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Abiturrede 2011 pl - Albertus Magnus Schule Viernheim

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Ab i t u r r e d e 2 0 1 1 1<br />

Echte Bildung ist nicht Bildung zu irgendeinem Zwecke,<br />

sondern sie hat, wie jedes Streben nach dem Vollkommenen,<br />

ihren Sinn in sich selbst.<br />

So wie das Streben nach körperlicher Kraft, Gewandtheit<br />

und Schönheit nicht irgendeinen Endzweck hat,<br />

etwa den, uns reich, berühmt oder mächtig zu machen,<br />

sondern seinen Lohn in sich selbst trägt,<br />

indem es unser Lebensgefühl und unser Selbstvertrauen steigert,<br />

indem es uns froher und glücklicher macht<br />

und uns ein höheres Gefühl von Sicherheit und Gesundheit gibt,<br />

ebenso ist auch das Streben nach "Bildung",<br />

das heißt nach geistiger und seelischer Vervollkommnung,<br />

nicht ein mühsamer Weg zu irgendwelchen begrenzten Zielen,<br />

sondern ein beglückendes und stärkendes Erweitern unseres Bewußtseins,<br />

eine Bereicherung unserer Lebens- und Glücksmöglichkeiten.<br />

Darum ist echte Bildung, ebenso wie echte Körperkultur,<br />

Erfüllung und Antrieb zugleich, ist überall am Ziele und bleibt doch nirgends rasten;<br />

ist ein Unterwegssein im Unendlichen, ein Mitschwingen im Universum,<br />

ein Mitschwingen im Zeitlosen.<br />

Ihr Ziel ist nicht Steigerung einzelner Fähigkeiten und Leistungen,<br />

sondern sie hilft uns, unserem Leben einen Sinn zu geben,<br />

die Vergangenheit zu deuten, der Zukunft in furchtloser Bereitschaft offenzustehen. […]<br />

Liebe Abiturientinnen, liebe Abiturienten,<br />

liebe Gäste, liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />

eine der zentralen Aussagen des zitierten Textauszuges aus den „Einleitenden Worten<br />

Hermann Hesses zur Bibliothek der Weltliteratur“ bezeichnet Bildung als „eine Bereicherung<br />

unserer Lebens- und Glücksmöglichkeiten“.<br />

Sie, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, haben mit den nur wenige Tage zurückliegenden<br />

mündlichen Prüfungen die letzten Hürden genommen und nun das Abi, das Abitur, die<br />

Allgemeine Hochschulzugangsberechtigung oder wie man auch sagt die Allgemeine Hochschulreife<br />

erlangt. Und für all jene unter Ihnen, die es vielleicht noch nicht so ganz fassen<br />

mögen: Das bekommen Sie im Verlauf dieser Akademischen Feier mit der Aushändigung<br />

Ihrer Zeugnisse auch schriftlich. Ganz bestimmt bereichert das Ihr Lebens- und Glücksgefühl<br />

am heutigen Tag in grandioser Weise. Und wir alle freuen uns mit Ihnen darüber.<br />

Hermann Hesse setzt Bildung und persönliches Glück zueinander in Beziehung. Sind Sie<br />

angesichts der hier erworbenen Bildung von nun an glücklicher Sind Sie mit der Aushändigung<br />

Ihres Zeugnisses mit einem Mal reifer Oder sind Sie vielleicht einfach nur froh, dass<br />

endlich alles rum ist – Jede und jeder von Ihnen wird diese Frage in individueller Weise und<br />

damit grundlegend anders beantworten. Sicherlich schwingt von alledem in dieser Stunde<br />

etwas in Ihren Gedanken mit.<br />

Der Schulalltag mit seinen gegebenen formalen Rahmenbedingungen, Unterricht, Klassenund<br />

Kursarbeiten, Tests, Referaten und deren Benotungen … All das liegt nun hinter Ihnen.<br />

Ist jetzt Schluss mit dem Lernen Wohl kaum, Sie werden in den nächsten Wochen und<br />

Monaten die Weichen für eine Ausbildung oder ein Studium stellen. Neue Herausforderungen<br />

werden von Ihnen zu bewältigen sein. Sie werden eine berufliche Lebensaufgabe<br />

wählen, für deren Erfüllung Sie sich erneut Wissen aneignen werden. Wohl kaum auch<br />

deshalb, weil seit einigen Jahren von allen Seiten das so genannte lebenslange Lernen<br />

gefordert wird, weit weniger aufgrund einer neuen Wertschätzung gegenüber dem Bildungsideal<br />

an sich, als vielmehr motiviert durch arbeitsmarktpolitische und wirtschaftliche Überlegungen,<br />

um auf dem Arbeitsmarkt in der Zukunft dauerhaft eine Chance zu haben.<br />

A k a d e m i s c h e F e i e r 1 0 . 0 6 . 2 0 1 1 – A l b e r t u s - M a g n u s - S c h u l e V i e r n h e i m


