abschnitt 7 dargestellte<br />
Pilotprojekt ein Beispiel für einen Zusatzkostenfonds zur Erwirtschaftung inländischer<br />
Emissionsminderungsgutschriften. Bevor auf dieses Projekt eingegangen<br />
wird, sollen jedoch zunächst mögliche Fondslösungen zur Integration von KMU in den<br />
Emissionshandel skizziert werden.<br />
135
Workshop III<br />
Förderpolitische Aspekte des Emissionshandels<br />
Dr. Klaus Oppermann<br />
6 Fonds zur Integration von KMU in den Emissionshandel<br />
Die bereits dargestellten Fonds zur Erwirtschaftung von Emissionsminderungsgutschriften<br />
lassen sich grundsätzlich auch nutzen, um gezielt Klimaschutzinvestitionen durch KMU<br />
zu fördern. Hierzu muss lediglich die Investitionspolitik des Fonds entsprechend festgelegt<br />
werden. Konkret hieße das, Fondsmittel speziell für kleinere Klimaschutzprojekte<br />
auszuschreiben oder festzulegen, dass nur Unternehmen mit einem Jahresumsatz, der<br />
unterhalb eines festgelegten Maximalwerts liegt, durch den Fonds gefördert werden.<br />
Bei einem Fonds zur Erwirtschaftung von JI- oder CDM-Emissionsgutschriften durch<br />
KMU müssten diese Klimaschutzprojekte im Ausland durchführen. Ein solcher Fonds<br />
hätte als Nebeneffekt eine spezielle Exportförderung im Bereich des Mittelstands.<br />
Theoretisch können auch inländische Klimaschutzmaßnahmen von KMU als JI-Projekte<br />
durchgeführt werden, wenn sich für die dabei erwirtschafteten Zertifikate ein ausländischer<br />
Käufer findet. Denkbar wäre auch in Kooperation mit einem ausländischen Fonds<br />
inländische KMU-Zertifikate in JI-Zertifikate zu verwandeln, wenn im Gegenzug Inlandszertifikate<br />
des Partnerfonds übernommen würden. Diese Konstruktionen sind jedoch<br />
zwangsläufig mit hohen Transaktionskosten verbunden. An dieser Stelle zeigt sich erneut<br />
die unsystematische Segmentierung des Handelsraums der Zertifikate, die entsteht,<br />
wenn keine inländischen Emissionsminderungsgutschriften anerkannt werden,<br />
wenn also die Definition der Zertifizierungsfähigkeit der projektbezogenen Emissionsminderungen<br />
nicht anhand technischer sondern geographischer Kriterien hinsichtlich<br />
der beteiligten Geschäftspartner erfolgt.<br />
Wenn auf eine Einbindung in die Kyoto-Mechanismen JI und CDM verzichtet wird, können<br />
inländische Klimaschutzmaßnahmen von KMU auch direkt gefördert werden. Solange<br />
Inlandszertifikate jedoch nicht im Rahmen des geplanten europäischen Emissionshandelssystems<br />
genutzt werden können, sind solche Fonds lediglich aus öffentlichen Mitteln<br />
oder durch Sponsoren zu finanzieren. Sie sind daher auch nur gemäß des Zusatzkostenfinanzierungsmodells<br />
möglich. Der in Abschnitt 7 beschriebene Pilotfonds bildet<br />
beispielsweise auch ein Muster für einen inländischen KMU-Fonds.<br />
Unabhängig vom Rückgriff auf Emissionsminderungsgutschriften könnten KMU jedoch<br />
auch direkt an einem Handel mit Emissionsrechten nach dem cap-and-trade-Typ beteiligt<br />
werden. Das ist im Rahmen des geplanten europäischen Emissionshandelssystems<br />
möglich, wenn ein freiwilliges Beitrittsrecht für KMU eingeführt wird (siehe oben). In<br />
diesem Fall sind Fondslösungen denkbar, die den KMU den Beitritt zum Emissionshandelssystem<br />
erleichtern. Solche KMU-Partizipationsfonds haben nicht Emissionsminderungsgutschriften<br />
sondern Emissionsrechte (Treibhausgasemissionsberechtigungen)<br />
zum Gegenstand.<br />
136
Förderpolitische Aspekte des Emissionshandels<br />
Ein KMU-Partizipationsfonds schafft einen Verbund mehrerer KMU, die dem Handelssystem<br />
beitreten und daher Emissionsrechte zugeteilt bekommen. Der Fonds bietet den<br />
Unternehmen eine Beratung bei der Identifizierung von Klimaschutzmaßnahmen, stellt<br />
eine Finanzierung dieser Investitionen bereit und wickelt notwendige Zertifikatetransaktionen<br />
ab. Dadurch können Transaktionskosten gesenkt und bei geeigneter Fondsgestaltung<br />
auch Risiken für die beteiligten Unternehmen gemindert werden. Insbesondere<br />
können Risiken reduziert werden, die KMU gegenüber größeren Unternehmen entstehen,<br />
weil sie hinsichtlich ihrer Geschäftstätigkeit und ihrer Produktionstechniken weniger<br />
diversifiziert sind.<br />
Dieser Fonds unterscheidet sich grundsätzlich von den Fonds zur Erwirtschaftung von<br />
Emissionsminderungsgutschriften. Die Anteilseigner des Fonds sind identisch mit den<br />
Trägern der Klimaschutzinvestitionen, also den KMU, die dem Handelssystem beitreten.<br />
Diese Unternehmen poolen die Emissionsrechte, die sie zugeteilt bekommen. Im nächsten<br />
Schritt werden die günstigsten Klimaschutzmaßnahmen in den beteiligten Unternehmen<br />
identifiziert. Hierzu bietet der Fondsbetreiber spezielle Beratungsleistungen<br />
an. Durchgeführt werden alle Maßnahme mit CO 2 -Vermeidungskosten, die unterhalb<br />
des Marktpreises der Emissionsrechte liegen. Die dafür nötigen Investitionen werden<br />
vom Fondsbetreiber durch langfristige Kredite finanziert. Am Ende der Abrechnungsperiode,<br />
wenn die Unternehmen ihre Emissionen mit Emissionsrechten bezahlen müssen,<br />
gibt der Fondsbetreiber die hierfür benötigten Emissionsrechte bei der entsprechenden<br />
Stelle, dem nationalen Kontensystem, frei. Die überschüssigen Emissionsrechte werden<br />
am Markt verkauft und die Erlöse an die Verbundunternehmen nach einem festgelegten<br />
Schlüssel verteilt. Dieser Schlüssel muss sicherstellen, dass die Unternehmen, die investiert<br />
haben, einen größeren Gewinnanteil erhalten als die passiven. Die Gewinnbeteiligung<br />
der passiven Unternehmen stellt aus Sicht der Investoren einen Preis für die Risikominderung<br />
dar, die durch die Verbundlösung zustande kommt.<br />
Der Fonds hat demnach die Funktion, für KMU die gleiche Ausgangssituation zu schaffen,<br />
wie für ein diversifiziertes Großunternehmen mit einer Vielzahl von CO 2 -Minderungsmöglichkeiten.<br />
Erreicht wird das durch Transaktionskostensenkung in Form von Beratungsleistungen<br />
und zentralisierter Verwaltung der Emissionsrechte und Risikominderung<br />
für das einzelnen Unternehmen durch Bündelung von Klimaschutzinvestitionen<br />
und partielle Beteiligung des Unternehmens am Erfolg der Minderungsleistungen anderer<br />
Unternehmen. Im Ergebnis soll es damit KMU erleichtert werden, einem Emissionshandelssystem<br />
auf freiwilliger Basis beizutreten.<br />
Abgesehen von dem Zusatzkostenfondsmodell sind die in diesem Abschnitt dargestellten<br />
Konzepte jedoch erst bei ausreichend entwickelten Zertifikatemärkten und geeigneten<br />
regulatorischen Rahmenbedingungen umsetzbar. Bereits heute sind Pilotprojekte<br />
des Zusatzkostenfondstyps möglich. Derartige Initiativen erlauben es, wichtige Erfah-<br />
137
Workshop III<br />
Förderpolitische Aspekte des Emissionshandels<br />
Dr. Klaus Oppermann<br />
rungen mit den neuen Instrumenten zu sammeln. Das ist insbesondere auch deshalb<br />
von Bedeutung, weil einige europäische Länder bereits nationale Emissionshandelssysteme<br />
oder -mechanismen implementiert haben (Dänemark, Niederlande, Vereinigtes<br />
Königreich) und so ihrer Wirtschaft bereits einen Erfahrungsvorsprung verschaffen<br />
konnten.<br />
7 Pilotprojekt Hamburger Wettbewerb zur kosteneffizienten CO 2 -Minderung<br />
Die KfW beteiligt sich gegenwärtig an einem regionalen Pilotprojekt im Bereich des<br />
Emissionshandels. Dieses Projekt, der Hamburger Wettbewerb zur kosteneffizienten<br />
CO 2 -Reduktion, bietet Hamburger Unternehmen die Möglichkeit, erste Erfahrungen mit<br />
den Instrumenten des Emissionshandels zu sammeln.<br />
Zu diesem Zweck schreibt die KfW zusammen mit der Umweltbehörde Hamburg, den<br />
Hamburger Elektrizitätswerken und der Deutschen BP den Aufkauf von Emissionsminderungen<br />
aus Klimaschutzinvestitionen in Hamburg aus. Die Teilnehmer des Wettbewerbs<br />
müssen ermitteln, welche Mengen an CO 2 mit ihren Investitionen eingespart werden<br />
und entscheiden, zu welchem Preis sie diese Minderungen anbieten wollen. Die Veranstalter<br />
wählen unter den eingehenden Geboten die Gewinner aus. Diese werden durch<br />
den Ankauf der mit ihren Investitionen entstehenden Minderungszertifikaten gefördert.<br />
Der Aufkauf der Minderungsgutschriften trägt zur Deckung der Zusatzkosten der Klimaschutzinvestitionen<br />
bei.<br />
Die aufgekauften Zertifikate werden anteilig den Veranstaltern ausgeschüttet. Aufgekauft<br />
werden Zertifikate, die mit dem Projekt bis Ende 2004 generiert werden können.<br />
Durch diese zeitliche Begrenzung soll eine mögliche Überschneidung mit dem geplanten<br />
europäischen Handelssystem vermieden werden. Pro Projekt werden maximal 10.000 t<br />
CO 2 -Minderung abgenommen. Die Projektmindestgröße liegt bei 500 t. Bereits zu Projektbeginn<br />
erfolgt eine Abschlagszahlung für 80% der Abnahmemenge, um die Finanzierung<br />
der Projekte zu erleichtern. Diese Regelungen kommen insbesondere kleineren<br />
Projekten und damit auch KMU zugute.<br />
Zur Angebotserstellung wird den Unternehmen eine wissenschaftliche Beratung geboten.<br />
Die Hauptschwierigkeit liegt in der Ermittlung der baseline, relativ zu der die mit<br />
den Projekt erzielbaren Emissionsminderungen gemessen werden. Das Wissen zur Erstellung<br />
dieses Referenzszenarios ist gerade bei kleineren Unternehmen typischerweise<br />
nicht vorhanden, weil es außerhalb der eigentlichen Geschäftstätigkeit liegt. Neben der<br />
Hilfsfunktion dient die wissenschaftliche Begleitung auch dazu, Informationen über potentielle<br />
Standardisierungsmöglichkeiten bei der baseline-Erstellung zu gewinnen. Diese<br />
Standardisierung wäre gerade für kleinere Projekte von Bedeutung.<br />
138
Förderpolitische Aspekte des Emissionshandels<br />
8 Fazit<br />
Das Instrument des Emissionshandels ist aus ökonomischer Sicht in hohem Maße<br />
geeignet Klimaschutzinvestitionen zu fördern. Damit durch den Emissionshandel<br />
ausreichende Kostenreduktionspotentiale erschlossen werden können, sollte der<br />
Handelsraum möglichst groß und homogen sein. Innerhalb des geplanten europäischen<br />
Emissionshandelssystems sollten daher projektbezogene Emissionsminderungsgutschriften<br />
des JI- und CDM-Typs aber auch solche aus inländischen Klimaschutzmaßnahmen<br />
zugelassen werden. Insbesondere sollte das Handelssystem<br />
auch für KMU geöffnet werden. Die Erwirtschaftung von Emissionsminderungsgutschriften<br />
und die Integration von KMU in das Handelssystem können durch spezielle<br />
Klimaschutzfonds unterstützt werden. Die KfW engagiert sich gegenwärtig in einem<br />
Pilotprojekt.<br />
139
Workshop III<br />
Bereit für den CDM<br />
Technische Zusammenarbeit schafft Voraussetzung für CDM-Projekte in<br />
Entwicklungsländern<br />
Holger Liptow<br />
Klimaschutz-Programm, GTZ<br />
1 CDM-Regime umsetzen - Wie Kommt schon der Ansturm<br />
Der CDM hat nach der Entscheidung von Marrakesch auf der 7. Vertragsstaatenkonferenz<br />
der Klimarahmenkonvention konkrete Gestalt angenommen. Die Modalitäten und<br />
Prozeduren des Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung beseitigen viele Unsicherheiten<br />
für Gastländer von CDM-Projekten, aber auch für Investoren in derartigen<br />
Projekten sowie für die Erwerber von zertifizierten Emissionsreduktionen (CER). Einige<br />
Detailregelungen, wie die Richtlinien für Referenzszenarien (baselines) und die Überwachungsmethoden<br />
(monitoring), Definitionen und Modalitäten für Aufforstungs- und Wiederaufforstungsprojekte<br />
sowie vereinfachte Modalitäten und Prozeduren für CDM-Kleinprojekte,<br />
bleiben noch festzulegen. Dennoch sind schon viele dabei, CDM-Projektaktivitäten<br />
zu identifizieren, vorzubereiten oder gar schon Investitionsentscheidungen zu<br />
treffen. Man will schnell mit der Umsetzung beginnen. Aber sind die Gastländer von<br />
CDM-Projekten schon hinreichend auf den Ansturm von Investoren vorbereitet Wird es<br />
überhaupt einen Ansturm geben, von Investoren aus dem Ausland oder aus dem eigenen<br />
Land Ja, aus dem Gastland selbst, denn unilaterale CDM-Projekte sind durch den<br />
Beschluss von Marrakesch möglich. Beispielsweise hat Süd-Korea großes Interesse,<br />
durch einige Investitionen CERs international anzubieten.<br />
Nationale Kapazitäten werden gebraucht<br />
Süd-Korea kann sich bestimmt selbständig die erforderlichen Rahmenbedingungen für<br />
