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Musik im Raum - ZKM

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Ach woher!<br />

Michael Harenberg, Daniel Weissberg<br />

Hochschule der Künste, Bern<br />

Studiengang <strong>Musik</strong> und Medienkunst<br />

Für Descartes war das menschliche Gehirn eine Art Panorama in Form eines Projektionsraums für<br />

alle Arten der Wahrnehmung. Bilder und Töne werden darin auf eine Art Leinwand projeziert, die<br />

allerdings uneben, faltig und in sich vielfach gekrümmt ist, weswegen Wahrnehmung bei ihm <strong>im</strong><br />

Ergebnis <strong>im</strong>mer individuell stattfindet. Die räumliche Abbildung ist das angenommene operationale<br />

Verfahren dazu. Aspekte der Faltung als mathematisches Prinzip spielen auch in neueren nichteuklidischen<br />

<strong>Raum</strong>konzeptionen unserer Zeit eine Rolle, um n-d<strong>im</strong>ensionale <strong>Raum</strong>modelle <strong>im</strong>merhin<br />

noch numerisch erfassen zu können. Dabei gehen wir <strong>im</strong>mer noch von der Kantschen These vom<br />

<strong>Raum</strong> als anthropologischer Konstante aus, der in einem a priori stets bereits vorhanden ist.<br />

Klang ist dabei in Bezug auf die <strong>Raum</strong>wahrnehmung kein Problem per se, sondern entspricht<br />

unserer gewohnten Rezeptionsweise. Umfassende kompositorisch-ästhetische Versuche zu den Donaueschinger<br />

<strong>Musik</strong>tagen vor allem der 1960er und 1970er Jahre mit verteiltem oder <strong>im</strong> <strong>Raum</strong><br />

bewegtem Instrumentarium belegen dies. Problematisch, weil ein grundlegenderes Problem berührend<br />

und qualitativ verschärfend, ist dies bei medialen Brüchen und ebensolchen Überlagerungen<br />

verschiedener Klangräume <strong>im</strong> Falle von Lautsprechern, da anders als be<strong>im</strong> digitalen Bild, welches<br />

autonom <strong>im</strong> Bildrahmen des Monitors erscheint, medial-technische Klangräume keine akustische<br />

Existenz per se haben können. Im Falle mehrerer Lautsprecher und entsprechend multilokaler<br />

Klangquellen <strong>im</strong> <strong>Raum</strong> wird die Sache sofort kompliziert. Deshalb kann man ganz allgemein beobachten,<br />

dass es für eine stereofone Wiedergabe wahrscheinlich kaum einer Legit<strong>im</strong>ation bedarf, da<br />

sie unserer gewohnten Rezeption am nächsten kommt. Wir sind gewohnt, uns denjenigen Dingen,<br />

denen wir Aufmerksamkeit schenken, zuzuwenden. Für mehr als zwei Kanäle dagegen braucht es<br />

eine starke Legit<strong>im</strong>ation ebenso wie für rein monaurale Wiedergabeszenarien.<br />

Stereofone Verfahren sind zudem noch nicht körperumfassend, sondern konfrontativ <strong>im</strong> Sinne<br />

der Abbildung einer Bühne, als deren Gegenüber ich mich aber <strong>im</strong>mer noch <strong>im</strong> <strong>Raum</strong> verorten kann.<br />

Ganz anders ist das bei Surround-Konfigurationen, die nicht mehr konfrontativ sondern <strong>im</strong>mersiv<br />

die subjektive Gesamtakustik ausfüllen und damit komplett überlagern. Mein akustischer Ort löst<br />

sich auf und wird okupiert. Wellenfeldsynthese und Sound-Projectors stellen einen Sonderfall dar,<br />

da sie sowohl <strong>im</strong>mersiv als auch als singulare Klang-Projektion eingesetzt werden können.<br />

Daraus folgt die praktische Beobachtung, dass die Nähe, mit der einem mehrkanalige Stücke<br />

wortwörtlich auf den Leib rücken, bei den sehr guten Stücken ein Erlebnis, bei den mittelmäßigen<br />

eher ärgerlich und bei den schlechten sehr schnell unerträglich wird.<br />

Michael Harenberg, Daniel Weissberg „Ach woher!“<br />

Es sind also auch wahrnehmungspsychologische Ursachen, die nach einer starken Legit<strong>im</strong>ation für<br />

akustische Ein- und Übergriffe verlangen. Was kann Mehrkanal-Wiedergabe leisten Deshalb hier<br />

ein paar grundsätzliche Überlegungen zu der Frage, was die Gründe für mehrkanalige Wiedergabe<br />

überhaupt sein können:

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