Musik im Raum - ZKM
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...and even further conversations with<br />
myself... – Gedanken zu <strong>Raum</strong>konzeption<br />
und -transkription<br />
Sascha Lino Lemke<br />
Hochschule für <strong>Musik</strong> und Theater Hamburg<br />
Die Arbeit mit besonderen Lautsprecherkonstellationen ist einerseits ausgesprochen verlockend.<br />
Andererseits sind Wiederaufführungen der für solche Setups entstandenen Werke nicht selten nur<br />
an einem best<strong>im</strong>mten Ort bzw. mit Hilfe eines best<strong>im</strong>mten Studios möglich. Für jedes Werk stellt<br />
sich die Frage, ob es für andere technische Voraussetzungen, für andere Räume transkribierbar ist<br />
oder nicht. Anhand meines musikalischen Beitrages zu next_generation 2007, dessen Spatialisation<br />
ursprünglich für den T<strong>im</strong>ée des IRCAM plus eine 11-kanalige Rundumbeschallung konzipiert und<br />
nun für den Klangdom des <strong>ZKM</strong> umprogrammiert wurde, soll nach einer allgemeinen Einführung<br />
dieser Frage nachgegangen und abschließend reflektiert werden, welche Funktionen die Spatialisation<br />
<strong>im</strong> Laufe des Stücks übern<strong>im</strong>mt.<br />
...and even further conversations with myself... für Baritonsaxofon und Computer entstand 2005 für<br />
den Saxofonisten Vincent David und das IRCAM. Eingangs sei eine kurze allgemeine Einführung in<br />
das Werk gegeben, dessen drei Titel einige wichtige Hinweise auf dessen Grundideen anbieten:<br />
...and even further conversations with myself... bezieht sich auf die Titel der zwei Alben des<br />
Jazzpianisten Bill Evans, auf denen er mit Hilfe der Aufnahmetechnik des sogenannten overdubbings<br />
mit sich selbst spielt. Ich bin <strong>im</strong>mer wieder fasziniert von dem Reichtum, den Bill Evans durch<br />
dieses doch scheinbar so einfache Mittel erreicht. So war denn meine Ausgangsidee, mein Stück vor<br />
allem mit zwei Grundprinzipien zu entwickeln:<br />
– der fortwährenden Kombination von Ausschnitten des bereits vom Solisten Gespielten, eine Art<br />
Remix oder – anders ausgedrückt – einem ständig neuem overdubbing sowie<br />
– der Interpretation der Resultate dieser Remixes, v.a. durch eine harmonische Abstützung.<br />
Dr. Murkes gesammeltes Schweigen ist der Titel eines Werkes von Heinrich Böll, das die Geschichte<br />
eines Radioredakteurs erzählt. Dieser Mann ist derart frustriert von seiner Arbeit, insbesondere<br />
der Überarbeitung der alten Radiosendungen eines gewissen Philosophen, dass er anfängt,<br />
die nur Stille enthaltenen kleinen Tonbandschnipsel zu sammeln, die als Abfallprodukt seiner eigentlichen<br />
Arbeit übrig bleiben. Diese klebt er dann nach Dienstschluß aneinander und hört sich das <strong>im</strong>mer<br />
länger dauernde Schweigen an, quasi als Selbsttherapie. Als ich die Saxofonaufnahmen für mein<br />
Stück schnitt, war ich weit davon entfernt, frustriert zu sein. Jedoch fand ich zwischen dem, was ich<br />
ursprünglich aufzunehmen beabsichtigte, viele kleine leise Gesten, die mich sehr berührten und die<br />
bisweilen recht komplexe Rhythmen aufwiesen: Wenn Vincent David einen neuen Klang vorbereitete,<br />
hörte man auf der Aufnahme z.B. erst Luftgeräusche (um das Instrument anzuwärmen), dann die<br />
Klappengeräusche (Vorbereitung des nächsten Griffes Finger für Finger), dann das Einatmen usw.<br />
Diese Klänge sind, stark stilisiert, Ausgangsmaterial des Stücks geworden. Außerdem beruht für<br />
mich die Poesie des Stückes zum Teil auf nostalgischen Rückbezügen auf „die gute alte Zeit der ana-<br />
Sascha Lino Lemke „...and even further conversation with myself...“<br />
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