Leseprobe: Vier Pfoten für Julia - Winterzauber
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
KATJA MARTENS <br />
VIER PFOTEN FÜR JULIA <br />
<strong>Winterzauber</strong> <br />
my digital garden <br />
3
Originalausgabe 2014 <br />
Copyright © 2014, my digital garden UG <br />
(haftungsbeschränkt), Potsdam <br />
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch <br />
teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages und <br />
der Autorin wiedergegeben und verbreitet werden. <br />
Titelabbildung: Africa Studio (Mädchen mit Katze), <br />
Greenland (Zettel) <br />
www.shutterstock.com <br />
ISBN: 978-‐3-‐945690-‐01-‐7 <br />
Mehr gute Bücher finden Sie unter: <br />
www.my-‐digital-‐garden.de <br />
Immer auf dem Laufenden unter: <br />
www.facebook.com/mydigitalgarden <br />
www.twitter.com/mydigitalgarden <br />
4
Hunde kommen, wenn sie gerufen werden. Katzen <br />
nehmen die Mitteilung zur Kenntnis und kommen <br />
gelegentlich darauf zurück. <br />
Mary Bly <br />
5
Re: Nur noch zwei Wochen bis Weihnachten <br />
Von: <strong>Julia</strong> Sperling <br />
An: Carola Aldag <br />
1 <br />
Am liebsten würde ich Weihnachten in diesem Jahr <br />
ausfallen lassen, Caro. In letzter Zeit geht alles nur <br />
noch schief. Mein Großvater kann sich plötzlich nichts <br />
mehr merken. Er vergisst von einer Stunde zur <br />
nächsten, dass er schon zu Mittag gegessen hat oder <br />
noch Schneeschippen wollte. Gestern wusste er nicht <br />
einmal mehr seine eigene Telefonnummer. Ich mache <br />
mir Sorgen, aber du kennst ihn ja. Zum Arzt geht er <br />
erst, wenn er den Kopf schon unter dem Arm trägt. <br />
Das ist aber noch nicht alles. Stell dir vor: Lennard hat <br />
mir die Vertretung in Ahrenshoop weggeschnappt! <br />
Seinem Angebot, <strong>für</strong> die Hälfte des üblichen Honorars <br />
zu arbeiten, konnte die Leitung der Tierklinik nicht <br />
widerstehen. Nun sitze ich ohne Stelle da. (Erinnerst <br />
du dich eigentlich noch an Lennard) <br />
Frustrierte Grüße, <br />
<strong>Julia</strong> <br />
Re: Nur noch zwei Wochen bis Weihnachten <br />
Von: Carola Aldag <br />
An: <strong>Julia</strong> Sperling <br />
6
Natürlich erinnere ich mich an Lennard Thiess: ein <br />
Meter neunzig geballte Energie, mit dunklen Haaren, <br />
so dicht, dass man seine Hände darin verlieren kann <br />
und ein Tausend-‐Watt-‐Lächeln gegen das die <br />
Weihnachtsbeleuchtung am Rockefeller Center eine <br />
müde Funzel ist, richtig Ihr wart auf der Uni ein Paar. <br />
Sag bloß, er wohnt jetzt wieder in deiner Nähe Ist das <br />
nur ein Zufall Oder will er an eure Vergangenheit <br />
anknüpfen Nach allem, was damals war Du musst <br />
mir unbedingt mehr erzählen, wenn wir wieder <br />
telefonieren! <br />
Was ist eigentlich mit Marc Du hast schon ewig <br />
nicht mehr von deinem sexy Polizisten und seiner <br />
niedlichen Tochter gesprochen. Bei deinem vorigen <br />
Einsatz im Bayrischen Wald wart ihr unzertrennlich. <br />
Und jetzt Funkstille Was ist passiert <br />
Weißt du, was gegen deinen Weihnachtsfrust <br />
helfen würde Wenn du dich spontan in den Zug setzt <br />
und deine beste Freundin in Berlin besuchst! Wir <br />
könnten zusammen shoppen gehen, Eis laufen und so <br />
viele gebrannte Mandeln essen, bis uns richtig schlecht <br />
wird. Überleg es dir, ja Wir … Oh, verflixt, ist es <br />
wirklich schon kurz vor fünf Ich muss los, wir haben <br />
gleich Redaktionssitzung. Melde mich später wieder. <br />
Bis dahin gönn dir eine Packung Lebkuchen und schau <br />
dir ‚Anastasia‘ auf DVD an. Das wird schon! <br />
7
Caro <br />
<strong>Julia</strong> Sperling nippte an ihrem Teebecher, während <br />
sie die E-‐Mail zum zweiten Mal las. Ihre beste <br />
Freundin hatte rote Locken und ein <br />
überschäumendes Temperament. Außerdem war sie <br />
immer bereit, sich kopfüber in ein neues Abenteuer <br />
zu stürzen – sei es in ihrem Beruf als Journalistin <br />
oder privat mit einem neuen Mann. Ihre <br />
Beziehungen hielten nie lange, aber sie war eine <br />