den CDM schaffen. Anderen Nicht-Annnex-1-Staaten in Asien, Lateinamerika, und vor<br />
allem Afrika fällt dies schon schwerer. Sie haben keine ausreichenden nationalen Kapazitäten,<br />
um zügig CDM-Projekte vorzubereiten und umzusetzen. Viele Entwicklungsländer<br />
wollen daher beim "capacity building" unterstützt werden. Die GTZ hat sich deshalb<br />
– schon seit der Aushandlung des Kyoto-Protokolls 1997 – vielfältig an vorbereitenden<br />
Aktivitäten zum CDM in Entwicklungsländern beteiligt.<br />
Keine TZ für Investitionen in CDM-Projekte<br />
Als Institution der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, zuständig für Technische<br />
Zusammenarbeit (TZ) investiert die GTZ nicht selbst in CDM-Projekte. Denn unsere Projekte<br />
und Programme im Klimaschutz werden vom Bundesministerium für wirtschaftliche<br />
Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert, also aus öffentlichen Entwicklungshilfe-Mitteln.<br />
Diese dürfen nach den international vereinbarten Regeln nicht in<br />
CDM-Projekte investiert werden. Man will so dem Effekt der Fehlleitung von Entwicklungshilfe<br />
entgegen treten. Der Effekt könnte dazu führen, dass Industrieländer ihre<br />
Hilfsgelder umlenken, um ihr Kyoto-Ziel zu erreichen.<br />
2 Überblick zu CDM-Aktivitäten der GTZ<br />
140
Bereit für den CDM<br />
Technische Zusammenarbeit schafft Voraussetzung für CDM-Projekte in<br />
Entwicklungsländern<br />
Die GTZ ist seit 1993 vom BMZ damit beauftragt, im Rahmen des Klimaschutz-Programms<br />
Entwicklungsländer bei der Umsetzung der Klimarahmenkonvention im weitesten<br />
Sinne zu beraten und zu unterstützen.* Zunächst standen Länder- und Regionaluntersuchungen<br />
zur Minderung von Treibhausgas-Emissionen, insbesondere CO 2 , im Vordergrund.<br />
Seit Kyoto (COP 3) wurden die Erkenntnisse und<br />
Erfahrungen dazu genutzt, um abzuschätzen, welche CDM-Potenziale<br />
in einzelnen Ländern bestehen. Aber wir beschränken uns nicht darauf,<br />
Partner in Entwicklungsländern zu beraten, wie ein erfolgversprechendes<br />
nationales CDM-Projekt-Portfolio aussehen könnte. Der Bogen<br />
wird weiter gespannt; dazu dienen die strategisch ausgerichteten<br />
nationalen CDM-Studien. Neben den nationalen Aktivitäten lassen wir auch beispielhaft<br />
CDM-Projektstudien erarbeiten, beschäftigen uns mit Einzelfragen zum CDM und beteiligen<br />
uns national, in Deutschland, als auch international an der weiteren Ausgestaltung<br />
von CDM-Regeln und Verfahren (siehe Tabelle 1).<br />
* Das Spektrum der Themen des Klimaschutz-Programms<br />
ist weit gefasst: Nationale Berichterstattung, Technologie-<br />
Transfer, Minderung von THG-Emissionen, Anpassung an den<br />
Klimawandel, internationale Klimaverhandlungen, CDM,<br />
Mainstreaming in der Entwicklungszusammenarbeit.<br />
CDM-Aktivitäten des Klimaschutz-Programms<br />
Kapazitätsaufbau zur Vorbereitung und Umsetzung von CDM-Projekten<br />
• Marokko (Kriterien für CDM-Projekte; CDM-Institutioen)<br />
• Kolumbien, Indonesien, Chile: Nationale CDM-Strategiestudien<br />
• China: Nationale CDM-Studie<br />
• Brasilien: CDM und ländliche Energieversorgung<br />
• (Indonesien: CDM-Institutionen)<br />
• (Malaysia: Nationale CDM-Studie)<br />
• (Indien: CDM im Elektrizitätssektor)<br />
Fallbeispiele für CDM-Projekte<br />
• Simbabwe: Abfallholz-Kraftwerk - Methoden zur Baseline-Bestimmung<br />
• Marokko: Erneuerbare Energieträger - Wind, Wasserkraft, Biomasse<br />
• Peru: Effizienzsteigerung für Industrie-Kessel<br />
• Jordanien: Windpark zur Netzeinspeisung<br />
• ("Small scale projects": Welche können das sein Wie kann man vereinfachen)<br />
Untersuchungen zu Einzelfragen des CDM<br />
• Evaluierung von AIJ-Nicht-Senken-Projekten<br />
• "Investment additionality"<br />
• (Verknüpfung von CDM und Entwicklungshilfe: Was ist zulässig)<br />
• (Vorbereitung von Senkenprojekten zum CDM: Wann Welche Anforderungen<br />
müssen sie erfüllen Geeignete Länder und Partner)<br />
Beratung der Bundesregierung und der EU<br />
• Regelwerk des CDM der UNFCCC<br />
• Klimaschutzpolitische Bewertung von JI- und CDM-Projekten<br />
• PROBASE<br />
(Aktivitäten in Klammern befinden sich in Planung.)<br />
Tabelle 1<br />
141
Workshop III<br />
Bereit für den CDM<br />
Technische Zusammenarbeit schafft Voraussetzung für CDM-Projekte in<br />
Entwicklungsländern<br />
Holger Liptow<br />
2.1 Kapazitätsaufbau durch nationale CDM-Studien<br />
Struktur der CDM-Studien<br />
Die nationalen CDM-Strategien müssen, wenn sie erfolgreich umgesetzt werden sollen,<br />
den Interessen und Bedürfnissen der Partnerländer entsprechen. Die Erarbeitung der<br />
nationalen Studie soll helfen, den CDM als marktorientiertes Instrument des Klimaschutzes<br />
besser zu verstehen. In der Studie wird vor allem abgeschätzt, welche weltweiten<br />
Marktchancen ein nationales CDM-Projekt-Portfolio hat. Das Projekt-Portfolio soll<br />
gleichzeitig potenziellen Investoren eine Optionspalette anbieten. Darüber hinaus können<br />
in der Studie auch weitere spezielle CDM-relevante Fragen behandelt werden, beispielsweise,<br />
welche Funktion und Aufgaben eine nationale CDM-Institution haben soll.<br />
Ergebnis der nationalen Strategiestudie ist nicht nur der abschließend vorgelegte und<br />
veröffentlichte Bericht, sondern vor allem der Zuwachs an Fachwissen über den CDM<br />
bei den nationalen Experten, die die Studie mit externer internationaler Unterstützung,<br />
z. B. der GTZ, erarbeiten. Daneben kann durch Workshops und Seminare eine breite<br />
(Fach-)Öffentlichkeit informiert und in die nationale Gestaltung des CDMs eingebunden<br />
werden.<br />
Etappenweise vorgehen<br />
Eine nationale CDM-Strategie kann sowohl in einem Projekt umfassend oder auch in<br />
einzelnen Etappen erarbeitet werden, je nach Interessen sowie personellen und institutionellen<br />
Möglichkeiten des Partnerlandes. Vor allem größere Länder wie Indonesien<br />
oder China praktizieren ein Vorgehen in Phasen, in dem meist auch mehrere internationale<br />
Partner beteiligt sind.<br />
Länderbeispiele<br />
Wo war die GTZ bisher aktiv Wir haben Marokko, den Gastgeber der COP 7, unterstützt,<br />
Kriterien für CDM-Projekte zu entwickeln, Ansätze für einen institutionellen Rahmen<br />
auszuarbeiten und mehrere beispielhafte Projekte entworfen. Die Ergebnisse wurden<br />
auf der COP 7 vorgestellt und zudem in einem regionalen Workshop der Magreb-<br />
Staaten potientiellen Investoren angeboten.<br />
Mit unserer Unterstützung und in Zusammenarbeit mit der Weltbank erarbeiteten indonesische<br />
Fachkräfte eine nationale Strategiestudie zum CDM für ihr Land. Die Ergebnisse<br />
zeigen etliche CDM-Potenziale auf, im Bereich Kleinwasserkraft aber auch durch die<br />
Nutzung von bisher abgeflackertem Gas sowie Geothermie. In einer parallelen Studie,<br />
gefördert von Weltbank und Australien, wird untersucht, ob CDM-Optionen für Kohlenstoffsenken<br />
in Indonesien bestehen. Die von uns geförderte Untersuchung machte auch<br />
klar, dass Indonesien seine CDM-Potenziale nur vermarkten kann, wenn es sich einen<br />
effizienten institutionellen Rahmen dafür schafft. Was dabei zu beachten ist, wird später<br />
umfassender behandelt.<br />
142
Bereit für den CDM<br />
Technische Zusammenarbeit schafft Voraussetzung für CDM-Projekte in<br />
Entwicklungsländern<br />
CDM-Optionen in Indonesien<br />
Abbildung 1<br />
In Chile unterstützt das Klimaschutz-Programm eine ähnliche nationale Strategiestudie.<br />
Ergebnisse erwarten wir Mitte 2002.<br />
Die Kooperation mit China zu einer der nationalen CDM-Studien hat gerade begonnen.<br />
Die GTZ arbeitet in dieser Förderung ebenfalls mit der Weltbank zusammen. Das Projekt<br />
des "Global Climate Change Institute" der Tsinghua-Universität Beijing konzentriert<br />
sich auf den Elektrizitätssektor und damit auf die CDM-Potenziale in den großen Kohlekraftwerken<br />
des Landes. Andere Geber, die wie wir natürlich auch an der Zusammenarbeit<br />
mit dem wahrscheinlich größten CDM-Land interessiert sind, decken die Sektoren<br />
Stahl- und Zementindustrie ab, aber auch der Transportsektor sowie Forstwirtschaft<br />
und ländliche Energieversorgung werden hinsichtlich ihrer CDM-Potenziale abgeklopft.<br />
China hat große Erwartungen, dass der CDM dem Land beim Technologie-Transfer hilft.<br />
Die verschiedenen Aktivitäten beginnen gerade; Ergebnisse erwarten wir erst 2003.<br />
Ein neuer Partner in Asien dürfte Malaysia werden, der starkes Interesse an deutscher<br />
Unterstützung gezeigt hat. Seine CDM-Potenziale will Malaysia ausschließlich im Energiesektor<br />
ausloten. Malaysia bietet sicher für ausländische Investoren gute Voraussetzungen.<br />
In Indien ist eine breitere Kooperation zum CDM geplant; die Vorbereitungen beginnen<br />
gerade.<br />
In diesen Projekten stand und steht für uns immer der Aufbau und die Entwicklung von<br />
personellen und institutionellen Kapazitäten der Partner und der lokalen Fachkräfte im<br />
Vordergrund. Die nationalen Fachkräfte und Entscheidungsträger müssen letztendlich<br />
selbständig die Nutzung des CDMs in ihrem Land weiter vorantreiben können. Externe<br />
143
Workshop III<br />
Bereit für den CDM<br />
Technische Zusammenarbeit schafft Voraussetzung für CDM-Projekte in<br />
Entwicklungsländern<br />
Holger Liptow<br />
Fachkräfte werden ausschließlich als Kurzzeitberater hinzugezogen. Andere, fachlich<br />
verwandte Vorhaben der GTZ mit Langzeitberatern helfen dem Klimaschutz-Programm<br />
dabei, die Projekte vor Ort zu steuern und mit den Partnerorganisationen zu kommunizieren.<br />
2.2 Fallbeispiele für CDM-Projekte<br />
Mehrere Fallbeispiele für CDM-Projekte helfen uns, den CDM besser zu verstehen. Wir<br />
sammeln für die Beratung der Entwicklungsländer wertvolle Erfahrungen, wenn wir die<br />
bisher feststehenden Regelungen für Einzelprojekte in Fallstudien anwenden. Gleichzeitig<br />
dienen derartige Projektvorbereitungen natürlich auch dazu, dem Partner den Weg<br />
zu realen CDM-Projekten zu ebnen. Manchmal, wie im nachfolgenden Beispiel, verhindern<br />
die politischen Verhältnisse eine Umsetzung, denn wer würde derzeit gerne in<br />
Simbabwe investieren.<br />
Sägewerksabfälle liefern Strom<br />
In Simbabwe untersuchten wir, welche Referenzszenarien (baselines) für kleine CDM-<br />
Projekte möglich sind, die Strom aus erneuerbaren Energieträgern erzeugen und diesen<br />
ins nationale Verbundnetz einspeisen. Es ging hier um die Verstromung von Sägewerksabfällen,<br />
die sonst verbrannt werden oder verrotten. Selbst da, wo zunächst der Fall klar<br />
zu sein scheint, ergeben sich bei vertieften Nachfragen für Referenzszenarien keine eindeutigen<br />
oder einfachen Antworten. Die Frage, welche Stromproduktion durch die Einspeisung<br />
ins nationale Verbundnetz nun genau reduziert wird – Strom aus den Kohlekraftwerken,<br />
der Wasserkraft oder aus dem Import, derzeitige oder künftige Produktion<br />
– beantworten wir mit einer Optionspalette. Letztendlich muss politisch entschieden<br />
werden und der Fachverstand den Einzelfall bewerten. Die Regelwerke werden sonst zu<br />
kompliziert und unübersichtlich.<br />
Effizienzsteigerung von Industriekesseln<br />
In Peru erwarten wir noch Ergebnisse aus einer Studie, die Grundlage für einen nationalen<br />
Fonds für CDM-Projekte schaffen soll. Dieser Fonds soll ein Anreizsystem schaffen,<br />
damit der Wirkungsgrad von Industriekesseln verbessert wird und so Emissionsreduktionen<br />
erreicht werden, die Peru auf dem internationalen Markt verkaufen könnte. Die<br />
Baseline-Bestimmung erweist sich in dieser Untersuchung als relativ schwierig. Denn<br />
was ist der Normalbetrieb eines Kessels Wieviel Aufwand ist zu verlangen, um ihn festzustellen,<br />
nicht für einen, sondern für mehrere Hundert<br />
Jordanien möchte Strom aus Windenergie ins Netz speisen. Da die Windregime der beiden<br />
Windparks nicht überwältigend sind, lässt auch die Rentabilität nicht überzeugend<br />
darstellen. Wir haben geprüft, ob durch den CDM die Attraktivität der Investitionen in<br />
die Windparks wesentlich erhöht werden könnte. Unsere ersten Prüfungen haben leider<br />
ergeben, dass einerseits bei den in Aussicht gestellten Einspeisevergütungen und ande-<br />
144
Bereit für den CDM<br />
Technische Zusammenarbeit schafft Voraussetzung für CDM-Projekte in<br />
Entwicklungsländern<br />
rerseits den zu erwarteten Erlösen aus dem Verkauf von CERs, etwa 50 – 80 000 t CO 2<br />
