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Feindesliebe

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KOMPASS<br />

Soldat in Welt und Kirche<br />

ISSN 1865-5149<br />

DER KATHOLISCHE MILITÄRBISCHOF FÜR DIE DEUTSCHE BUNDESWEHR | BERLIN, AUSGABE 04|10<br />

<strong>Feindesliebe</strong><br />

Ostergruß von Militärbischof Dr. Walter Mixa<br />

Interview mit dem Vizepräsidenten von pax christi Deutschland<br />

53. Fortbildungstagung der Pfarrhelferinnen und Pfarrhelfer in Hamburg


Editorial<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

„Wird <strong>Feindesliebe</strong><br />

als eine ethische<br />

Grundhaltung<br />

nur Menschen<br />

zugebilligt,<br />

die sich einem<br />

prinzipiellen<br />

Pazifismus<br />

verbunden<br />

fühlen …“<br />

Foto: © BDKJ<br />

dem 1965 von Königin Elisabeth<br />

II. für sein Lebenswerk als Knight<br />

Bachelor zum Ritter geschlagenen<br />

Sir Karl Raimund Popper wird nachgesagt,<br />

er hätte sich selbst als<br />

Agnostiker bezeichnet und wollte<br />

sich als ein solcher auch verstanden<br />

wissen. Der österreichisch-britische<br />

Philosoph lehnte den seiner<br />

Ansicht nach arroganten und<br />

aggressiven Atheismus ebenso ab<br />

wie den jüdischen und den christlichen<br />

Glauben. Vor den moralischen<br />

Lehren beider Religionen<br />

bekundete er dennoch Respekt.<br />

Warum dies erwähnt wird, hängt<br />

eng mit einem seiner Lebenswerke<br />

zusammen. In zwei Bänden, 1945<br />

mit Kriegsende publiziert, befasste<br />

er sich sehr frühzeitig – und über<br />

seine wissenschaftstheoretischen<br />

Abhandlungen und den vielzitierten<br />

Positivismusstreit in der deutschen<br />

Soziologie mit den Vertretern<br />

der damaligen „Frankfurter<br />

Schule“ hinaus – auch mit gesellschaftstheoretischen<br />

Fragestellungen,<br />

die bis heute nichts an<br />

Aktualität eingebüßt haben. Das<br />

in alle Weltsprachen übersetzte<br />

Werk befasst sich mit der „Offenen<br />

Gesellschaft und ihren Feinden“.<br />

An wen mag Popper gedacht<br />

haben, als er in diesem Zusammenhang<br />

von Feinden sprach Bei<br />

näherem Hinsehen fällt auf, dass<br />

zu keinem Zeitpunkt dabei von<br />

Menschen die Rede war, sondern<br />

Popper ideologische Systeme in<br />

den Blick nahm. Systeme, die totalitäre<br />

Staatsformen wie Nationalsozialismus,<br />

Faschismus und Kommunismus<br />

begründen.<br />

Während „Offene Gesellschaft“<br />

heute ein akzeptierter gesellschaftspolitischer<br />

Begriff geworden<br />

ist und unwidersprochen zu<br />

den Selbstverständlichkeiten in<br />

der politischen Rede zählt, verhält<br />

es sich mit dem „Feind“ genau<br />

umgekehrt. Vielfach wird er fein<br />

säuberlich umschrieben, eher vermieden<br />

oder zumindest doch so<br />

umschifft, dass die tatsächliche<br />

Bedeutung des Begriffes „Feind“<br />

sich eher nur erahnen lässt. Allerdings:<br />

in juristischen Kreisen ist<br />

der Begriff „Feind“ nicht obsolet.<br />

Diejenigen, die ihn verwenden und<br />

unter den Bedingungen des<br />

„Kampfes gegen den international<br />

agierenden Terrorismus“ neu entfalten,<br />

möchten unter einem Feind<br />

denjenigen verstanden wissen, der<br />

die politische Existenzform der<br />

verfassten Gemeinschaft aktiv verneint,<br />

die Verfassung des Staates<br />

gewaltsam ändern will, die Idee<br />

eines freiheitlich-rechtsstaatlichen<br />

Gemeinwesens prinzipiell ablehnt<br />

und – unter Androhung und<br />

Anwendung von Gewalt gegen<br />

Sachen und Menschen – zerstören<br />

möchte. Ob diese strittige juristische<br />

Definition weiterhilft, steht<br />

auf einem anderen Blatt. Kritiker,<br />

die einem Feindbegriff generell<br />

nichts abgewinnen können, verweisen<br />

darauf, dass es sich dabei<br />

eher um Straftäter, um Kriminelle<br />

oder gar Verbrecher handelt – auf<br />

keinen Fall jedoch um Feinde. Dem<br />

modernen Strafrecht ist der Begriff<br />

Feind fremd.<br />

Ähnlich verhält es sich in diesem<br />

Zusammenhang mit dem Gebrauch<br />

des Begriffes „Krieg“. Auch hier ist<br />

festzustellen, dass er im Völkerrecht<br />

keine Verwendung findet.<br />

Vielmehr handelt es sich im völkerrechtlichen<br />

Sinne um bewaffnete<br />

Konflikte, die „nicht international“<br />

oder „international“ ausgetragen<br />

werden. Auch dabei ist nicht von<br />

Feinden die Rede, sondern von<br />

Aufständischen, Gegnern oder im<br />

äußersten Fall von „feindlichen<br />

Kräften“.<br />

Wie verhält sich dies nun mit Blick<br />

auf das christliche Gebot der <strong>Feindesliebe</strong><br />

Was kann darunter verstanden<br />

werden, worin liegt ihre<br />

theologisch tiefere Bedeutung und<br />

wo findet sie ihre Grenzen Wird<br />

<strong>Feindesliebe</strong> als eine ethische<br />

Grundhaltung nur Menschen zugebilligt,<br />

die sich einem prinzipiellen<br />

Pazifismus verbunden fühlen, oder<br />

können auch Soldatinnen und Soldaten<br />

dem etwas abgewinnen, was<br />

sie in ihrem Handeln und Entscheiden<br />

in konkreten Situationen leitet<br />

Letztendlich bleibt auch zu beantworten,<br />

ob Gesellschaften auf ein<br />

Feindbild angewiesen sind oder<br />

damit auskommen, dass eine offene<br />

Gesellschaft keine Feinde kennt.<br />

Josef König,<br />

Chefredakteur<br />

2 Kompass 04|10


Inhaltsverzeichnis<br />

Inhalt April 2010<br />

Editorial 2<br />

Ostergruß des Militärbischofs <strong>Feindesliebe</strong> – Vergebung 4<br />

Schwerpunktthema: <strong>Feindesliebe</strong><br />

Grundsatz „Liebt eure Feinde“ 5<br />

Hintergrund: Die Bergpredigt 6<br />

Interview<br />

Die Überwindung der Feindbilder<br />

fordert uns immer neu heraus 8<br />

Kommentar zur Sache Feindbild gesucht 10<br />

© ullstein bild – CARO / Trappe<br />

Kolumne des Wehrbeauftragten Verlorene Maßstäbe 11<br />

Auf ein Wort Was bleibt 12<br />

Lexikon der Ethik Epikie (Billigkeit) 13<br />

© Kompass / König<br />

Reportage vor Ort Nah am Menschen – Militärseelsorge in Erfurt (Teil 2) 14<br />

53. Fortbildungstagung der Pfarrhelferinnen und Pfarrhelfer in Hamburg 18<br />

Aus der Militärseelsorge Innere Führung und Auslandseinsätze 17<br />

Ökumene in der Praxis 17<br />

Militärseelsorge Ost – Sicherung von Zeitzeugenberichten 20<br />

Archive im Netz 20<br />

Heimat in der Fremde bieten 21<br />

Offiziere aus Niederstetten im<br />

„Shalom-Europazentrum Würzburg“ 22<br />

Krieg im Namen der Menschenrechte 25<br />

© Cornelius Sturm<br />

CD des Monats Peter Gabriel – Scratch My Back 22<br />

Buchtipp Christoph Karich – Bewährung im Grünen Meer 23<br />

Filmtipp „Lourdes” 24<br />

Personalien Militärpfarrer van Dongen wechselt 26<br />

Einführung von Militärpfarrer Kohl in Seedorf 26<br />

Militärpfarrer Lang in Torgelow eingeführt 26<br />

Impressum 26<br />

Rätsel 27<br />

Titelfoto<br />

© FAZ / Daniel Pilar<br />

Kompass 04|10<br />

3


Ostergruß des Katholischen Militärbischofs Dr. Walter Mixa<br />

Das Böse, das noch eine gewisse – aber nicht<br />

mehr endgültige – Macht über uns hat, ist eine<br />

Folge der freien Entscheidung des Menschen<br />

gegen Gott, des Aufbegehrens gegen ihn, des<br />

menschlichen Sein-Wollens wie Gott.<br />

Durch Christi Tod und Auferstehung sind wir nun<br />

gerüstet und ermächtigt für den Kampf gegen das<br />

Böse in all seinen Ausformungen und Erscheinungen.<br />

Die geradezu unfassbare Liebe Gottes zu uns,<br />

die er uns im Sterben und Auferstehen Christi<br />

erweist, soll ihren Widerhall finden in der Gottesund<br />

Nächstenliebe, wie sie im Doppelgebot zum<br />

Ausdruck kommt und sich im Gebot der <strong>Feindesliebe</strong><br />

steigert: „Du sollst den Herrn, deinen Gott,<br />

lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und<br />

mit all deinen Gedanken. (…) Du sollst deinen<br />

Nächsten lieben wie dich selbst.“ (Mt 22,37f)<br />

„Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet<br />

für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures<br />

Vaters im Himmel werdet“ (Mt 5,44f).<br />

Der Katechismus der Katholischen Kirche lässt aus<br />

Leiden und Sterben Christi für uns unsere Verpflich-<br />

Die christlichen Hochfeste sind Fest- und Fixpunkte<br />

des rettenden Heilshandelns Gottes an uns: stus ist aus Liebe zu uns gestorben,<br />

tung zur <strong>Feindesliebe</strong> folgen: „Chri-<br />

Ostern feiern wir die Entmachtung des Urfeindes als wir noch ‚Feinde‘ waren (Röm<br />

des Menschen, den Sieg Jesu über Sünde, Tod und 5,10). Der Herr verlangt von uns,<br />