verlässliche Freundin, auf die <strong>Julia</strong> jederzeit zählen <br />
konnte. <br />
Was ist eigentlich mit Marc Diese Frage ließ <br />
<strong>Julia</strong> nicht los. Ihre Freundin legte den Finger auf <br />
ihren wunden Punkt. Seit einer Woche hatte sie <br />
nichts von ihm gehört. Kein Sterbenswort. Dabei <br />
hatte er ihr versprochen, sich zu melden. Warum <br />
schwieg er sich nun aus <br />
Ihr erster Einsatz als Vertretungstierärztin hatte <br />
<strong>Julia</strong> in ein bayrisches Dorf geführt. Dort war sie <br />
einer Organisation von Schmugglern auf die Schliche <br />
gekommen, die Tiere <strong>für</strong> den Transport von Drogen <br />
über die tschechische Grenze ins Land <br />
missbrauchten. Gemeinsam hatten Marc und sie <br />
ihnen das Handwerk gelegt. Darüber waren sie sich <br />
nähergekommen. Zum Abschied hatte Marc ihr sein <br />
Wort gegeben, dass sie sich bald wiedersehen <br />
8
würden, und sie geküsst. Ihr wurde immer noch <br />
heiß, wenn sie an seinen Kuss dachte. Es hatte sich <br />
angefühlt, als würde die Welt aus den Angeln <br />
gehoben. Sein Schweigen gab ihr nun Rätsel auf. <br />
Hatte er es sich anders überlegt Oder hatte er <br />
einfach nur viel zu tun <br />
<strong>Julia</strong> drehte ihren Becher zwischen den Fingern. <br />
Vor ihrem Fenster wirbelten weiße Flocken vom <br />
Himmel, als würden sie zu einer unhörbaren Melodie <br />
tanzen. Es war so kalt geworden, dass die Bewohner <br />
des Darß schon be<strong>für</strong>chteten, die Ostsee könnte <br />
wieder zufrieren, wie es ungefähr alle zwanzig Jahre <br />
einmal vorkam. <br />
Seit ihrem Abschluss arbeitete <strong>Julia</strong> als Springer <br />
und vertrat Kollegen, die ihrer Arbeit eine Zeit lang <br />
nicht nachgehen konnten. Zuletzt hatte sie sich in <br />
der Tierklinik Ahrenshoop beworben, die keine <br />
<strong>Vier</strong>telstunde Autofahrt von ihrem Zuhause entfernt <br />
war. Lennard Thiess war ihr jedoch zuvorgekommen <br />
und hatte der Klinikleitung ein Angebot gemacht, das <br />
diese nicht ausschlagen konnte. <br />
Nun saß <strong>Julia</strong> also ohne neue Stellung in dem <br />
gemütlichen Darßhäuschen ihres Großvaters – mit <br />
dem reetgedeckten Dach, das sich unter der <br />
Schneelast bog. Ihr Zimmer verfügte über einen <br />
kleinen Kamin und war mit seinen schrägen Wänden <br />
überaus gemütlich. Neben dem Bett stapelten sich <br />
9
Romane und Fachbücher in einem Bücherregal. Und <br />
auf dem Fensterbrett staubte ihre Kakteensammlung <br />
vor sich hin. An einer Wand hing ein Poster von den <br />
schottischen Highlands, in denen <strong>Julia</strong> zu gern <br />
einmal Urlaub machen würde. <br />
Unter ihrem Schreibtisch hatte sich Raudi <br />
zusammengerollt und den Kopf auf die Vorderpfoten <br />
gebettet. Die Französische Bulldogge mit den <br />
Fledermausohren wich <strong>Julia</strong> nicht von der Seite, <br />
seitdem sie ihr mit einer Notoperation das Leben <br />
gerettet hatte. Er kaute am liebsten auf ihren <br />
Pantoffeln herum. Außerdem stibitzte er hin und <br />
wieder ein Stück Käse aus der Küche, wenn niemand <br />
zusah. <br />
Ob ich den Kleinen mit nach Berlin nehmen <br />
kann Die Großstadt kennt er noch nicht. Carola wird <br />
ihn gar nicht mehr weglassen wollen, wenn sie ihn <br />
sieht. Sie spricht seit Jahren davon, dass sie gern <br />
einen Hund hätte, aber bei ihrem Beruf ist daran <br />
nicht einmal zu denken. Sie ist ja ständig unterwegs. <br />
Ich würde sie wirklich gern besuchen … Soweit war <br />
die Tierärztin gerade mit ihren Gedanken <br />
gekommen, als plötzlich sämtliche Lichter in ihrem <br />
Zimmer den Geist aufgaben. Auch ihr Computer <br />
schaltete sich ab. Schlagartig war es stockdunkel im <br />
Raum. <br />
10
»Was ist denn nun los« Verwundert kniff <strong>Julia</strong> <br />
die Augen zusammen. Selbst das rote Standby-‐<br />
Lämpchen an ihrem Fernseher war erloschen. Ein <br />
Stromausfall Sie öffnete die obere Schublade ihres <br />
Schreibtischs und wühlte darin herum. Hatte sie <br />
früher hier nicht eine Taschenlampe gehabt Sie <br />