pro Jahr und Windpark, die Wirtschaftlichkeit nicht bedeutend verbessert werden kann.<br />
Entscheidungen des jordanischen Partners, ob der oder die Windparks gebaut werden<br />
sollen, werden z. Z. erörtert.<br />
2.3 Einzelfragen des CDM<br />
Aber wir waren nicht nur in Entwicklungsländern aktiv, sondern haben auch allgemeine<br />
Fragen zum CDM behandelt. So ließen wir praktische Ansätze für die Definition von<br />
"investment additionality" erarbeiten; das HWWA hat zusammen mit dem Wuppertal<br />
Institut dazu eine bemerkenswerte Untersuchung vorgelegt.<br />
Die Evaluierung von Nicht-Senken-Projekten in Entwicklungsländern aus der Pilotphase<br />
ist für "Joint Implementation" (activities implemented jointly - AIJ) besonders bedeutsam.<br />
Die Studie des Wuppertal Institutes fand heraus, dass unzureichende personelle<br />
Kapazitäten und unklare institutionelle Verhältnisse in Gastländern maßgeblich AIJ-Projekte<br />
im Entstehen und in der Durchführung behindert haben. Die GTZ sieht deshalb im<br />
Institutionenaufbau in Entwicklungsländern für den CDM eine entscheidende Aufgabe,<br />
um zügig und mit möglichst niedrigen Transaktionskosten zu guten CDM-Projekten zu<br />
kommen. Denn die meisten Entwicklungsländer sind noch nicht für den CDM bereit.<br />
Ausnahmen wie Costa Rica bestätigen diese Regel.<br />
2.4 Klimapolitische Beratung<br />
Die GTZ berät die Bundesregierung zu Fragen des internationalen Regelwerkes des<br />
CDM, so z. B. zur Abgrenzung von Kleinprojekten. Außerdem wirkt sie im Beirat des<br />
BMU/UBA-Projektes zur "Klimapolitischen Bewertung von JI- und CDM-Projekten" mit.<br />
Die Erfahrungen aus der Praxis der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit, wie oben<br />
beschrieben, sind für diese Beratung wertvolle Grundlage.<br />
Das Projekt "Procedures for accounting and baselines for projects under Joint Implementation<br />
and the Clean Development Mechanism" (PROBASE) der Europäischen Kommission<br />
wird vom Klimaschutz-Programm der GTZ ebenfalls fachlich begleitet. Das Projekt<br />
will seine Ergebnisse bis Ende 2002 vorlegen.<br />
3 Kernaufgabe: Aufbau von Institutionen<br />
3.1 Rahmensetzung für CDM-Projekte · Kyoto-Protokoll, Investorland ...<br />
Der CDM wird von vielen als ein Instrument wahrgenommen, mit dem emissionsmindernde<br />
Projekte sowie Aufforstungs- und Wiederaufforstungsprojekte in Entwicklungsländern<br />
einen zusätzlichen Anreiz erhalten. Wie attraktiv CDM-Projekte finanziell sind,<br />
kann wegen des bisher nicht etablierten Marktes schwer abgeschätzt werden. Die Projekte<br />
müssen den nicht ganz einfachen Regeln des CDMs entsprechen, die der Executive<br />
Board gerade verfeinert. Die Projekte müssen aber auch die inhaltlichen, administrativen<br />
und institutionellen Bedingungen im Gastland und im Investorland erfüllen.<br />
Das sogenannte Investorland könnte sich vielfach als reines Käuferland herausstellen,<br />
145
Workshop III<br />
Bereit für den CDM<br />
Technische Zusammenarbeit schafft Voraussetzung für CDM-Projekte in<br />
Entwicklungsländern<br />
Holger Liptow<br />
das nur die zertifizierten Emissionsreduktionen (CER) erwirbt, selbst aber keine Investitionen<br />
in CDM-Projekte vornimmt. Dennoch stellen beispielsweise das niederländische<br />
CERUPT-Programm sowie der Prototype Carbon Fund (PCF) der Weltbank ihre eigenen<br />
Bedingungen an diejenigen Projekte, von denen man CERs erwerben will. Man muss<br />
also die allgemeinen CDM-Regeln und die Bedingungen des Investors/Käuferlandes<br />
oder einer internationalen Institution wie der Weltbank erfüllen, wenn man als Projekteigner<br />
seine erwirtschafteten CERs veräußern will.<br />
... und im Gastland<br />
Darüber hinaus sind viele Entwicklungsländer dabei, Konditionalitäten für CDM-Projekte<br />
in ihrem Land auszuarbeiten. Die Regierungen wollen, dass der CDM der nachhaltigen<br />
Entwicklung des eigenen Landes dient. Die GTZ bietet Entwicklungsländern Unterstützung<br />
an, wenn sie ihren nationalen Rahmen abstecken und institutionelle Voraussetzungen<br />
schaffen wollen. Welche Fragen dabei wichtig sind, will ich nachfolgend erläutern.<br />
Der CDM selber, seine international vereinbarten Regeln und die möglichen Arrangements<br />
innerhalb von CDM-Projekten, werden in vielen Artikeln, Aufsätzen und Webseiten<br />
z. B. auch des Klimasekretariates (www.unfccc.int/cdm) umfassend behandelt, so<br />
dass ich an dieser Stelle darauf verzichte.<br />
Bild 2<br />
Institutionen-Entwicklung im Vordergrund<br />
Rahmenbedingungen für den CDM<br />
Dennoch zunächst ein Blick auf einen vereinfachten,<br />
übersichtlichen Projektzyklus für ein CDM-Projekt.<br />
(Details zum Projektzyklus findet der Leser auf den<br />
o. g. Webseiten des Klimasekretariates). In meiner<br />
Betrachtung zum Projektzyklus will ich die Schritte<br />
hervorheben, in denen die designierte Behörde des<br />
Gastlandes – laut Marrakesch-Beschluss "National<br />
Authority" genannt – eine Rolle spielen muss. Es wird<br />
aber auch auf solche Schritte hingewiesen werden,<br />
wo die "National Authority" und mit ihr verbundene<br />
Gremien und Organisationen eine Rolle spielen können<br />
oder sollten. Auf die wichtigen Schritte im Projektzyklus<br />
und wie die GTZ sie unterstützen kann,<br />
werde ich näher eingehen. Der Aufbau von personellen und institutionellen Kapazitäten<br />
steht für uns dabei immer im Vordergrund, denn der Kapazitätsaufbau ist das klassische<br />
Beratungsfeld der GTZ.<br />
146
Bereit für den CDM<br />
Technische Zusammenarbeit schafft Voraussetzung für CDM-Projekte in<br />
Entwicklungsländern<br />
3.2 Die Rolle der "National Authority" im Projektzyklus<br />
Pflichtaufgaben<br />
Eine Pflichtaufgabe der "National Authority" – nach dem Beschluss von Marrakesch – ist<br />
die Bestätigung, dass sich das Gastland mit dem jeweiligen Projekt freiwillig am CDM*<br />
beteiligt. Und die "National Authority" muss bestätigen, dass ein Projekt nach den Maßstäben<br />
des Gastlandes dazu beiträgt, dessen nachhaltige Entwicklung<br />
zu fördern. Stimmt die "National Authority" der Durchführung des Projektes<br />
zu, ist es auch ihre Pflicht sicherzustellen, dass die Umweltverträglichkeit<br />
eines Projektes hinreichend überprüft wurde. Formal wäre<br />
dies ausreichend als Beteiligung der "National Authority" im Projektzyklus.<br />
* Die Freiwilligkeit gilt natürlich für alle Projektbeteiligten.<br />
Es beginnt aber eine internationale Diskussion darüber, ob<br />
eine bestimmte Anzahl von CDM-Projekten von Annex-1-<br />
Staaten durchgeführt werden muss, damit alle Entwicklungsländer<br />
davon profitieren.<br />
Validierung, Registrierung, aber auch die Umsetzung des Projektes sowie die Überwachung<br />
der erreichten Emissionsreduktionen und deren anschließende Verifizierung, Zertifizierung<br />
und die Ausgabe der zertifizierten Emissionsreduktionen sind Aufgabe der<br />
Projektbeteiligten, der Zertifizierungsinstitutionen und des Executive Boards mit seinen<br />
Organen.<br />
Dass sich die (Umwelt)ministerien, zuständig für<br />
den Klimaschutz, über diese Pflichtaufgaben im<br />
Klaren sind und administrativ effektive Regelungen<br />
finden, die Aufgaben zu bewältigen, kann eine<br />
Beratungsleistung der GTZ beim Institutionen-<br />
Aufbau zum CDM sein. Darüber hinausgehende<br />
Aufgaben müssen sorgfältig überlegt werden, um<br />
keine hemmenden institutionellen Hürden aufzubauen.<br />
Projektzyklus<br />
Bild 3<br />
Einige Küraufgaben<br />
Ein CDM-Projekt wird dann positiv validiert – erhält<br />
also die offizielle Genehmigung, CERs zu erzeugen<br />
–, wenn der Zertifizierungsinstitution ein<br />
"Project Design Document" vorgelegt wird, in dem<br />
das CDM-Projekt umfassend und regelgerecht<br />
dargestellt wird. Dazu gehören beispielsweise ein<br />
begründetes Referenzszenarium und ein Überwachungsplan,<br />
nach dem die erreichten Emissionsreduktionen<br />
genau erfasst werden sollen. Während des Validierungsprozesses kann die<br />
"National Authority" den vorläufigen Bericht der Zertifizierungsinstitution kommentieren.<br />
Der Kommentar kann die Validierung maßgeblich beeinflussen, da Kommentare<br />
berücksichtigt werden müssen.<br />
147
Workshop III<br />
Bereit für den CDM<br />
Technische Zusammenarbeit schafft Voraussetzung für CDM-Projekte in<br />
Entwicklungsländern<br />
Holger Liptow<br />
Nach der Registrierung und der damit verbundenen Genehmigung des Projektes Emissionsrechte<br />
in Form von CERs zu produzieren, besteht durch die "National Authority"<br />
keine unmittelbare Eingriffsmöglichkeit mehr. Jedoch sollte sie die veröffentlichten Verifizierungsberichte<br />
regelmäßig zur Kenntnis nehmen. Nur so kann sie überprüfen, ob<br />
Projekte in der Durchführung tatsächlich zur nachhaltigen Entwicklung des Landes beitragen.<br />
Wenn die Projektbeteiligten mit der "National Authority" vereinbart haben, dass diese<br />
einen Teil der ausgestellten zertifizierten Emissionsreduktionen, beispielsweise als<br />
Gebühr oder Steuer erhält, dann werden durch die verantwortliche Stelle des Executive<br />
Boards dem Gastland auf seinem Konto die entsprechenden CERs gutgeschrieben. Es<br />
wäre sicherlich Aufgabe der "National Authority" zu entscheiden, wie mit den CERs umgegangen<br />
wird. Will man die CERs für spätere eigene Verpflichtungen nutzen, also "banken"<br />
oder international verkaufen – verkaufen an wen Wohin sollen mögliche Einnahmen<br />
fließen<br />
Bild 4<br />
CDM - Institutionen<br />
Bei der kurzen Beschreibung des Projektzyklus’ in Bild 3 sind alle anderen wesentlichen<br />
Instanzen benannt worden, die beteiligt werden müssen. Es sei noch darauf hingewiesen,<br />
dass die Validierung sowie die Verifizierung und Zertifizierung durch die "Operational<br />
Entity", die auch aus dem Gastland kommen kann, durchgeführt wird. Andere Beteiligte<br />
als die Projektträger, andere Vertragsparteien<br />
als das Gastland und bei der UNFCCC registrierte<br />
Nicht-Regierungsorganisationen können, vor allem<br />
während der Validierung, durch Kommentare Einfluss<br />
auf die Projektgestaltung nehmen.<br />
3.3 Elemente einer nationalen Förderstrategie<br />
Die "National Authority", wie immer sie jeweils strukturiert<br />
ist, kann selbstverständlich mehr tun, als nur<br />
ihre formale Pflicht im Projektzyklus und einige Küraufgaben.<br />
Kriterien für die Nachhaltigkeit<br />
Die "National Authority", und/oder das Umweltministerium<br />
– meist zuständig für den Klimaschutz –<br />
überlegen, wenn sie eine nationale CDM-Strategiestudie<br />
durchführen, in welchen Sektoren und welche Art von CDM-Projekten sie der Entwicklung<br />
eines Landes am besten dienen. Im Kontext dieser Überlegungen können auch<br />
Kriterien entwickelt werden, denen CDM-Projekte genügen müssen, wenn sie für die<br />
nachhaltige Entwicklung des Landes förderlich sein sollen. Nachfolgend sind einige Kriterienbereiche<br />
genannt, die qualitativ, z. T. auch quantitativ spezifiziert werden sollten.<br />
148
Bereit für den CDM<br />
Technische Zusammenarbeit schafft Voraussetzung für CDM-Projekte in<br />
Entwicklungsländern<br />
Mögliche Bereiche für Nachhaltigkeitskriterien (nach South-South-North-Project*) zu:<br />
• Umwelt (lokale Umweltverträglichkeit)<br />
• Soziales (Beschäftigung, Niedrigeinkommensgruppen,<br />
regionale und sektorale Integration)<br />
• Wirtschaft (Zahlungsbilanz, Kosteneffizienz, Maximierung<br />
der Effekte für das Gastland)<br />
• Technologie (Beitrag zur Selbständigkeit, Innovation und<br />
Wiederholbarkeit).<br />
* Ein Projekt von Organisationen und Institutionen<br />
aus Nicht-Annex-1-Staaten zur Förderung des CDM<br />
(www.southsouthnorth.org)<br />
Bei der Entwicklung dieser Nachhaltigkeitskriterien, die Investoren sicherlich gute orientierende<br />
Hinweise geben können, sollte beachtet werden, dass die Kriterien nicht zu eng<br />
gefasst werden. Ein zu schmales Kriterienband lässt potenziellen Investoren zu wenig<br />
Auswahlmöglichkeiten und wirkt nicht einladend. Das Gastland muss sich immer bewusst<br />
sein, dass CERs weltweit angeboten werden und Gastländer somit untereinander<br />
in Konkurrenz stehen Das Konkurrenzverhältnis gilt auch zu JI-Ländern und dem internationalen<br />
Emissionshandel.<br />
Struktur und Aufgaben einer "National Authority"<br />