Teufel.<br />

nach seinem Beispiel unsere Feinde<br />

© Pressestelle Eichstätt / Norbert Staudt<br />

<strong>Feindesliebe</strong> – Vergebung<br />

zu lieben (Mt 5,44) (…).“ (KKK<br />

1.825)<br />

Das Handeln Jesu, das ihn bis ans<br />

Kreuz geführt hat und das die Liebe<br />

Gottes zu uns in all ihrer Radikalität<br />

erweist, ist für uns und<br />

unser Handeln erster und letzter<br />

Maßstab. Noch vom Kreuz herab<br />

betete Jesus für seine Feinde:<br />

„Vater, vergib ihnen, denn sie wissen<br />

nicht, was sie tun.“ (Lk 23,34)<br />

<strong>Feindesliebe</strong> und Vergebung gelingen<br />

wesentlich und letztlich nur<br />

von der Kreuzesperspektive Jesu<br />

her: Es geht um den inneren und<br />

äußeren Widerstand gegen das<br />

Böse. Es geht dabei um die Anerkennung<br />

der eigenen Schuld und<br />

um das Erkennen, dass wir selbst<br />

uns nicht aus ihr heraus erlösen<br />

können. Die Erlösung von Schuld<br />

und Sünde setzt die absolute Liebe<br />

Gottes voraus, in die wir zuinnerst<br />

hineingenommen sind und von der<br />

aus unsere Liebe, die in der <strong>Feindesliebe</strong><br />

ihren Höhepunkt erreicht,<br />

wirksam werden kann. Die Überwindung<br />

des Bösen gelingt uns nur,<br />

weil Satan und das Böse letztlich<br />

schon durch Kreuz, Tod und Auferstehung<br />

Jesu entmachtet sind.<br />

So setzt unser Handeln zuerst eine<br />

Haltung voraus, die Haltung der<br />

Annahme und der Erwiderung der<br />

Gottesliebe, aus der heraus wir zur<br />

Nächstenliebe ermächtigt und<br />

befähigt sind.<br />

Papst Benedikt XVI. hat diesen<br />

Zusammenhang von Schuld und<br />

Überwindung des Bösen von der<br />

Kreuzesperspektive aus beleuchtet:<br />

„Vergebung kostet etwas – zuerst<br />

den, der vergibt: Er muss in sich<br />

das ihm geschehene Böse überwinden,<br />

es inwendig gleichsam verbrennen<br />

und darin sich selbst<br />

erneuern, so dass er dann auch den<br />

anderen, den Schuldigen, in diesen<br />

© KMBA / Bierdel<br />

Die Christus-Ikone in der St.-Michaels-Kapelle im<br />

Haus des Katholischen Militärbischofs, Berlin<br />

4 Kompass 04|10


Grundsatz<br />

Prozess der Verwandlung, der inneren<br />

Reinigung hineinnimmt und sie<br />

beide durch das Durchleiden und<br />

Überwinden des Bösen neu werden.<br />

An dieser Stelle stoßen wir auf das<br />

Geheimnis des Kreuzes Christi.<br />

Aber zuallererst stoßen wir auf die<br />

Grenzen unserer Kraft zu heilen,<br />

das Böse zu überwinden. Wir stoßen<br />

auf die Übermacht des Bösen,<br />

derer wir mit unseren Kräften allein<br />

nicht Herr zu werden vermögen.<br />

(…) Überwindung von Schuld<br />

kostet den Einsatz des Herzens –<br />

mehr: den Einsatz unserer ganzen<br />

Existenz. Und auch dieser Einsatz<br />

reicht nicht aus, er kann nur wirksam<br />

werden durch die Gemeinschaft<br />

mit dem, der unser aller Last<br />

getragen hat.“ (Joseph Ratzinger /<br />

Benedikt XVI., Jesus von Nazareth,<br />

I, Freiburg i. Br. 2007, 193ff)<br />

„Liebt eure Feinde“<br />

von Militärseelsorger Prof. Dr. Thomas R. Elßner<br />

Das Gebot der <strong>Feindesliebe</strong> gehört<br />

sicherlich mit zu den bekanntesten,<br />

aber zugleich provozierendsten<br />

Forderungen im Neuen Testament.<br />

Nahezu spontan regt sich<br />

beim Leser dieser Botschaft Widerspruch.<br />

Kann man denn seinen<br />

Feind lieben<br />

überhaupt umsetzbar sind. Die Kirchengeschichte<br />

der letzten zweitausend<br />

Jahre könnte ebenso die<br />

Frage provozieren, ob Christus tatsächlich<br />

keine undurchführbaren<br />

Gesetze gegeben habe, so der<br />

Bischof und Exeget Theodor von<br />

Heraklea (gest. vor 355), oder ob<br />

© Bundeswehr / Einsatz<br />

Liebe Soldatinnen und Soldaten,<br />

diese Gedanken mögen Sie und uns<br />

alle trösten, ermutigen und sie<br />

können uns Kraft geben – wir sind<br />

nicht allein gelassen: Das Böse<br />

und mit ihm die feindlichen Mächte<br />

sind durch Christus, durch sein<br />

Leiden, seinen Tod und seine Auferstehung<br />

besiegt, sie haben keine<br />

letzte Macht mehr über uns und<br />

über das Weltgeschehen. In dieser<br />

Hoffnung dürfen wir uns dem Auf-<br />

Diese Schwierigkeit wird für man-<br />

diese nur schöne, aber realitätsfer-<br />

erstandenen anvertrauen!<br />

che noch dadurch verstärkt, dass<br />

ne Wünsche seien. Doch schon im<br />

So grüße ich Sie sehr herzlich und<br />

wünsche Ihnen allen die Freude und<br />

den Segen des Auferstandenen!<br />

Ihr<br />

Katholischer Militärbischof<br />

für die Deutsche Bundeswehr<br />

dieses Gebot in der Bergpredigt<br />

steht (vgl. Mt 5,43–48; Lk 6,27–<br />

35). Denn immer noch wird darüber<br />

gestritten, ob ihre Forderungen<br />

für alle Zeiten und unter allen<br />

Umständen gelten, ja ob ihre Forderungen<br />

wirklich selbst beim<br />

besten und ehrlichsten Bemühen<br />

Neuen Testament gibt es Textstellen,<br />

die Schwierigkeiten im<br />

Umgang mit Feinden und Gegnern<br />

erkennen lassen (vgl. 2 Petr 2,12).<br />

Selbst im Matthäusevangelium, in<br />

dem neben dem Lukasevangelium<br />

auch die Forderung der <strong>Feindesliebe</strong><br />

enthalten ist, wird von jüdi-<br />

<br />

Kompass 04|10<br />

5


Grundsatz<br />

<br />

schen Theologen in einer Weise<br />

gesprochen, die jegliche <strong>Feindesliebe</strong><br />

vermissen lässt (vgl. Mt 23).<br />

So kann es nicht verwundern, dass<br />

die Auslegungsgeschichte des<br />

Gebotes der <strong>Feindesliebe</strong> auch als<br />

eine Geschichte seiner Milderung<br />

oder gar Abschwächung gelesen<br />

werden kann.<br />

Muss man seine<br />

Feinde hassen<br />

In einem ersten und unerlässlichen<br />

Schritt beim Bemühen, das<br />

Gebot der <strong>Feindesliebe</strong> zu verstehen,<br />

gilt es, den betreffenden Text<br />

selbst wahrzunehmen: „Ihr habt<br />

gehört, dass gesagt worden ist: Du<br />

sollst deinen Nächsten lieben und<br />

deinen Feind hassen. Ich aber<br />

sage euch: Liebt eure Feinde und<br />

betet für die, die euch verfolgen“<br />

(Mt 5,43f). Ein rhetorischer Kniff,<br />

um die Aufmerksamkeit von<br />

Hörern zu erreichen, besteht darin,<br />

eine ihnen bekannte und durchaus<br />

Zustimmung findende Aussage,<br />

wenngleich auch verkürzt, mit<br />

einer unerhörten Gegenaussage zu<br />

verknüpfen. Dies ist Methode und<br />

geschieht in der Bergpredigt<br />

gleich sechsmal hintereinander<br />

(sog. Antithesen, Mt 5,21–48).<br />

Um die Hörer zu provozieren, ist es<br />

zudem ein erprobtes Mittel, eine<br />

Aussage über das Belegbare hinaus<br />

zuzuspitzen. Die Forderung, seinen<br />

Nächsten zu lieben, ist zwar im<br />

Hintergrund: Die Bergpredigt (Mt 5,1 – 7,29)<br />

„Als Jesus die vielen Menschen<br />

sah, stieg er auf einen Berg. Er<br />

setzte sich, und seine Jünger traten<br />

zu ihm. Dann begann er zu<br />

reden und lehrte sie.“ (Mt 5,1–2)<br />

Anders als im Lukas-Evangelium,<br />

in der die „Feldrede“ nur dreißig<br />

Verse umfasst (Lk 6,20–49) und in<br />

der Ebene gehalten wird, gehört<br />

für den Evangelisten Matthäus zur<br />

Symbolik, dass Jesus von dem<br />

Berg der Verkündigung zu seinen<br />

Zuhörern spricht. Gemeinsam ist<br />

beiden Überlieferungen, dass sie<br />

keine wörtlichen „Protokolle“ sein<br />

wollen und können, aber authentisch<br />

den Sinn der Botschaft Jesu<br />

wiedergeben.<br />

Von der Liebe zu den Feinden:<br />

„In jener Zeit sprach Jesus zu seinen<br />

Jüngern: Ihr habt gehört, dass<br />

gesagt worden ist: Du sollst deinen<br />

Nächsten lieben und deinen<br />

Feind hassen. Ich aber sage euch:<br />

Liebt eure Feinde und betet für<br />

die, die euch verfolgen, damit ihr<br />

Söhne eures Vaters im Himmel<br />

werdet; denn er lässt seine Sonne<br />

aufgehen über Bösen und Guten,<br />

und er lässt regnen über Gerechte<br />

und Ungerechte. Wenn ihr nämlich<br />

nur die liebt, die euch lieben, welchen<br />

Lohn könnt ihr dafür erwarten<br />

Tun das nicht auch die Zöllner<br />

Und wenn ihr nur eure Brüder<br />

grüßt, was tut ihr damit Besonderes<br />

Tun das nicht auch die Heiden<br />

Ihr sollt also vollkommen<br />

sein, wie es auch euer himmlischer<br />

Vater ist.“ (Mt 5,43–48)<br />

© Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart,<br />

für die „Einheitsübersetzung der Heiligen<br />

Schrift“, zitiert nach der Taschenausgabe des<br />

Katholischen Militärbischofsamtes, Berlin<br />

Alten Testament bezeugt (vgl. Lev<br />

19,18), aber nicht die, seinen<br />

Feind zu hassen. Wenngleich eine<br />

solche Äußerung nicht durch die<br />

biblische Überlieferung gedeckt<br />

ist, so wird mit ihr anscheinend<br />

ein Verständnis der Nächstenliebe<br />

kritisiert, die davon den Fremden<br />

und/oder den Andersgläubigen<br />

ausnehmen will. Anders gewendet:<br />

Zum Nächsten gehört auch jeder<br />

Fremde, der nicht zu einem<br />

bestimmten Volk oder zu einer<br />

bestimmten Religion zählt.<br />

Schwierigkeiten,<br />

seinen Feind zu lieben<br />

Eine klassische Schwierigkeit im<br />

Verständnis des Gebotes der <strong>Feindesliebe</strong><br />

besteht schon im Wort<br />

„lieben“ selbst. Offenkundig ist,<br />

dass dieses Wort in der Bergpredigt<br />

bewusst vom Gebot der Nächstenliebe<br />

übernommen worden ist (vgl.<br />

Lev 19,18). Doch bereits hier ergeben<br />

sich Verständnisschwierigkeiten,<br />

zumal in der deutschen Sprache.<br />

„Lieben“ bedeutet in beiden<br />

Fällen nicht, einem Menschen mit<br />

zärtlichen oder gar leidenschaftlichen<br />

Gefühlen und Stimmungen zu<br />

begegnen, sondern ihn grundsätzlich<br />

als einen Mitmenschen anzuerkennen,<br />

indem man sich ihm auf<br />

der Ebene von Mensch zu Mensch<br />

zuwendet. Eine solche Hinwendung<br />

kann selbstbestimmt – im Unterschied<br />

zum Eros – durch helfende<br />

Taten erfolgen. Solche Taten<br />

geschehen nicht wahllos oder realitätsgelöst,<br />

sondern haben konkrete<br />

Notlagen des Feindes im Blick (vgl.<br />

Ex 23,4f). Dies bedeutet aber nicht,<br />

dass berechtigte Kritik gegenüber<br />

dem Feind – und Feind ist in der<br />

6 Kompass 04|10


Grundsatz<br />

Bergpredigt im umfassenden Sinne<br />

gemeint – jetzt einfach zu verstummen<br />

hat oder gar bedeutungslos<br />

geworden ist.<br />

Zudem ist stets der biblische Kontext<br />

mit seiner Forderung der <strong>Feindesliebe</strong><br />

im Blick zu behalten. Nach<br />

wie vor dürfte auch heute noch gelten,<br />

dass <strong>Feindesliebe</strong> dem Men-<br />

tun und leihen, auch wo ihr nichts<br />

dafür erhoffen könnt“ (Lk 6,35).<br />

Außerdem ist die <strong>Feindesliebe</strong> keine<br />

Bewährungsprobe für den Feind.<br />

Dabei geht es auch um einen Feind,<br />

„der Feind bleibt, ungerührt von<br />

meiner Liebe, der mir nichts vergibt,<br />

wenn ich ihm alles vergebe, der<br />

mich hasst, wenn ich ihn liebe“<br />

Liebe zum Feind. Denn diese Forderung<br />

„wird nicht mit Klugheitsgründen,<br />

aber auch nicht ethisch<br />

begründet …, sondern einfach als<br />

Nachvollzug des Verhaltens Gottes<br />

empfohlen“ (Schürmann). Insgesamt<br />

wird jetzt vielleicht einsehbar,<br />

warum tatsächliche <strong>Feindesliebe</strong><br />

selten gelingen will.<br />

© ullstein bild – CARO / Trappe<br />

schen von Natur aus nicht eigen<br />

(Bonhoeffer). Vor allem dieser<br />

Schließlich kommt noch ein dritter<br />

ist, dieser sogar zu widersprechen<br />

Aspekt kann sicherlich nur im<br />

Punkt hinzu, der ebenso eine<br />

scheint. Somit ist ein erster wichti-<br />

Zusammenhang mit der Gottesliebe<br />

nicht-natürliche<br />

Voraussetzung<br />

ger Punkt, dass wirkliche Feindes-<br />

emotional und intellektuell bewäl-<br />

berührt. Die Forderung nach Fein-<br />

liebe erst aus einem Verhältnis zu<br />

tigt werden. Die hierbei empfunde-<br />

desliebe wird von Jesus im Hinblick<br />

Gott entspringen kann. Ein Mensch,<br />

ne Schwierigkeit wird bei Matthäus<br />

auf das anbrechende Reich Gottes<br />

der sich als von Gott angenommen<br />

mit dem Satz ausgedrückt: Der Vater<br />

erhoben, das die Wirklichkeit die-<br />

und geliebt weiß, kann dadurch<br />

im Himmel „lässt seine Sonne auf-<br />

ser Welt in eine neue von Schuld,<br />

innerlich frei zur Liebe auch dem<br />

gehen über Bösen und Guten, und<br />

Versagen und menschlicher Be-<br />

Feind gegenüber werden.<br />

er lässt regnen über Gerechte und<br />

grenzung befreite aufhebt. Für<br />

Ein zweiter wesentlicher Punkt ist,<br />

Ungerechte“ (Mt 5,45). Das heißt,<br />

denjenigen, dem diese Glaubens-<br />

dass die <strong>Feindesliebe</strong> nicht auf<br />

Gott erweist allen seine väterliche<br />

wirklichkeit nichts sagt oder<br />

