Musik im Raum - ZKM
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die Menschen ihre eigenen Sprachen über die Gesänge von Vogelschwärmen lernten, erscheinen in<br />
dem Stück mit künstlichem Hall versehene Vogelst<strong>im</strong>men. Es erwies sich, dass die doppelte Künstlichkeit,<br />
die zunächst fragwürdig anmuten mochte, ‚unter freiem H<strong>im</strong>mel’ funktionierte, denn die<br />
scheinbare Realität der Vogelst<strong>im</strong>men gepaart mit dem künstlichen Hall sorgte, integriert in das<br />
natürliche Soundscape des Aufführungsortes, für interessante Irritationen und ästhetische Verrückungen.<br />
Der kolumbianische Komponist Sergio Vásquez verwendete in seinem Stück Der Fischer redet<br />
mit der Straße ein Lied einer populären Sängerin seines He<strong>im</strong>atlandes, das er mit komponierter<br />
elektronischer <strong>Musik</strong> verband. Hier wurden die Lautsprecher nicht bewegt, sondern in einer Reihe<br />
hintereinander auf den Boden bzw. den Sand gelegt. Die äußeren Lautsprecher spielten vornehmlich<br />
den Originalsong ab, die mittleren wechselten <strong>im</strong>mer wieder abrupt von Originalmaterial zu verfremdeten<br />
Material. Mit der Bewegung des Publikums entlang der Lautsprecherlinie vermischten<br />
sich die beiden klanglichen Ebenen je nach Hörposition. Auch lebte dieses Stück besonders bei der<br />
Aufführung <strong>im</strong> Winter vom Gegensatz der ‚heißen’ südamerikanischen Strandmusik und der europäischen<br />
Kälte.<br />
Die Studierenden entwickelten für die Stücke einfache Abläufe von Bewegungen der Performer<br />
<strong>im</strong> <strong>Raum</strong> und Bewegungen der Lautsprecher selbst. In den Proben wurde mit verschiedenen Ansätzen<br />
exper<strong>im</strong>entiert, die ‚Choreografien’ mit der Dichte und musikalischen Bewegtheit der Kompositionen<br />
in Einklang zu bringen.<br />
An einer eigenen Arbeit, Abglanz (2006), lässt sich verdeutlichen, wie die Verwendung von mobilen<br />
Lautsprechern mit einem stationären Lautsprechersetup verbunden werden kann. Abglanz ist<br />
eine audiovisuelle Performance und Installation für mobile Lampe und Musterfolien sowie mobilen<br />
Lautsprecher und einem über vier <strong>im</strong> <strong>Raum</strong> positionierte Lautsprecher abgespielten 4-kanaligen Audiozuspiel.<br />
Die Arbeit entstand in Kooperation mit dem Medienkünstler Dominik Busch und wurde<br />
für den Kleinen Wasserspeicher <strong>im</strong> Prenzlauer Berg Berlin entwickelt. Sie bezieht sich in mehrerlei<br />
Hinsicht auf diesen spezifischen <strong>Raum</strong>:<br />
Zum einen wurden aus dem sechseckigen Grundriss des Wasserspeichers Muster abgeleitet, aus<br />
denen visuelle und akustische Patterns gebildet wurden. In der visuellen Realisierung wurden die<br />
Muster auf zwei hintereinander aufgespannte durchsichtige Folien aufgebracht. Sie wurden über<br />
einen Beamer auf die Folien projiziert und dann per Hand aufgetragen, und zwar unter Berücksichtigung<br />
der perspektivischen Verzerrungen, die durch die Positionierung der Lichtquelle entstanden.<br />
In der Aufführung galt dann das Konzept „media without media“: Mit einer mobilen Lampe<br />
als gerichteter Lichtquelle wurden die netzartigen Strukturen auf den Folien an die Wände des<br />
Wasserspeichers projiziert, ohne dass ein Video- oder Diaprojektor benutzt wurde. Es entstanden<br />
Überlagerungen, die zusammen mit der Bewegung der Lichtquelle für einen – in realt<strong>im</strong>e erzeugten<br />
– An<strong>im</strong>ationseffekt sorgten. (Vgl. Abb. 4)<br />
Das musikalische Konzept bezog sich einerseits auf die extrem lange Nachhallzeit des <strong>Raum</strong>es.<br />
Als Grundklangmaterial der Komposition wurde synthetisch generiertes Rauschen gewählt, um dem<br />
Hall ‚neutrale’ Klänge entgegenzusetzen. Der Hall und die Filterungen des <strong>Raum</strong>s sollten die Klänge<br />
nicht verwischen, sondern färben. Weiterhin wurde Rauschen als Klangmaterial gewählt, weil es<br />
sich besonders eignete, um über den stark gerichteten mobilen Lautsprecher abgestrahlt zu werden<br />
und die Reflexionen an den zahlreichen Wänden des Wasserspeichers deutlich wiederzugeben. Die<br />
Rauschklänge wurden auf unterschiedliche Spektren hin modelliert und gefiltert und mit diesen<br />
abgestuften Rauschklängen konnten dann besonders prägnante (aus dem Grundriss des Wasserspeichers<br />
abgeleitete) akustische Muster erzeugt werden. Nicht zuletzt bot das Rauschen Assoziationen<br />
zu Wasserklängen. In verschiedenen Abschnitten der Komposition kam daher synthetisch erzeugtes<br />
Kirsten Reese „Bewegte Lautsprecher <strong>im</strong> <strong>Raum</strong>“<br />
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