Eine "National Authority" könnte, so beispielsweise die Vorstellungen in Indonesien, aus<br />
einem nationalen CDM-Board und einem CDM-Clearing House bestehen. Der CDM-Board<br />
wäre ein Unterkomitee des nationalen Klimakomitees, könnte aber mit dem Klimakomitee<br />
identisch sein. Folgende Aufgaben wären denkbar: Festlegen und Bearbeiten nationaler<br />
CDM-Politik und -Strategie, Richtlinien, Prozeduren, Genehmigungen für CDM-<br />
Projekte sowie Eingaben/Beschwerden. Die Mitglieder könnten Vertreter sein aus Ministerien<br />
(Umwelt, Energie, Wirtschaft, Entwicklung, Finanzen u. a.), Privatsektor,<br />
Industrie, Handelskammern und zudem aus Regionalregierungen (fallweise) und Nicht-<br />
Regierungsorganisationen, aber auch einzelne herausragende nationale CDM-Experten.<br />
Die Tagesarbeit bei der Vorbereitung und Abwicklung von CDM könnte im Auftrage des<br />
CDM-Boards ein Clearing House oder technisches Büro übernehmen. Es muss nicht<br />
notwendigerweise in einer staatlichen Verwaltung angesiedelt sein; außerhalb der staatlichen<br />
Bürokratie hätte es sicher größeren und schnelleren Handlungsspielraum.<br />
Ein umfangreicher Aufgaben-Katalog ist vorstellbar:<br />
• Sekretariat des CDM-Boards<br />
• Kontaktstelle, Ansprechpartner und Unterstützer für Investoren / Käufer<br />
• Angebot möglicher Projekte für Investoren<br />
• Förderung von CDM-Projektansätzen<br />
• Rahmenvereinbarungen mit einzelnen Investoren-/Käuferländern<br />
• Überwachung der Umweltverträglichkeitsaussagen und ggf. -prüfungen<br />
• Rechtsberatung für Investoren/Käufer<br />
• Abstimmung mit und Vermittlung zu anderen staatlichen Stellen<br />
149
Workshop III<br />
Bereit für den CDM<br />
Technische Zusammenarbeit schafft Voraussetzung für CDM-Projekte in<br />
Entwicklungsländern<br />
Holger Liptow<br />
• Vereinfachung der Modalitäten ("standardised baselines")<br />
• Aus- und Fortbildung zu CDM<br />
• Monitoring laufender CDM-Projekte<br />
• Öffentlichkeitsarbeit, Internetseite<br />
• und anderes mehr.<br />
Das Aufgabenspektrum sollte so bemessen sein, dass es den potenziellen internationalen<br />
Marktchancen des Landes entspricht. Im Grunde soll die "National Authority" den Investoren<br />
helfen, die Transaktionskosten für den Einzelfall zu senken. Das darf aber<br />
nicht dazu führen, dass die allgemeinen öffentlichen Aufwendungen für CDM-Projekte<br />
unnötig hoch sind. Wie beschrieben, sollen die nationalen Strategiestudien helfen, die<br />
jeweiligen Marktchancen abzuschätzen. Die GTZ sieht ihre Aufgabe darin, den Partner<br />
dabei zu beraten, die angemessenen Strukturen zu finden und aufzubauen. In Indonesien<br />
werden wir mit einem derartigen Projekt anfangen.<br />
3.4 Weitere Rahmenbedingungen zur Teilnahme am CDM<br />
An dieser Stelle sei nochmals auf die weiteren Teilnahmebedingungen für den CDM hingewiesen.<br />
Natürlich muss jede beteiligte Partei an einem CDM-Projekt das Kyoto-Protokoll<br />
letztendlich ratifiziert haben, und das Kyoto-Protokoll muss in Kraft gesetzt sein.<br />
Ein beteiligtes Annex-B-Land muss, wenn die im Projekt erzielten zertifizierten Emissionsreduktionen<br />
wirksam werden sollen, die Berechtigung zur Nutzung dieser CERs haben.<br />
Details dazu stehen in den Paragraphen 31 und 32 des Marrakesch-Beschlusses<br />
zum CDM; zu den Anforderungen gehört beispielsweise eine umfassende Berichtspflicht.<br />
Außerdem sind Vertragsparteien dazu verpflichtet, Verantwortung dafür zu<br />
übernehmen, dass die von ihnen für die Beteiligung am CDM zugelassenen privaten und<br />
öffentlichen CDM-Projektträger ihre Verpflichtungen erfüllen.<br />
4 Zukünftige Herausforderungen · CDM-Kleinprojekte ("Small scale projects")<br />
Die GTZ bearbeitet zum CDM zwar schon ein umfangreiches Spektrum von Themen und<br />
länderorientierten Projekten. Jedoch stehen weitere Herausforderungen bevor. So interessiert<br />
uns beispielsweise die Frage brennend, wie sich CDM-Kleinprojekte ökonomisch<br />
vertretbar realisieren lassen. Gibt es überhaupt Fälle, in denen sie unter den derzeitigen<br />
Preisen für CERs von unter 5 e pro t CO 2 ökonomisch vertretbar sind. Es geht hier um<br />
Projekte mit einer Leistung von weniger als 15 MW, bei erneuerbaren Energien oder mit<br />
einer Energieeinsparung unter 15 GWh pro Jahr oder mit einer Emissionsreduktion von<br />
weniger als 15 000 t CO 2 pro Jahr. In der Technischen Zusammenarbeit wird die Vorbereitung<br />
und Planung derartiger Projekte ohne CDM-Komponente vielfach unterstützt, da<br />
sie für die ländliche Energieversorgung von besonderer Bedeutung sind. Es besteht die<br />
Hoffnung, dass der CDM fördernd wirken könnte. Wir wollen die Chancen dafür ausloten.<br />
150
Bereit für den CDM<br />
Technische Zusammenarbeit schafft Voraussetzung für CDM-Projekte in<br />
Entwicklungsländern<br />
Ein schwieriges Thema sind für uns noch sogenannte Senkenprojekte, also Projekte in<br />
denen Kohlenstoff in Biomasse gebunden wird. Die Erwartungen im Forstbereich sind<br />
hoch, da man hofft, dass der CDM der Erhaltung von Wäldern sowie der Aufforstung<br />
und Wiederaufforstung hilft. Es sind aber noch etliche Abgrenzungsfragen offen, die erst<br />
beantwortet sein müssen, damit die klimapolitische Integrität von Senkenprojekten<br />
sicher gestellt wird. Wir arbeiten an diesen Fragen mit internationalen Partnern.<br />
Das vom BMZ geförderte Klimaschutz-Programm, aber auch viele andere Projekte und<br />
Aktivitäten der GTZ werden weiterhin und verstärkt Partner in Entwicklungsländern<br />
beraten, wie der CDM effektiv und effizient genutzt werden kann. Wir stellen dabei die<br />
Interessen unserer Partner oben an, werden aber auch künftig dafür sorgen, dass die<br />
Erfahrungen aus der internationalen Zusammenarbeit in die mögliche Nutzung des<br />
CDMs für die deutschen Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll zurückfließen. Wir kooperieren<br />
deshalb mit vielen Institutionen in Deutschland. Das Angebot an die deutsche<br />
Wirtschaft steht, mit uns beim CDM zusammenzuarbeiten; erste Partnerschaften bestehen.<br />
Wir sind für den CDM bereit.<br />
Informationsliste<br />
1. Klimaschutz-Programm für Entwicklungsländer (CaPP): www.gtz.de/climate<br />
2. Nationale Strategiestudie Indonesien:<br />
www.gtz.de/climate/deutsch/projects/countries/indonesia2.html<br />
3. CDM Marokko: www.gtz.de/climate/deutsch/projects/countries/marocco.html<br />
4. National Strategie Program, Weltbank: http://www-esd.worldbank.org/cc/<br />
5. Marrakesh Accords: www.unfccc.int/resource/docs.html<br />
(FCCC/CP/2001/13/Add.1-4)<br />
6. Klimasekretariat, Bonn, CDM-Seiten: www.unfccc.int/cdm<br />
151
Podiumsdiskussion<br />
Podiumsdiskussion<br />
Die Zukunft für marktorientierten<br />
Klimaschutz in NRW -<br />
Chancen, Risiken und<br />
Handlungsbedarf<br />
für das Bundesland<br />
und seine Wirtschaft<br />
Moderation:<br />
Michael Grytz<br />
Teilnehmer:<br />
Berthold Bonekamp<br />
Dr. Joachim Ehrenberg<br />
Staatssekretär Jörg Hennerkes<br />
Klaus Dieter Rennert<br />
Franzjosef Schafhausen<br />
Delia Villagrasa<br />
152
Anhang<br />
Anhang<br />
Hintergrundtext<br />
Flexible Instrumente der<br />
internationalen Kooperation<br />
im Klimaschutz<br />
Kurzbiografien<br />
aller Referenten,<br />
Moderatoren und<br />
Teilnehmer der<br />
Podiumsdiskussion<br />
Glossar<br />
153
Hintergrundtext<br />
Flexible Instrumente der Internationalen<br />
Kooperation im Klimaschutz<br />
Martin Kruska, Nils Steinbrecher, Ingo Puhl,<br />
Jörg Meyer, Astrid Schubert, Susanne Heßberger,<br />
Michael Hahn, Michael Klein<br />
Internationale Entwicklungen im Klimaschutz<br />
1992 wurde auf dem Umweltgipfel in Rio de Janeiro die UN Rahmenkonvention zum<br />
Schutz des Weltklimas (United Nations Framework Convention on Climate Change –<br />
UNFCCC) beschlossen. Unter dem Dach der Vereinten Nationen verpflichteten sich Industrie-,<br />
Schwellen- und Entwicklungsländer, einen "ihrer Verantwortung angemessenen<br />
sowie ihrer finanziellen und technischen Möglichkeiten entsprechenden differenzierten<br />
Beitrag" zum globalen Klimaschutz zu leisten. Die Klimarahmenkonvention trat am 21.<br />
März 1994 in Kraft. Bis zum September 2000 haben 186 Staaten ihren Beitritt zur Konvention<br />
ratifiziert. Auf den ersten Vertragsstaatenkonferenzen (Conferences of the Parties)<br />
COP 1 (1995) und COP 2 (1996) in Berlin und Genf wurde verhandelt, in welcher<br />
Form die Klimarahmenkonvention (KRK) umgesetzt werden kann.<br />
1<br />
Die Anlage B des Kyoto-Protokolls enthält eine Liste der<br />
Vertragsstaaten, für die eine quantifizierte, absolute Emissionsobergrenze<br />
für die Periode 2008 bis 2012 vereinbart wurde<br />
sowie die vereinbarte Emissionsmenge. Die in Anlage B<br />
des Kyoto-Protokolls enthaltene Länderliste entspricht bis<br />
auf zwei Ausnahmen der Annex I Liste der Klimarahmenkonvention.<br />
Sie umfasst alle in der OECD organisierten Industrieländer<br />
als auch die osteuropäischen Transformationsländer.<br />
Auf der COP 3 (1997) wurden im "Kyoto-Protokoll" ("Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen<br />
der Vereinten Nationen über Klimaveränderungen" vom 10.12.1997) verbindliche<br />
Begrenzungs- und Reduktionsverpflichtungen für "Anlage-B-Staaten" 1 festgelegt.<br />
Insgesamt verpflichten sich diese Länder dazu, ihre Emissionen der sechs "Kyoto-<br />
Gase" (Kohlendioxid, Methan, Distickstoffoxid, perfluorierte Kohlenstoffe (PFC),<br />
teilfluorierte Kohlenwasserstoffe (HFC) und Schwefelhexafluorid) bis zum<br />
Zeitraum 2008 bis 2012 im Vergleich zum Basisjahr 1990 um 5,2 % zu<br />
verringern. Die Europäische Union verpflichtete sich, die Emissionen dieser<br />
Treibhausgase in dem selben Zeitraum um 8 % zu reduzieren. EU-intern<br />
verpflichtete sich Deutschland im Rahmen der EU-Lastenverteilung<br />
("burdensharing") auf eine Reduktion um 21 %.<br />
Auf dieser Konferenz wurden die Grundlagen für die so genannten<br />
flexiblen Mechanismen (auch flexible Instrumente oder Kyoto-Mechanismen<br />
genannt) geschaffen, die es den Vertragsparteien ermöglichen sollen, ihre Reduktionsverpflichtungen<br />
möglichst kostengünstig zu erreichen.<br />
Das Kyoto-Protokoll tritt in Kraft, wenn mindestens 55 Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention<br />
– darunter mindestens so viele Annex-I-Staaten, dass 55 % der CO 2 -<br />
Emissionen der Annex-I-Länder (im Basisjahr 1990) erfasst sind – das Protokoll ratifiziert<br />
haben. Bis April 2002 sind insgesamt 110 Staaten dem Protokoll beigetreten,<br />
53 haben es ratifiziert, davon lediglich zwei Annex-I Länder.<br />
2<br />
Bonn Agreement for the Implementation of the Buenos<br />
Aires Plan of Action”, das offizielle Konsensdokument der<br />
COP 6.5 in Bonn.<br />
Die Erklärung der US Regierung Bush, das Kyoto-Protokoll nicht zu ratifizieren,<br />
hat zu einer neuen Kompromissbereitschaft der verbleibenden<br />
Vertragsstaaten geführt. Im so genannten "Bonner Beschluss" 2 wurden<br />
akzeptable Kompromisse formuliert, die eine Fortführung der internationalen<br />
Verhandlungen ermöglichten.<br />
154
Flexible Instrumente der Internationalen<br />
Kooperation im Klimaschutz<br />
Auf der COP7 in Marrakesch (29. Oktober bis 9. November 2001) wurden die Regeln für<br />
die Implementierung des Kyoto-Protokolls zumeist abschließend geklärt und die Ausgestaltung<br />
der flexiblen Mechanismen in den so genannten "Marrakesch Accords" konkretisiert.<br />
Nach übereinstimmender Meinung der Vertragsstaaten ermöglichen die Beschlüsse von<br />
Bonn und Marrakesch die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls bis zum "Weltgipfel für<br />
nachhaltige Entwicklung" ("Rio+10-Konferenz", die vom 26. August bis 4. September<br />
2002 in Johannesburg stattfinden wird) – selbst ohne Beteiligung der USA. Es wird damit<br />
gerechnet, dass die Parlamente der Vertragsstaaten das Ratifizierungsverfahren in<br />
den kommenden Monaten jeweils einleiten werden.<br />
Im März 2002 hat der Rat der Europäischen Union den Vorschlag der Kommission zur<br />
Ratifizierung angenommen. Auch in Deutschland ist das entsprechende Gesetzgebungsverfahren<br />
in Gang gesetzt worden.<br />
Währenddessen dauern die Versuche an, die USA zur Rückkehr zu den internationalen<br />
Verhandlungen zu bewegen.<br />
Die flexiblen Instrumente des Kyoto Protokolls<br />