Gegenliebe schielen bzw. mit<br />

Güte und Zuwendung. Das ist die<br />

bedeutet, wird es schwer, wenn<br />

irgendwelchen Zwecken verbunden<br />

wirklich unerträgliche Provokation<br />

nicht gar unmöglich sein, die<br />

werden darf. Bei Lukas heißt es<br />

und Zumutung für den sogenannten<br />

evangeliumsgemäße<br />

zweckfreie<br />

daher folgerichtig: „Ihr aber sollt<br />

„gesunden Menschenverstand“ be-<br />

<strong>Feindesliebe</strong> überhaupt in Erwä-<br />

eure Feinde lieben und sollt Gutes<br />

züglich der evangeliumsgemäßen<br />

gung zu ziehen oder zu praktizie-<br />

<br />

Kompass 04|10<br />

7


Grundsatz | Interview<br />

<br />

ren. Auch hier können Ursachen für<br />

die nicht vom Erfolg verwöhnte<br />

Geschichte der <strong>Feindesliebe</strong> liegen.<br />

Fürbitte<br />

Seien wir ehrlich. Das bisher<br />

Gesagte mag vielleicht wenig<br />

ermutigend für ein Gelingen der<br />

<strong>Feindesliebe</strong> sprechen. Dennoch<br />

gibt es einen Weg, den die Bergpredigt<br />

für eine wirklichkeitsgerechte<br />

Umsetzung jener weltfremden<br />

Forderung weist, nämlich die<br />

Fürbitte für den Feind. Zwar setzt<br />

die Bergpredigt eine Verfolgungssituation<br />

bei ihren Adressaten voraus,<br />

die viele Christen in manchen<br />

außereuropäischen Regionen heute<br />

leider immer noch täglich erfahren.<br />

Aber auch Christen, die nicht<br />

unter Verfolgung wegen ihres<br />

Glaubens leiden, bleiben aufgerufen,<br />

für (ihre) Feinde zu beten.<br />

Wer für einen Feind betet, der vermindert<br />

und überwindet seinen<br />

vielleicht vorhandenen Hass gegen<br />

ihn. Wer für einen Feind betet,<br />

lernt durchaus auch schmerzhaft,<br />

in ihm einen Menschen zu sehen,<br />

dem Gott ebenso Güte erweist wie<br />

mir (vgl. Lk 6,35). Dies kann ein<br />

Beginn der <strong>Feindesliebe</strong> sein.<br />

Denn „jede Fürbitte zieht den<br />

Gemeinten potentiell in die<br />

Gemeinde hinein“ (Bonhoeffer).<br />

Prof. Dr. Thomas R. Elßner,<br />

Pastoralreferent, Katholisches<br />

Militärpfarramt Koblenz III,<br />

Dozent für Katholische Theologie<br />

am Zentrum Innere Führung,<br />

Professor für<br />

Alttestamentliche Exegese an<br />

der Philosophisch-Theologischen<br />

Hochschule Vallendar<br />

Die Überwindung der<br />

Feindbilder fordert uns<br />

immer neu heraus<br />

Kompass: Die Internationale<br />

Katholische Friedensbewegung Pax<br />

Christi basiert auf der festen Überzeugung,<br />

dass es zu Frieden und<br />

Gewaltlosigkeit keine Alternative<br />

gibt. So das Grußwort Ihres Präsidenten,<br />

Bischof Heinz Josef Algermissen,<br />

Fulda, auf der Internetseite<br />

von pax christi Deutschland.<br />

Was würden Sie einem Soldaten<br />

antworten, wenn er Sie danach<br />

fragt, ob er für seinen Dienst ein<br />

Feindbild braucht<br />

Johannes Schnettler: Der Soldat<br />

ist Diener des Friedens, sagt die<br />

Konzilskonstitution „Gaudium et<br />

Spes“. Der Soldat stellt seinen<br />

Dienst also unter die größere Perspektive<br />

des biblischen Schalom.<br />

Die Bibel meint damit den umfassenden<br />

Frieden der Menschen<br />

untereinander, des Menschen mit<br />

der Schöpfung und der Menschen<br />

mit Gott. Ein solches Streben nach<br />

Frieden ist ausgerichtet auf die<br />

Überwindung der Feindbilder. Ein<br />

Soldat, der sich dem Geist des<br />

Evangeliums verpflichtet weiß,<br />

wird seinen soldatischen Dienst<br />

aus dieser Perspektive des umfassenden<br />

Schalom heraus leisten.<br />

Diese Perspektive eröffnet ihm<br />

einen größeren Horizont. Sein<br />

Dienst ist nicht von Abwehr eines<br />

Feindes, sondern von der Mitarbeit<br />

am Schalom geprägt, der allen<br />

Menschen einen Platz in Gottes<br />

Schöpfung zugesteht.<br />

Kompass: „Liebt eure Feinde und<br />

bittet für die, die euch verfolgen,<br />

damit ihr Kinder seid eures Vaters<br />

im Himmel“, ist ein wichtiger Hinweis<br />

im Matthäus-Evangelium. Mit<br />

Blick auf den Dienst des Soldaten:<br />

Was kann damit gemeint sein<br />

Johannes Schnettler: Was Sie<br />

einen „wichtigen Hinweis“ nennen,<br />

gehört zum Kern der Frohen<br />

Botschaft Jesu Christi. Das Gebot<br />

der <strong>Feindesliebe</strong> ist für jeden Menschen,<br />

der bereit ist, sich in die<br />

Nachfolge Jesu zu begeben, und<br />

das bekräftigen wir Christen jedes<br />

Jahr neu in der Osternacht, eine<br />

ethische Orientierung für sein<br />

Handeln. Die Aufforderung zur<br />

8 Kompass 04|10


Interview<br />

<strong>Feindesliebe</strong> ist eine Aufforderung<br />

zur Überwindung von Vorurteilen,<br />

zur Überwindung von Ängsten vor<br />

allem Fremden, kurz: zur Überwindung<br />

von Feindbildern. Ob im privaten<br />

oder öffentlichen Tun eines<br />

jeden von uns, die Überwindung<br />

der Feindbilder fordert uns immer<br />

neu heraus.<br />

Wie radikal und anmaßend eine<br />

solche <strong>Feindesliebe</strong> ist, mag das<br />

Handeln von Bischof Theas,<br />

Lourdes, im Jahre 1944 verdeutlichen.<br />

Als Gefangener in einem<br />

deutschen Lager feierte er mit seinen<br />

französischen Mitgefangenen<br />

Gottesdienst. Im Evangelium wurde<br />

die besagte Stelle aus dem Matthäus-Evangelium<br />

gelesen. In seiner<br />

Predigt sagte Bischof Theas:<br />

„Ich kann euch nichts anderes verkündigen,<br />

als das, was hier<br />

geschrieben steht.“ Aus diesem<br />

Geist heraus erwuchs damals auf<br />

französischer Seite die Kraft zur<br />

Versöhnung mit dem „Erbfeind“<br />

Deutschland. Es war auch die<br />

Geburtsstunde von Pax Christi. Das<br />

Gebot der <strong>Feindesliebe</strong> ist also keine<br />

utopische, im Alltag der Soldaten<br />

untaugliche Aufforderung. Sie<br />

ist konkret und birgt die Kraft zur<br />

Überwindung der Feindbilder.<br />

Kompass: „Liebt eure Feinde ...“,<br />

damit wird auch zum Ausdruck<br />

gebracht, dass es Feinde gibt. Wie<br />

© FAZ / Daniel Pilar<br />

ist mit Feinden jenseits des Liebesgebotes<br />

gerade dann umzugehen,<br />

wenn sich Staaten dafür entscheiden,<br />

ihr äußerstes Mittel, über das<br />

sie verfügen, nämlich bewaffnete<br />

Streitkräfte, einzusetzen<br />

Johannes Schnettler: Die Aufforderung<br />

zur <strong>Feindesliebe</strong> verschließt<br />

nicht die Augen vor der Wirklichkeit.<br />

Unsere Welt ist, wie sie ist.<br />

Intrigen, Hass, Feindschaft, Gewalt,<br />

Krieg prägen unsere Lebenswelt<br />

im Kleinen wie im Großen.<br />

Uns alle, Soldaten wie Zivilisten,<br />

verbindet die gleiche Frage: Was<br />

können wir zur Überwindung dieser<br />

Verhältnisse beitragen Papst<br />

Johannes Paul II. hat gesagt:<br />

„Jeder Krieg ist eine Niederlage der<br />

Menschheit.“ Bevor wir also eine<br />

Lösung im Waffengang als vermeintlich<br />

letztem Ausweg suchen,<br />

müssen wir uns fragen: Haben wir<br />

alles getan, um die Ursachen für<br />

Hass, Gewalt, Krieg zu überwinden<br />

Oder, um im Geiste des verstorbenen<br />

Papstes zu sprechen: Haben<br />

wir die Intelligenz der Menschheit Johannes<br />

genutzt, Wege aus der Sackgasse Schnettler,<br />

der Gewalt zu finden<br />

Aachen,<br />

Diesen Herausforderungen stellt Vizepräsident der<br />

sich die internationale Politik Deutschen Sektion<br />

unseres Erachtens zu wenig. Die der Internationalen<br />

Frage unserer pax-christi-Freundinnen<br />

und -Freunde aus den USA Friedensbewegung<br />

Katholischen<br />

nach dem Anschlag auf das World- „pax christi“<br />

Trade-Center im Jahre 2001 „Warum<br />

hassen sie uns“ ist bis heute<br />

noch nicht in politisches Handeln<br />

umgesetzt worden. Wir erleben<br />

derzeit in Afghanistan, dass ein<br />

ursprünglich „begleitender“ und<br />

zeitlich begrenzter Waffengang<br />

zum Aufbau ziviler, demokratischer<br />

Strukturen schleichend in einen<br />

Krieg zwischen den Alliierten und<br />

den Aufständischen übergegangen<br />

ist. Gewalt verselbstständigt sich.<br />

Die konsequente Umsetzung des<br />

Gebotes der <strong>Feindesliebe</strong> ist eine<br />

fortgesetzt Mahnung an alle, Soldaten<br />

wie Politiker: Sind wir noch<br />

auf dem richtigen Weg<br />

Das Interview führte Josef König.<br />

© Jürgen Damen<br />

Kompass 04|10<br />

9


Kommentar zur Sache<br />

Feindbild gesucht<br />

Prof. Dr. Udo<br />

Steinbach, Oberst<br />

der Reserve, 1976–<br />

2006 Direktor des<br />

Deutschen Orient-<br />

Instituts, Hamburg,<br />

lehrt am<br />

Centrum für Nahund<br />

Mittelost-<br />

Studien an der<br />

Philipps-Universität<br />

Marburg<br />

© ullstein bild - AKG Pressebild<br />

Eignet sich der Islam als Ersatz für<br />

ein verloren gegangenes Feindbild<br />

Sowjetunion und Kommunismus<br />

Es ist nur noch eine Frage der Zeit,<br />

bis es in der Bundeswehr einen<br />

General muslimischen Glaubens<br />

geben wird. Vielleicht wird er einen<br />

türkischen „Migrationshintergrund“<br />

haben. Aber wie alle Soldaten wird<br />

auch er gelobt haben, „der Bundesrepublik<br />

Deutschland treu zu dienen<br />

und das Recht und die Freiheit des<br />

deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“.<br />

Spätestens dann ist auch in<br />

der Bundeswehr sichtbar, was wir<br />

bereits in vielen Bereichen des politischen,<br />

gesellschaftlichen, kulturellen<br />

und wirtschaftlichen Lebens<br />

wahrnehmen: Muslime sind deutsche<br />

Bürger wie du und ich. Militärisch-bildlich<br />

gesprochen: sie haben<br />

den Marschallstab im Tornister.<br />

„Islamkritik“ ist angesagt. Seit Monaten geben<br />

Feuilletons, Funk und Fernsehen „Islamkritikern“<br />

das Wort. Aber wovon reden diese Von einer Chimäre,<br />

„dem Islam“. Durchweg freilich nicht von<br />

eben jenen Muslimen, die wir hier im Blick haben.<br />

Die in allen Bereichen unserer Gesellschaft ihren<br />

Platz einnehmen, tagtäglich ihren Dingen nachgehen:<br />

als Händler, Künstler, Professoren, Sportler,<br />

Soldaten, Parlamentarier oder wo immer. Die<br />

Verfassung zu respektieren, ist für sie etwas<br />

Selbstverständliches. Zugleich sind sie islamischen<br />

Glaubens. Und nicht wenige von ihnen –<br />

und vielleicht auch unser imaginierter General –<br />

beten am Freitag (oder häufiger), fasten im<br />

Ramadan (so weit das mit ihren sonstigen Verpflichtungen<br />

und Verrichtungen vereinbar ist),<br />

unternehmen die Wallfahrt nach Mekka (wofür sie<br />

Urlaub nehmen) und spenden für einen Moscheebau<br />

einschließlich Minarett (nach<br />

Absprache mit den Behörden). Das<br />

ist die Normalität unter den Muslimen<br />

in Deutschland.<br />

Feindbild Islam<br />

Deshalb ist das „Feindbild Islam“<br />

moralisch inhuman und politisch<br />

zerstörerisch. „Islamkritiker“ abstrahieren<br />

vom Menschen; sie subsumieren<br />

den Einzelnen in Kategorien,<br />

die sie aus einem verengten Blick<br />

auf die Geschichte und/oder aus<br />

auffallenden Phänomenen der<br />

Gegenwart destillieren. Muslime –<br />

wie eben Christen auch – haben<br />

ein Recht, im Ganzen verortet werden:<br />

der tagtäglichen Lebenswelt,<br />

in der sie von ihrer Religion umgeben<br />

sind, und in der Größe einer<br />

Kultur, die sich aus der islamischen<br />

Religion speist. Warum dürfen<br />

eigentlich nur Christen auf das<br />

„christliche Abendland“ stolz sein<br />

und nicht auch Muslime auf das<br />

„islamische Morgenland“ Und<br />

warum nehmen wir so wenig<br />

Anstoß an den hässlichen Zügen<br />

der Gegenwart unseres eigenen<br />

Kultur- und Zivilisationskreises,<br />

machen aber essentialistisch und<br />

grundsätzlich verallgemeinernd<br />

„den Islam“ fest u. a. an den Untaten<br />

von Gewalttätern, die sich auf<br />

den Islam berufen Der Gewalttäter,<br />

wie immer er seine Untat<br />

begründet, wird nach dem Recht<br />

verfolgt. Im Übrigen verstößt er<br />

gegen das Gesetz, das in beiden<br />

Religionskreisen Geltung hat: Du<br />

sollst nicht töten.<br />

Nicht zuletzt die Anwesenheit von<br />

Muslimen in unserer Gesellschaft,<br />

ja ihre Integration darin, macht es<br />

unzulässig, das Feindbild Sowjetunion<br />

bzw. Kommunismus durch<br />

„den Islam“ zu ersetzen. Auch der<br />

Kommunist als Einzelner, als Vertreter<br />

einer Denkschule, die auf<br />

eine gerechtere Gesellschaft zielt,<br />

ist ja nicht per se ein „Feind“.<br />

Feindschaft entsteht erst dann,<br />

wenn Gewalt und Zwang gepredigt<br />

bzw. praktiziert werden. Als Individuum<br />

unterliegt dann der Kommunist<br />

dem Gesetz wie der gewalthafte<br />

Islamist auch. Die Sowjetunion<br />

als kollektive Verkörperung der<br />

kommunistischen Ideologie bedeutete<br />

in Verbindung mit ihrem<br />

ungeheuren militärischen Potenzial<br />

und der Gewalt, die sie außerhalb<br />

