Download (PDF) - Weihnachten ist Geburtstag
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Andacht über den Wochenspruch zum 2. Advent 2012 und über<br />
die Impulspostkarte „Merry Birthday“<br />
Wochenspruch: „Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung<br />
naht.“ Lukas 21,28<br />
Von Stephan Krebs, Pfarrer und Pressesprecher<br />
der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Darmstadt<br />
Liebe Gemeinde,<br />
was sehen Sie, wenn Sie diese Postkarte betrachten Als Erstes fällt Ihnen vielleicht der<br />
Hintergrund auf, ein festliches, weihnachtliches Rot, das durch rosa Farbtupfen unterbrochen<br />
wird, die an ein Schneegestöber denken lassen. Im Vordergrund <strong>ist</strong> eine bunte Girlande<br />
zu erkennen. Sie erinnert an Buchstabenbänder für Kindergeburtstage. Die Buchstaben<br />
der Girlande ergeben zwei Wörter: „Merry Birthday“. Das <strong>ist</strong> ein Wortspiel, genauer<br />
gesagt werden zwei geflügelte englische Worte miteinander verbunden: „Happy<br />
Birthday“ (auf Deutsch: „Fröhlichen <strong>Geburtstag</strong>“) und „Merry Chr<strong>ist</strong>mas“ (auf Deutsch:<br />
„Gesegnete <strong>Weihnachten</strong>“). Die Postkarte verknüpft also <strong>Geburtstag</strong> und <strong>Weihnachten</strong>.<br />
Sie erinnert daran: <strong>Weihnachten</strong> <strong>ist</strong> ein Geburtsfest. Gefeiert wird die Geburt von Jesus<br />
1
Chr<strong>ist</strong>us. Der Gedanke liegt nahe, aber das Motiv überrascht. Es reibt sich an lieb gewordenen<br />
Denkmustern: <strong>Weihnachten</strong> – das <strong>ist</strong> doch die Sehnsucht nach Stille, eher ein Fest<br />
der Familie. <strong>Weihnachten</strong> – da denken wir an Bethlehem und die Krippe, an die junge<br />
Mutter Maria, Josef und das neu geborene Chr<strong>ist</strong>kind. <strong>Weihnachten</strong> umgibt der Zauber<br />
des Anfangs.<br />
Ganz anders dagegen bei einem <strong>Geburtstag</strong>: Den umgibt doch, wenn es gut geht, der<br />
Zauber gelebten Lebens. Es <strong>ist</strong> Das <strong>ist</strong> eher ein fröhliches und lautes Treiben mit vielen<br />
Freunden und Bekannten.<br />
Allerdings: Die Art und Weise, wie wir <strong>Geburtstag</strong> feiern, verändert sich im Laufe eines<br />
Lebens. Am Anfang sind es fröhliche Kindergeburtstage. Man sagt: pro Lebensjahr ein<br />
Gast. Die Kinderschar wird also immer größer. Sie erinnern sich hoffentlich noch an Ihre<br />
Kindergeburtstage: schöne Nachmittage mit Blindekuh, Topfschlagen, Ausflügen oder<br />
anderem. Sie erinnern sich sicher auch daran, dass irgendwann die Pubertät kommt.<br />
Dann wird es me<strong>ist</strong> schwierig den <strong>Geburtstag</strong> noch zu feiern. Der 18. <strong>Geburtstag</strong> <strong>ist</strong> noch<br />
mal wichtig: Der Führerschein winkt, die Schule <strong>ist</strong> zu Ende, das Leben öffnet sich.<br />
Dann dauert es eine Weile, bis der <strong>Geburtstag</strong> wieder wirklich etwas bedeutet. Der 40.,<br />
der 50. und so weiter. Es sind die runden <strong>Geburtstag</strong>e, die herausragen und aufdecken,<br />