Zu den wichtigsten Ergebnissen der Klimakonferenzen von Kyoto 1997 und Buenos<br />
Aires 1998 gehört die Entwicklung marktorientierter Instrumente, um gemeinsame<br />
Anstrengungen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen so wirtschaftlich wie möglich<br />
zu gestalten.<br />
Ansatz dieser so genannten flexiblen Mechanismen ist die Möglichkeit, Emissionsreduktionen<br />
entweder im eigenen Land durchzuführen, oder die Erbringung der geforderten<br />
Minderungsleistung an anderer Stelle zu finanzieren. Für die Umsetzung dieses Ansatzes<br />
sind drei Mechanismen vorgesehen, die sich in Bezug auf den Nachweis der Erbringung<br />
der Minderungsleistung sowie den Erbringungsort der Minderungsleistung unterscheiden.<br />
• Joint Impementation (JI)<br />
Joint Implementation (Gemeinsame Umsetzung) nach Artikel 6 KP erlaubt<br />
Anlage-B-Ländern (bzw. von Anlage-B-Ländern regulierten Anlagen/Betriebsstätten),<br />
Emissionsminderungsgutschriften 1 durch Investitionen in<br />
Maßnahmen in anderen Anlage-B-Ländern 2 zu erwerben. Die erbrachte Minderung<br />
kann sich der Käufer auf seine eigenen Reduktionsziele im Verpflichtungszeitraum<br />
anrechnen lassen.<br />
Die Quantifizierung der Minderungsleistung erfolgt durch Vergleich mit einem<br />
wahrscheinlichen "business-as-usual" Szenario, d.h. anrechenbar sind<br />
1<br />
für JI-Projekte werden sie "Emission Reduction<br />
Units" (ERU) genannt<br />
2<br />
Von JI abzugrenzen ist die Pilotphase für "Activities<br />
implemented jointly" (AIJ) die auf Basis der Klimarahmenkonvention<br />
durchgeführt werden. Diese Pilotphase<br />
wurde zur Erprobung der projektorientierten flexiblen<br />
Instrumente geschaffen und macht eine Anrechenbarkeit<br />
der erzielten Emissionsminderungen auf die Ziele<br />
des Kyoto-Protokolls von einer durch die COP noch zu<br />
treffenden Ergebnisauswertung der Pilotphase und<br />
daran anknüpfenden Entscheidung abhängig.<br />
155
Hintergrundtext<br />
Flexible Instrumente der Internationalen<br />
Kooperation im Klimaschutz<br />
nur Minderungsleistungen, die "zusätzlich" sind. Der Nachweis wird durch ein Berichtswesen<br />
erbracht und muss von einer unabhängigen Stelle validiert und zertifiziert werden.<br />
Eine Anrechnung ist ab dem Jahr 2008 möglich.<br />
1<br />
für CDM-Projekte werden sie Certified Emission<br />
Reductions (CER) genannt<br />
2<br />
Es wird auch der Begriff "Leap-frog-Effekt" verwendet:<br />
die Entwicklungsländer werden darin unterstützt, bei der<br />
Entwicklung ihrer nationalen Energiewirtschaft den<br />
Schritt der fossilen und nuklearen Energieversorgung zu<br />
überspringen und direkt in eine nachhaltige Energieversorgung<br />
einzusteigen.<br />
• Clean Development Mechanism (CDM)<br />
Der Clean Development Mechanism (Mechanismus für eine umweltverträgliche Entwicklung)<br />
ist in Artikel 12 des Kyoto-Protokolls verankert. Er erlaubt den Erwerb von Emissionsminderungsleistungen<br />
1 unter JI-ähnlichen Bestimmungen aus Investitionen<br />
in Ländern, welche die Klimarahmenkonvention unterzeichnet haben,<br />
aber nicht in Anlage B des Kyoto-Protokolls aufgeführt sind<br />
(Entwicklungsländer). Eine zusätzliche Bedingung für CDM Projekte ist<br />
der Nachweis eines positiven Beitrags zur nachhaltigen Entwicklung des<br />
Projektlandes. 2 Emissionsminderungen aus CDM-Projekten können bereits<br />
seit dem Jahr 2000 angerechnet werden.<br />
• Internationaler Emissionshandel<br />
Artikel 17 des Kyoto-Protokolls erlaubt einen internationalen Emissionshandel zwischen<br />
Anlage-B-Ländern (bzw. den von ihnen regulierten Anlagen). Im Unterschied zu den projektorientierten<br />
Instrumenten JI und CDM können im Rahmen des Emissionshandels<br />
die von einem Teilnehmer gehaltenen Emissionsberechtigungen gehandelt werden. Die<br />
Anzahl der Emissionsberechtigungen (assigned amount units, AAU) ergeben sich direkt<br />
aus der im Kyoto-Protokoll eingegangenen Minderungsverpflichtung. Teilnehmer haben<br />
lediglich dafür zu sorgen, dass sie am Ende einer Erfüllungsperiode eine ihren Emissionen<br />
entsprechende Menge an Emissionsberechtigungen an die zuständige Aufsichtsbehörde<br />
zurückgeben.<br />
Emissionsminderungsgutschriften aus CDM- und JI-Projekten können in den internationalen<br />
Handel mit Emissionsberechtigungen eingebracht werden und erhöhen die Marktliquidität.<br />
Entwicklungen innerhalb der Europäischen Union<br />
Ein wesentlicher Bestandteil des Europäischen Klimaschutzprogramms 3 vom 8. März<br />
2000 ist die Einführung eines EU-weiten Emissionshandels.<br />
3<br />
European Climate Change Program – ECCP<br />
4<br />
COM (2001) 581: Vorschlag für eine RICHTLINIE DES<br />
EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES über ein<br />
System für den Handel mit Treibhausgasemissionsberechtigungen<br />
in der Gemeinschaft und zur Änderung<br />
der Richtlinie 96/61/EG des Rates<br />
Am 23.10.2001 hat die Kommission einen Richtlinienvorschlag über einen Rahmen für<br />
den Handel mit Treibhausgasemissionen in der Europäischen Gemeinschaft<br />
vorgelegt 4 . Der Vorschlag sieht die Beteiligung von zunächst sechs<br />
Branchen in einer ersten, ergebnisoffenen Phase von 2005 bis 2007 vor, in<br />
der sich die Mitgliedsstaaten auf den im Jahre 2008 beginnenden internationalen<br />
Handel vorbereiten sollen. Im Anschluss an diese Phase sollen<br />
die Erfahrungen mit der Umsetzung überprüft und daraus resultierende<br />
156
Flexible Instrumente der Internationalen<br />
Kooperation im Klimaschutz<br />
Vorschläge erarbeitet werden. Die Beteiligung ist nach dem Richtlinienvorschlag in diesem<br />
Zeitraum für die Betreiber folgender Anlagen bzw. Standorte ("Installations") verpflichtend:<br />
• Energieaktivitäten, also Feuerungsanlagen mit einer Wärmenettozufuhr größer als<br />
20 MW (exklusive Müllverbrennungsanlagen) sowie Raffinerien und Koksöfen<br />
• Eisen- und Stahlerzeugung<br />
• Glas-, Keramik- und Baustoffindustrie (Ziegelöfen, Zementfabriken, Glasfabriken,<br />
Keramiköfen)<br />
• Papierherstellung und Papierfaserstoffe<br />
Damit werden insgesamt etwa 45 % der CO 2 -Emissionen der Europäischen Union erfasst.<br />
Die chemische Industrie wurde aufgrund der großen Zahl an Einzelstandorten und der<br />
geringen Emissionsmengen pro Standort nicht in den Richtlinienvorschlag aufgenommen.<br />
Nach wie vor sollen aber Großfeuerungsanlagen der Chemieindustrie in ein europäisches<br />
Emissionshandelssystem einbezogen werden. Schätzungen der Kommission<br />
zu Folge werden dabei etwa 50 % der CO 2 -Emissionen der Chemieindustrie erfasst werden.<br />
Der Vorschlag sieht nur die Berücksichtigung von direkten Emissionen vor, also die am<br />
Standort selbst emittierten Treibhausgase. Die bei der Stromerzeugung anfallenden<br />
Emissionen werden dem Energiesektor zugeordnet. Zudem soll vorerst eine Beschränkung<br />
auf die CO 2 -Emissionen erfolgen. Die übrigen fünf Kyoto-Gase bleiben einstweilen<br />
unberücksichtigt.<br />
Der Richtlinienvorschlag betont die Notwendigkeit eines einheitlichen Berichts- und<br />
Überwachungswesens sowie eines Sanktionssystems. Er überlässt andere wichtige Regelungen<br />
den Mitgliedsstaaten. Dazu gehören z. B. die Festlegung eines nationalen Zuteilungsplans<br />
(inklusive Festlegung eines Basisjahres), die Anrechnung frühzeitig durchgeführter<br />
Minderungsleistungen, das Bilden von Reserven für zukünftige Verpflichtungsperioden<br />
sowie die Beteiligung der Anlagen auf Basis spezifischer bzw. absoluter<br />
Emissionen.<br />
Klimaschutzaktivitäten in Deutschland<br />
1995 hat sich die Bundesregierung dazu verpflichtet, den deutschen CO 2 -Ausstoß bis<br />
zum Jahr 2005 um 25 % im Vergleich zu 1990 zu senken. Auch wenn nur das in Kyoto<br />
gesteckte Ziel (Reduktion um 21 %) bei Ratifizierung des Kyoto-Protokolls völkerrechtlich<br />
verbindlich wird, wurde in Deutschland in diesem Zusammenhang bereits vor Jahren<br />
ein breites Strategiebündel konzipiert, welches von freiwilligen Verpflichtungen einzelner<br />
Wirtschaftszweige über ökonomische Anreize bis hin zu ordnungs- und umweltrechtlichen<br />
Maßnahmen reicht. Dennoch kann auch das aktuelle nationale<br />
Klimaschutzprogramm der Bundesregierung allein laut Aussage des Sachverständigen-<br />
157
Hintergrundtext<br />
Flexible Instrumente der Internationalen<br />
Kooperation im Klimaschutz<br />
rates das Erreichen zumindest des 25 %-Ziels der Bundesregierung nicht gewährleisten.<br />
Im Jahre 1995 bzw. 1996 hat die deutsche Wirtschaft eine Erklärung zur Klimavorsorge<br />
abgegeben und sich verpflichtet, die spezifischen CO 2 -Emissionen bzw. den spezifischen<br />
Energieverbrauch der deutschen Wirtschaft bis zum Jahre 2005 gegenüber 1990<br />
um 20 % zu vermindern. Diese Selbstverpflichtung wurde von fünf Spitzenverbänden<br />
der deutschen Wirtschaft und 14 Verbänden des verarbeitenden Gewerbes getragen.<br />
Die sehr unterschiedlichen und heterogenen Vereinbarungen der deutschen Wirtschaft<br />
wurden harmonisiert und mündeten am 9. November 2000 in eine gemeinsame "Vereinbarung<br />
der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Wirtschaft<br />
zur Klimavorsorge". In dieser Vereinbarung wurden die Ziele dahingehend erweitert,<br />
dass nunmehr eine Reduzierung der spezifischen Treibhausgasemissionen bis 2012 um<br />
35 % und der spezifischen CO 2 -Emissionen bis 2005 um 28 % (jeweils im Vergleich zu<br />
1990) zugesagt wird.<br />
Mit der Unterzeichnung der Selbstverpflichtung erreichte die deutsche Wirtschaft eine<br />
Abwendung weiterführender ordnungsrechtlicher Maßnahmen zum Klimaschutz. Insbesondere<br />
konnte 1995 die Einführung einer Wärmenutzungsverordnung aufgehalten werden,<br />
von der die Industrie weitreichende Konsequenzen befürchtete.<br />
Im Gegensatz zum Ziel der Bundesregierung, im Rahmen des EU-Burdensharing, die<br />
nationalen Treibhausgasemissionen in absoluten Werten zu senken, sieht die Klimaschutzvereinbarung<br />
mit der deutschen Wirtschaft – auch in ihrer Neufassung vom November<br />
2000 – spezifische Minderungsziele vor. Die Einzelvereinbarungen der Verbände<br />
sehen inzwischen zumindest teilweise absolute Minderungsziele vor.<br />
Als weitere Maßnahme der Bundesregierung wurde am 1. April 1999 die Ökosteuer eingeführt.<br />
Am 18. Oktober 2000 hat die Bundesregierung ein nationales Klimaschutzprogramm<br />
verabschiedet. Darin bekräftigt sie ihr Festhalten am Ziel der Reduktion der CO 2 -Emissionen<br />
um 25 % von 1990 bis 2005, und es werden Obergrenzen für CO 2 -Emissionen<br />
einzelner Sektoren (Industrie, Verkehr, Haushalt und Kleinverbraucher) festgelegt sowie<br />
eine Reihe von Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele beschrieben. Auch die Auswirkungen<br />
der Ökosteuer werden darin berücksichtigt. Zudem wird betont, dass komplementär<br />
zu der Vielzahl an nationalen Maßnahmen die Nutzung der "flexiblen Instrumente"<br />
zu einer weiteren, insbesondere kostengünstigen Minderung der Treibhausgasemissionen<br />
beitragen soll. Die Bundesregierung begrüßt in diesem Zusammenhang die Diskussion<br />
über die Einführung von Emissionshandelssystemen und bekräftigt, dass das<br />
Thema Emissionshandel gemeinsam mit der Wirtschaft weiterverfolgt werden soll. In<br />
diesem Rahmen soll auch die Anrechnung und der Handel mit projektbezogenen Emissionsminderungsgutschriften<br />
(aus JI- und CDM-Projekten) untersucht werden.<br />
158
Flexible Instrumente der Internationalen<br />
Kooperation im Klimaschutz<br />
• Stand der Diskussion in Deutschland zum Emissionshandel<br />
Im nationalen Klimaschutzprogramm vom 18. Oktober 2000 hat die Bundesregierung<br />
ausdrücklich die Diskussion um die Einführung von Emissionshandelssystemen begrüßt.<br />
In ihrer "Stellungnahme zur Einführung eines EU-weiten Handels mit Treibhausgasen"<br />
vom 18. September 2001 unterstreicht die Bundesregierung allerdings ihre Forderung,<br />
dass durch die Einführung eines EU-weiten Emissionshandels das deutsche Klimaschutzprogramm<br />
in seiner Effektivität nicht beeinträchtigt werden dürfe. Sie<br />
befürwortet weiterhin eine Pilotphase bis 2007 für zunächst nicht näher spezifizierte<br />
emissionsintensive Anlagen. Die Teilnahme an der Pilotphase soll diesen Anlagen freigestellt<br />
werden, die Erstzuteilung von Emissionsrechten soll kostenlos erfolgen (so genanntes<br />
"Grandfathering"). Zudem wird in der Stellungnahme vorgeschlagen, die Teilnahme<br />