musste doch hier irgendwo … »Autsch!« Etwas <br />
Spitzes bohrte sich in ihren Daumen. Vermutlich die <br />
Spitze des Zirkels, der noch aus ihrer Schulzeit <br />
stammte. Die Taschenlampe fand sie jedoch nicht. <br />
Also brauchte sie einen Plan B. <strong>Julia</strong> tastete nach der <br />
Kerze und den Streichhölzern auf ihrem Schreibtisch <br />
und riss eines an. Im nächsten Augenblick wurde ihr <br />
Zimmer in den sanften Schein der Kerze getaucht. <br />
Die E-‐Mail ihrer besten Freundin würde sie <br />
allerdings erst beantworten können, wenn es wieder <br />
Strom gab. <br />
Mit der Kerze in der Hand verließ <strong>Julia</strong> ihr <br />
Zimmer. <br />
Ein Stockwerk tiefer befanden sich fünf <br />
Gästezimmer sowie der Frühstücksraum der Pension <br />
‚Seestern‘, die ihrem Großvater gehörte. Das weiß <br />
gekalkte Kapitänshaus war nur einen Steinwurf von <br />
den Prerower Dünen entfernt. <strong>Julia</strong> ging hinunter ins <br />
Erdgeschoss. Das Trappeln von <strong>Pfoten</strong> verriet, dass <br />
Raudi ihr auf dem Fuß folgte. Sie wandte sich dem <br />
Arbeitszimmer ihres Großvaters zu. Als sie die Tür <br />
11
aufstieß, knisterte ein Birkenholzfeuer im Kamin. Im <br />
Lichtschein kramte ihr Großvater in seinem <br />
Schreibtisch. Rasmus Sperling war ein groß <br />
gewachsener Mann, der sich stets so aufrechthielt, <br />
dass man ihm seine neunundsechzig Jahre nicht <br />
ansah. Seine Haare waren weiß und kurz <br />
geschnitten, ein ordentlich gestutzter Bart zierte sein <br />
Gesicht. Er murmelte etwas vor sich hin, das nicht zu <br />
verstehen war. <strong>Julia</strong> blieb in der offenen Tür stehen. <br />
»Was ist denn passiert Ist der Strom ausgefallen« <br />
»Nein. Vermutlich ist nur die Sicherung <br />
rausgesprungen. Wo habe ich bloß diese verflixte <br />
Taschenlampe hingetan Ah, da ist sie ja.« <br />
Triumphierend brachte er das Gesuchte hervor und <br />
knipste die Lampe an. »Schon besser, oder« <br />
»Was meinst du, warum sie rausgesprungen <br />
ist« <br />
»Vermutlich habe ich es mit dem Dekorieren <br />
übertrieben. Ich habe gerade eine Lichterkette am <br />
Fenster des Frühstücksraums angebracht. Als ich sie <br />
einschalten wollte, wurde es plötzlich dunkel im <br />
Haus.« <br />
»Noch eine Lichterkette« <strong>Julia</strong> rollte die Augen. <br />
»Deine Pension ist doch kein Coca-‐Cola-‐Truck. Wenn <br />
du noch mehr Lichter anbringst, machen dich die <br />
Stromwerke noch zum Ehrenkunden.« <br />
»So viele sind es gar nicht.« <br />
12
»Du hast drei Tage gebraucht, um alle <br />
Lichterketten aufzuhängen. Als dein Nachbar eine <br />
Laterne vor seiner Haustür aufgestellt hat, hast du <br />
zwei doppelt so große Laternen gekauft. Und als er <br />
ein beleuchtetes Rentier in seinem Garten aufgebaut <br />
hat, kamst du mit einer ganzen Hirschfamilie an.« <br />
»Findest du das zu viel« <br />
»Jedenfalls ist es zu viel <strong>für</strong> unsere Stromkabel. <br />
Was hältst du davon, wenn ich dir helfe, etwas von <br />
der Dekoration wieder abzubauen Anschließend <br />
trinken wir eine heiße Schokolade zusammen und <br />
kosten die frischen Kokosmakronen.« <br />
»Du willst die Lichter abnehmen« Ihr Großvater <br />
sah sie so entgeistert an, als hätte sie ihm soeben <br />
vorgeschlagen, das Haus niederzubrennen. <br />
»Ansonsten verbringen wir den Abend im <br />
Dunkeln«, gab <strong>Julia</strong> zu bedenken. <br />
Ihr Großvater kämpfte sichtlich mit sich. »Also <br />
schön, ich werde eine Lichterkette abmachen, aber <br />
nur eine. Vorher muss ich noch nach den <br />
Sicherungen sehen.« Er stapfte durch den Flur und <br />
werkelte am Sicherungskasten herum. Nach ein paar <br />
Handgriffen ging das Licht im Haus wieder an. <strong>Julia</strong> <br />
atmete auf. <br />
Auf dem Fensterbrett saß Poppy. Die Katze ihres <br />
Großvaters hatte braun getigertes Fell und grüne <br />
Augen. Ursprünglich war ihr Name Madame <br />
13
Pompadour gewesen, aber im Lauf der Zeit war <br />
Poppy daraus geworden. Sie ließ keinen Blick von <br />