ihrer Grenzen verübte, eine<br />

Bedrohung. Insofern wurde sie<br />

zum Feindbild und die in ihr verkörperte<br />

Form des Kommunismus<br />

mit ihr. Hier liegt der Unterschied<br />

zum Islam. Die „Achse des Bösen“<br />

oder die „islamische Bombe“ sind<br />

Ausdruck einer durch Fakten nicht<br />

zu belegenden Dämonisierung.<br />

Dialog der Kulturen<br />

Die westlichen Gesellschaften sind<br />

besser beraten, mit Blick auf ihre<br />

eigene Zukunft wie auch auf eine<br />

friedliche Fortentwicklung unserer<br />

Welt insgesamt Gemeinsamkeiten zu<br />

ermitteln. Die lange Geschichte der<br />

Koexistenz und gegenseitiger<br />

Befruchtung zeigt, dass die Potenziale<br />

dafür vorhanden sind. Statt auf<br />

Feindbilder blicke man nach Weimar<br />

auf das dort von den Präsidenten<br />

Johannes Rau und Muhammad Khatami<br />

im Juli 2000 errichtete Denkmal<br />

des Dialogs der Kulturen!<br />

10 Kompass 04|10


Kolumne des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages<br />

Verlorene Maßstäbe<br />

von Reinhold Robbe<br />

Gemeinsam mit dem Katholischen<br />

Militärbischof Dr. Walter Mixa und<br />

weiteren zahlreichen Ehrengästen<br />

nahm ich Anfang März an der Eröffnung<br />

der „Woche der Brüderlichkeit“<br />

des Koordinierungsrates der<br />

Gesellschaften für christlich-jüdische<br />

Zusammenarbeit in Augsburg<br />

teil. Diese Veranstaltung stand<br />

unter dem Motto „Verlorene Maßstäbe“.<br />

Rabbiner Dr. Henry Brandt,<br />

Vorsitzender des Koordinierungsrates,<br />

eröffnete die Woche und bezog<br />

hierbei deutlich Position zu verschiedenen<br />

aktuellen Fragen. So<br />

bezeichnete er beispielsweise die<br />

Krisen in Wirtschaft und Finanzwelt<br />

als „Symptome einer tief verwurzelten<br />

gesellschaftlichen Malaise“.<br />

Verloren gegangene Maßstäbe<br />

waren auch eine der Ursachen für<br />

die menschenunwürdigen Rituale in<br />

den Reihen der Rekruten des Hochgebirgszuges<br />

der Gebirgsjäger in<br />

Mittenwald und anderer Standorte<br />

unserer Bundeswehr. Abseits der<br />

Öffentlichkeit haben sich anscheinend<br />

über Jahrzehnte hinweg inakzeptable<br />

Rituale entwickelt, die<br />

wohl außerhalb der Dienstzeit<br />

stattfanden und sich deshalb jeglicher<br />

Kontrolle durch Vorgesetze<br />

entzogen. Vor kurzem habe ich mir<br />

im Rahmen eines unangemeldeten<br />

Truppenbesuches in Mittenwald ein<br />

Bild von der Situation bei den<br />

Gebirgsjägern gemacht.<br />

Bei diesem Besuch ging es mir<br />

weniger um den aktuellen Stand<br />

der Untersuchungen, die von den<br />

zuständigen Truppendienststellen<br />

© Deutscher Bundestag / Lichtblick / Achim Melde<br />

nun durchgeführt werden. Ich wollte<br />

mir vielmehr einen unmittelbaren<br />

Eindruck über die Stimmungslage<br />

verschaffen. Außerdem wollte<br />

ich den Soldaten natürlich auch<br />

Rede und Antwort stehen für ihre<br />

Fragen und kritischen Hinweise.<br />

Und so war der Gesprächsbedarf bei<br />

den Soldaten in Mittenwald dann<br />

auch sehr groß. Viele berichteten<br />

mir von der gedrückten Stimmung<br />

in allen Kompanien. Die bundesweite<br />

Berichterstattung über die<br />

Vorgänge hätte sich teilweise verheerend<br />

auf die persönliche Situation<br />

einzelner Soldaten ausgewirkt.<br />

Gerade jene Kameraden, die in Mittenwald<br />

lebten, würden sich ungerechtfertigten<br />

Vorwürfen ausgesetzt<br />

sehen, was gar zu Schlafstörungen<br />

und anderen gesundheitlichen<br />

Beeinträchtigungen geführt<br />

habe. Viele Soldaten fühlten sich<br />

ohne Schuld wie auf der „Anklagebank“<br />

und hätten kaum eine Möglichkeit,<br />

sich dagegen zu wehren.<br />

Mir gaben diese Aussagen sehr zu<br />

denken. Weil einige Soldaten jegliche<br />

Maßstäbe verloren hatten,<br />

müssten nun alle Kameradinnen<br />

und Kameraden des Standortes<br />

unter den Folgen leiden. Wenn<br />

sich in dieser Situation bei den<br />

betroffenen Soldaten Enttäuschung,<br />

Frustration und Ärger breit<br />

machen, ist dies aus meiner Sicht<br />

nur allzu verständlich. Umso wichtiger<br />

ist es, dem von einigen wenigen<br />

Medien beförderten Generalverdacht<br />

entgegenzuwirken.<br />

Die Gebirgsjäger gehören zu den<br />

Eliteverbänden der Bundeswehr.<br />

Ihre Leistungen dürfen sich gerade<br />

auch im internationalen Vergleich<br />

sehen lassen. Für die Stärkung der<br />

Kameradschaft können durchaus<br />

auch traditionelle Rituale dienlich<br />

sein. Aber nur, wenn sie transparent<br />

und unbedenklich sind. Die<br />

Gebirgsjäger haben es verdient,<br />

dass alle Verantwortlichen jetzt<br />

mithelfen, entstandene Irritationen<br />

aufgrund voreiliger Schlussfolgerungen<br />

auszuräumen.<br />

Der Wehrbeauftragte<br />

Reinhold<br />

Robbe übergibt<br />

am 16. März 2010<br />

seinen letzten<br />

Jahresbericht<br />

an Bundestagspräsident<br />

Norbert Lammert.<br />

Kompass 04|10<br />

11


Auf ein Wort<br />

Was bleibt<br />

© Foto Engler, Bremerhaven<br />

Der Auferstehungsgedanke wird<br />

wieder modern. Wie – das glauben<br />

sie nicht Ich hab’s im Radio<br />

gehört. „Es beruhigt mich, zu<br />

wissen, dass mein Körper nach<br />

Leben in Fülle<br />

Wenn ich ein Formular ausfülle,<br />

was genau ich für die Plastination<br />

meiner eigenen Leiche erlaube –<br />

bin ich dann nicht der Bestimmer<br />

nen. Damals waren die Menschen<br />

angewiesen auf diese andere Sorte<br />

Hoffnung. Die Rede von ewigem<br />

Leben hatte einen anderen Klang.<br />

Denn um nach dem Tod noch „wer<br />

meinem Tod noch zu etwas gut<br />

über meinen Lebenssinn Das<br />

sein zu können“ brauchte man<br />

ist.“ Das sagte ein Mann, der sich<br />

klingt verlockend nach Macht: Ich<br />

Gott. Spätestens dann musste Gott<br />

plastinieren lassen möchte. „Ich<br />

bestimme, wofür ich auf der Welt<br />

den Menschen ansehen, damit er<br />

möchte in Scheiben geschnitten<br />

bin. Ich bestimme, wie ich nach<br />

angesehen war.<br />

Pastoralreferentin<br />

werden, als Anschauungsmateri-<br />

meinem Tod weiter lebe, weiter<br />

Carola Lenz,<br />

al.“ „Die Menschen lernen an den<br />

existiere. Ich bestimme über die<br />

Angesehen sein<br />

Katholisches<br />

Plastinaten, wie sie gesünder<br />

Form meiner Unsterblichkeit. Dann<br />

Von Gott angesehen zu sein, vor<br />

Militärpfarramt<br />

leben. Sie lernen, dass ihr Körper<br />

kann ich mich wenigstens darauf<br />

dem Tod und nach dem Tod,<br />

Bremerhaven<br />

und seine Funktionen nicht<br />

verlassen, nicht vergessen zu wer-<br />

scheint heute so unvorstellbar fern<br />

selbstverständlich sind.“<br />

den. „Meine Seele stirbt erst,<br />

wie damals die Vorstellung von<br />

So weit die Beiträge der Entschie-<br />

wenn niemand mehr an mich<br />

scheibchenweise<br />

ausgestellten<br />

denen aus meiner Erinnerung. Den<br />

denkt.“ So oder so ähnlich hören<br />

Körpern. Wer kennt ihn schon<br />

eigenen Körper in den „Körperwel-<br />

sich Menschen an, die mit dem Tod<br />

noch, diesen Gott, der als einziger<br />

ten“ ausstellen zu lassen, ohne<br />

konfrontiert werden. Der Körper ist<br />

mich wirklich nie vergisst<br />

Haut, mit blank liegenden Mus-<br />

tot, aber meine Angehörigen den-<br />

„Ich bin gekommen, damit sie das<br />

keln, in alltäglichen Körperhaltun-<br />

ken an mich. Doch da bleiben eini-<br />

Leben haben und es in Fülle<br />

gen wie zum Beispiel beim Sport<br />

ge Zweifel. Was ist, wenn sie sel-<br />

haben.“ (Joh 10,10) Vorher und<br />

oder Kartenspiel, dafür entschei-<br />

ber sterben Was ist mit mir, wenn<br />

nachher, würde ich gerne ergänzen.<br />

den sich immer mehr Menschen<br />

sie mich trotz aller Beteuerungen<br />

Vor dem Tod und nach dem Tod.<br />

schon in jungen Jahren. Der eige-<br />

doch vergessen<br />

„Ostern“ heißt diese Hoffnung.<br />

ne Tod rückt ins Bewusstsein,<br />

Die Angst vor dem Vergessenwer-<br />

„Ostern“ verspricht Auferstehung<br />

bevor die Lebensmitte überschrit-<br />

den ist für viele Menschen sehr<br />

ohne eigene Planung und Unter-<br />

ten ist. Das ist neu.<br />

schwer auszuhalten. Also sorgen<br />

schrift.<br />

Irgendwie muss da wohl eine<br />

einige nun dafür, dass sie auch<br />

Es ist wieder Ostern. Und ich dan-<br />

Sehnsucht wieder erwacht sein,<br />

nach ihrem Tod noch gesehen wer-<br />

ke Gott, dass ich ihm was wert bin<br />

eine Sehnsucht nach mehr. Es ist<br />

den, angesehen sind. Sie spenden<br />

– so viel, dass er sogar für mich<br />

vielleicht doch nicht genug, so<br />

ihren Körper für den Fall des Able-<br />

durch den Tod geht. Übrigens auch<br />

vor sich hin zu leben, ganz ohne<br />

bens per Unterschrift.<br />

für Sie.<br />

Sinnperspektive. Vielleicht bin<br />

„Wer von euch kann mit all seiner<br />

ich mir doch nicht selbst genug<br />

mit meinen aktuellen Fähigkei-<br />

Sorge sein Leben auch nur um eine<br />

kleine Zeitspanne verlängern“ (Mt<br />

Gesegnete Ostern!<br />

ten, Stärken, Erfolgen. Und ich<br />

kann ihn auch nicht selber<br />

machen, den Lebenssinn. Oder<br />

doch<br />

6,27) Als Jesus diese Frage stellte,<br />

war sie rhetorisch. Da gab es<br />

noch keine Plastinate, die man in<br />

Ausstellungen hätte zeigen kön-<br />

Pastoralreferentin<br />

Carola Lenz,<br />

Katholisches Militärpfarramt<br />

Bremerhaven<br />

12 Kompass 04|10


Lexikon der Ethik<br />

Epikie<br />

(Billigkeit)<br />

gungen jedoch besondere Aufmerksamkeit<br />

fordernden Tugend umrissen<br />

werden – und zwar mit Bezug<br />

ren und das Gemeinwohl „besseren<br />

Gerechtigkeit“ zurückzustellen.<br />

auf zwei klassische Autoren, denen<br />

Norm und Person<br />

Wird etwas „billig“ genannt, kann<br />

die wohl unüberholt wirkmächtigs-<br />

Auch für Thomas von Aquin ist Epi-<br />

sowohl Angemessenheit als auch<br />

ten Beiträge zum Thema zu verdan-<br />

kie „gleichsam die [gesetzliche<br />

Minderwertigkeit gemeint sein. Ein-<br />

ken sind.<br />

Gerechtigkeit überbietende] höhe-<br />

deutig positiv wertet dagegen die<br />

re Richtschnur der menschlichen<br />

sprachliche Verbindung „recht und<br />

Norm und Situation<br />

Handlungen” (Summa theologiae<br />

billig“: Sie kennzeichnet den ange-<br />

Aristoteles definiert Epikie in der<br />

II-II, 120, 2). Das aristotelische<br />

messenen Umgang mit dem, was<br />

Nikomachischen Ethik (V, 14),<br />

Konzept wird bei ihm aber noch<br />

recht ist, sei dies ein positives<br />

knapp und markant, als „eine Kor-<br />

personal vertieft. Er verknüpft es<br />

Gesetz oder eine sittliche Norm. Zu<br />

rektur des Gesetzes da, wo es<br />

mit der römischen Rechtspragmatik<br />

klären bleibt aber dennoch viel: Was<br />

wegen seiner allgemeinen Fassung<br />

(insofern sie in methodisch<br />

genau ist denn angemessen Und in<br />

mangelhaft bleibt“. Analog gilt<br />

differenzierten Erwägungen den<br />

welchem Verhältnis steht die Billig-<br />

dies – zumal in ständig sich ver-<br />

Zusammenhang von Epikie oder<br />

keit (griech. epieikeia, auch: Güte,<br />

ändernden, unübersichtlich kom-<br />

lat. aequitas und Menschlichkeit<br />

Milde, Nachsicht) zur Kardinaltu-<br />

plexen Gesellschaften – für mora-<br />

betont) und richtet es, vor allem,<br />

gend der Gerechtigkeit Dient sie ihr<br />

lische bzw. ethische Normen. Auch<br />

strikt auf die maß-gebende Men-<br />

lediglich als ergänzende Korrektur-<br />

hier kann es erlaubt oder gar<br />

schenliebe Gottes und die Epikie<br />

funktion Oder ist sie als eigenstän-<br />

geboten sein, sich um ihrer Inten-<br />

Jesu Christi (2 Kor 10,1) aus: Das<br />

Klaus Ebeling,<br />

dige und zudem prekär tugendhafte<br />

tion willen gerade vom Wortsinn<br />

freiheitliche „Gesetz“ des Evangeli-<br />

Projektleiter Ethik<br />

Kompetenz wahrzunehmen, die an<br />

der Grenze zum nicht mehr (Norm-)<br />

Gerechten balanciert<br />

Der ethische und rechtliche Diskurs<br />

über Epikie bewegt sich seit alters<br />

zu lösen und sie situationsgerecht<br />

zu präzisieren, vielleicht gar zu<br />

modifizieren. Epikie bestreitet<br />

nicht die Notwendigkeit allgemeiner<br />

Normen, arbeitet nicht prinzi-<br />

ums wird zum Paradigma der Epikie.<br />

Auch Christen werden sich trotz<br />

dieser Orientierung nicht jener<br />

übermächtigen Dynamik von Öffnungs-<br />

und Schließungsprozessen<br />

im Sozialwissenschaftlichen<br />

Institut<br />

der Bundeswehr<br />

zwischen den Polen eines eher frei-<br />

piell gegen sie, sondern für ihre<br />

ganz entziehen können, die das<br />

heits- oder eines eher sicherheits-<br />

jeweils konkrete Verbesserung – in<br />

gesellschaftliche Leben unserer<br />

bewussten<br />

Normverständnisses,<br />