der Kraftwerke auf Basis ihrer direkten Emissionen vorzusehen und Emissionsminderungseinheiten<br />
aus CDM- und JI-Projekten grundsätzlich in das Handelssystem<br />
mit aufzunehmen.<br />
Um die den Emissionshandel betreffenden Aktivitäten in Deutschland zu bündeln, wurde<br />
unter Federführung des Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit<br />
zusammen mit Vertretern der Wirtschaft und anderen interessierten Akteuren<br />
die nationale "Arbeitsgruppe Emissionshandel zur Bekämpfung des Treibhauseffektes<br />
(AGE)" eingerichtet. In einer ersten Phase wurde in dieser Gruppe insbesondere an der<br />
Abstimmung einer gemeinsamen Position zum Richtlinienvorschlag der EU gearbeitet.<br />
Seitens der Industrie fällt die Resonanz auf die geplante Einführung eines EU-weiten<br />
Emissionshandels uneinheitlich aus. Dies beruht zum einen auf dem unterschiedlichen<br />
Wissensstand der Unternehmen zum Thema Emissionshandel, zum anderen auf den<br />
unterschiedlichen Aktivitäten der deutschen Industrie. Verschiedene Vertreter der Wirtschaft<br />
sind an der genannten AGE beteiligt und verfügen daher über eine gute Kenntnis<br />
des Emissionshandels. Andere Verbände stützen sich lediglich auf ihre Selbstverpflichtungserklärung<br />
zum Klimaschutz. Die Industrieunternehmen zeigen derzeit noch keine<br />
klare Präferenz für ein bestimmtes umweltpolitisches Instrument, vor allem für die konkrete<br />
Ausgestaltung eines Emissionshandelssystems. Zu diesem Ergebnis kommt auch<br />
eine im März 2002 veröffentlichte Untersuchung des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt,<br />
Energie unter dem Titel "Meinungen in der deutschen Industrie zur Einführung eines<br />
Emissionshandels". Diese Veröffentlichung legt vor allem die große Meinungsvielfalt<br />
der deutschen Industrieunternehmen zum Thema Emissionshandel dar.<br />
Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) hat im Auftrag der<br />
Industrie-Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) eine Untersuchung mit dem<br />
Titel "Zertifikatehandel für CO 2 -Emissionen auf dem Prüfstand – Ausgestaltungsprobleme<br />
des Vorschlags der EU für eine Richtlinie zum Emissionshandel" durchgeführt. Ergebnisse<br />
des Zwischenberichts legen dar, dass eine einheitliche Stellungnahme der Wirtschaftsverbände<br />
zum EU Richtlinienvorschlag nicht zu erwarten ist. Begründet wird<br />
159
Hintergrundtext<br />
Flexible Instrumente der Internationalen<br />
Kooperation im Klimaschutz<br />
dies vor allem durch die negative ökonomische Wirkung des Emissionshandels für<br />
Wachstum und Beschäftigung, der laut RWI so nicht zu einer Effizienzsteigerung in der<br />
Klimavorsorgepolitik beitragen könne.<br />
• Aktivitäten der Bundesländer<br />
Auf Länderebene sind in Deutschland unterschiedliche Aktivitäten zu verzeichnen, die<br />
insbesondere auf eine frühzeitige Beschäftigung mit dem Thema Emissionshandel abzielen.<br />
Hessen<br />
Das Hessische Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Forsten (HMULF) führte in<br />
Kooperation mit der Deutschen Ausgleichsbank (DtA) eine CO 2 -Emissionshandelssimulation<br />
für hessische Unternehmen durch. Dieses Projekt war europaweit das erste seiner<br />
Art und wurde im Juli 2001 abgeschlossen. Neben größeren Industriebetrieben aus<br />
unterschiedlichen Branchen (Energieversorgung, Verkehr, chemische Industrie, Kalkindustrie<br />
u.a.) nahmen an der Simulation auch mittelständische Unternehmen teil.<br />
Ziele des Projektes waren unter anderem die praxisnahe Gestaltung handelsorientierter<br />
Klimaschutzinstrumente, die Ermittlung von Transaktionskosten sowie der Abbau unternehmensinterner<br />
Hemmnisse zur Ermöglichung der Marktteilnahme. Acht hessische<br />
Unternehmen konnten sich durch die Teilnahme an der Simulation auf die Einführung<br />
marktorientierter Klimaschutzinstrumente vorbereiten.<br />
Im Februar diesen Jahres wurde als Gemeinschaftsinitiative des Hessischen Umweltministeriums<br />
mit der Deutschen Ausgleichsbank (DtA), der Dresdner Bank AG dem Höchster<br />
Unternehmen Infraserv, der Deutschen Telekom AG und der Tochter der Deutschen<br />
Börse xlaunch AG das Pilot- und Demonstrationsvorhaben "Hessen-Tender" gestartet.<br />
Durch dieses Projekt werden Unternehmen mit Standorten in Hessen konkrete Anreize<br />
zur Vermeidung von CO 2 -Emissionen gegeben. Dies wird durch den Aufkauf zertifizierter<br />
Emissionsminderungsgarantien erfolgen. Eine Auktion soll einen möglichst aussagekräftigen<br />
Markttest gewährleisten. Für den Aufkauf der Emissionsgutschriften stehen<br />
derzeit 1,3 Mio. e zur Verfügung. Der von den Initiatoren angestrebte Preiskorridor für<br />
Emissionsminderungsgarantien liegt zwischen 2 und 10 e pro Tonne CO 2 .<br />
Baden-Württemberg<br />
Das Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg unterstützt Pilotprojekte<br />
deutscher Unternehmen zu den Kyoto-Mechanismen. Ziel ist es, praktische Erfahrungen<br />
mit den flexiblen Instrumenten zu sammeln und den in Baden-Württemberg ansässigen<br />
Unternehmen die Chance zu geben, anhand von Praxisbeispielen Erfahrungen zu sammeln<br />
und sich mit den Kyoto-Mechanismen vertraut zu machen. U. a. wurde ein Handbuch<br />
für Unternehmen erstellt, das die notwendigen Schritte für eine Teilnahme an<br />
CDM/JI-Projekten und am Emissionshandel beschreibt. Seit kurzem wird in Baden-<br />
Württemberg ein Pilotprojekt zum Emissionshandel durchgeführt. In dessen Verlauf<br />
sollen etwa 15 Unternehmen aus verschiedenen Branchen verschiedene Szenarien eines<br />
160
Flexible Instrumente der Internationalen<br />
Kooperation im Klimaschutz<br />
Emissionshandels unter wissenschaftlicher Anleitung durchspielen. Die Simulation soll<br />
im September 2002 abgeschlossen sein und Ergebnisse für den politischen Gestaltungsprozess<br />
liefern.<br />
Schleswig-Holstein<br />
Im Rahmen des Baltic-Chain-Projektes bereitet die Energiestiftung Schleswig-Holstein<br />
(ESSH) JI-Projekte mit den Ostsee-Anrainerstaaten vor.<br />
Im Mai 2002 beginnt auf Initiative der Energiestiftung Schleswig-Holstein (ESSH) das<br />
Pilotprojekt "Emissionshandel Nord". Der Schwerpunkt des Projektes liegt auf der Vorbereitung<br />
der schleswig-holsteinischen Wirtschaft auf die Einführung eines Emissionshandelssystem.<br />
In zunächst zwei Projektphasen sollen die Voraussetzungen für die Teilnahme<br />
an einem künftigen Emissionshandel geschaffen und eine Emissionshandelssimulation<br />
durchgeführt werden. Den Unternehmen steht es offen, das Projekt zu einem<br />
Handel mit realen Emissionsminderungsgutschriften und Emissionsrechten weiterzuentwickeln<br />
und sich bei der Einführung des europäischen Emissionshandelssystem<br />
fachkundig begleiten zu lassen. Durch die frühzeitige Vorbereitung auf einen neuen<br />
Markt sollen die Unternehmen in der Lage sein, Wettbewerbsvorteile als so genannte<br />
"early mover" oder Frühvermeider zu realisieren.<br />
Niedersachsen<br />
Das Niedersächsische Umweltministerium und die Unternehmerverbände Niedersachsen<br />
(UVN) haben zur frühzeitigen Vorbereitung auf den Handel mit Emissionsrechten<br />
die Gründung einer Niedersächsischen Arbeitsgruppe Emissionshandel, die sich intensiv<br />
mit diesem neuen Instrument und den Auswirkungen für die niedersächsische Wirtschaft<br />
befassen soll, beschlossen. Damit soll verhindert werden, dass der niedersächsischen<br />
Industrie aufgrund der bisher fehlenden Erfahrung mit Emissionshandel Wettbewerbsnachteile<br />
erwachsen. Zugleich soll dafür Sorge getragen werden, dass die sich<br />
bietende Flexibilität des Emissionshandels genutzt wird.<br />
Des Weiteren planen die UVN, in Partnerschaft mit der Landesregierung ein flankierendes<br />
Pilotprojekt zur Vorbereitung der niedersächsischen Wirtschaft auf einen Emissionshandel<br />
mit Treibhausgasen durchzuführen. Dieses Projekt soll parallel mit anderen<br />
Landesaktivitäten und in Abstimmung mit dem auf deutscher Ebene stattfindenden<br />
Prozessen durchgeführt werden.<br />
Bayern<br />
Im Umweltpakt II unterstützt die bayerische Wirtschaft das Ziel der Staatsregierung,<br />
die jährlichen CO 2 -Emissionen in Bayern bis 2010 auf rund 80 Mio. t zu verringern. Als<br />
zentrale Maßnahmen im Rahmen des Klimadialog Bayern sind die Einrichtung eines<br />
Monitoringsystems zur Erfassung und Bewertung betrieblicher Klimaschutzmaßnahmen<br />
und die Einrichtung eines Klimaschutzkatasters vorgesehen. Damit soll die Anre-<br />
161
Hintergrundtext<br />
Flexible Instrumente der Internationalen<br />
Kooperation im Klimaschutz<br />
chenbarkeit freiwilliger Klimaschutzmaßnahmen auf künftige Verpflichtungen gewährleistet<br />
werden. Monitoringssystem und Klimaschutzkataster sollen ergänzt werden<br />
durch fördernde und unterstützende Maßnahmen für Klimaschutzaktivitäten, insbesondere<br />
von CDM- und JI-Projekten, sowie Maßnahmen zur umfassenden Informationsbereitstellung<br />
und -austausch.<br />
Nordrhein-Westfalen<br />
Nordrhein-Westfalen hat im September vergangenen Jahres das Klimaschutzkonzept<br />
NRW vorgelegt, um damit einen Beitrag zu den gemeinsamen Anstrengungen zum<br />
Klimaschutz in Europa zu leisten. In diesem Klimaschutzkonzept NRW konnte die Landesregierung<br />
aufzeigen, dass die quantifizierbaren Klimaschutzmaßnahmen in Nordrhein-<br />
Westfalen auf der Berechnungsgrundlage des Klimaschutzprogramms des Bundes ein<br />
Minderungspotenzial von über 30 Millionen Tonnen CO 2 jährlich haben. Dies entspricht<br />
etwa der Hälfte dessen, was gemäß dem Klimaschutzprogramm der Bundesregierung<br />
vom Oktober 2000 zur Erreichung des 21 %-Ziels im Jahr 2005 fehlen wird, wenn gegenüber<br />
dem Stand vom Jahr 2000 keine weiteren Maßnahmen ergriffen werden.<br />
Ein wichtiger Baustein der umfangreichen Klimaschutzaktivitäten des Landes Nordrhein-Westfalen<br />
ist der erste Klimaschutzkongress NRW am 22. Mai 2002.<br />
Nationale Aktivitäten in weiteren Ländern Europas<br />
Großbritannien<br />
In Großbritannien startete am 1. April 2001 ein nationales Handelssystem für Emissionsrechte,<br />
zusammen mit der Einführung einer Energie- bzw. Klimasteuer (Climate<br />
Change Levy – CCL). Britische Unternehmen, die der Emissions Trading Group angehören,<br />
sollen auf nationaler Ebene den Handel mit Emissionszertifikaten nutzen, um<br />
kostengünstig die im Kyoto-Protokoll vereinbarten Reduktionsziele zu erreichen. Dieses<br />
System basiert auf einer freiwilligen Teilnahme der Unternehmen und es sind derzeit<br />
sowohl absolute als auch spezifische (auf die Produktionsmenge bezogene) Minderungsziele<br />
zugelassen. Der Vorteil für die Unternehmen besteht wahlweise in einem Zuschuss<br />
zu Emissionsvermeidungsmaßnahmen durch die Regierung oder in der Ermäßigung<br />
der Energiesteuer um 80 %.<br />
Die britische Regierung schätzt das Potenzial eines erfolgreichen Handelssystems so<br />
ein, dass im Jahre 2010 bis zu 7,7 Mio. Tonnen CO 2 pro Jahr einzusparen sind. Mittelfristig<br />
wird dieses System an ein europäisches Emissionshandelssystem anzupassen<br />
sein, so dass wesentliche Änderungen zu erwarten sind.<br />
Im Rahmen einer ersten inversen Auktion von Emissionsrechten im März diesen Jahres<br />
haben an diesem System teilnehmende Unternehmen zusätzliche Emissionsminderungen<br />
von mehr als 4 Millionen Tonnen CO 2 -Äquivalente über einen Zeitraum von 5 Jahren zugesagt.<br />
Hiermit haben diese Unternehmen freiwillig ein absolutes Emissionsziel angenommen.<br />
162
Flexible Instrumente der Internationalen<br />
Kooperation im Klimaschutz<br />
Dänemark<br />
Dänemark startete im Januar 2001 einen Handel mit CO 2 -Emissionsrechten, der sich<br />
zunächst nur auf neun Energieversorgungsunternehmen beschränkt. 90 % der Emissionen<br />
des dänischen Elektrizitätssektors sollen dabei erfasst werden, wobei eine Reduktion der<br />
CO 2 -Emissionen um 13 % bis zum Jahr 2003 angestrebt wird. Die Emissionszertifikate<br />
wurden auf Grundlage einer kostenlosen Erstzuteilung ausgegeben. Als Berechnungsgrundlage<br />
wurden die durchschnittlichen Emissionen der Jahre 1994 bis 1998 ermittelt.<br />
Bis 2003 soll sich ein funktionierendes Handelssystem für CO 2 -Emissionsrechte<br />
etabliert haben. Bis zum Frühjahr 2002 fand allerdings bisher nur eine Transaktion statt.<br />
Niederlande<br />