Raudi. Er hütete sich jedoch, sich ihr weiter als eine <br />
Armlänge zu nähern, denn gleich an seinem ersten <br />
Tag hatte er Bekanntschaft mit ihren Krallen <br />
gemacht. Eine Schorfwunde an seinem rechten Ohr <br />
zeugte davon, dass sie keine Zurückhaltung kannte, <br />
wenn es darum ging, einem Neuankömmling <br />
klarzumachen, dass sie die Dame des Hauses war. <br />
»Möchtest du jemanden über die Feiertage <br />
einladen« Ihr Großvater drehte sich um. »Deine <br />
Freundin vielleicht« <br />
»Das wäre schön, aber Carola ist schon <br />
anderweitig verplant. Sie fährt zu ihren Eltern.« <br />
»Verstehe. Was ist mit diesem Marc Als du <br />
hergekommen bist, hast du ständig von ihm <br />
gesprochen. Kommt er her« <br />
»Ich glaube nicht. Er hat sich seit Tagen nicht <br />
gemeldet.« <br />
»Das ist recht unerfreulich, oder« Ihr Großvater <br />
legte tröstend eine Hand auf ihre Schulter. <br />
»Vielleicht ist es besser so. Du bist in deinem Beruf <br />
ständig woanders im Einsatz. Das wäre eine <br />
Belastungsprobe <strong>für</strong> jede Beziehung.« <br />
Stimmte das Hatten Marc und sie nie eine <br />
Chance gehabt Darüber dachte <strong>Julia</strong> gerade nach, als <br />
es unerwartet an der Haustür klingelte. Ihr <br />
14
Großvater öffnete und kurz darauf kam eine kleine, <br />
rundliche Frau mit einer Kuchenplatte herein. Ihre <br />
Haare waren kinnlang, braun gefärbt und schienen <br />
ebenso wie sie selbst ständig in Bewegung zu sein. Es <br />
war Gerti Winkler, die Nachbarin ihres Großvaters. <br />
»Ihr seid also doch noch wach!«, rief sie munter <br />
aus. »Ich dachte schon, ihr wollt heute einmal mit <br />
den Hühnern zu Bett gehen, weil es plötzlich <br />
stockdunkel war. Was war denn los Hast du es mit <br />
den Lichtern übertrieben, Rasmus« <br />
»Fang du nicht auch noch an, Gerti. <strong>Julia</strong> <br />
behauptet auch ständig, ich würde zu viele Lichter <br />
anbringen«, brummte er. <br />
»Mach dir nichts draus. Deine Pension strahlt so <br />
hell, dass sie bestimmt noch vom Weltraum aus zu <br />
sehen ist. Falls irgendwelche Raumfahrer auf der <br />
Suche nach einem Quartier sind, finden sie auf jeden <br />
Fall hierher.« Gerti kniff verschmitzt ein Auge zu. <br />
»Ich habe euch ein paar Stücke von meinem <br />
Bratapfelkuchen aufgehoben. Ihr solltet sie gleich <br />
essen. Frisch schmecken sie am besten.« <br />
»Hört sich gut an, aber das muss leider warten. <br />
Ich habe versprochen, die Gerstners vom Bahnhof <br />
abzuholen. Sie wussten nicht, ob sie so spät noch ein <br />
Taxi erwischen. Ich muss los. Bis später, ja Und <br />
vielen Dank <strong>für</strong> den Kuchen, Gerti!« Rasmus nahm <br />
15
seine Winterjacke vom Haken, schlüpfte in seine <br />
Stiefel und war kurz darauf aus der Tür. <br />
<strong>Julia</strong> bat Gerti ins Haus, aber die Besucherin <br />
winkte ab. »Ich habe das Café voller Gäste und muss <br />
wieder rüber. Wir trinken ein andermal zusammen <br />
Kaffee, ja« <br />
»Sehr gern. Du, sag mal, Gerti …« <br />
»Ja Was ist denn, Schätzchen« <br />
»Du kennst meinen Großvater schon viele Jahre. <br />
Ist dir in letzter Zeit etwas an ihm aufgefallen« <br />
Gerti musste nicht überlegen. »Du meinst, dass <br />
er ein bisschen vergesslich geworden ist Natürlich <br />
ist mir das aufgefallen. Er sollte Ginkgo-‐Kapseln <br />
nehmen. Ich habe neulich einen Artikel darüber <br />
gelesen. Der Wirkstoff ist rein pflanzlich und <br />
verbessert die Durchblutung im Gehirn. Ich werde <br />
deinem Großvater eine Packung besorgen.« <br />
»Du hast es also auch bemerkt« <br />
»Freilich, aber dagegen können wir etwas tun.« <br />
Die <strong>Vier</strong>undsechzigjährige probierte liebend gern <br />
Gesundheitstipps aus, die sie in Illustrierten und der <br />
Apothekenzeitung sammelte. »Ich mache gerade eine <br />
Ölziehkur. Dabei werden Giftstoffe aus dem Körper <br />
gezogen und man fühlt sich viel frischer und wacher. <br />
Das solltest du deinem Großvater auch einmal <br />
vorschlagen. Ich bringe euch morgen das Ginkgo, in <br />
16
