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Vorlesung Familienrecht - Dr. Klaus Richter

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PD <strong>Dr</strong>. <strong>Richter</strong><br />

<strong>Vorlesung</strong> <strong>Familienrecht</strong><br />

(WS 2008/2009)<br />

3. Eheschließungsrecht<br />

b. Scheinehen: Eheerklärungen sind gem. § 1311 S. 2 BGB bedingungs- und<br />

befristungsfeindlich. Sollen Rechtswirkungen der Ehe erreicht werden, ohne<br />

Lebensgemeinschaft zu beabsichtigen (z.B. Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis)<br />

dann liegt sog. „Scheinehe“ vor; diese verstößt gegen § 1311 S. 2 BGB, ist für den<br />

Standesbeamten jedoch nur relevant, wenn er den „Schein“ erkennt ((BayObLG<br />

FamRZ 1982, 603). Erkennt er dies (Offenkundigkeit), muss er Mitwirkung an<br />

Eheschließung verweigern.<br />

c. Die Auflösung der Ehe<br />

Auflösung der Ehe durch<br />

- Ehescheidung (§§ 1564 ff. BGB)<br />

- Aufhebung der Ehe (§§ 1313 ff. BGB)<br />

- Tod eines Ehegatten<br />

Ehescheidung ermöglicht Auflösung einer fehlerfrei zustande gekommenen Ehe, die<br />

inzwischen aber zerrüttet ist (§ 1565 BGB – „Zerrüttungsprinzip“).<br />

Eheaufhebung knüpft an den fehlerhaften Eheschluss an.<br />

aa. Ehescheidung: Scheitern der Ehe gem. § 1565 Abs. 1 BGB. Ehe ist gem. § 1565<br />

Abs. 1 S. 2 gescheitert, wenn eheliche Lebensgemeinschaft nicht mehr besteht und<br />

auch nicht zu erwarten ist, dass die Ehegatten diese Lebensgemeinschaft wieder<br />

herstellen werden. Das Scheitern der Ehe wird festgestellt durch eine Diagnose (ist<br />

Lebensgemeinschaft weggefallen) und Prognose (ist zu erwarten, dass die<br />

Lebensgemeinschaft wieder hergestellt wird).<br />

Unwiderlegbar vermutet wird ein Scheitern der Ehe, wenn Ehegatten seit einem<br />

Jahr getrennt leben (§ 1567 BGB) und beide die Ehescheidung beantragen bzw. der<br />

Antragsgegner der Scheidung zugestimmt hat (§ 1566 Abs. 1 BGB) oder wenn die<br />

Ehegatten seit drei Jahren getrennt leben (§ 1566 Abs. 2 BGB).<br />

Ehegatten leben getrennt i.S.d. § 1567 Abs. 1 S. 1 BGB, wenn eine häusliche<br />

Gemeinschaft zwischen ihnen nicht mehr besteht (räumliche Trennung) und<br />

zumindest ein Ehegatte sie nicht mehr herstellen will. Getrenntleben innerhalb der<br />

ehelichen Wohnung ist gem. § 1567 Abs. 1 S. 2 BGB möglich (OLG Stuttgart<br />

FamRZ 2002, 239).<br />

bb.<br />

Eheaufhebung<br />

(1.) Aufhebungsgründe: Aufhebung der Ehe ist an keine Trennungsfristen gebunden, sie<br />

kann sofort beantragt werden (§ 1313 S. 1), wenn ein Aufhebungsgrund gegeben ist<br />

(§§ 1313 S. 3, 1314).<br />

1


(2.) Rechtsfolgen der Aufhebung: Aufhebung wirkt nicht ex tunc, sondern ex nunc.<br />

Nach § 1318 Abs. 1 bestimmen sich die Rechtsfolgen grundsätzlich nach<br />

Scheidungsfolgenrecht; dabei sind Beschränkungen in Abs. 2 bis 5 zu beachten:<br />

Geschiedenenunterhalt (§ 1318 Abs. 2), Zugewinnausgleich und<br />

Versorgungsausgleich (§ 1318 Abs. 3), Ehewohnung und Hausrat (§ 1318 Abs. 4) und<br />

gesetzliches Ehegattenerbrecht (§ 1318 Abs. 5).<br />

4. Die allgemeinen Rechtswirkungen der Ehe<br />

a. Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft, § 1353 BGB: Eherechtliche<br />

Generalklausel in § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB.<br />

aa.<br />

bb.<br />

cc.<br />

Schrankenfunktion des § 1353 Abs. 1 S. 2 HS. 1: Die Ehe umfasst als<br />

Lebensgemeinschaft der Ehegatten die Gesamtheit der Partnerbeziehung, sie ist<br />

häusliche, geistig-seelische und körperliche Gemeinschaft (sogenannte<br />

„eherechtliche Trias“). Jede Vereinbarung, die gegen diese Strukturelemente des<br />