Das "Eru-PT"-Programm (Emission Reduction Units Procurement Tender) der niederländischen<br />
Regierung unterstützt Unternehmen in Zentral- und Osteuropa finanziell bei<br />
Projekten (JI) zur Steigerung der Energieeffizienz und der Nutzung regenerativer Energiequellen,<br />
Projekten zur Abfallbehandlung und Maßnahmen zur Aufforstung. Die Regierung<br />
kauft dabei die Emissionsreduktionseinheiten, die aus diesen Projekten<br />
während der ersten Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls von 2008 bis 2012 resultieren.<br />
Ziel ist es, die für die Niederlande schwierige Zielerreichung innerhalb der EU-<br />
Lastenverteilung im Inland durch den Erwerb von projektbezogenen Minderungsgutschriften<br />
aus dem EU-Ausland zu erleichtern und gleichzeitig die Machbarkeit derartiger<br />
Projekte zu fördern und ihre Umsetzung zu beschleunigen. Die Mindestprojektgröße<br />
ist auf 500.000 Tonnen CO 2 -Äquivalente festgelegt. In einer ersten Ausschreibungsrunde<br />
im Jahr 2000 wurden Verhandlungen mit 7 Projektanbietern aufgenommen, mit 5<br />
Projektanbietern wurde die Lieferung von 4,2 Millionen Tonnen CO 2 -Minderungen zu einem<br />
Preis von 8,46 e pro Tonne CO 2 vereinbart. In einer zweiten Runde qualifizierten<br />
sich insgesamt 18 Projekte mit einem Lieferpotenzial von 22,9 Millionen Tonnen CO 2<br />
(jeweils bezogen auf die erste Verpflichtungsperiode).<br />
Im Jahr 2001 startete die niederländische Regierung das "CERUPT"-Programm (Certified<br />
Emission Reduction Units Procurement Tender), welches entsprechend dem "Eru-<br />
PT"-Programm die Unternehmen bei CDM-Projekten in Entwicklungsländern unterstützt.<br />
Gemäß der Festlegungen der "Marrakesch-Accords" können Emissionsreduktionen<br />
von CDM-Projekten im CERUPT-Programm bereits vor 2008 angerechnet werden.<br />
Die festgelegte Mindestprojektgröße beträgt 100.000 Tonnen CO 2 -Äquivalente. Für die<br />
erzeugten Emissionsminderungen (CERU) im Rahmen dieses Programms ist ein Maximalpreis<br />
von 5,5 Euro festgelegt.<br />
Insgesamt wird die niederländische Regierung mit den Ausschreibungen im Rahmen<br />
von Eru-PT, CERUPT und ähnlichen Programmen eine Gesamtsumme von ca. 500 Mio.<br />
EUR für projektbezogene Klimaschutzmaßnahmen zur Verfügung stellen.<br />
163
Kurzbiografien<br />
Referenten, Moderatoren und Teilnehmer der<br />
Podiumsdiskussion stellen sich vor<br />
Kurzbiografien<br />
Dr. Gerhard Berz<br />
Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft,<br />
München<br />
ist seit 1974 bei der Münchener Rückversicherung<br />
tätig und leitet den Bereich GeoRisikoForschung.<br />
Er ist unter anderem im Vorstand des<br />
Deutschen Komitees für Katastrophen-Vorsorge,<br />
Mitglied des Intergovernmental Panel on Climate<br />
Change (IPCC) und des Welt-Wetter Forschungsprogramms.<br />
Zudem ist er externer Berater der<br />
EU-Komission im 5. Europäischen Forschungsprogramm.<br />
Franzjosef Schafhausen<br />
BMU, Berlin<br />
war im Bundesministerium des Inneren<br />
zunächst für den Bereich "Ökologie und Ökonomie"<br />
zuständig und seit 1987 für die Bereiche<br />
"Klimaschutzprogramm der Bundesregierung"<br />
und "Umwelt und Energie". Heute ist er Leiter<br />
der Arbeitsgruppe Z II 6 "Nationales Klimaschutzprogramm,<br />
Umwelt und Energie" im Bundesministeriums<br />
für Umwelt, Naturschutz und<br />
Reaktorsicherheit, Berlin, sowie Vorsitzender der<br />
interministeriellen Arbeitsgruppe "CO 2 -Reduktion"<br />
und der Arbeitsgruppe "Emissionshandel zur<br />
Bekämpfung des Treibhauseffekts".<br />
Dr. Joachim K. Ehrenberg<br />
Europäische Kommission, Brüssel<br />
ist seit 1988 als wissenschaftlicher Referent der<br />
Europäischen Kommission tätig. Seit 1998<br />
Hauptverwaltungsrat in der General Direktion<br />
"Unternehmen" der europäischen Kommission,<br />
zunächst in der Abteilung Chemie, seit 2001 in<br />
der Abteilung "Umweltaspekte der Unternehmenspolitik".<br />
Dort ist er zuständig für alle Belange<br />
im Zusammenhang mit dem Klimaschutz,<br />
insbesondere dessen Auswirkungen auf Unternehmen.<br />
Dr. Henning Rentz<br />
RWE AG, Essen<br />
ist Leiter der Abteilung Umweltkoordination der<br />
RWE AG. Er ist unter anderem zuständig für die<br />
Koordination der Umweltschutzaktivitäten im<br />
Konzern sowie für umweltrelevante Themen und<br />
Aufgaben mit konzernübergreifendem Charakter<br />
wie z.B. Klimaschutz.<br />
Prof. Dr. Dieter Ameling<br />
Wirtschaftsvereinigung Stahl, Düsseldorf<br />
ist seit April 1998 geschäftsführendes Vorstandsmitglied<br />
des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute<br />
(VDEh) und Mitglied der Hauptgeschäftsführung<br />
der Wirtschaftsvereinigung Stahl<br />
in Düsseldorf. Seit April 2000 ist Prof. Ameling<br />
Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl und<br />
Vorsitzender des Verein Deutscher Eisenhüttenleute<br />
(VDEh).<br />
Dr. Martin Schneider<br />
Verein Deutscher Zementwerke, Düsseldorf<br />
studierte Physik in Mainz und Bonn. Nach vierjähriger<br />
wissenschaftlicher Tätigkeit in Bonn und<br />
den USA kam er 1991 zum Forschungsinstitut<br />
der Zementindustrie, wo er zunächst für die Bereiche<br />
Umweltschutz und Zementchemie verantwortlich<br />
war. 1998 wurde er Geschäftsführer des<br />
Vereins Deutscher Zementwerke, seit Januar<br />
2000 ist er Hauptgeschäftsführer des VDZ und<br />
Leiter des Forschungsinstituts.<br />
Dr. Hermann Ott<br />
Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie,<br />
Wuppertal<br />
ist Leiter der Abteilung Klimapolitik des Wuppertal<br />
Instituts für Klima, Umwelt und Energie.<br />
Nach einer Tätigkeit als Rechtsanwalt promovierte<br />
er zum Dr. jur. mit einer Arbeit über "Umweltregime<br />
im Völkerrecht". Als Ko-Autor veröffentlichte<br />
er einen umfassenden Kommentar in deutscher,<br />
englischer und japanischer Sprache zur<br />
internationalen Klimapolitik. Von November<br />
2000 bis Juni 2001 war er im Planungsstab des<br />
Auswärtigen Amtes zuständig für die Konzeption<br />
einer "Umweltaußenpolitik" des Ministeriums.<br />
Dr. Jürgen Engelhard<br />
Reinbraun AG, Köln<br />
studierte Physik in Bonn und Heidelberg. Von<br />
1971 bis 1975 war er Mitarbeiter der Arbeitsgemeinschaft<br />
Versuchsreaktor GmbH, Düsseldorf.<br />
Seit 1975 ist er bei der RWE Rheinbraun AG<br />
tätig, u.a. als Umweltschutzbeauftragter, als Leiter<br />
der Kraftwerksabteilung und des Bereichs Forschung<br />
und Entwicklung. Seit Anfang 2001 ist<br />
er Vorstandsbeauftragter für politische Fragen.<br />
Dr. Karlheinz Berg<br />
Deutsche Shell Chemie GmbH, Eschborn<br />
ist promovierter Chemiker und war 30 Jahre in<br />
Deutschland und im Ausland für die Deutsche<br />
Shell tätig, darunter mehrere Jahre im Bereich<br />
Rohölverarbeitung (Produktion, Technologie,<br />
Umwelttechnologie, Planung und Inbetriebnahme<br />
von Großprojekten) sowie im Bereich Marketing<br />
(Petro-Chemieprodukte). Von 1992 bis 2001 war<br />
er Geschäftsführer der Deutschen Shell Chemie.<br />
Seit Dezember 2001 ist er als Pensionär in beratender<br />
Funktion für die Deutsche Shell tätig.<br />
Dr. Jochen Rudolph<br />
Degussa AG, Düsseldorf<br />
ist Leiter des Konzernbereichs Umwelt, Sicherheit,<br />
Gesundheit und Qualität der Degussa AG,<br />
Düsseldorf. Er ist seit mehr als 20 Jahren in verschiedenen<br />
Funktionen im Unternehmen für Umwelt-<br />
und Sicherheitsfragen einschließlich des<br />
Klimaschutzes verantwortlich. Als Mitglied und<br />
Leiter nationaler und internationaler Gremien<br />
arbeitet er an der Lösung umweltpolitischer Fragestellungen<br />
und der Gestaltung moderner Managementsysteme<br />
mit.<br />
164
Kurzbiografien<br />
Referenten, Moderatoren und Teilnehmer der<br />
Podiumsdiskussion stellen sich vor<br />
Dr. Gerhard Sohn<br />
Gesamtverband Steinkohlenbergbau, Essen<br />
studierte Wirtschaftswissenschaften und war<br />
anschließend wissenschaftlicher Assistent.<br />
1971 promovierte er zum Dr. rer. pol.<br />
Von 1972 – 1999 war er in der Landesregierung<br />
NRW (Staatskanzlei, Wirtschaftsministerium)<br />
in verschiedenen Funktionen und Bereichen der<br />
Wirtschafts-, Energie- und Umweltpolitik tätig.<br />
Seit 1999 ist er geschäftsführendes Vorstandsmitglied<br />
des Gesamtverbandes des deutschen<br />
Steinkohlenbergbaus.<br />
Dr. Thomas Kreuder<br />
RAG Aktiengesellschaft, Essen<br />
ist Leiter des Zentralbereich Zentralstab/<br />
Internationale Koordination bei der RAG<br />
Aktiengesellschaft in Essen.<br />
Heinrich Lohmann<br />
Umweltkontor Renewable Energy AG,<br />
Erkelenz<br />
gründete 1995 zusammen mit Leo Noethlichs<br />
die Umweltkontor Unternehmensgruppe und<br />
widmete sich dem gesamten Spektrum der<br />
erneuerbaren Energien. Bis zum Jahr 2001<br />
entwickelte die im Nemax 50 notierte profitable<br />
Unternehmensgruppe über 300 Windenergieanlagen<br />
mit einer Gesamtleistung von mehr<br />
als 300 Megawatt.<br />
Klaus Dieter Rennert<br />
Babcock Borsig Power Energy GmbH,<br />
Oberhausen<br />
war zunächst nach seinem Studium des<br />
Maschinenbaus bei der L.&C. Steinmüller GmbH<br />
in verschiedenen Positionen u.a. als Leiter der<br />
Abteilung Kraftwerkstechnik, später auch als<br />
Geschäftsführer tätig. Seit Mai 1999 ist er<br />
Vorsitzender der Geschäftsführung der Babcock<br />
Borsig Power Energy GmbH und Mitglied der<br />
Geschäftsführung der Babcock Borsig Power<br />
GmbH.<br />
Delia Villagrasa<br />
e5 - European Business Council for a Sustainable<br />
Energy Future, Brüssel, Belgien<br />
hat an der Universität von St. Gall Wirtschaftsund<br />
Sozialwissenschaften studiert, bevor sie<br />
beim WWF International die Koordination für<br />
verschiedene Aufgabenbereiche (u.a. Analyse<br />
von internationalen Umweltvereinbarungen, Zusammenarbeit<br />
mit anderen NGO`s, Planung und<br />
Umsetzung von Aktivitäten des WWF International)<br />
übernahm. Beim Climate Network Europe in<br />
Brüssel war sie danach als Geschäftsführerin<br />
zuständig für die Klimaschutz-Aktivitäten der<br />
Europäischen Union. Seit 2002 ist sie Geschäftsführerin<br />
der e5 - European Business Council for<br />
a Sustainable Energy Future.<br />
Rüdiger Schweer<br />
Hessisches Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft<br />
und Forsten, Wiesbaden<br />
war nach seinem Studium der Energietechnik<br />
zunächst als freier Energieberater, wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter, und später auch als Geschäftsführer<br />
verschiedener Energie-Consulting-Firmen<br />
tätig. 1991 wechselte er als Referatsleiter "Energiekonzepte,<br />
Energiedienstleistungen" in die Energieabteilung<br />
des Hessischen Umweltministeriums<br />
und ist seit März 2000 Referatsleiter "Klimaschutz"<br />
des heutigen Hessischen Ministeriums für<br />
Umwelt, Landwirtschaft und Forsten.<br />
Dr. Klaus Oppermann<br />
Kreditanstalt für Wiederaufbau<br />
Frankfurt a. M.<br />
studierte Volkswirtschaftslehre in Lyon (Frankreich)<br />
und Frankfurt. Er arbeitete als wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter an der Universität Frankfurt, wo er<br />
zu einem geldtheoretischen Thema promovierte.<br />
Seit Juli 2000 ist er Referent in der volkswirtschaftlichen<br />
Abteilung der KfW, die Schwerpunkte<br />
seiner Tätigkeit bilden erneuerbare Energien und<br />
Klimapolitik.<br />
Holger Liptow<br />
Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit,<br />
Eschborn<br />
ist Leiter des Klimaschutz-Programms, gefördert<br />
vom BMZ. Das Klimaschutz-Programm fördert<br />
sowohl Maßnahmen zur Minderung der Treibhausgas-Emissionen<br />
und zum CDM in Entwicklungsländern<br />
als auch die Anpassung an den Klimawandel.<br />
Holger Liptow hat in mehr als 20 Jahren<br />
Projekte zur Nutzung erneuerbarer Energien und<br />
zur nationalen Energieplanung betreut. Er ist<br />
Mitglied der Expertengruppe zum Technologie-<br />
Transfer der Klimarahmenkonvention.<br />
Michael Grytz<br />
ARD-Studio Brüssel, Journalist und Korespondent,<br />
Chef vom Dienst für »Bericht aus Brüssel«<br />
ist Journalist und Korrespondent im ARD-Studio<br />
Brüssel. Chef vom Dienst für "Bericht aus Brüssel"<br />
und andere Sendungen des Studios. Zuvor<br />
Inlandskorrespondent für Tagesschau und Tagesthemen.<br />
Themen: Wirtschafts- und Energiepolitik.<br />
Berthold Bonekamp<br />
RWE Rheinbraun AG, Köln<br />
studierte in Münster Maschinenbau mit dem<br />