Ordnung« Mit diesen Worten drehte sich die <br />
Besucherin um und machte sich auf den Weg. <br />
<strong>Julia</strong> blickte ihr kurz nach, bis Gerti in ihrem Café <br />
am Ende der Straße verschwand. Hinter ihren <br />
Schläfen pochte es. Vielleicht würde ein Spaziergang <br />
das unangenehme Gefühl vertreiben Sie hatte den <br />
Gedanken kaum zu Ende gebracht, als Raudi <br />
heranflitzte. Er hielt seine Leine zwischen den <br />
Zähnen und wedelte erwartungsvoll mit der Rute. <br />
»Du kannst wohl Gedanken lesen, was« <br />
Lächelnd machte <strong>Julia</strong> die Leine an seinem Halsband <br />
fest. Danach zog sie ihre wattierte Jacke und Stiefel <br />
an. Sie nahm ihren Schlüssel vom Brett und schloss <br />
die Haustür hinter sich. Kaum hatte sie einen Fuß <br />
nach draußen gesetzt, schauderte sie unwillkürlich. <br />
Der Nordwind war eiskalt und brachte den salzigen <br />
Geruch der Ostsee mit. <strong>Julia</strong> schlug ihren Kragen <br />
hoch und schob ihre Hände in die Taschen, ehe sie <br />
losmarschierte. Der Schnee knirschte unter ihren <br />
Sohlen. Raudi sauste nur so voraus, dass der Schnee <br />
unter seinen <strong>Pfoten</strong> aufstob. <br />
<strong>Julia</strong>s Eltern waren vor zehn Jahren bei einem <br />
Schiffsunglück ums Leben gekommen. Danach hatte <br />
ihr Großvater sie bei sich aufgenommen. <strong>Julia</strong> liebte <br />
ihre Heimat. Der Darß hatte zu jeder Jahreszeit seine <br />
Reize. Er konnte sich wild und rau zeigen, aber auch <br />
sanft und voller Wärme. Hier schienen die Uhren ein <br />
17
wenig langsamer zu ticken als in der Großstadt. Die <br />
höchste Erhebung der Halbinsel war die Hohe Düne <br />
mit ganzen vierzehn Metern Höhe, was so manchem <br />
Urlauber aus dem Süden einen ungläubigen Blick <br />
entlockte. <br />
Es schneite sacht, als <strong>Julia</strong> die Straße entlanglief. <br />
Die Laternen tauchten den Gehweg in ein <br />
gedämpftes Licht. Bei dieser Kälte blieben selbst die <br />
Möwen in ihren Verstecken, sodass sich nirgendwo <br />
Leben regte. Hier und da blinkten reich mit Lichtern <br />
geschmückte Buchsbäume hinter den Zäunen. <br />
Mit einem Mal zerriss ein Ruf die Stille. <br />
»Hilfe, <strong>Julia</strong>. Hier drüben. Ich brauche Ihre <br />
Hilfe!« <br />
18
2 <br />
Am Ende der Waldstraße stand das Tierheim von <br />
Prerow. Es war in einem Rohrdachhaus mit einer <br />
orangefarbenen Fassade untergebracht. Im Garten <br />
bogen sich Rhododendren unter der Schneelast. Ein <br />
vom Schnee geräumter Pfad führte um das Gebäude <br />
herum zum hinteren Teil des Grundstücks, in dem <br />
mehrere Tierunterkünfte eingerichtet waren. Rauch <br />
ringelte sich aus dem Schornstein in den <br />
Abendhimmel. <br />
Die Eingangstür des Heims war mit <br />
schmückenden Ornamenten verziert, die typisch <strong>für</strong> <br />
den Darß waren. Symmetrisch aufgemalte <br />
Blumenranken, eine Sonne und ein grüner Rahmen <br />
zierten die Tür. In der Öffnung stand ein groß <br />
gewachsener Mann mit einem dunklen Vollbart und <br />
winkte lebhaft. »Kommen Sie rüber, <strong>Julia</strong>! Schnell!« <br />
Jonte Langstein leitete das Tierheim seit vier <br />
Jahren. Er wirkte von Kopf bis Fuß bodenständig. <br />
Seine kräftigen Hände verrieten, dass er keine <br />
schwere Arbeit scheute. Der grob gestrickte Pullover <br />
und die Jeans, die er trug, schienen schon allerhand <br />
mitgemacht zu haben. Hinter seiner rahmenlosen <br />
Brille blickten seine braunen Augen offen und etwas <br />
nachdenklich in die Welt. <br />
<strong>Julia</strong> ging zu ihm. »Ist etwas passiert« <br />
19
»Leider ja. Sie schickt der Himmel, <strong>Julia</strong>. Gerade <br />
hat mir der Pfarrer einen Hund gebracht. Er hat ihn <br />
am Waldrand gefunden. Verletzt!« <br />
»Wurde er angefahren« <br />
»Nein, angeschossen!« <br />
»Was sagen Sie da Angeschossen!« <br />
»Ja, er scheint einem Jäger oder Wilderer vor die <br />
Flinte gelaufen zu sein. Hier auf dem Darß gibt es <br />
eine Menge Rotwild, aber der Schuss muss <br />
