Musik im Raum - ZKM
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führt die diskrete Zunahme an Komplexität durch das Bewegen einer einzelnen St<strong>im</strong>me <strong>im</strong> <strong>Raum</strong><br />
zu einer Steigerung der Aufmerksamkeit. Bei mehreren wandernden St<strong>im</strong>men bewirkt dies eine<br />
mehrschichtigere Wahrnehmung, da durch das Wandern jede einzelne St<strong>im</strong>me je nach Position mal<br />
stärker hervortritt und sich dem Hörer aufdrängt und dann wieder einer anderen Platz macht. Dabei<br />
müssen die unterschiedlichen Bewegungen und Positionen der einzelnen St<strong>im</strong>men nicht unbedingt<br />
und nicht <strong>im</strong>mer bewusst wahrgenommen werden, was bisweilen wegen der Vielzahl der St<strong>im</strong>men<br />
unmöglich ist. Vielmehr ist die gewonnene Transparenz häufig eher die Folge einer selektiven Wahrnehmung,<br />
die aber angeregt wird, zwischen den einzelnen Schichten wesentlich häufiger zu springen,<br />
als dies bei einer statischen Verteilung der St<strong>im</strong>men auf die Lautsprecher der Fall wäre.<br />
Im ersten der zwei Formteile, in die sich ...and even further conversations with myself... gliedern<br />
lässt, unterstreicht die Spatialisation die Länge der einzelnen musikalischen Elemente durch einen an<br />
deren Dauer gekoppelten klaren, schnell identifizierbaren Weg <strong>im</strong> <strong>Raum</strong> (z.B. von links hinten nach<br />
rechts vorne). Dies hängt zusammen mit der oben angedeuteten Idee der Arbeit Finger für Finger<br />
mit virtuellen Tonbandschnipseln als kompositorischem Material.<br />
Nach der einleitenden Klangexplosion beginnt das eigentliche Stück mit folgendem vom Saxophon<br />
gespielten Element (vgl. Abb. 3):<br />
Dieses Motiv, ein Klappengeräusch, gefolgt von Luftrauschen und abgeschlossen durch einen „Einatmer“,<br />
stellt in stilisierter Form eine Art Tonbandschnipsel dar, der „aufgenommenes“ Rauschen<br />
enthält, umrahmt von einem „Einschalt-“ und einem „Ausschaltgeräusch“. Zudem hat das Element<br />
eine konkrete Länge von drei Vierteln plus einem Achtel, die sich durch das Wiederholen einprägt<br />
und in der Folge zur zentralen Zeiteinheit einer loop-inspirierten Kompositionstechnik wird. Im<br />
folgenden entspinnt sich ein Spiel mit diesem Motiv und mit seiner Zeiteinheit:<br />
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Abb. 3: Sascha Lemke, ...and even further conversations<br />
with myself..., 2005, Anfangsmotiv,<br />
© Sascha Lemke<br />
Das Saxophon spielt sukzessive neue Varianten dieses Motivs (<strong>im</strong>mer Elemente derselben Zeitdauer),<br />
diese werden aufgezeichnet und in ständig sich änderden Remixes überlagert, sodass<br />
aus den Komplementärrhythmen stetig neue Gestalten entstehen.<br />
Die loopähnliche Aneinanderreihung von Zeitschnipseln dieser Dauer wird unterbrochen und<br />
geschnitten durch andere Elemente.<br />
Die Loopdauer wird verkürzt.<br />
Neue musikalische Gestalten von längerer Dauer binden mehrere solcher aneinandergereihter<br />
Zeiteinheiten zusammen. (Vgl. Abb. 4)<br />
In diesem Fall wird die Spatialisation eingesetzt, um das Bild des Tonbandschnipsels zu verräumlichen,<br />
ein wenig als ob der Tonbandschnipsel durch den <strong>Raum</strong> gespannt wäre und der Lesekopf<br />
einmal quer durch denselben wandert, um das Tonband abzuspielen. Für jedes Element, das von der<br />
Elektronik wieder abgespielt wird, berechnet das Patch eine klare einfache Wanderung von einem<br />
Ende des Klangraums zum anderen; die Dauer dieser Wanderung entspricht exakt der Länge des<br />
gespielten Elements.<br />
Sascha Lino Lemke „...and even further conversation with myself...“<br />
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