Mai 2013
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Der Dekalog (Teil 4) - Das zweite Gebot:<br />
Du sollst den Namen Gottes<br />
nicht verunehren!<br />
So lautet das 2. Gebot in der Zählung<br />
des katholischen Katechismus‘.<br />
Freilich könnte man es in der Bibel fast<br />
überlesen. Nach dem 1. Gebot, ich bin<br />
JHWH, der Herr und dein Gott, mahnt der<br />
biblische Text davor, sich ein Bild oder<br />
Abbild Gottes zu machen. Dann heißt es<br />
ganz knapp: „Du sollst den Namen des<br />
Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen“<br />
(Exodus 20,7). Dieses Gebot hat<br />
also in der Geschichte der Glaubenden<br />
einige Neuakzentuierungen erfahren.<br />
Machen wir uns auf die Spurensuche.<br />
Am brennenden Dornbusch (Exodus 3)<br />
hat sich Gott selbst mit Namen vorgestellt.<br />
Ich heiße JHWH, gab er dem Mose<br />
zur Antwort, deutsch etwa: ich bin der,<br />
der ich sein werde. Im Judentum geht<br />
man allerdings seit frühester Zeit mit<br />
dem Namen so respektvoll und ehrfürchtig<br />
um, dass er nie direkt ausgesagt wird,<br />
sondern immer umschrieben wird, z. B.<br />
durch Adonaj, der Herr. Es soll deutlich<br />
gemacht werden: durch Aussprechen des<br />
Namens kann Gott niemals verfügbar gemacht<br />
werden, denn er ist ganz und gar<br />
frei; für ein begrenztes Wesen wie den<br />
Menschen nie fassbar oder gar auf einen<br />
Begriff reduzierbar.<br />
Diesen tiefen Respekt wird auch Jesus<br />
von Nazareth aus dem jüdischen Glauben<br />
heraus gehabt haben. Kern seiner<br />
Frohen Botschaft ist es allerdings, dass<br />
Gott ganz nahe ist, das Reich Gottes<br />
schon angebrochen. Er hat uns einen<br />
von den zu seiner Zeit gebräuchlichen<br />
Titeln Gottes ins Stammbuch geschrieben:<br />
Vater im Himmel. Die Ehrfurcht vor<br />
dieser Bezeichnung schreibt auch das<br />
christliche Grundgebet fest: „Vater unser im<br />
Himmel, geheiligt werde dein Name…“ Den<br />
Namen heiligen, das ist also die jesuanische<br />
Akzentuierung des 2. Gebotes. Mitgesagt ist<br />
dabei, dass die Betenden zu Familienmitgliedern,<br />
zu Kindern werden.<br />
Namensmissbrauch – den gibt es heute<br />
noch. Als ich meinen neuen Personalausweis<br />
bestellte, erhielt ich die Möglichkeit, meine<br />
Person auf elektronischem Weg auch im<br />
Internet zu verifizieren. Damit niemand anderes<br />
in meinem Namen Käufe unternimmt<br />
oder verbindliche Verträge eingeht.<br />
Das macht mich nachdenklich. Auf der einen<br />
Seite stellt sich Gott den Menschen persönlich<br />
mit Namen vor und möchte ihnen nahe<br />
sein. Auf der anderen Seite wurde der Name<br />
Gottes in der Kirchengeschichte oft genug<br />
missbraucht, wurden etwa Kriege ausgerufen<br />
und legitimiert. Zeitgenossen würden<br />
es anders nennen, aber aus heutiger Sicht<br />
erscheint die Legitimierung von Krieg im Namen<br />
Gottes als Identitätsdiebstahl, bedenkt<br />
man die Haltung Jesu zu Gewalt und seinen<br />
Aufruf, Feinde zu lieben.<br />
Positiv ausgedrückt: Das 2. Gebot macht<br />
Mut, Gott zu suchen, anzurufen, mit ihm<br />
vertraut zu werden. Es fordert darin den<br />
Respekt vor der Größe und Freiheit Gottes.<br />
Denn nur er selbst kann letztlich dafür<br />
Worte finden, wer er ist und wie er ist. Menschenworte<br />
bleiben dabei Bruchstücke und<br />
begrenzt. Jesus legt uns in den Mund und<br />
letztlich ins Herz, den Namen Gottes zu heiligen:<br />
unserem Vater im Himmel zuzutrauen,<br />
dass von ihm, und von ihm allein, das Heil<br />
ausgeht, wir ihn in Gottesdienst und Gebet<br />
ehren können und wir offen sind dafür, auch<br />
im Alltag seine Spuren zu suchen und auf<br />
seinen Spuren zu gehen.<br />
Bernhard Brinkmann