fehlgegangen sein. Wer auch immer das war, er hat <br />
den Hund einfach liegen gelassen. Der arme Kerl <br />
konnte sich noch bis zum Waldrand schleppen, aber <br />
dort haben ihn wohl die Kräfte verlassen.« <br />
»Das ist ja furchtbar. Bringen Sie mich bitte zu <br />
ihm.« <br />
Jonte nickte und bedeutete ihr, ins Haus zu <br />
kommen. Sie folgte ihm und machte Raudi im Flur <br />
von der Leine los. »Warte hier, Raudi.« Folgsam <br />
rollte sich der kleine Hund zusammen und legte den <br />
Kopf auf den Vorderpfoten. <br />
Jonte Langstein führte <strong>Julia</strong> zum <br />
Quarantäneraum, in dem Neuankömmlinge <br />
untergebracht wurden, bis feststand, dass sie gesund <br />
waren. Hier gab es einen Schrank mit verschiedenen <br />
Medikamenten, Futtermitteln und Instrumenten, die <br />
im täglichen Umgang mit den Tieren nützlich waren. <br />
Außerdem stand hier ein Tisch mit einer <br />
20
Metallplatte, auf dem Tiere untersucht und im <br />
Notfall behandelt werden konnten. Ein solcher <br />
Notfall lag jetzt vor. Auf dem Tisch lag ein Golden <br />
Retriever. Er zitterte am ganzen Leib und winselte so <br />
kläglich, dass sich etwas in der Tierärztin <br />
zusammenzog. Blut sickerte aus einer Wunde an <br />
seiner rechten Vorderpfote und verkrustete bereits <br />
sein Fell. <br />
Die Tierärztin nahm sich ein Paar <br />
Einweghandschuhe aus dem Regal und zog sie an. <br />
Dann beugte sie sich über den Rüden. »Ich weiß, es <br />
tut weh, aber ich werde alles tun, um dir zu helfen.« <br />
Sie blickte auf. »Halten Sie bitte seinen Kopf, Jonte, <br />
damit er nicht zuschnappen kann« <br />
»Natürlich.« Der Chef des Tierheims hatte <br />
genügend Erfahrung, um zu wissen, was zu tun war. <br />
<strong>Julia</strong> untersuchte den verletzten Hund behutsam. <br />
Er hatte eine Wunde am Ellbogen, aus der dunkles <br />
Blut austrat. Seine Schleimhäute waren rosafarben <br />
und sein Blick wach und aufmerksam. Das Zittern <br />
war jedoch kein gutes Zeichen. »Gibt es hier ein <br />
Blutdruckmessgerät« <br />
»Ja, dort drüben. Im Schrank mit der <br />
Ausrüstung.« <br />
<strong>Julia</strong> holte das Messgerät hervor und fand ihre <br />
Be<strong>für</strong>chtung wenig später bestätigt. Der Blutdruck <br />
des Rüden betrug 180/145 mmHg. Das war zu hoch. <br />
21
Die Schmerzen und der kompensatorische Schock <br />
ließen seine Werte ansteigen. <br />
Sie wünschte sich, sie hätte die Ausrüstung einer <br />
Tierarztpraxis, vor allem einen Röntgenapparat, aber <br />
daran war nicht einmal zu denken. Das Tierheim <br />
verfügte nur über eine medizinische <br />
Grundausstattung. <strong>Julia</strong> legte einen Tropf an und <br />
führte dem verletzten Hund Flüssigkeit zu. Sie stach <br />
die Nadel in eine Hautfalte, die sie mit den Fingern <br />
zusammenschob. Außerdem gab sie ihm <br />
Oxymorphin gegen die Schmerzen. Anschließend <br />
bedeckte sie seine Wunde mit einer sterilen Auflage. <br />
Es dauerte nicht lange, dann ließ sein Zittern nach. <br />
»Mehr kann ich hier leider nicht <strong>für</strong> ihn tun. Er <br />
muss in die Klinik und geröntgt werden. Außerdem <br />
müssen einige Tests gemacht werden, bevor er <br />
operiert wird. Können Sie ihn in die Klinik fahren« <br />
»Natürlich. Mein Wagen parkt draußen. Was <br />
glauben Sie: Wird er es schaffen« <br />
»Das ist ohne Röntgenbild schwer zu sagen. Im <br />
Moment ist sein Zustand stabil. Das ist schon viel.« <br />
»Ich verstehe. Und seine Pfote Ist sie noch zu <br />
retten« <br />
»Das kommt auf den Grad der Zertrümmerung <br />
an. Schusswunden können schwere Zerstörungen <br />
verursachen. Wenn die Wunde gründlich gereinigt <br />
22
wird und sich keine Infektion einstellt, ist es möglich, <br />
die Extremität zu erhalten.« <br />
»Also heißt es, die Daumen zu drücken.« Jonte <br />
strich dem Retriever über den Kopf. »Und du drückst <br />
am besten alle <strong>Pfoten</strong>, Kleiner, zumindest die <br />
gesunden, hast du verstanden« <br />
»Wissen Sie schon, wem er gehört« <br />
»Leider nein, aber er trägt eine Marke, also <br />