eigener Verantwortung. Diese<br />

Zeit durchdringt. Gemeinsam mit<br />

zwischen Zu- und Misstrauen<br />

„Suche nach dem sittlichen Opti-<br />

allen anderen stellt sich auch<br />

sowohl gegenüber dem Einzelnen<br />

mum in der konkreten Situation“<br />

ihnen immer wieder neu die Auf-<br />

als auch gegenüber staatlichen und<br />

(Virt: 144) erfordert Aristoteles<br />

gabe, bei der Suche nach situativ<br />

anderen, z. B. kirchlichen Autoritä-<br />

zufolge das ganze Fähigkeitsspek-<br />

angemessenen, menschengerech-<br />

ten. Wenngleich Diskursverläufe<br />

trum praktischer Vernunft, nicht<br />

ten Lebens- und Handlungsmög-<br />

hier nicht nachzuzeichnen sind<br />

zuletzt auch die durch Erfahrung<br />

lichkeiten wie bei der Bestimmung<br />

(Genaueres dazu und zum Folgen-<br />

(einschließlich gezielter Übung)<br />

und Durchsetzung sie schützender<br />

den bieten die Epikie-Studien von<br />

zu erwerbende Fähigkeit, konkrete<br />

Normen ebenso der Sehnsucht<br />

Günter Virt, u. a. sein Beitrag in:<br />

Situationen aus der Perspektive<br />

nach Ruhe und Ordnung wie der<br />

W. Ernst (Hg.), Grundlagen und<br />

der Mitmenschen zu beurteilen<br />

nach anarchischer Lebendigkeit zu<br />

Probleme heutiger Moraltheologie,<br />

(griech. syngnome: mitverstehen),<br />

widerstehen. Anstrengend, aber<br />

1989: 138–151), so kann doch das<br />

sowie die Bereitschaft, eigene<br />

letztlich doch lebensfreundlicher<br />

Kernprofil dieser zeitweise ver-<br />

Anliegen und Ansprüche zugun-<br />

ist die praktisch-kluge Sorge um<br />

drängten, unter heutigen Bedin-<br />

sten einer im Blick auf die ande-<br />

die Einheit von Freiheit und Maß.<br />

Kompass 04|10<br />

13


Reportage vor Ort<br />

Nah am Menschen –<br />

Militärseelsorge in Erfurt (Teil 2)<br />

Fortsetzung der Reportage von Ausgabe 03/10, S. 14–16<br />

Kann man als Soldat und Soldatin<br />

Verantwortung und Freiheit unter<br />

einen Hut bekommen Ist Demokratie<br />

eine Lebensform und – aus<br />

christlicher Sicht – eine erwünschte<br />

Was bedeutet eigentlich<br />

„Leben“ Der Begriff „Lebenskundlicher<br />

Unterricht“ (LKU) legt<br />

diese Fragen nahe – doch selbstverständlich<br />

sind sie keineswegs,<br />

wenn Wehrpflichtige, Zeit- und<br />

Berufssoldaten heute verpflichtend<br />

durch solche ethischen Fragen<br />

innerhalb der Bundeswehr herausgefordert<br />

werden.<br />

© Kompass / Volpers<br />

Pastoralreferent Franz Eisend – verantwortlich<br />

für die Katholische<br />

Militärseelsorge im südlichen Teil<br />

von Thüringen – bringt gesellschaftliche<br />

und politische Fragestellungen<br />

häufig in Zusammenhang<br />

mit biblischen Antworten.<br />

Das führt oft zum Erstaunen seiner<br />

Gesprächspartner. Aber mit Nachdenken<br />

und entsprechenden Erläuterungen<br />

leuchtet es den meisten<br />

doch ein, dass zum Beispiel die<br />

Zehn Gebote aus dem Alten Testament<br />

und die sogenannte „Goldene<br />

Regel“ im Neuen Testament durchaus<br />

mit dem alltäglichen Leben zu<br />

tun haben. Daher haben diese<br />

Lebensregeln nicht nur eine Bedeutung<br />

für „Altertumsforscher“ und<br />

regelmäßige Kirchgänger, sondern<br />

sind auch für das Leben von Soldaten<br />

in Erfurt, Gotha oder Bad Salzungen<br />

wichtig.<br />

Neue Unterrichts- und<br />

Organisationsformen<br />

Den LKU gibt es bereits seit über<br />

fünfzig Jahren. Er hat sich aber seit<br />

Anfang 2009 mit Inkrafttreten der<br />

dreijährigen Erprobungsphase der<br />

„Zentralen Dienstvorschrift Lebenskundlicher<br />

Unterricht“ mit dem Titel<br />

Junge Soldaten setzen sich im<br />

Lebenskundlichen Seminar mit<br />

dem Leben in Verantwortung und<br />

Freiheit auseinander.<br />

Pastoralreferent Eisend im<br />

Gespräch mit dem Kompaniefeldwebel<br />

des Wehrbereichs-Musikkorps<br />

III Erfurt, OStFw Krantzen<br />

© Kompass / Volpers<br />

14 Kompass 04|10


Reportage vor Ort<br />

„Selbstverantwortlich leben – Verantwortung<br />

für andere übernehmen können“<br />

wesentlich verändert. Das<br />

bekommen vor allem die Militärseelsorger<br />

zu spüren – als Unterrichtende<br />

und „berufsethisch besonders qualifi-<br />

Pfarrhelfer Schedel ist in der<br />

Dienststelle des Militärpfarramts<br />

intensiv damit beschäftigt, die<br />

Voraussetzungen für den Lebenskundlichen<br />

Unterricht zu schaffen<br />

und die Termine zu koordinieren.<br />

müssen, verlangen durch Einsätze<br />

und deren Vor- und Nachbereitung<br />

mehr Flexibilität. Der LKU wird<br />

weniger „frontal“ in den Lehrräumen<br />

der Kasernen, sondern stärker<br />

in Gruppenarbeit, mit Medieneinsatz<br />

und als Tagesseminare und längere<br />

Unterrichtseinheiten außerhalb<br />

gestaltet. Dadurch gibt es einiges<br />

zu organisieren mit Bildungshäusern<br />

– an diesem Tag z. B. mit der<br />

Katholischen Bildungsstätte „St.<br />

Martin“ in Erfurt. Auch an die<br />

© Kompass / Volpers<br />

der, dass die Militärseelsorger selbst<br />

Wochen oder Monate lang im Einsatz<br />

sind oder – wie derzeit in Erfurt<br />

auf der evangelischen Seite – die<br />

Stellen von Militärpfarrern bzw.<br />

Pfarrhelfern unbesetzt bleiben.<br />

Gutes „Zusammenspiel“<br />

von Seelsorge und Musik<br />

Das Engagement lohnt sich, wie<br />

Oberstabsfeldwebel Karl-Heinz<br />

Krantzen vom Wehrbereichsmusikkorps<br />

III bestätigt: Auch wenn<br />

seine Einheit, die zu ganz unterschiedlichen<br />

Zeiten viel unterwegs<br />

zu Auftritten ist, es mit der Terminabsprache<br />

nicht leicht hat, so<br />

besteht doch großes Interesse am<br />

Unterricht und an Werkwochen der<br />

Militärseelsorge. Dabei ist das<br />

Musikkorps mit seinen 65 Dienstposten<br />

eher ein „überschaubarer“<br />

© Kompass / Volpers<br />

zierte Lehrkräfte“, wie sie in der neuen<br />

ZDv 10/4 bezeichnet werden.<br />

Doch auch die Pfarrhelfer mussten<br />

sich umstellen: Der Unterricht wird<br />

immer häufiger in Blöcken als in<br />

Im direkten Kontakt: Militärseelsorger<br />

Eisend und Teilnehmer<br />

eines Lebenskundlichen Seminartages<br />

Truppenteil. Ein besonderer Bezug<br />

zwischen den Militärmusikern und<br />

der Seelsorge rührt auch daher,<br />

dass sie in kleinen oder auch größeren<br />

Besetzungen bei Gottes-<br />

Einzelstunden erteilt; die Dienstplä-<br />

Absprachen mit externen Dozenten<br />

diensten spielen, was hervorra-<br />

ne, in die sie zusammen mit der<br />

und Dienstleistern muss gedacht<br />

gend funktioniert und allen Freu-<br />

Truppe die Zeiteinheiten verteilen<br />

werden. Hinzu kommt immer wie-<br />

de bereitet.<br />

<br />

Kompass 04|10<br />

15


Reportage vor Ort<br />

<br />

Katholische und Evangelische<br />

Militärseelsorge ziehen an<br />

einem Strang<br />

Wegen der zeitweiligen Abwesenheiten<br />

der Seelsorger und den großen<br />

Entfernungen zwischen den einzelnen<br />

zu betreuenden Standorten ist<br />

die ökumenische Absprache und<br />

Zusammenarbeit besonders wichtig:<br />

Während die Katholiken in Erfurt<br />

derzeit für beide Konfessionen<br />

gemeinsam Präsenz zeigen, hat der<br />

Evangelische Militärpfarrer Wolfram<br />

Schmidt in Bad Salzungen einen<br />

„Standortvorteil“. Seine Dienststelle<br />

in der Werratal-Kaserne befindet sich<br />

im selben Gebäude wie der „Raum<br />

der Stille“, der von beiden Kirchen<br />

getragen und genutzt wird.<br />

„Demokratie als Lebensform”<br />

oder:<br />

Die Sehnsucht nach Frieden<br />

Zurück ins Martins-Haus nach<br />

Erfurt: Hier nähert sich der<br />

Lebenskundliche Seminartag nach<br />

Plenums- und Kleingruppenarbeit,<br />

Vortrag und Gespräch, Tafel- und<br />

Beamer-Einsatz dem Abschluss.<br />

Es wird Resümee gezogen:<br />

1. Moderne Demokratie ist eine<br />

relativ junge Lebensform.<br />

2. Menschenwürde ist der unbedingte<br />

Lebensinhalt moderner<br />

Demokratie.<br />

© Kompass / Volpers<br />

Leib und Seele gehören zusammen:<br />

Für die Seminartage außerhalb<br />

der Kasernen muss auch die<br />

Verpflegung organisiert werden.<br />

3. Demokratische Lebensformen<br />

pflegen vor allem die Würde<br />

des Menschen.<br />

4. Demokratische Lebensformen<br />

halten unsere Sehnsucht nach<br />

Frieden lebendig.<br />

Es zeigt sich, dass neben dem<br />

üblichen guten Zusammenwirken<br />

von Teilnehmern der verschiedenen<br />

christlichen Konfessionen<br />

sich auch die größer werdende<br />

Zahl von ungetauften oder wenig<br />

kirchlich geprägten Soldaten<br />

ansprechen lässt. Sie engagieren<br />

sich ebenso am Fortgang der Diskussion<br />

und beteiligen sich an<br />

den Auswertungen.<br />

Auch das bedeutet: „Leben in der<br />

Demokratie“.<br />

Jörg Volpers<br />

© Kompass / Volpers<br />

Gruppenarbeit mit Texttafel und<br />

Meinungsbild<br />

16 Kompass 04|10


Aus der Militärseelsorge<br />

Innere Führung und<br />

Auslandseinsätze<br />

Post an alle Mitglieder des Verteidigungsausschusses<br />

Adressaten waren die 34 Mitglieder<br />

des Verteidigungsausschusses<br />

des 17. Deutschen Bundestages.<br />

Absender war die Kommission<br />

„Europäische Sicherheit und<br />

Zukunft der Bundeswehr“, die<br />

beim „Institut für Friedensforschung<br />

und Sicherheitspolitik an<br />

der Universität Hamburg“ (IFSH)<br />

angesiedelt ist.<br />

Worum ging es In einem Plädoyer<br />

für die Stärkung der Inneren<br />

Führung bei Auslandseinsätzen<br />

warb deren Vorsitzender, Professor<br />

Dr. Michael Brzoska, der gleichzeitig<br />

der Wissenschaftliche Direktor<br />

des Hamburger Friedensforschungs-Institutes<br />

ist, in insgesamt<br />

zehn Handlungsfeldern, die<br />

in einem engen Zusammenhang<br />

mit den Grundsätzen der Inneren<br />

Führung stehen, für deren Weiterentwicklung.<br />

In ebenfalls zehn<br />

sehr konkreten Vorschlägen drängen<br />

die Mitglieder der Kommission<br />

auf Veränderungen. „Dies umso<br />

mehr“, so der Wortlaut des Plädoyers<br />

an die Mitglieder im Verteidigungsausschuss,<br />

„als die Hauptaktionsfelder<br />

der Streitkräfte in Auslandseinsätzen<br />

liegen, bei denen<br />

deutsche Soldatinnen und Soldaten<br />

gemeinsam mit Truppen operieren,<br />

deren Ausbildung nicht an diesen<br />

Prinzipien (gemeint ist die Innere<br />

Führung) ausgerichtet ist.“<br />

Die praktischen Vorschläge beinhalten<br />

dabei u. a. die Empfehlung,<br />

den jetzigen „Beauftragten<br />

für Erziehung und Ausbildung“<br />

(BEA) beim Generalinspekteur<br />

zukünftig in einen „Beauftragten<br />

für Innere Führung“ umzuwandeln,<br />

der nicht gegenüber dem Generalinspekteur<br />

berichtspflichtig sein<br />

soll, „sondern regelmäßig auch<br />

vom Verteidigungsausschuss des<br />

Bundestages angehört wird.“<br />

Ebenso soll alsbald der Unterausschuss<br />

„Weiterentwicklung der<br />

Inneren Führung“ im Verteidigungsausschuss<br />

wieder eingesetzt<br />

werden. Vorgeschlagen wird in diesem<br />

Zusammenhang, die Mitglieder<br />

des Beirates für Fragen der<br />

Inneren Führung beim Bundesminister<br />

der Verteidigung in den<br />

Unterausschuss mit einzubeziehen.<br />

Fernerhin fällt auf, dass die<br />

Vereinbarkeit von Dienst und<br />

Familie zunehmend als hervorgehobener<br />

Handlungsrahmen für<br />

eine Weiterentwicklung der Grundsätze<br />

der Inneren Führung gesehen<br />

wird.<br />

Ob und mit welchem Tenor die<br />

Adressaten auf das Schreiben<br />

geantwortet haben, war bislang<br />

nicht ausfindig zu machen. Vielleicht<br />

können wir demnächst nicht<br />

nur das Dokument, sondern auch<br />

die Antworten der Mitglieder des<br />

Verteidigungsausschusses nachlesen<br />

unter:<br />

www.ifsh.de<br />

Josef König<br />

Ökumene in der Praxis<br />

In seinem Grußwort zur 55.<br />

Gesamtkonferenz Evangelischer<br />

Militärgeistlicher in Lüneburg wies<br />

Militärgeneralvikar Walter Wakenhut<br />

deutlich darauf hin, dass Militärseelsorge<br />

nur gelingen kann,<br />

wenn sie im ökumenischen Gleichklang<br />

geschieht.<br />

So werden die Evangelische und<br />

die Katholische Militärseelsorge<br />

den Zweiten Ökumenischen Kirchentag<br />

gemeinsam mitgestalten<br />

und ihre gelebte „Ökumene der<br />

Praxis“ vorstellen.<br />

Militärgeneralvikar Wakenhut lud<br />

auch herzlich zur Mitarbeit im „Zentrum<br />

für ethische Bildung in den<br />

Streitkräften“ (zebis) ein, das am 1.<br />

März in Hamburg eröffnet worden<br />

war. „Ich will hier nicht verhehlen,<br />

dass der Gedanke daran im ökumenischen<br />

Gespräch geboren und auch<br />

ausformuliert wurde. Und ich hoffe,<br />

dass dieses Zentrum bald ‚Ökumenisches<br />

Zentrum für ethische Bildung<br />

in den Streitkräften’ heißen kann.“<br />

Die Gesamtkonferenz stand unter<br />