Ehebegriffes verstößt, ist unwirksam (§ 134 BGB). Hindert jedoch nicht individuelle<br />

Absprachen über Ausgestaltung der Ehe<br />

Die autonome Gestaltung der Ehe durch die Ehegatten (eheliches Einvernehmen): Im<br />

persönlichen Lebensbereich der Gatten wird Generalklausel des § 1353 Abs. 1 S. 2<br />

(umfassende Lebensgemeinschaft) inhaltlich allein durch das gegenseitige, eheliche<br />

Einvernehmen (rechtlich) bestimmt. Allgemein besteht die Pflicht zu Verständnisund<br />

Kompromissbereitschaft, kein Ehegatte hat im Falle von Meinungsverschiedenheit<br />

von Rechts wegen den Vorrang.<br />

Ehewohnung und Beistand<br />

(1.) Ehewohnung: Jeder Ehegatte ist verpflichtet, dem anderen die Mitbenutzung der ihm<br />

gehörenden Hausratsgegenstände zu gewähren. An Hausratsgegenständen entsteht<br />

spätestens bei der Aufnahme in die gemeinsame Wohnung Mitbesitz des anderen<br />

Ehegatten ohne Rücksicht auf die bestehenden Eigentumsverhältnisse (BGHZ 12,<br />

380); der Ehegatte, der die dem anderen Gegenstände mitbesitzt, ist Besitzmittler des<br />

anderen (§ 868 BGB; BGH FamRZ 1979, 282). Auch der andere Ehegatte kann sich<br />

auf possessorischen Besitzschutz berufen (§ 866 BGB), außerdem ist sein Besitzrecht<br />

durch die §§ 823 Abs. 1, 1004, 1007 BGB geschützt. Auch an Ehewohnung besteht<br />

berechtigter Mitbesitz beider Ehegatten..<br />

(2.) Beistandspflicht: Ehe verpflichtet Eheleute dazu, sich gegenseitig auch in den<br />

persönlichen Angelegenheiten des Partners beizustehen. Dies jedoch nur, soweit es<br />

nach Art und Bedeutung der Sache zumutbar erscheint. Zu strafrechtlichen Fragen vgl.<br />

BGHSt 2, 150, BGH NJW 1954, 1818 und OLG Köln NJW 1973, 861.<br />

Zivilrechtlich: Rücksichtnahmegebot der Ehegatten unter Beachtung des jeweiligen<br />

individuellen Freiraums und soweit zumutbar (BGH FamRZ 1990, 846; NJW 1994,<br />

1726; NJW 1999, 135; NJW 2000, 1182, NJW 2001, 815).<br />

2


dd.<br />

„Verpflichtung“ zur ehelichen Lebensgemeinschaft und „gegenseitiges<br />

Einvernehmen“<br />

(1.) Rechtliche Funktion des § 1353 Abs. 1 S. 2 Halbs. 1: Nach hM enthält § 1353 Abs.<br />

1 S. 2 HS. 1 gesetzliche Anspruchsgrundlage auf Herstellung und Verwirklichung<br />

der ehelichen Lebensgemeinschaft (BGH NJW 1988, 2032). Dieser Anspruch kann<br />

im Wege der Klage geltend gemacht werden – allerdings ist gem. § 888 Abs. 3 ZPO<br />

die Vollstreckung des Urteils ausgeschlossen.<br />

(2.) Rechtsschutz bei Ehestörungen<br />

(a.)<br />

Ansprüche gegen den Ehepartner:<br />

(aa.) Unterlassung ehewidrigen Verhaltens, § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB: Für hM folgt aus §<br />

1353 Abs. 1 S. 2 BGB gegenseitiger Anspruch der Eheleute auf Unterlassung<br />

ehewidrigen Verhaltens, insbesondere auf Unterlassung einer ehebrecherischen<br />

Beziehung (BGH NJW 1988, 2032). Anspruch ist zwar durch Herstellungsklage<br />

einklagbar, unterliegt aber nicht der Vollstreckung (§ 888 Abs. 3 ZPO). Den Weg<br />

über eine Unterlassungsklage (§ 606 ZPO) scheidet aus, dies würde zu Umgehung<br />

des § 888 Abs. 3 ZPO führen (RGZ 71, 85; 151, 160).<br />

(bb.) Quasinegatorischer Unterlassungsanspruch gegen M aus §§ 823 I, 1004 Abs. 1<br />

BGB analog: Nach hM ist Ehe „sonstiges Recht“ iSv § 823 Abs. 1 BGB. Prozessual<br />

keine Ehesache nach § 606 ZPO, das Vollstreckungsverbot des § 888 Abs. 3 ZPO gilt<br />

nicht; damit dieses nicht unterlaufen wird, wird Vollstreckung eines<br />

quasinegatorischen Unterlassungsanspruch abgelehnt (BGHZ 6, 364; Boehmer AcP<br />