werden wir seinen Besitzer schon ausfindig machen. <br />
Bis dahin werde ich mich um ihn kümmern. Vielen <br />
Dank <strong>für</strong> Ihre Hilfe, <strong>Julia</strong>.« <br />
»Da<strong>für</strong> bin ich doch da. Kommen Sie, bringen wir <br />
ihn gemeinsam zu Ihrem Wagen. Haben Sie eine <br />
Decke zum Unterlegen Falls er den Verband <br />
durchblutet« <br />
»Natürlich.« Jonte hob den Rüden vorsichtig auf <br />
seine Arme. <strong>Julia</strong> hielt den Infusionsbeutel fest, <br />
während sie zu seinem Wagen hinausgingen. Im Flur <br />
sprang Raudi auf und trottete ihnen nach. <br />
Der Heimleiter nahm eine Plane aus seinem <br />
Kofferraum und breitete sie auf der Rückbank aus, <br />
ehe er den Rüden darauf ablegte. Der Retriever <br />
schien keine Schmerzen mehr zu haben, denn er <br />
rollte sich zusammen. Das Medikament wirkte. <br />
<strong>Julia</strong> erlaubte sich ein leises Aufatmen. Sie <br />
verabschiedete sich mit dem Versprechen, in der <br />
Tierklinik Bescheid zu sagen, dass er auf dem Weg <br />
23
war. Der Chef des Tierheims bedankte sich noch <br />
einmal bei ihr, ehe er sich in seinen Wagen setzte <br />
und davonfuhr. Wenig später verschwanden die <br />
roten Rücklichter seines Autos im dichten Schneefall. <br />
<strong>Julia</strong> holte ihr Mobiltelefon aus ihrer Tasche und <br />
rief in der Tierklinik an. Sie kündigte das Eintreffen <br />
eines Hundes mit Schusswunde an. Eine mürrisch <br />
klingende Frau versprach ihr, alles Nötige an den <br />
zuständigen Tierarzt weiterzuleiten. <br />
Seufzend legte <strong>Julia</strong> auf. Wenn alles nach Plan <br />
verlaufen wäre, würde ich jetzt in der <br />
Notfallambulanz stehen und den Retriever <br />
behandeln. Hoffentlich kommt er durch … <br />
Tief in Gedanken versunken schob sie ihre <br />
Hände in die Jackentaschen und schlenderte die <br />
Straße hinunter. Raudi trottete neben ihr her. Sie <br />
wollte noch nicht nach Hause, deshalb lenkte sie ihre <br />
Schritte zum Einkaufsviertel. Hier reihten sich <br />
Geschäfte aneinander. In den Schaufenstern blinkten <br />
Weihnachtslichter um die Wette. <strong>Julia</strong> kam an einem <br />
Geschäft mit der Aufschrift ‚Bernsteinzimmer‘ <br />
vorbei. Hier lagerte nicht etwa der lang verschollene, <br />
russische Schatz. Stattdessen wurden <br />
Schmuckstücke und Figürchen aus Bernstein zum <br />
Kauf angeboten. <strong>Julia</strong> bewunderte die Auslagen und <br />
entdeckte eine liebevoll gearbeitete Katze aus <br />
24
Bernstein. Das Material schimmerte geheimnisvoll <br />
im Licht. <br />
Das wäre etwas <strong>für</strong> Großvater, dachte <strong>Julia</strong>. Er <br />
liebt Poppy, diese Katze hat Ähnlichkeit mit ihr. Was <br />
sie wohl kostet <strong>Julia</strong> spähte auf das Preisschild und <br />
schluckte. Die Katze überstieg ihr Budget um einiges. <br />
Sie wandte sich ab und ging weiter. Warum war es so <br />
schwierig, ein Weihnachtsgeschenk <strong>für</strong> ihren <br />
Großvater zu finden Seit Wochen suchte sie danach, <br />
hatte bis jetzt aber noch nichts Passendes gefunden. <br />
Sie konnte ihm doch nicht schon wieder eine Pfeife <br />
schenken! Und wenn sie ihn nach seinen Wünschen <br />
fragte, meinte er nur, alles zu haben, was er brauche. <br />
Eine große Hilfe war das nicht gerade. Zum Glück <br />
waren es noch zwei Wochen Zeit bis Weihnachten. <br />
Bis dahin musste ihr doch noch etwas einfallen! <br />
Der Wind wurde heftiger. <strong>Julia</strong> begann zu <br />
frieren. Sie beschloss, nach Hause zurückzukehren. <br />
Diesmal folgte sie jedoch nicht der Straße, sondern <br />
lief am Strand entlang. Raudi rannte ein gutes Stück <br />
voraus und wedelte mit seiner Rute. Im Dunkeln <br />
wirkte das Meer düster und bedrohlich. Der Wind <br />
peitschte die Wellen hoch und erfüllte die Luft mit <br />
salzigem Sprüh. <strong>Julia</strong> schlug ihren Kragen höher und <br />
war froh, als sie wieder daheim ankam. <br />
Sie schloss die Haustür auf, rief Raudi – und <br />
hörte im nächsten Augenblick das glockenhelle <br />
25