dem Thema „Perspektivprozess<br />

2017“.<br />

Jörg Volpers<br />

© EKA / Rossille<br />

Kompass 04|10<br />

17


53. Fortbildungstagung der Pfarrhelferinnen und Pfarrhelfer in Hamburg<br />

Entwicklungen in der<br />

Militärseelsorge<br />

Militärgeneralvikar Walter Wakenhut wies in seinem<br />

Bericht zur Lage vor den in Hamburg versammelten<br />

Pfarrhelfern und Pfarrhelferinnen auf<br />

objektive Gegebenheiten hin, die da sind:<br />

- Der Schwund an christlichen und damit auch<br />

an katholischen Soldaten, von denen sich<br />

zudem immer weniger kirchlich binden lassen.<br />

- Der gravierende Mangel an Seelsorgern und<br />

Seelsorgerinnen – um nicht allein von Priestern<br />

zu sprechen – in der katholischen Kirche.<br />

Es müsse klar sein, dass die Militärseelsorge<br />

nicht mehr leisten könne, als ihr in personeller<br />

wie in finanzieller Hinsicht zur Verfügung stehe,<br />

sagte Prälat Wakenhut.<br />

An Bedeutung würden das Institut für Theologie<br />

und Frieden (ithf) und das in Hamburg am ithf<br />

errichtete Zentrum für ethische Bildung in den<br />

Streitkräften (zebis) als zentrale Einrichtungen<br />

gewinnen. Der Katholische Militärbischof wolle<br />

damit die Militärseelsorger und Militärseelsorgerinnen<br />

für die Aufgabe, ihren Beitrag zur ethischmoralischen<br />

Bildung des Soldaten zu leisten,<br />

befähigen und besser qualifizieren. Dieses Angebot<br />

stehe auch interessierten Angehörigen der<br />

Bundeswehr offen, zumal solchen in Führungsverantwortung.<br />

Das Zentrum solle ein Ort maßgeblicher<br />

Debatten werden hinsichtlich der ethischen<br />

Aspekte des soldatischen Dienstes, die in die<br />

Gesellschaft und in die Kirche hineinwirkten.<br />

Zudem werde im April der Militärbischof die<br />

Dachstiftung „Katholische Soldatenseelsorge“<br />

und die „Katholische Friedensstiftung“ gründen.<br />

Hier gehe es darum, in Zeiten schwindender Kirchensteuereinnahmen<br />

die Existenz des Instituts<br />

für Theologie und Frieden zu sichern. Um weiterhin<br />

eine qualitativ hoch stehende wissenschaftliche<br />

Arbeit garantieren zu können, müssten<br />

neue Finanzierungsquellen erschlossen werden,<br />

betonte Wakenhut.<br />

Marlene Beyel<br />

Pfarrhelfer, Pfarrhelferinnen und Amtsinspektoren<br />

in der Katholischen Militärseelsorge zur Fortbildung<br />

in Hamburg<br />

Zu Beginn der Heiligen Messe, die<br />

Erzbischof Thissen mit den Militärseelsorge-Mitarbeitern<br />

feierte, verwies<br />

er auf den tags zuvor erschienenen<br />

Jahresbericht des Wehrbeauftragten<br />

des Deutschen Bundestages,<br />

der u. a. die Situation der<br />

durch Einsatzerfahrungen traumatisierten<br />

Soldaten in den Blick nahm.<br />

Fürbitten, die im Anschluss an die<br />

Predigt des Hamburger Erzbischofs<br />

gebetet wurden, waren deshalb<br />

auch den Soldatinnen und Soldaten<br />

gewidmet, die den Dienst in den<br />

Auslandseinsätzen unter Gefahr für<br />

Leib und Leben versehen.<br />

Regierungsoberamtsrat Klaus-Werner<br />

Spengler, Referatsleiter im<br />

Katholischen Militärbischofsamt,<br />

informierte über grundsätzliche<br />

und aktuelle Fragen, die eng mit<br />

dem BWI-Leistungsverbund zusammenhängen.<br />

Das erklärte Ziel des<br />

Leistungsverbundes, die gesamte<br />

nichtmilitärische IT- und Telekommunikations-Infrastruktur<br />

der Bundeswehr<br />

zu modernisieren, stand<br />

dabei im Mittelpunkt der Diskussionen,<br />

in denen die Pfarrhelfer<br />

und Pfarrhelferinnen ihre Erfahrungen<br />

in der praktischen Umsetzung<br />

in den Militärpfarrämtern einbrachten.<br />

Eine Einweisung in die Aufgaben<br />

des Sicherheitsbeauftragten,<br />

die dem Dienststellenleiter obliegen<br />

und zu denen oftmals die<br />

Pfarrhelferinnen und Pfarrhelfer zu<br />

seiner Unterstützung hinzugezogen<br />

werden, schloss diesen Teil der<br />

Fortbildungstagung ab. Ricardo<br />

Kühle, IT-Administrator im Katholischen<br />

Militärbischofsamt, konnte<br />

mit Blick auf elektronische Hilfen<br />

für die Verwaltung und Pastoral<br />

und auf Anwendungsdatenbanken<br />

in der Militärseelsorge einige praktische<br />

Ratschläge vortragen, die<br />

zur Erleichterung im tagtäglichen<br />

Umgang am PC beitragen.<br />

In sieben Foren, die als Workshops<br />

konzipiert waren, bestand Gelegenheit,<br />

sich mit anderen über Erfahrungen<br />

in der Militärseelsorge auszutauschen.<br />

Während in einem<br />

Forum mit Hilfe von Anwendungs-<br />

18 Kompass 04|10


53. Fortbildungstagung der Pfarrhelferinnen und Pfarrhelfer in Hamburg<br />

beispielen das Ziel verfolgt wurde,<br />

Friedensethik leichter verständlich<br />

zu machen, stand in einem weiteren<br />

Forum die liturgische Gestaltung<br />

von Gottesdiensten im Mittelpunkt.<br />

Ein spezieller Workshop war bereits<br />

frühzeitig ausgebucht: In diesem<br />

Weitere Informationen zur Aus- und<br />

Fortbildung waren für diejenigen<br />

Pfarrhelfer und Pfarrhelferinnen vorgesehen,<br />

die „Theologie im Fernkurs“<br />

an der Domschule Würzburg<br />

für ihre weitere berufliche Qualifizierung<br />

gewählt haben. Eigens dafür<br />

verantwortlich für die Internationale Soldatenwallfahrt<br />

nach Lourdes, informierte zum Stand der Planungen<br />

und Vorbereitungen der diesjährigen Friedenswallfahrt,<br />

die vom 19. bis 25. Mai stattfinden<br />

wird und zu der bereits eingeladen worden ist.<br />

Mit dem Bericht des Militärgeneralvikars Walter<br />

Wakenhut mit grundsätzlichen und aktuellen<br />

© KMBA / Bierdel<br />

Erzbischof Thissen bei seiner<br />

Predigt vor den Pfarrhelfern und<br />

Pfarrhelferinnen<br />

Militärgeneralvikar Walter Wakenhut gibt für<br />

einen erkrankten Pfarrhelfer eine gesegnete<br />

Kerze mit auf den Weg.<br />

© KMBA / Beyel<br />

© Kompass / König<br />

© KMBA / Beyel<br />

Klaus-Werner Spengler<br />

referiert im Plenum.<br />

war Gelegenheit, die kirchenmusikalische<br />

Gestaltung eines Gottesdienstes<br />

mit dem Gesang in einem<br />

Chor zu praktizieren. Im Schlussgottesdienst,<br />

den Militärgeneralvikar<br />

Walter Wakenhut ebenfalls in der<br />

Edith-Stein-Kirche zelebrierte,<br />

konnte die Gottesdienstgemeinde<br />

das Ergebnis des „Chor-Workshops“<br />

unmittelbar miterleben.<br />

angereist war der Stellvertretende<br />

Direktor und Leiter dieses an der<br />

Würzburger Domschule angesiedelten<br />

Arbeitsbereiches, Dr. Thomas<br />

Franz.<br />

Militärdekan Johann Meyer, im<br />

Katholischen Militärbischofsamt<br />

Aus einem der Workshops entstand dieser Chor<br />

unter Leitung von Pfarrhelfer Johannes Bresa, Köln.<br />

Bemerkungen zur Lage der Katholischen Militärseelsorge<br />

und seinem Segen für die Rückreise<br />

endete die diesjährige 53. Fortbildungstagung.<br />

Josef König<br />

Kompass 04|10<br />

19


Aus der Militärseelsorge<br />

© Bundeswehr / Kurz<br />

Militärseelsorge Ost –<br />

Sicherung von Zeitzeugenberichten<br />

Beirat tagte in Leitershofen bei Augsburg<br />

Der turnusgemäß nach vier Jahren<br />

neu berufene Beirat der Katholischen<br />

Militärseelsorge traf sich in<br />

Leitershofen, im dortigen Exerzitienhaus<br />

St. Paulus.<br />

Eröffnet wurde die konstituierende<br />

Sitzung durch die Begegnung mit<br />

dem Katholischen Militärbischof,<br />

Dr. Walter Mixa, Bischof von Augsburg,<br />

und die gemeinsame Eucharistiefeier.<br />

Auf Grund der veränderten Rahmenbedingungen<br />

der Katholischen<br />

Militärseelsorge und des in den<br />

Medien breit diskutierten Afghanistan-Einsatzes<br />

der Bundeswehr<br />

wurden die Mitglieder zunächst in<br />

einer Fragestunde über die aktuelle<br />

Situation der Militärseelsorge<br />

informiert.<br />

Neben dem Themenschwerpunkt<br />

„Beginn der Einsätze der Bundeswehr<br />

in Krisengebieten – Umbruch<br />

für die Militärseelsorge“ und seiner<br />

Umsetzung in greifbare Ergebnisse<br />

stand ein weiteres Projekt<br />

zur Beratung: Im Zusammenhang<br />

mit dem 20-jährigen Jubiläum der<br />

Wiedervereinigung rückte die Etablierung<br />

der Militärseelsorge in<br />

den neuen Bundesländern während<br />

der 1990er-Jahre in den Blick.<br />

Durch die besonderen Bedingungen<br />

der katholischen Kirche, wie<br />

Der Beirat zur Erforschung der<br />

Katholischen Militärseelsorge mit<br />

seinem Vorsitzenden, Prälat Peter<br />

Rafoth (rechts)<br />

sie sich in DDR-Zeiten herausgebildet<br />

hatten, und die nach dem<br />

Mauerfall schlagartig veränderte<br />

Situation der Kirche in den neuen<br />

Bundesländern im Verhältnis zum<br />

Staat bzw. Militär, sind Wahrnehmung,<br />

Sichtweise und Erlebnisse<br />

der vor Ort anwesenden Zivilpfarrer<br />

als Standortpfarrer im Nebenamt<br />

als wertvolle Erfahrungen zu<br />

bewerten. Diese gilt es neben dem<br />

Behördenschriftgut für die dauerhafte<br />

Überlieferung zu sichern.<br />

Das Katholische Militärbischofsamt<br />

wird daher die ehemaligen Militärgeistlichen<br />

der „Militärseelsorge<br />

Ost“ um Mithilfe bei dieser Spurensicherung<br />

bitten.<br />

Dr. Monica Sinderhauf<br />

Archive im Netz<br />

Seit Mitte März sind die Archive der<br />

katholischen Kirche in Deutschland<br />

mit einem gemeinsamen Auftritt im<br />

world-wide-web auf www.kirchlichearchive.de<br />

präsent. Auf der Homepage,<br />

die kurz und knapp die Bedeutung<br />

der Archive benennt, sind alle<br />

kirchlichen Archive gelistet, die über<br />

diese Seite zentral zusammengefasst<br />

und virtuell zugänglich sind.<br />

Auf den weiteren Seiten werden sie<br />

mit den wichtigsten Informationen<br />

vorgestellt, vor allem mit ihren<br />

Beständen. Auf diesen bzw. über<br />

diese Seiten verlinkt zum eigenen<br />

Auftritt des jeweiligen Archivs,<br />

können die Nutzer ihre ersten<br />

Recherchen vornehmen. Neben den<br />

Diözesanarchiven finden sich hier<br />

die Archive der überdiözesanen<br />

Einrichtungen wie z. B. Caritas und<br />

Misereor, die Ordensarchive und die<br />

Archive der Vereine und Verbände.<br />

Unter den Diözesanarchiven ist<br />

auch das Archiv der Katholischen<br />

Militärseelsorge vertreten. Es ist<br />

das einzige seiner Art in Deutschland,<br />

da die Evangelische Militärseelsorge<br />

keine selbstständige<br />

Archivierung des bei ihr entstandenen<br />

Schriftgutes vornimmt. Auf<br />

Grund der staatskirchenrechtlich<br />

anders geregelten Grundlage des<br />

Evangelischen Kirchenamtes – das<br />

20 Kompass 04|10


Aus der Militärseelsorge<br />

Pendant zum Katholischen Militärbischofsamt<br />

– wie der Evangelischen<br />

Militärseelsorge insgesamt,<br />

fällt die Archivierung des Schriftgutes<br />

der Evangelischen Militärseelsorge<br />

in die Zuständigkeit des<br />

Bundesarchiv-Militärarchivs.<br />

Die Katholische Militärseelsorge,<br />

als Teil der Gesamtseelsorge der<br />

katholischen Kirche, hat seit 1978<br />

die Archivierung des Schriftgutes<br />

in eigener Zuständigkeit übernommen.<br />

Denn das Schriftgut entsteht<br />

in einem Bereich, der durch besondere<br />

pastorale Anforderungen<br />

gekennzeichnet ist. Für die dauerhafte<br />

Sicherung dieses Schriftgutes<br />

und seine Erschließung sind spezielle<br />

Kenntnisse über die komplexe<br />

staatskirchenrechtliche Struktur<br />

und über die auf dieser Grundlage<br />

praktizierte Pastoral erforderlich.<br />

Wenn auch das Archiv des Katholischen<br />

Militärbischofs für die Deutsche<br />

Bundeswehr in Berlin (AKMB)<br />

bereits seit längerem im Netz vertreten<br />

ist, so dokumentiert das<br />

neue Internetportal der kirchlichen<br />

Archive zugleich die gleichberechtigte<br />

Stellung des Militärseelsorge-Archivs<br />

unter den Diözesanarchiven.<br />

Damit trägt es ebenso<br />

dazu bei, dass die Vielfalt und<br />

der Reichtum kirchlicher Archive in<br />

Deutschland in dieser Bündelung<br />

sichtbar werden. Mit insgesamt<br />

ca. 140 km an historischen Dokumenten<br />

vom Mittelalter bis zur<br />

Gegenwart sind die Kirchenarchive<br />

nicht nur „Schatzkammern“<br />

und Gedächtnis der Kirche, sondern<br />

auch Teil des kulturellen<br />

Erbes unserer Gesellschaft.<br />

Dr. Monica Sinderhauf<br />

Heimat in der Fremde bieten<br />

Arbeitskonferenz des Dienstaufsichtsbezirks Ausland tagte in Berlin<br />

Mit den besonderen Bedingungen<br />

und Herausforderungen der Militärseelsorge<br />

an den Auslandsstandorten<br />

der Bundeswehr befassten sich<br />

die nach Berlin angereisten Delegierten<br />

der im Ausland eingerichteten<br />

deutschen Militärpfarrgemeinderäte<br />

und Mitarbeiterkreise.<br />

Die einmal im Jahr stattfindende<br />

Konferenz für die im Laienapostolat<br />

der Militärseelsorge engagierten<br />

Katholiken dient dem Austausch<br />