was los <strong>ist</strong>. Sie sind Anlass zu einer Bilanz der bisherigen Lebensernte und damit auch<br />
eine Art Le<strong>ist</strong>ungsschau. Man spürt, wo man steht. Wenn es gut geht, dann kann man<br />
fröhlich feiern im Kreis derer, die einem wichtig sind. Das wärmt und trägt. Daraus erwachsen<br />
schöne Erinnerungen, die aus dem Alltag herausragen.<br />
Aber solche <strong>Geburtstag</strong>e können auch traurige Momente sein. Denn die Lebensernte fällt<br />
nicht bei allen und nicht zu allen Zeiten üppig aus. Mancher hat nicht viele Gäste, an denen<br />
er sich wärmen kann. Manchem fehlt das Geld zum Feiern. Anderen <strong>ist</strong> nicht nach<br />
Feiern zumute, denn es gibt nicht viel zum Feiern. Unter diesen Umständen droht die<br />
Le<strong>ist</strong>ungsschau „Runder <strong>Geburtstag</strong>“ heikel zu werden. Wohl dem, der sich dann Chr<strong>ist</strong>us<br />
nahe fühlt. Denn dann <strong>ist</strong> klar: Der Sinn des Lebens hängt nicht von der Anerkennung<br />
ab, die es bei anderen findet. Der Sinn des Lebens wird von Gott geschenkt – von Anfang<br />
an.<br />
Bei jedem <strong>Geburtstag</strong>, egal wie er gefeiert wird, schwingt aber noch etwas anderes mit.<br />
Es wird von kaum jemandem angesprochen, obwohl es alle wissen: Angst vor dem Ende.<br />
Diese Angst wird mit lauter Fröhlichkeit und herzlichem Gratulieren geradezu weggedrängt.<br />
Aber es <strong>ist</strong> so und jeder weiß es: Jeder <strong>Geburtstag</strong> bringt uns dem Ende näher.<br />
Je mehr Erlebtes es zu feiern gibt, desto weniger steht noch aus. Die Zukunft schmilzt<br />
wie die leuchtenden Kerzen auf der weihnachtlichen <strong>Geburtstag</strong>spostkarte. Das Ende<br />
kommt näher. Und die Frage wird drängender, was dann sein wird. Also: Am <strong>Geburtstag</strong><br />
wird das endliche Leben gefeiert, als Gewinn an Erfahrungen und Erlebnissen – und<br />
zugleich als Verlust an Zukunft. <strong>Geburtstag</strong>e sind fröhliche Feste mit einem heimlichen<br />
melancholischen Unterton.<br />
Genau da setzt der Advent an. Er beantwortet die Frage, was am Ende des Lebens sein<br />
wird. Das wird manchen überraschen. Denn landläufig verstehen viele den Advent nur als<br />
Vorbereitungszeit auf <strong>Weihnachten</strong>, gewissermaßen als Countdown auf das große Fest.<br />
Der Advent schürt die Vorfreude auf die Geburt Jesu Chr<strong>ist</strong>i.<br />
Aber das <strong>ist</strong> nur der erste Schritt. Weitere müssen folgen, denn eigentlich <strong>ist</strong> der Advent<br />
mehr. Er sieht nicht nur voraus auf einen Anfang. Er schaut zugleich – mit großen Erwartungen!<br />
– auf dessen Ende. Denn erst vom Ende her versteht man, warum die Geburt<br />
Jesu Chr<strong>ist</strong>i so wichtig <strong>ist</strong>. Das zeigen die biblischen Texte, die der Adventszeit zugeordnet<br />
sind. Sie weisen allesamt weit über <strong>Weihnachten</strong> hinaus. Das gilt auch für den Wochenspruch,<br />
der aus dem 21. Kapitels des Evangel<strong>ist</strong>en Lukas stammt. Er lautet:<br />
2
„Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.“<br />
Dieser Vers stammt aus einer Rede, in der Jesus den Horizont ganz weit macht. Er lenkt<br />
den Blick über das hinaus, was er schon zu Lebzeiten für die Menschen getan hat:<br />
Jesus wurde als Menschenkind in einer Krippe geboren. So kommt er uns nahe –<br />
auch in Angst und Gefahr.<br />
Er hat mit den Armen und Traurigen gelebt und sie getröstet. Damit zeigt er sein<br />
gutes Herz.<br />
Er hat Wunder vollbracht. Damit gibt er uns Grund zur Hoffnung gegen den Anschein.<br />
Er <strong>ist</strong> am Kreuz gestorben. Denn damit zeigt er seine Solidarität im Leiden und im<br />
Sterben.<br />
Er <strong>ist</strong> auferstanden von den Toten. Damit zeigt er uns, dass er stärker <strong>ist</strong> als der<br />
Tod.<br />
Aber das alles beantwortet noch nicht die Frage aller Fragen. Was geschieht mit uns am<br />
Ende der Tage Die Antwort gibt Jesus in seiner Rede, aus der der Wochenspruch<br />
stammt:<br />
„Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.“<br />
Darin kündigt er, der Sohn Gottes und zugleich Menschensohn, an, dass er wiederkehren<br />
wird. In einer Wolke vom Himmel mit großer Kraft und Herrlichkeit. Und er wird uns erlösen.<br />
Deshalb soll uns das Ende des Lebens nicht mit niedergeschlagenem Blick vorfinden,<br />
sondern erhobenen Hauptes. Denn das Ende <strong>ist</strong> auch ein Anfang. Es <strong>ist</strong> der Augenblick, in<br />
dem wir durch die Tür gehen, die uns Jesus Chr<strong>ist</strong>us aufgestoßen hat. Deshalb feiern wir<br />
ja <strong>Weihnachten</strong> als <strong>Geburtstag</strong>sfest von Jesus, weil durch ihn am Ende aus dem Ende ein<br />
Anfang wird. Seine Geburt <strong>ist</strong> der Anfang vom Anfang, das Ende vom Ende. Das sind<br />
glänzende Aussichten, das <strong>ist</strong> ein Grund zur Freude. Der Advent ermuntert uns: Erwartet<br />
noch etwas, auch am Ende des Lebens. „Erhebt eure Häupter, denn eure Erlösung <strong>ist</strong> nahe.“<br />
Was heißt das für unser Feiern Es kann uns eine viel tiefere Art der Freude geben. Mag<br />
die Zukunft unserer Lebensjahre schmelzen. Eine andere Zukunft wächst heran. Das <strong>ist</strong><br />
nicht erst am Ende wichtig, sondern schon jetzt. Denn es hilft, erhobenen Hauptes zu<br />
leben. Im Idealfall gelingt es uns, versöhnt zu sein mit unserem Leben, wie es sich bis<br />
heute entwickelt hat und im Moment nun einmal <strong>ist</strong>. Dann wird unser Leben von der<br />
Gnade Gottes getragen. Und zugleich bleiben wir neugierig auf das, was noch kommt.<br />
Wenn das gelingt, dann kann die Postkarte gar nicht fröhlich genug sein. Dann verbinden<br />
sich <strong>Weihnachten</strong> und <strong>Geburtstag</strong> – „Happy Birthday“ und „Merry Chr<strong>ist</strong>mas“ werden<br />
eins. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen gesegnete <strong>Weihnachten</strong> an einem fröhlichen<br />
<strong>Geburtstag</strong>sfest!<br />
Amen.<br />
Eingangslied: EG 7, „O Heiland, reiß die Himmel auf“<br />
Introitus: Psalm 80, 15–20<br />