Abschluss grad. Ing. und Betriebswirtschaft mit<br />
dem Abschluss Dipl.-Kfm. Seit 1981 ist er für<br />
die RWE Rheinbraun AG tätig. Nach verschiedenen<br />
Funktionen in den Bereichen Controlling, Unternehmensentwicklung,<br />
Administration und Verkauf/<br />
Vertrieb wurde er 1998 in den Vorstand berufen,<br />
zunächst mit dem Ressort Internationale Aktivitäten<br />
und seit Oktober 1999 als Vorstandsvorsitzender.<br />
Gleichzeitig ist er Vorstandsmitglied<br />
der RWE Power AG.<br />
165
Glossar<br />
Teilweise entnommen aus: WWF Deutschland -<br />
Hintergrundinformation-Glossar, www.wwf.de.<br />
Bundesumweltministerium: Die letzte Etappe vor dem<br />
Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls, www.bmu.de/fset1024.php.<br />
IPIECA: Glossary of Climate Change terms.<br />
International Petroleum Industry Environmental<br />
Conservation Association, London 2001.<br />
AAU – Assigned Amount Unit<br />
Zugewiesene Emissionsmenge eines Anlage-1-<br />
Staates entsprechend der eigenen Reduktionsverpflichtung<br />
gemäß Kyoto-Protokoll.<br />
AIJ - Activities Implemented Jointly<br />
Pilotphase von Projekten im Rahmen der<br />
Flexiblen Mechanismen.<br />
Allokation<br />
Zuteilung von Emissionsrechten im Rahmen<br />
des Emissionshandels. Es wird unterschieden<br />
zwischen der Zuteilung auf Basis historischer<br />
Emissionswerte (siehe Grandfathering) und<br />
der Auktion.<br />
Annex I – Anlage I der Klimarahmenkonvention<br />
Eine Liste von 41 Ländern, zumeist OECD-<br />
Staaten und Staaten Mittel- und Osteuropas.<br />
Diese Staaten verfolgen das Ziel, einzeln oder<br />
gemeinsam ihre Emissionen von Treibhausgasen<br />
dauerhaft auf das Niveau von 1990<br />
zurückzuführen. Dies ist jedoch nur eine allgemeine<br />
Zielbeschreibung, ohne eine rechtliche<br />
verbindliche Wirkung für die Vertragsstaaten.<br />
Annex B – Anlage B im Kyoto-Protokoll<br />
Liste der 39 Länder, die sich verbindlich festgelegte<br />
Emissionsreduktionsziele gesetzt haben.<br />
Sie entsprechen bis auf zwei Ausnahmen den<br />
Staaten in Anlage I der Klimarahmenkonvention.<br />
Banking<br />
Bei Übererfüllung der Reduktionsziele können<br />
Emissionsreduktionen auf einem "Konto" für die<br />
nächste Verpflichtungsperiode aufgespart werden.<br />
Baseline<br />
Referenz- oder Basisszenario. Eine Baseline<br />
dient dazu, die Auswirkungen eines Emissionsminderungsprojekts<br />
zu ermitteln. Hierzu wird<br />
im Vorfeld der Projektdurchführung und bei<br />
seiner Überprüfung ein Referenzszenario entwickelt,<br />
das die Situation ohne die Durchführung<br />
des Projekts abschätzen soll.<br />
Borrowing<br />
Übertragung der nicht durch Emissionsrechte<br />
gedeckten Emissionen aus einer Verpflichtungsperiode<br />
in die nächste.<br />
Bubble<br />
Staatenzusammenschluss für die Verpflichtung<br />
innerhalb des Kyotoprotokolls. Eine "Bubble"<br />
wird bei den Vertragsstaatenkonferenzen als<br />
eine Vertragspartei gesehen. Der bisher einzige<br />
Staatenzusammenschluss ist die Europäische<br />
Union.<br />
Burden sharing Agreement<br />
Lastenteilungsvereinbarung innerhalb der Europäischen<br />
Union. Darin legen die Mitgliedsstaaten<br />
unterschiedliche Minderungsziele fest, die in<br />
ihrer Gesamtheit das Europäische Gemeinschaftsziel<br />
einer Reduktion um 8 % erreicht.<br />
CDM – "Clean Development Mechanism"<br />
[Artikel 12 KP]<br />
Gemeinsame Projekte zwischen Entwicklungsländern<br />
(Nicht Annex B Staaten) und Industrieländern.<br />
Die Projektkriterien beinhalten eine<br />
freiwillige Teilnahme und eine messbare und<br />
langfristige Verringerung von Emissionen.<br />
Außerdem müssen die Reduktionen gewisse<br />
Zusätzlichkeitskriterien (Additionality) erfüllen.<br />
CDM-Projekte können bereits ab dem Jahr<br />
2000 angerechnet werden. Die vor dem Jahr<br />
2008 erzielten Reduktionen dürfen (im Gegensatz<br />
zu allen anderen flexiblen Mechanismen)<br />
auf die erste Budgetperiode angerechnet werden.<br />
CER – Certified Emissions Reduction<br />
Zertifizierte Emissionsreduktionen, die aus<br />
CDM-Projekten erfolgen.<br />
COP – "Conference of the Parties"<br />
Vertragsstaatenkonferenz des UNFCCC. Höchstes<br />
Gremium der Klimarahmenkonvention. Die<br />
Vertragsstaatenkonferenz hat die Aufgabe, die<br />
Umsetzung der Konvention jetzt und in der<br />
Zukunft sicherzustellen (COP1 1995 in Berlin,<br />
COP2 1996 in Genf, COP3 1997 in Kyoto, COP4<br />
1998 in Buenos Aires, COP5 1999 in Bonn,<br />
COP6 2000 in Den Haag und Bonn, COP7<br />
2001 in Marrakesch, COP8 2003 in Neu Dehli).<br />
ECCP - European Climate Change Program<br />
Die EU-Kommission hat am 08. März 2000 mit<br />
dem Europäischen Programm für Klimaänderungen<br />
eine Strategie zum europäischen Klimaschutz<br />
vorgeschlagen.<br />
Emissions Cap<br />
Der für in einen bestimmten Zeitraum festgelegte<br />
obere Grenzwert der Gesamtmenge von<br />
Treibhausgas-Emissionen eines Systems, einer<br />
Anlage oder eines Landes.<br />
ERU – Emission Reduction Unit<br />
Emissionsreduktionen, die aus JI-Projekten<br />
erfolgen.<br />
ET – "Emission Trading"<br />
(Handel mit Emissionrechten) [Artikel 17 KP]<br />
Der Handel mit Emissionsrechten ist zwischen<br />
Industriestaaten vorgesehen, um Emissionsreduktionen<br />
zu den vokswirtschaftlich geringsten<br />
Kosten zu ermöglichen. Ein Industrieland kann<br />
– in gewissen Grenzen – von einem anderen<br />
Industrieland Emissionsrechte kaufen, wenn es<br />
die Reduktionsverpflichtung durch Maßnahmen<br />
im eigenen Land nicht erreichen kann. Der<br />
Emissionshandel ist auch auf Unternehmensebene<br />
möglich.<br />
"Flexmechs" - Flexible Mechanismen<br />
Zusammenfassender Begriff für die Instrumente<br />
Clean Development Mechanism (CDM), Joint<br />
Implementation (JI) und Emissionshandel.<br />
166
Grandfathering<br />
Kostenlose Anfangsverteilung von Emissionsrechten<br />
auf Basis historischer Emissionswerte,<br />
also der Emissionen in einem festgelegten<br />
"Basisjahr".<br />
G77<br />
Die Gruppe der ursprünglich 77 Entwicklungsländer,<br />
die 1964 gegründet wurde, um die Interessen<br />
der Dritten Welt effektiv vertreten zu<br />
können. Sie hatte 1991 insgesamt 129 Mitglieder.<br />
Bei den internationalen Klimaschutzverhandlungen<br />
greifen die G77-Staaten und<br />
China oft gemeinsam in die Diskussion ein<br />
(G77 + China).<br />
GEF – "Global Environment Facility"<br />
Multilateraler Umwelt-Fonds, der 1991 von<br />
der Weltbank etabliert wurde. Er fungiert mittlerweile<br />
als Finanzierungsinstrument in vier<br />
Sektoren: Maßnahmen zum Klimaschutz,<br />
biologische Vielfalt, Schutz der Ozonschicht<br />
und Schutz der Gewässer.<br />
"heiße Luft" (engl.: hot air)<br />
In Kyoto wurde einigen Staaten (u.a. Rußland,<br />
Ukraine) deutlich mehr Emissionsrechte zugebilligt,<br />
als sie (aufgrund des Zusammenbruchs<br />
der Wirtschaft dieser Staaten nach 1990) im<br />
Verpflichtungszeitraum absehbar benötigen<br />
werden. Diese so genannte "heiße Luft" kann<br />
per Emissionshandel verkauft werden – mit der<br />
Folge, dass Emissionshandel mit<br />
diesen Ländern zu mehr Emissionen führt<br />
und keine wirklichen Reduktionen erfolgen.<br />
IPCC – "Intergovernmental Panel on Climate<br />
Change"<br />
Das wissenschaftliche Gremium der Klima-<br />
Rahmenkonvention wurde beauftragt, den<br />
Stand der Forschung zum Klimasystem und<br />
zu Klimaänderungen sowie deren ökologische,<br />
ökonomische und soziale Auswirkungen zu erforschen<br />
und mögliche Gegen-Strategien zu<br />
entwickeln. Die über 2.000 (Klima-)Wissenschaftler<br />
und Experten veröffentlichten 1990,<br />
1995 und 2001 Statusberichte (Assessment<br />
Reports). Wichtigste Schlussfolgerung des<br />
zweiten Berichtes war, dass ein menschlicher<br />
Einfluss auf das Weltklima erkennbar ist.<br />
JI – "Joint Implementation" (Gemeinsame<br />
Umgesetzung) [Artikel 6 KP]<br />
Basierend auf einer Klausel im Artikel 6 der<br />
Klima-Rahmenkonvention können die Anlage-<br />
1-Länder ihre Verpflichtungen zur Emissionsreduktion<br />
erfüllen, indem sie in anderen<br />
Anlage-1-Länder investieren, wo die gleichen<br />
Emissionsreduktionen mit geringeren<br />
Investitionen erreicht werden können.<br />
KRK – Klimarahmenkonvention<br />
Siehe UNFCCC.<br />
KP – Kyoto-Protokoll<br />
Das Dokument, welches auf der 3. Vertragsstaatenkonferenz<br />
in Kyoto verabschiedet wurde,<br />
und in welchem sich die Vertragsstaaten<br />
zu bindenden Reduktionszielen verpflichtet<br />
haben. Unter anderem wird im KP der Grundstein<br />
für die flexiblen Mechanismen gelegt.<br />
Kyotogase<br />
Im Kyoto-Protokoll aufgeführte Gase mit verstärkender<br />
Wirkung auf den Treibhauseffekt<br />
(Treibhausgase). In Anlage A des Kyoto-Protokolls<br />
sind folgende Gase aufgeführt: Kohlendioxid<br />
(CO 2 ), Methan (CH 4 ), Distickstoffoxid<br />
(N 2 O), Teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe<br />
(H-FKW/HFC), Perfluorierte Kohlenwasserstoffe<br />
(FKW/PFC) und Schwefelhexafluorid (SF 6 ).<br />
Monitoring<br />
Kontrolle und Überwachung von CO 2 -Reduktionen.<br />
Quelle<br />
Die Klimarahmenkonvention bezeichnet eine<br />
Quelle als einen Prozess oder eine Aktivität,<br />
durch die Treibhausgase, Aerosole oder die<br />
Vorläufersubstanzen eines Treibhausgases in<br />
die Atmosphäre abgegeben wird (Art. 1.9), wie<br />
z.B. die Verbrennung fossiler Energieträger.<br />
Senken<br />
Kohlenstoffreservoire, die das Treibhausgas<br />
Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufnehmen<br />
und speichern können.<br />
Transaktionskosten<br />
Kosten, die bei der Durchführung von CDModer<br />
JI-Projekten bzw. bei Transaktionen im<br />
Rahmen des Emissionshandels anfallen, und<br />
nicht unmittelbar aus Emissionsreduktionsprojekten<br />
resultieren.<br />
Umbrella Group<br />
Informeller Zusammenschluss von Industrieländern,<br />
die nicht der EU angehören. Die<br />
Länder der Umbrella-Group sind Japan, die<br />
USA (bis vor ihrem Ausstieg aus dem Kyoto-<br />
Protokoll), Kanada, Australien, Norwegen,<br />
Neuseeland, Island, Russland und die Ukraine.<br />
UNEP – United Nations Environment Programme<br />
Umweltprogramm der Vereinten Nationen mit<br />
Sitz in Nairobi.<br />
UNFCCC - United Nations Framework<br />
Convention on Climate Change<br />
Klimarahmenkonvention. Konvention der<br />
Vereinten Nationen, in der die allgemeine<br />
Verpflichtung aller Länder festgelegt wurde,<br />
einen "der eigenen Verantwortung angemessenen<br />
und der eigenen finanziellen und<br />
technischen Möglichkeiten entsprechenden<br />
differenzierten" Beitrag zum globalen Klimaschutz<br />
zu leisten. Die Konvention wurde<br />
mittlerweile durch 186 Staaten ratifiziert.<br />
Verpflichtungsperiode<br />
Die erste Verpflichtungsperiode beginnt<br />
gemäß dem Kyoto-Protokoll 2008 und endet<br />
2012. Für darauffolgende Zeiträume sollen<br />
für die Mitgliedsstaaten neue Verpflichtungen<br />
ausgehandelt werden.<br />
Vertragsstaatenkonferenz<br />
Siehe COP.<br />
WMO<br />
World Meteorological Organisation.<br />
167
Verteilerhinweis<br />
Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung<br />
Nordrhein-Westfalen herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern<br />
oder Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung<br />
verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags- und Kommunalwahlen<br />
sowie für die Wahl des Europäischen Parlaments. Missbräuchlich ist besonders<br />
die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie<br />
das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen und<br />
Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der<br />
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Organisationen ausschließlich zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder<br />
bleibt hiervon unberührt. Unabhängig davon, wann, auf welchem Weg und in<br />
welcher Anzahl diese Schrift dem Empfänger zugegangen ist, darf sie auch ohne<br />
zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl nicht in einer Weise verwendet<br />
werden, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner politischer<br />
Gruppen verstanden werden könnte.<br />
Herausgegeben im Mai 2002
Foto Titelseite: DLR - Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt<br />
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Düsseldorf, im Mai 2002