von Erfahrungen in der speziellen<br />

Pastoral an den Auslandsstandorten<br />

der Bundeswehr sowie der Beratung<br />

des „Auslandsdekans“ im Katholischen<br />

Militärbischofsamt, Msgr.<br />

Joachim Simon. Teilnehmer waren<br />

Delegierte aus den Standorten<br />

Brunssum (Niederlande), Fort Bliss<br />

(USA), Holloman Air Force Base<br />

(USA), Le Luc (Frankreich) und<br />

SHAPE (Belgien). Der Standort Neapel<br />

wurde durch Militärpfarrer Stefan<br />

Scheifele vom Katholischen<br />

Militärpfarramt Italien vertreten.<br />

Vom Katholikenrat beim Katholischen<br />

Militärbischof waren Oberstleutnant<br />

Auer vom Internationalen<br />

Sachausschuss der Gemeinschaft<br />

Katholischer Soldaten und Oberstabsfeldwebel<br />

Weber zur Dekanatsarbeitskonferenz<br />

entsandt worden.<br />

Mit besonderer Aufmerksamkeit<br />

wurde der Bericht aus dem Standort<br />

Brunssum zur Kenntnis genommen.<br />

Die Verlagerung des zuständigen<br />

Militärpfarramtes ins Inland<br />

im Oktober 2008 habe zu Problemen<br />

geführt, die das bisher blühende<br />

Gemeindeleben belasten.<br />

© Joachim Lubowski<br />

Von neuen Herausforderungen für die Militärseelsorge<br />

berichteten auch die Delegierten der Auslandsgemeinden<br />

in Fort Bliss und Holloman. Diese<br />

beiden Seelsorgebezirke in den USA fusionieren<br />

zum Jahresende 2010 und werden künftig von nur<br />

noch einem Katholischen Militärpfarrer betreut.<br />

Von dieser Entscheidung betroffen seien vor allem<br />

die katholischen Bundeswehrangehörigen in den<br />

deutschen Kleinstdienststellen in den USA, die<br />

künftig nur noch mit Pastoralbesuchen von Evangelischen<br />

Militärgeistlichen rechnen könnten.<br />

v. l. n. r.: Msgr. Joachim Simon (KMBA), OStFw<br />

Martin Schuster (Le Luc), OStFw Peter Weber<br />

(Katholikenrat), HFw Thomas Arnhold (Brunssum),<br />

Frau Gaby Arnhold (Frauenkreis Brunssum),<br />

Franz Huber (Fort Bliss), OStFw Henry<br />

Holl (Brunssum), dahinter: Militärpfarrer Stefan<br />

Scheifele (Neapel), HFw Roland G. Dings (SHAPE),<br />

OStFw Joachim Lubowski (Holloman AFB)<br />

Die Delegierten beschäftigten sich auch mit den<br />

Konsequenzen der immer kürzeren Verwendungsdauer<br />

deutscher Soldaten an den Auslandsstandorten<br />

für die Militärseelsorge.<br />

Viele Bundeswehrangehörige ersparen ihren Familien<br />

zwei Umzüge in kurzer Zeit. In den kommenden<br />

Jahren müsse daher mit einer deutlichen Zunahme<br />

von „Fernbeziehungen“ und den damit verbundenen<br />

familiären Problemen gerechnet werden.<br />

Zum stellvertretenden Moderator der Arbeitskonferenz<br />

Ausland wurde in der Nachfolge von<br />

Hauptfeldwebel Thomas Arnhold, Brunssum,<br />

Oberstabsfeldwebel Joachim Lubowski aus dem<br />

Standort Holloman, gewählt.<br />

Gaby Arnhold<br />

Kompass 04|10<br />

21


Aus der Militärseelsorge | CD des Monats<br />

Offiziere aus Niederstetten im<br />

„Shalom-Europazentrum Würzburg“<br />

Peter Gabriel –<br />

Scratch My Back<br />

© Bundeswehr / Pietruszewski<br />

tung des neuen Gemeindezentrums<br />

und Museums wurde der Zusatzname<br />

„Shalom Europa“ gewählt. Der<br />

Name ist passend, denn heute<br />

leben weit über 1.400 jüdischorthodoxe<br />

Mitbürger aus ganz<br />

Europa wieder in Würzburg.<br />

Wenn wir bei dem Begriff „orthodox“<br />

an eine in sich und nach<br />

außen geschlossene Gemeinschaft<br />

dachten, so wurden wir seitens der<br />

jüdischen Gemeinde eines Besseren<br />

belehrt.<br />

Die Würzburger Gemeinde war<br />

schon immer nach außen geöffnet<br />

Was kann man eigentlich so um<br />

seinen 60. Geburtstag herum alles<br />

machen Den Enkelkindern Geschichten<br />

erzählen, wie man früher<br />

als Sänger und Songschreiber<br />

einer der wichtigsten Prog-Rock-<br />

Bands der 70er-Jahre – „Genesis“<br />

– in unzählige Kostüme geschlüpft<br />

ist. Oder wie man dann auf dem<br />

Höhepunkt dieser Karriere solo<br />

weitergemacht hat, um etliche<br />

Welthits zu landen (Solsbury Hill,<br />

Sledgehammer, Steam, …). Und<br />

immer wieder multimediale Projekte<br />

eingeschoben und nebenbei ein<br />

eigenes Label namens „Realworld“<br />

mit Weltmusik-Künstlern aus aller<br />

Herren Länder aufgebaut hat.<br />

Tja, was könnte man denn dann<br />

noch machen Wie wäre es nach<br />

Hunderten selbst geschriebener<br />

Songs denn mal mit einem Cover-<br />

Album<br />

Die Offiziere des Transporthubschrauber-Regimentes<br />

30 besuchten<br />

im Rahmen des Lebenskundlichen<br />

Unterrichts (LKU) die israelitische<br />

Gemeinde Würzburg und das<br />

„Shalom-Europazentrum“.<br />

Der Tag begann im Unterricht mit<br />

dem Thema „Judentum – jüdisches<br />

Leben heute“, das der Katholische<br />

Militärpfarrer Bernhard Tschullik in<br />

Niederstetten durchführte. Danach<br />

verlegten die Kameraden mit ihrem<br />

Kommandeur Oberst Hellinger und<br />

Pfarrer Tschullik nach Würzburg zur<br />

israelitischen Gemeinde. Dort wurden<br />

sie von Frau Dr. Anita Conze in<br />

Empfang genommen. In ihrer Einführung<br />

sagte Frau Conze, dass sie<br />

selbst Christin ist und aufgrund<br />

ihrer theologischen Vorbildung und<br />

eines Studiums bei der jüdischen<br />

Gemeinde Führungen durch das<br />

Gemeindezentrum machen darf.<br />

Im Laufe des Rundgangs durch<br />

Museum und Synagoge erfuhren<br />

die Offiziere, dass die jüdische<br />

Gemeinde Würzburg bereits seit<br />

dem 11. Jahrhundert besteht und<br />

dass bereits im Mittelalter Rabbiner<br />

aus ganz Europa in Würzburg<br />

ausgebildet wurden. Nach Errich-<br />

und engagiert sich im Würzburger<br />

Alltag. So nehmen zum Beispiel<br />

Kinder einer in der Nähe gelegenen<br />

öffentlichen Schule ihre Mittagsmahlzeit<br />

(koscheres Essen) im<br />

Gemeindezentrum ein.<br />

Aus der Sicht der Offiziere sollte<br />

das Museum ein „Muss“ für jeden<br />

Bürger sein, denn es führt nicht<br />

nur durch die Geschichte, sondern<br />

vor allem durch die jüdische Religion,<br />

Kultur und Lebensweise. Man<br />

stellt auch fest, dass viele Gebräuche<br />

des jüdischen Lebens sich in<br />

unserem Alltag wiederfinden.<br />

Werner Scharf<br />

Nun wäre Peter Gabriel nicht Peter<br />

Gabriel, würde er einfach ein paar<br />

mehr oder minder bekannte Songs<br />

nachspielen. Nein, für ihn war das<br />

Ganze eine Reise in fremdes Territorium,<br />

bei der die üblichen Rock-<br />

Instrumente im Schrank blieben.<br />

Dass dies auch für den Hörer zu<br />

einer spannenden neuen Erfahrung<br />

22 Kompass 04|10


CD des Monats | Buchtipp<br />

wird, liegt vor allem an Arrangements<br />

von John Metcalfe, der einen<br />

Teil der Songs für Orchester im Stil<br />

der klassischen Avantgarde bearbeitet<br />

hat. So bleibt für die Wiedererkennung<br />

zunächst einmal nur<br />

die Gesangsmelodie; statt der z. T.<br />

wohl vertrauten Sounds gibt es zum<br />

Piano reichlich flirrende Streicher,<br />

in minimalistischen Bewegungen<br />

wie bei Steve Reich oder Arvo Pärt.<br />

So etwas taugt weder als Hintergrundberieselung<br />

noch für die<br />

Tanzfläche. Also nix für den geneigten<br />

Pop-Konsumenten Vielleicht<br />

eine Herausforderung, aber<br />

eine äußerst lohnenswerte! Denn<br />

„Heroes“ von David Bowie oder<br />

„Boy in the bubble“ von Paul Simon<br />

werden völlig gegen den Strich<br />

gebürstet und ermöglichen dadurch<br />

ein ganz anderes Verständnis der<br />

Songs. Andere, wie Randy Newmans<br />

„I think it’s going to rain today“<br />

mit sparsamer Klavierbegleitung<br />

oder Neil Youngs „Philadelphia“ –<br />

ursprünglich Titelsong des gleichnamigen<br />

Films – mit ruhigen Streichern,<br />

Trompete und Flöte, sind<br />

näher am Original und legen dabei<br />

wie unter einer Lupe das Herz der<br />

Songs offen.<br />

Und das war noch nicht alles, denn<br />

diese CD soll die Hälfte eines<br />

„Tauschgeschäfts“ sein: Die Künstler,<br />

deren Songs er covert, sollten<br />

parallel eine Platte mit ihrer jeweiligen<br />

Interpretation eines Songs<br />

von ihm einspielen. Aus Zeitgründen<br />

ist das noch nicht abgeschlossen,<br />

soll aber noch kommen. Vielleicht<br />

als Geschenk an uns und an<br />

Peter Gabriel zum 61.<br />

Theresia Büsch<br />

Marinethriller<br />

mit sicherheitspolitischem Tiefgang<br />

Einen spannungsgeladenen Roman<br />

über das, was auf einem Kriegsschiff<br />

alles so passiert – das hat es<br />

in Deutschland schon lange nicht<br />

mehr gegeben. Christoph Karich<br />

hat mit seinem Buch „Bewährung<br />

im Grünen Meer“ den Versuch<br />

unternommen, dieses Genre wiederzubeleben.<br />

Und, um es vorweg<br />

zu nehmen, es ist ihm bestens<br />

gelungen.<br />

Das Szenario, in dem der Autor die<br />

Fregatte „Stuttgart“ und ihre<br />

Besatzung agieren lässt, ist das<br />

Horn von Afrika. Dass es sich hier<br />

um einen höchstgefährlichen „hot<br />

spot“ handelt, ist weithin<br />

bekannt. Karich spitzt die sicherheitspolitischen<br />

Herausforderungen,<br />

die sich dort einem Schiff der<br />

Allianz stellen, dramaturgisch zu,<br />

indem er es zu einer direkten Konfrontation<br />

mit Terroristen kommen<br />

lässt. Und was die sich einfallen<br />

lassen, um der „Stuttgart“ und<br />

ihrer Besatzung größtmöglichen<br />

Schaden zuzufügen, verschlägt<br />

dem Leser bisweilen den Atem.<br />

Schafft es die „Stuttgart“, sich<br />

dieser Gefahren zu erwehren Diese<br />

Frage treibt den Leser an,<br />

immer weiter zu lesen.<br />

Und dass der Held der Geschichte<br />

eine Frau ist, die als Kapitänleutnant<br />

und Erste Schiffseinsatzoffizierin<br />

im Mittelpunkt des Geschehens<br />

steht und dabei auch viel von<br />

ihren persönlichen Nöten und Sorgen<br />

preisgibt, gibt dem Roman<br />

Bodenhaftung und Menschlichkeit.<br />

Fast nebenbei – und das ist das<br />

größte Verdienst des Autors –<br />

erfährt der Leser viel über die<br />

Erlebniswelt der Besatzung eines<br />

Kriegsschiffes und über die sicherheitspolitischen<br />

Mit-Akteure der<br />

Soldatinnen und Soldaten, seien<br />

es die Stabsoffiziere im Einsatzführungskommando<br />

in Potsdam<br />

oder die Mitarbeiter von Ministerien<br />

und Nachrichtendiensten.<br />

Sogar der Außenminister taucht im<br />

Krisenmanagement auf – an der<br />

Seite der Soldaten ebenso wie auf<br />

dem diplomatischen Parkett bei<br />

den Vereinten Nationen in New<br />

York.<br />

Auf diese Weise ist Karichs Buch<br />

weit mehr als ein Thriller: Es ist<br />

auch ein Lehrbuch über moderne<br />

Sicherheitspolitik. Ja, dieses Buch<br />

hat das Zeug zu einem Bestseller<br />

– nicht nur bei den Angehörigen<br />

der Marine.<br />

Uwe Hartmann<br />

Christoph Karich,<br />

Bewährung im<br />

Grünen Meer,<br />

Roman, 326 Seiten,<br />

Paperback, Berlin<br />

2010, ISBN<br />

978-3-937885-28-5,<br />

14,90 Euro<br />

Kompass 04|10<br />

23


Filmtipp<br />

„Lourdes“<br />

Ein Film der österreichischen<br />

Regisseurin Jessica Hausner<br />

Die Kamera schaut von oben auf einen Speiseraum,<br />

ein kleinwüchsiger Rollstuhlfahrer fährt schnell in<br />

die Szene hinein, immer mehr Patientinnen und<br />

Patienten kommen in den Raum oder werden hineingefahren<br />

und dazu ertönt das „Ave Maria“,<br />

gesungen von einem Mann. So beginnt der Spielfilm<br />

„Lourdes“ der österreichischen<br />

Filmemacherin Jessica Hausner, der<br />

im April in unsere Kinos kommt.<br />

Erzählt wird die Geschichte der<br />

jungen Frau Christine, die an Multipler<br />

Sklerose erkrankt und<br />

gelähmt ist. Christine leidet unter<br />

der Isolation, die ihr die Krankheit<br />

aufgezwungen hat.<br />

Sie sehnt sich danach, wieder dazu zu gehören,<br />

sie möchte einfach normal sein. In Maria, einer<br />

jungen Malteserin und ihrer Betreuerin, findet sie<br />

ein Bild aus ihrer Vergangenheit.<br />

Sie möchte auch wieder wie Maria ihre Jugend<br />

genießen, sich amüsieren. Doch Christine bleibt<br />

letztlich nur die alte Frau Hartl, die sich ihrer<br />

annimmt, während Maria ihren Vergnügungen<br />

nachgeht und sie mitunter einfach stehen lässt.<br />

Frau Hartl leidet zwar unter keinen äußerlichen<br />

körperlichen Gebrechen und ist in diesem Sinne<br />

auch keine Patientin, sondern eine Pilgerin, die<br />

in „Lourdes“ Wege aus ihrer Einsamkeit sucht und<br />

betet – auch für Christine. Dieses Gebet scheint<br />

Erhörung zu finden: Während Christine wieder<br />

mit dem Wasser aus der Lourdes-Quelle gebadet<br />

wird, zeigt sich eine Besserung ihres Zustands<br />

und es deutet sich eine Heilung an.<br />

Doch damit ist der Film noch nicht zu Ende, es geht<br />

unter anderem um die Frage, warum wird jemand<br />

geheilt, ein anderer oder eine andere nicht So<br />