Evangelium: Lukas 21, 25–30 (inklusive Wochenspruch)<br />
Ep<strong>ist</strong>el: Jakobus 5, 7–9<br />
Oder: Offenbarung 3, 7–8; 10–13<br />
Lied vor Ansprache: EG 6, „Ihr lieben Chr<strong>ist</strong>en, freut euch nun“<br />
Lied nach Ansprache: EG 9, „Nun jauchzet, all ihr Frommen“<br />
Schlusslied: EG 4, „Nun komm, der Heiden Heiland“<br />
Tipp: Wochenspruch als Kanon im EG unter Nr. 21<br />
3
Eingangsgebet<br />
Gütiger Gott,<br />
es <strong>ist</strong> Advent. Die Erwartung steigt. Die Anspannung auch.<br />
Jetzt eine Stunde der Ruhe – das tut gut.<br />
Die Stille dieses Raumes, der Klang der Musik, die Gemeinschaft dieser Andacht.<br />
Zeit für den Glauben. Zeit für die Fragen.<br />
Sollen wir uns freuen Wenn ja, auf was<br />
Wir blicken voraus auf <strong>Weihnachten</strong>,<br />
die Geburt unseres Heilandes Jesus Chr<strong>ist</strong>us.<br />
Doch du willst uns nicht nur mit diesem Lebensanfang verzaubern.<br />
Du denkst sein Leben schon weiter und weißt: Es wird Erlösung bringen.<br />
Lehre uns bedenken, dass wir einem Ende entgegenleben.<br />
Lehre uns hoffen, dass du aus diesem Ende einen Anfang machen willst.<br />
Lehre uns, schon jetzt aus der Freude auf dich zu leben.<br />
Amen<br />
Fürbittengebet<br />
Gütiger Gott,<br />
mit Blick auf das <strong>Geburtstag</strong>skind von <strong>Weihnachten</strong> denken wir an alle <strong>Geburtstag</strong>skinder.<br />
An die Kinder, die noch so viel vor sich haben. Sei bei ihnen, mache sie stark, dass sie<br />
nicht nur aus der Anerkennung ihrer Familie und ihrer Freunde leben, sondern auch aus<br />
deiner Liebe.<br />
Wir denken an die, die 18 werden. Wenn sie Auto fahren, gib ihnen einen Schutzengel<br />
mit – und möglichst viel Vernunft. Damit sie sich und andere nicht gefährden. Schenke<br />
ihnen auch Gelassenheit, damit sie in ihre ungewisse Zukunft mit festem Schritt und<br />
Gottvertrauen gehen.<br />
Wir denken an alle, die runde <strong>Geburtstag</strong>e feiern. Feiere mit ihnen. Versöhne sie mit ihrem<br />
Leben. Gib ihnen die Einsicht, dass der Sinn ihres Lebens nicht im Geldbeutel steckt<br />
und auch nicht in der Garage steht. Sondern von dir, Gott, geschenkt wird.<br />
Wir denken an alle, die nichts zu feiern haben. Weil ihr Leben in Trümmern liegt. Weil sie<br />
keine Freunde und keine Familie haben. Weil sie zu arm zum Feiern sind. Weil um sie<br />
herum Krieg und Elend herrschen. Gott, du b<strong>ist</strong> ihnen nahe, gerade in Gefahr, Angst und<br />
Not. Das hast du in deinem Sohn Jesus Chr<strong>ist</strong>us gezeigt. Der geboren wurde in Gefahr<br />
und Not. Der litt unter Folter und Gewalt. Sei allen, die Ähnliches erdulden, eine Quelle<br />
der Hoffnung und der Kraft, um für ein besseres Leben zu kämpfen.<br />
Wir denken an alle, die mit bangen Gefühlen erkennen, dass ihr Leben endlich <strong>ist</strong>. Sei<br />
ihnen nahe. Mache sie gewiss, dass dein Sohn Jesus Chr<strong>ist</strong>us, aus dem Ende einen Anfang<br />
gemacht hat. Im Vertrauen darauf wollen wir getrost leben.<br />
Vater unser ...<br />
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