Ab i t u r r e d e 2 0 1 1 2<br />

Die Gedanken von Hermann Hesse nehmen einen ganz anderen Aspekt von Bildung in den<br />

Blick. Bildung ist für ihn eine Steigerung des Lebensgefühls und des Selbstvertrauens, sie ist<br />

ihm ferner sinngebend, stärkend und mutmachend. Diesen Zielen sieht sich auch die<br />

<strong>Albertus</strong>-<strong>Magnus</strong>-<strong>Schule</strong> als christliche <strong>Schule</strong> katholischer Prägung verpflichtet.<br />

Der Bildungsbegriff bei Hermann Hesse kennt jedoch den von Ihnen vielfach als einengend<br />

empfundenen Rahmen nicht, innerhalb dessen <strong>Schule</strong> sich während Ihrer jetzt zu Ende<br />

gehenden Schulzeit vollzogen hat. Bildung muss demnach nicht zwangsläufigerweise und<br />

nicht ausschließlich nur im schulischen Kontext stattfinden. Bildung vollzieht sich auch<br />

außerhalb der institutionalisierten Wissensvermittlung. Sie erfahren Bildung auch in Ihren<br />

Familien und in Ihrem Freundeskreis sowie durch Ihr gesellschaftliches, soziales, kirchliches<br />

oder sportliches Engagement; hier lernen Sie durch den Umgang mit Menschen, allerdings<br />

ohne dass ein Etikett mit der Aufschrift „Wissensvermittlung“ das als solche kennzeichnet,<br />

also auch ohne Lehr<strong>pl</strong>an und ohne Lernkontrolle. Nehmen Sie neben dem an Ihrer AMS<br />

erlernten Wissen auch diese ohne Zertifikat erworbene „Herzensbildung“ mit auf Ihre<br />

Lebensreise.<br />

Sie werden in diesen Tagen sicherlich ein Resümee Ihrer Schulzeit ziehen, werden die guten<br />

und weniger guten Erfahrungen nochmals Revue passieren lassen – an manche Erlebnisse<br />

werden Sie mit Freude zurückdenken, an einige ungern, an andere eher wehmütig –, ehe<br />

Sie in naher Zukunft ganz unterschiedliche Wege gehen. Sie stehen – und mit Ihnen auch<br />

Ihre Familien und Freunde – an der Schwelle zu einem neuen Lebensabschnitt. Genießen<br />

Sie diese Zeit, in der Sie jetzt beginnen können Ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, Ihre<br />

beruflichen Ziele abzustecken, Ihre Träume zu leben und damit Ihr persönliches Lebensglück<br />

zu finden.<br />

Im Namen Ihrer Tutorinnen und Tutoren sowie des gesamten Kollegiums gratuliere ich Ihnen<br />

herzlich zu Ihrem bestandenen Abitur. Nutzen Sie die Chancen, die Ihnen dieser Schulabschluss<br />

bietet. Seien Sie – als überaus sportlich ambitionierter Jahrgang erlauben Sie diese<br />

Formulierung – im Spiel des Lebens faire Mitspielerinnen und Mitspieler. Gehen Sie jeweils<br />

Ihren ganz eigenen und unverwechselbaren Weg, Stufe um Stufe, wie es Hermann Hesse in<br />

so einzigartiger Weise in seinem Gedicht „Stufen“ formuliert:<br />

[…] Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe<br />

bereit zum Abschied sein und Neubeginne,<br />

um sich in Tapferkeit und ohne Trauern<br />

in and're, neue Bindungen zu geben.<br />

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,<br />

der uns beschützt und der uns hilft zu leben.<br />

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,<br />

an keinem wie an einer Heimat hängen,<br />

der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,<br />

er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten!<br />

Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise<br />

und traulich eingewohnt,<br />

so droht Erschlaffen!<br />

Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,<br />

mag lähmender Gewöhnung sich entraffen. […]<br />

In diesem Sinn Ihnen allen gute Reise und Gottes Segen für Ihren Weg!<br />

Martin PLEGER<br />

A k a d e m i s c h e F e i e r 1 0 . 0 6 . 2 0 1 1 – A l b e r t u s - M a g n u s - S c h u l e V i e r n h e i m

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