155, 205).<br />

(cc.) Unterlassung ehewidrigen Verhaltens durch Berufung auf Gesundheitsverletzung<br />

analog §§ 823 I, 1004 BGB: Es fehlt idR am Rechtswidrigkeitszusammenhang, dort<br />

wo er gegeben ist, ist wiederum § 888 Abs. 3ZPO zu beachten. Dies gilt aber nicht bei<br />

vorsätzliche tätliche Angriffe auf Rechtsgüter eines Ehegatten durch den anderen!<br />

(dd.)<br />

(ee.)<br />

Unterlassungsanspruch §§ 823 I, 1004 BGB analog wegen Eingriffs in den<br />

räumlich gegenständlichen Bereich der Ehe: Anerkannt durch Rspr. (BGHZ 6, 340,<br />

364 f.). Der räumlich-gegenständliche Bereich der Ehe ist absolut geschütztes Recht<br />

der Ehegatten und ist „sonstiges Recht“ gem. § 823 I BGB geprüft. Betroffen ist hier<br />

nicht der persönliche Bereich der Ehe (dann § 888 Abs. 3 ZPO), sondern der äußere<br />

Bereich, in dem sich die eheliche Lebensgemeinschaft vollzieht (Ehewohnung);<br />

Ableitung aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht (OLG Düsseldorf FamRZ<br />

1981, 577).<br />

Schadensersatzansprüche aus § 823 BGB sind nach hM aufgrund § 888 Abs. 3 ZPO<br />

nicht vollstreckbar; vgl. dazu BGHZ 23, 215, 221; 80, 235, 237; BGH NJW 1972,<br />

199; NJW 1973, 991; Ausnahme: Hinzutreten sittenwidrigen schädigenden<br />

Verhaltens (§ 826 BGB) oder nachweislich schuldhafte Gesundheits- oder<br />

Eigentumsverletzung (BGH FamRZ 1990, 367, 369; OLG Karlsruhe FamRZ 1961,<br />

375)<br />

3


(b.)<br />

(aa)<br />

(bb)<br />

(c.)<br />

(aa.)<br />

(bb)<br />

(cc)<br />

(d.)<br />

Ansprüche gegen den <strong>Dr</strong>ittstörer<br />

Unterlassungsansprüche: Einklagbar und vollstreckbar ist hier nach hM nur der<br />

quasinegatorische Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch aus §§ 823, 1004 BGB<br />

analog, soweit räumlich-gegenständlicher Bereich der Ehe betroffen ist. Ansonsten<br />

wird Vollstreckbarkeit mit Blick auf § 888 Abs. 3 ZPO abgelehnt (keine „mittelbare“<br />

Erzwingung ehelicher Lebensgemeinschaft).<br />

Schadensersatzansprüche: Können nach hM grds. nicht durchgesetzt werden, da<br />

<strong>Dr</strong>ittstörer und störender Ehegatte Gesamtschuldner sind (§ 840 Abs. 1 BGB) und<br />

Durchsetzung des Anspruches zu Gesamtschuldnerausgleich gem. § 426 Abs. 1 BGB<br />

führe, was mittelbar eine Erzwingung ehelicher Lebensgemeinschaft bedeute (BGHZ<br />

23, 279, 282, 57, 229, 232 vgl. auch BGH NJW 1990, 706).<br />

Ehestörung und Kindesunterhalt (Unterhalt für „Kuckuckskinder“)<br />

Schadensersatzrechtliche Haftung des Ehestörers aus § 823 I BGB scheidet aus.<br />

Nach § 1607 III 1 BGB jedoch geht der Unterhaltsanspruch des K gegen einen<br />

Elternteil auf den Ehegatten des anderen Elternteils über, soweit dieser dem Kind<br />

Unterhalt gewährt hat („cessio legis“).<br />

Gegenüber „störendem“ Ehegatten: Kein Schadensersatzanspruch wegen ehestörenden<br />

Verhaltens, allein ehewidriges Verhalten reicht dazu grundsätzlich nicht aus (BGHZ<br />

57, 229, 232). Ausnahmen: BGH FamRZ 1981, 531; BGH NJW 1990, 706, 708 f.;<br />

BGH FamRZ 1990, 367, 369; OLG Karlsruhe NJW-RR 1992, 515).<br />

Ansprüche gegen das Kind: Bereicherungsrecht, § 814 BGB nicht einschlägig; beachte<br />

aber § 818 Abs. 3 BGB; Vgl. dazu BGHZ 43, 1, 10; 78, 201, 203; BGH FamRZ<br />

1981, 764.<br />

Schutz bei Gewalttaten und Nachstellungen (GewaltSchG).<br />

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