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Musik im Raum - ZKM

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Präsentieren jeweils neuer technischer Möglichkeiten, ohne zu wirklich gelungenen Kunstwerken zu<br />

gelangen. Nur von relativ wenigen Werken glaube ich, dass sie das Ziel einer Zeit und <strong>Raum</strong> überwindenden<br />

„mehrd<strong>im</strong>ensionalen Setzung“ erreicht haben, welches Menschen dazu antreibt, dieses<br />

Werk <strong>im</strong>mer wieder zu hören, weiter zu studieren.<br />

Das ist aber eigentlich nichts Besonderes und auch nichts Schl<strong>im</strong>mes. Schon <strong>im</strong>mer war die<br />

Produktion singulärer Kunstwerke begleitet von einer großen Zahl von eher exper<strong>im</strong>entellen Versuchen,<br />

Studien und spielerischen Improvisationen. Das ist auch <strong>im</strong> Bereich der traditionell komponierten<br />

<strong>Musik</strong> und der anderen Kunstformen nicht anders.<br />

Fatalerweise schreitet die technologische Entwicklung so schnell voran, dass man sich durchaus<br />

ein Leben lang damit beschäftigen kann, die gerade wieder neuen technischen Errungenschaften, sei<br />

es in Software oder Hardware, spielerisch auszuprobieren und eben mal damit ein Stück zu machen,<br />

ohne ein einziges Mal lange darüber nachzudenken, was man gerade <strong>im</strong> ästhetischen, künstlerischen<br />

Sinne fabriziert.<br />

Vor dreißig Jahren waren das <strong>im</strong>mer neue Synthesemodelle, dann kam die Sampling-Ära, wo<br />

man jeden beliebigen Klang bearbeiten konnte, dann kamen Audioprogramme mit tollen Plugins,<br />

die aus jedem beliebigen Signal einen bombastischen Knaller machen. Ich denke z.B. an die so beliebten<br />

GRM-Tools. Schließlich kam – zum zweiten Mal – Surround und damit einhergehend <strong>im</strong>mer<br />

größere Lautsprechermatrizen, die man viel gezielter einsetzen kann, weil die heutigen Audiosysteme<br />

es erlauben, Dutzende diskreter Kanäle = Lautsprecher individuell anzusteuern, also auch für<br />

jeden Kanal eigene Berechnungen von Laufzeit etc. anzustellen.<br />

Zwar gab es früher schon erstaunliche Lautsprechersysteme – man denke an den Phillips-Pavillon<br />

mit seinen 400 Lautsprechern, für den Varése und Xenakis Werke schufen – aber diese waren in<br />

der Regel zu wenigen Gruppen zusammengefasst, konnten also nicht einzeln angesteuert werden.<br />

Anders ausgedrückt: Wir haben heute fantastische musiktechnologische Möglichkeiten <strong>im</strong> Vergleich<br />

zu der Situation in den 1960er und 1970er Jahren, aber nutzen wir sie eigentlich auch künstlerisch<br />

adäquat Manchmal hat man ja schon den Eindruck, dass das künstlerische Potential vieler<br />

Werke aus der „Steinzeit“ der Computermusik keineswegs geringer ist als das, was heute mit viel<br />

bequemeren Software- und Hardware-Instrumenten produziert wird. Vielleicht hatten die Zeiten,<br />

in denen man einen Kaffee trinken gehen konnte, bevor der Computer ein klingendes Ergebnis ausspuckte,<br />

zumindest diesen einen Vorteil hatten: Man musste mehr über sein Stück nachdenken und<br />

konnte nicht so leicht und schnell etwas hinzaubern.<br />

Heute sehe ich angesichts von Wellenfeldsynthese und <strong>im</strong>mer mehr Studios, die sich mit der Zahl<br />

ihrer Lautsprecher brüsten – ich tue das ja auch, gebe ich zu – die Gefahr, dass wir <strong>Musik</strong>er allzu<br />

leicht der Versuchung erliegen, die Klänge auf unseren mit vielen Lautsprechern bestückten Decken<br />

und Wänden hin und her und <strong>im</strong> Kreis zu schicken und dabei zu glauben, dass das alleine zusammen<br />

mit anderen netten Effekten schon ausreiche, um ein Werk zum Kunstwerk zu machen. Wir vergessen<br />

dabei vor lauter Spielfreude gern, wie schnell sich Effekte abnutzen, und dass der Einsatz von<br />

akustischen Effekten nur dann erträglich bleibt, wenn er einem übergeordneten künstlerischen Ziel<br />

untergeordnet ist, welches in sich tragfähig ist.<br />

Übrigens ist eine solche Situation nichts grundsätzlich Neues: Wenn man einmal die etwa hundert<br />

Jahre studiert, die von der Entwicklung des Klaviers zur heutigen standardisierten Form geprägt<br />

sind, so findet man in dieser Epoche eine unglaubliche Zahl von <strong>im</strong>mer verrückteren Klavieroder<br />

Flügelmodellen mit Dutzenden von Hebeln für alle möglichen Effekte, vom Donnerschlag bis<br />

zum Katzenmiauen oder Kettengerassel, und parallel dazu die entsprechenden längst vergessenen<br />

Kompositionen, in denen diese exotischen Klaviererweiterungen zum Einsatz kamen.<br />

Thomas A. Troge „<strong>Musik</strong> <strong>im</strong> <strong>Raum</strong>“<br />

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