Lachen einer Frau. Im Flur stand die Urlauberin, die <br />
an diesem Tag angereist war: Wiebke Süncksen. Sie <br />
war schätzungsweise Anfang dreißig und hatte <br />
hellblond gefärbte Haare, die sie nun schwungvoll <br />
über ihre Schultern warf. Ihre Hand lag auf dem Arm <br />
von <strong>Julia</strong>s Großvater. Rasmus Sperling strahlte sie <br />
an, als wäre sie geradewegs vom Himmel gefallen. <br />
»Ach, Rasmus, Sie sind ein Schatz«, sagte sie <br />
gerade. <br />
<strong>Julia</strong> wunderte sich über den vertraulichen Ton <br />
der Fremden. Da fiel ihr Blick auf die Girlande aus <br />
Immergrün, die mit Lichtern bestückt und um das <br />
Treppengeländer gewickelt war. Sie musste während <br />
ihres Spaziergangs angebracht worden sein. »O <br />
nein«, stöhnte sie. »Noch mehr Dekoration« <br />
»Warum nicht Wiebke hat mir geholfen, die <br />
Girlande anzubringen. Sieht es nicht großartig aus« <br />
»Hatten wir nicht vereinbart, etwas von der <br />
Dekoration zu entfernen, damit der Strom nicht <br />
wieder ausfällt« <br />
»Ach, so viel verbrauchen die paar Lämpchen <br />
nicht. Außerdem hat Hinnerk nebenan auch noch <br />
Lichter an seinen Buchsbäumen angebracht. Da muss <br />
ich doch mithalten.« <br />
»Trotzdem wolltest du ein paar Stromfresser <br />
entfernen.« <br />
»Wann soll ich das gesagt haben« <br />
26
»Vorhin. Als der Strom ausgefallen war.« <br />
»Der Strom war weg Wann« <br />
»Kurz nachdem du das Fenster im <br />
Frühstücksraum geschmückt hattest. Weißt du das <br />
etwa nicht mehr« <br />
Ihr Großvater schwieg sekundenlang, ehe er eine <br />
Handbewegung machte, als wollte er die Frage <br />
wegwischen. »Unsinn. Stromausfall«, murmelte er. <br />
»Die Girlande sieht schön aus. Und sie bleibt, wo sie <br />
ist.« <br />
»Großvater« Eine kalte Hand schien plötzlich <br />
nach dem Herz der Tierärztin zu greifen. »Erinnerst <br />
du dich an den Stromausfall heute« <br />
»Natürlich erinnere ich mich«, fuhr er auf. »Ich <br />
bin vielleicht schon über sechzig, aber durchaus Herr <br />
meiner Sinne. Außerdem schmücke ich mein Haus <br />
gern weihnachtlich. Verdirb mir bitte nicht die <br />
Freude daran, <strong>Julia</strong>.« <br />
»Das möchte ich ja gar nicht.« <br />
»Dann ist es ja gut.« Rasmus Sperling wandte <br />
sich an die Urlauberin. »Trinken Sie eine heiße <br />
Schokolade mit mir, Wiebke Ein paar <br />
Kokosmakronen sind auch noch da.« <br />
Die Urlauberin willigte mit leuchtenden Augen <br />
ein und folgte ihm in die Küche. <br />
27
»Aber Großvater, wollten wir beide nicht <br />
zusammen …« Weiter kam sie nicht, denn schon <br />
waren sie außer Hörweite. <br />
<strong>Julia</strong> sah ihnen nach und wusste nicht, was sie <br />
denken sollte. Warum hatte sich ihr Großvater zuerst <br />
nicht an den Stromausfall erinnert Er war doch <br />
kaum zwei Stunden her Und warum wusste er nicht <br />
mehr, dass er eigentlich mit ihr Kakao trinken <br />
wollte Das beunruhigte sie. Sie hätte das gern mit <br />
Marc besprochen, weil sie wusste, dass er ihre <br />
Sorgen verstanden hätte. Der Polizist hatte selbst <br />
schon viel Leid erlebt und konnte sich deshalb gut in <br />
andere Menschen hineinversetzen. <br />
Ob sie ihn jetzt erreichen würde <br />
Kurzentschlossen griff sie nach dem Telefon und <br />
wählte seine Nummer. Es klingelte nur einmal. Dann <br />
meldete sich eine gleichgültige Frauenstimme. <br />
»Dieser Anschluss ist zurzeit nicht erreichbar. Bitte <br />
versuchen Sie es zu einem späteren Zeitpunkt <br />
erneut.« Es klickte, als die Verbindung beendet <br />
wurde. <br />
Enttäuscht ließ <strong>Julia</strong> den Hörer sinken. <br />
Wo bist du, Marc Warum kann ich dich nicht <br />
erreichen <br />
Ende der <strong>Leseprobe</strong>. Hat es Ihnen gefallen und Sie <br />
28
möchten weiterlesen <br />
„<strong>Vier</strong> <strong>Pfoten</strong> <strong>für</strong> <strong>Julia</strong> – <strong>Winterzauber</strong>“ von Katja Mar-tens<br />
ist überall erhältlich, wo es E-‐Books gibt. <br />
my digital garden – Wo gute Geschichten wach-sen.<br />
<br />
29