sehen wir eine weitere Schwester, die leitende Malteserin<br />

Cecile, welche sagt: „Die meisten erhalten<br />

seine Gnade erst wenn sie tot sind. Das ist der<br />

Trost für die, die nicht geheilt wurden<br />

oder eben einen Rückfall<br />

haben. Das Jenseits.“ Der Film fragt<br />

also, wie ich mit den Erfahrungen<br />

von Heilung umgehe und was das<br />

für Auswirkungen für mein Gottesbild<br />

und mein Leben hat Für einen<br />

Kinofilm unserer Zeit ist das eine<br />

erstaunliche Fragestellung.<br />

Bewertung<br />

Der Film überzeugt durch die<br />

unterschiedlichen Konstellationen<br />

der Figuren: die eine hoffend, die<br />

andere verzweifelt, eine Betreuerin<br />

und ein Betreuer – die alles mögliche<br />

im Kopf haben, nur nicht die<br />

zu betreuenden Patienten, ein<br />

Priester – der im Gespräch und in<br />

der Beichte nach Antworten sucht<br />

und nicht immer überzeugen und<br />

helfen kann. Es gibt in diesem Film<br />

keine strahlenden Helden, es gibt<br />

nur Menschen, die hoffen, sich<br />

nach Leben und Gott sehnen – und<br />

scheitern, und wieder „aufstehen“.<br />

Bemerkenswert an „Lourdes“ ist,<br />

dass dieser Film beim Wettbewerb<br />

der Filmfestspiele in Venedig im<br />

September 2009 den Preis der<br />

katholischen SIGNIS-Jury, den<br />

FIPRESCI-Preis (Preis der internationalen<br />

Filmjournalisten) und den<br />

BRIAN-AWARD bekommen hat. Der<br />

letztgenannte Preis ist ein jährlich<br />

verliehener Nebenpreis, der nach<br />

dem Brian in Monty Pythons „Life<br />

of Brian“ (Leben des Brian)<br />

bezeichnet wurde und von einer<br />

Gruppe Rationalisten und Atheisten<br />

verliehen wird. Das macht<br />

den Film zusätzlich interessant.<br />

Ich habe mich gefragt, welche<br />

Szene gerade diese Gruppe aus<br />

dem Film besonders angesprochen<br />

hat Vielleicht diese: Im Speiseraum<br />

sitzen die Rollstuhlfahrer<br />

beim Frühstück und die leitende<br />

Malteserschwester Cecile fragt:<br />

„Haben wir denn etwas Schönes<br />

geträumt“ „Ja“, antwortet eine<br />

Frau: „Ich bin aufgewacht, konnte<br />

aufstehen und gehen und war wieder<br />

geheilt.“ Darauf ein älterer<br />

Mann im Rollstuhl: „Ich habe auch<br />

geträumt, aber das erzähle ich<br />

Christine (Sylvie Testud) bei der<br />

Waschung in der Quelle von Lourdes<br />

Ihnen lieber nicht.“ Solche Dialoge<br />

machen den Film menschlich<br />

und für viele ansprechend, nehmen<br />

der erzählten Wundergeschichte<br />

jedes übertriebene Pathos.<br />

Der Film will aber nicht nur eine<br />

interessante Geschichte erzählen, er<br />

will jeden Zuschauer ansprechen<br />

und persönlich am Geschehen interessieren,<br />

so sagt der begleitende<br />

Priester Pater Nigl: „In diesem Sinn<br />

© Coproduction Office<br />

24 Kompass 04|10


Filmtipp | Aus der Militärseelsorge<br />

ist Lourdes eine Parabel – auf eine<br />

Weise sitzt jeder in einem Rollstuhl.“<br />

Übrigens gehört ein im Film<br />

dargestelltes Beichtgespräch zu den<br />

überzeugendsten Darstellungen seiner<br />

Art, wie es seit langem auf der<br />

Kinoleinwand zu sehen war.<br />

Zur Internationalen<br />

Soldaten-Wallfahrt<br />

Der Film kann anregen, bei der Vorbereitung<br />

auf die Soldaten-Wallfahrt<br />

nach Lourdes den Blick stärker auf<br />

die in Lourdes zu sehenden Kranken<br />

zu lenken. Er kann im Rahmen des<br />

Lebenskundlichen Unterrichts Soldaten<br />

zum Gespräch über Glauben und<br />

religiös motivierte Menschen anregen,<br />

auch wie jemand mit besonderen<br />

Erfahrungen, religiöser oder<br />

außergewöhnlicher Art, umgeht. Auf<br />

alle Fälle wirft der Film solche Fragen<br />

nicht in der Weise auf, dass<br />

Menschen, die weniger religiös<br />

sozialisiert sind, lächelnd abwinken.<br />

„Lourdes“ ist allerdings kein Film,<br />

der den Pilgerort wie ein Reiseführer<br />

beschreibt. Lourdeskenner werden<br />

sofort merken, dass der im Film<br />

gegangene Kreuzweg genau in der<br />

entgegengesetzten Richtung fortgesetzt<br />

wird und werden sich fragen,<br />

weshalb gerade auf dem Kreuzweg<br />

oder an der Quelle so wenige Leute<br />

sind. Das ist aber nicht das Hauptaugenmerk<br />

dieses kammerspielartigen<br />

Filmes. Vielmehr ist er ein Film,<br />

der über Gott und die Welt im guten<br />

Sinne nachdenkt.<br />

Der Film „Lourdes“ stellt Fragen<br />

und versucht Antworten, die man<br />

sich stellt oder gibt, selbst wenn<br />

man noch nie in Lourdes war.<br />

Thomas Bohne<br />

Krieg im Namen der Menschenrechte<br />

Wissenschaftler diskutieren am Institut für Theologie und Frieden<br />

Darf im Namen der Menschenrechte<br />

Krieg geführt werden Oder würde<br />

dadurch der Krieg als Mittel der<br />

Politik wieder salonfähig<br />

Solchen Fragen soll künftig ein<br />

Forschungsprojekt nachgehen, das<br />

der stellvertretende Direktor des<br />

„Instituts für Theologie und<br />

Frieden“ (ithf), Prof. Dr. Gerhard<br />

Beestermöller, zusammen mit<br />

Michael Staack, Professor für<br />

Internationale Beziehungen an<br />

der Helmut-Schmidt-Universität<br />

der Bundeswehr (HSU), ebenfalls<br />

in Hamburg, verantwortet. Sie und<br />

ihre Mitarbeiter stellten den Entwurf<br />

in den Räumen des ithf<br />

einem geladenen Kreis von Akademikern<br />

aus unterschiedlichen<br />

Fachrichtungen vor. Gegenstand<br />

des interdisziplinären Projekts ist<br />

die „Responsibility to Protect“<br />

(Schutzverantwortung). Entworfen<br />

von einer internationalen Kommission<br />

im Jahr 2001, fand dieses<br />

Konzept in den Folgejahren Eingang<br />

in mehrere Resolutionen der<br />

UN-Vollversammlung und des UN-<br />

Sicherheitsrates. Es schreibt dem<br />

souveränen Staat eine Verantwortung<br />

für den Schutz aller auf seinem<br />

Gebiet lebenden Menschen<br />

zu. Nehme ein Staat diese Verantwortung<br />

nicht wahr, müsse die<br />

internationale Gemeinschaft eingreifen<br />

– notfalls mit militärischer<br />

Gewalt. Insbesondere diese Eingriffspflicht<br />

ist jedoch bis heute<br />

umstritten und steht daher auch<br />

im Mittelpunkt des neuen Forschungsvorhabens.<br />

© Cornelius Sturm<br />

In vier Vorträgen beleuchteten die Professoren<br />

Andreas von Arnauld, August Pradetto (HSU) und<br />

Hajo Schmidt (FernUniversität Hagen) sowie Frau<br />

Theresa Reinold vom Exzellenzcluster „Normative<br />

Ordnungen“ der Frankfurter Goethe-Universität<br />

das Thema aus verschiedenen Perspektiven. Völkerrechtliche,<br />

politikwissenschaftliche und militärstrategische<br />

Überlegungen kamen dabei genauso<br />

zum Tragen wie weiterführende Fragen etwa<br />

nach der Verbindung von Schutzverantwortung<br />

und „westlichen“ Demokratisierungsbestrebungen.<br />

Ökumenisch-theologische Positionen brachte<br />

überdies Pastorin Antje Heider-Rottwilm vom Ökumenischen<br />

Forum „Brücke“ in der Hamburger<br />

HafenCity in die Debatte ein.<br />

Professor Staack stellt das Projekt vor.<br />

Am Ende blieben viele Fragen offen. „Sie haben<br />

uns viel zu denken gegeben“, bescheinigte<br />

Michael Staack den Teilnehmern. Den Veranstaltern<br />

bleibt nun die Aufgabe, die Anregungen und<br />

kritischen Anfragen zu überdenken und in einen<br />

gemeinsamen Projektantrag einzuarbeiten, der<br />

im Sommer 2010 eingereicht werden soll. Zumindest<br />

von außen betrachtet scheint das politikwissenschaftlich-ethische<br />

Gespann aber auf<br />

einem guten Weg: Die Gäste waren von der<br />

Tagung durchweg begeistert.<br />

Cornelius Sturm<br />

Kompass 04|10<br />

25


Personalien | Impressum<br />

An der Seite der Soldaten<br />

Militärpfarrer van Dongen verlässt den Niederrhein<br />

Über drei Jahre war Stephan van Dongen (47)<br />

Katholischer Standortpfarrer in Wesel und für<br />

rund 2.500 Soldatinnen und Soldaten zuständig.<br />

Sein „militärischer Pfarrbezirk“ reichte von Hilden<br />

bis Mönchengladbach, von<br />

Kalkar bis Wulfen. Der gebürtige<br />

Duisburger verlässt den Niederrhein<br />

nun Richtung Köln.<br />

Dort wird er „Militärpfarrer<br />

Köln I“ und stellvertretender<br />

Leitender Dekan des Militärdekanats<br />

Mainz.<br />

PIZ Luftwaffe, OTL Antje Krekeler-Jöris<br />

© Bundeswehr / Krekeler-Jöris<br />

Neuer Seelsorger<br />

für 4.500 Soldaten<br />

Gottesdienst und Empfang in der<br />

Fallschirmjäger-Kaserne Seedorf<br />

Der Katholische Militärpfarrer Romanus Kohl ist<br />

bereits seit dem 1. September vergangenen Jahres in<br />

Seedorf und Oldenburg tätig, nun erfolgte die offizielle<br />

Amtseinführung. In der Kapelle hob der Leitende<br />

Dekan des Katholischen Militärdekanats Erfurt,<br />

Hartmut Gremler, die Ansprüche hervor, die Soldaten<br />

an einen Militärseelsorger stellen. Gleichwohl äußerte<br />

sich der Militärdekan überzeugt, dass Pfarrer Kohl<br />

seinen Dienst hervorragend leisten werde.<br />

Das bestätigte Oberst Grube, stellvertretender Kommandeur<br />

der Luftlandebrigade 31: „Wir bekommen<br />

einen hervorragenden Mann.“ Einen Sprung aus dem<br />

Übungsturm habe der Theologe bereits „elfengleich“<br />

hinter sich gebracht. Bei allem Humor verlor der<br />

Oberst vor dem Hintergrund des<br />

bevorstehenden Afghanistan-Einsatzes<br />

der Brigade nicht den Ernst<br />

der Lage aus dem Blick: „Wir wissen,<br />

dass wir in der Zeit, die vor<br />

uns liegt, geistlichen Zuspruch<br />

brauchen werden.“ Mit einem dreifachen „Glück ab“<br />

hießen die Militärs den Seelsorger willkommen.<br />

Lutz Hilken<br />

© Zevener Zeitung / Hilken<br />

Militärpfarrer Lang in<br />

sein Amt eingeführt<br />

Neu im Nordosten<br />

Im März wurde Militärpfarrer<br />

Johannes M. Lang, Priester der<br />

Diözese Regensburg, vom Katholischen<br />

Leitenden Militärdekan Kiel,<br />

Monsignore Rainer Schadt, im Rahmen<br />

eines festlichen Standortgottesdienstes<br />

in sein Amt für den<br />

Bereich Torgelow eingeführt.<br />

Nach der Priesterweihe 1977 und<br />

Kaplansjahren in Waldsassen und<br />

Cham, wurde Pfarrer Lang von 1981<br />

bis 1987 bereits für den Dienst in<br />

der Militärseelsorge freigestellt und<br />

war Standortpfarrer in Cham.<br />

Nach Jahren als Religionslehrer<br />

und Spiritual kehrte er Anfang September<br />

2009 in die Militärseelsorge<br />

zurück und kam so als Bayer in<br />

den hohen Norden der Bundesrepublik,<br />

wo er von den Soldaten sehr<br />

freundlich aufgenommen wurde.<br />

Militärpfarrer Lang erhält sein<br />

Brustkreuz vom Leitenden Militärdekan<br />

Schadt.<br />

Als Leiter des Katholischen Militärpfarramtes<br />

Torgelow ist er zuständig<br />

für die Soldaten in Torgelow,<br />

Viereck, den Deutschen Anteil beim<br />

Multinationalen Korps Nordost in<br />

Stettin (Polen) und für den Standort<br />

Prenzlau in der Uckermark.<br />

Bernhard Trömer<br />

© Bernhard Trömer<br />

Impressum<br />

Kompass. Soldat in Welt und Kirche<br />

ISSN 1865-5149<br />

Herausgeber:<br />

Der Katholische Militärbischof<br />

für die Deutsche Bundeswehr<br />

Redaktionsanschrift:<br />

Kompass. Soldat in Welt und Kirche<br />

Am Weidendamm 2<br />

10117 Berlin<br />

Telefon: (030) 2 06 17-422<br />

Telefax: (030) 2 06 17-429<br />

E-Mail:<br />

kompass@katholischesoldatenseelsorge.de<br />

www.katholischemilitaerseelsorge.de<br />

Chefredakteur<br />

Josef König<br />

Telefon: (030) 2 06 17-420<br />

Mobil: 01 78 / 2 13 25 08<br />

Redakteur<br />

Jörg Volpers<br />

Telefon: (030) 2 06 17-421<br />

Mobil: 01 70 / 5 68 35 82<br />

Redaktionssekretariat<br />

Barbara Ogrinz<br />

Telefon: (030) 2 06 17-422<br />

Mitarbeit in der Redaktion<br />

Schwester Irenäa Bauer OSF<br />

Layout und Satz:<br />

Der Grafik-Kraemer, Wesel<br />

(www.grafik-kraemer.de)<br />

Produktion, Herstellung:<br />

Verlag, Druck und Vertrieb<br />

Verlag Haus Altenberg<br />

Carl-Mosterts-Platz 1<br />

40477 Düsseldorf<br />

Telefon: (02 11) 46 93-0<br />

Leserbriefe:<br />

Bei Veröffentlichung von Leserbriefen<br />

behält sich die Redaktion das<br />

Recht auf Kürzungen vor.<br />

Hinweis<br />

Die mit Namen oder Initialen<br />

gekennzeichneten Beiträge geben<br />

nicht unbedingt die Meinung des<br />

Herausgebers wieder. Für unverlangt<br />

eingesandte Manuskripte und Bilder<br />

wird keine Gewähr übernommen.<br />

Bei allen Verlosungen und Preisausschreiben<br />

in Kompass. Soldat in<br />

Welt und Kirche ist der Rechtsweg<br />

ausgeschlossen.<br />

Für Links und Verweise auf Links<br />

übernimmt Kompass. Soldat in Welt<br />

und Kirche keine Verantwortung.<br />

26 Kompass 04|10


Rätsel<br />

Kopfhörer zu gewinnen<br />

Wir verlosen einen Kopfhörer von Sennheiser. Mit Ihrer Teilnahme<br />

sichern Sie sich eine Gewinnchance, sobald Sie uns das<br />

richtige Lösungswort mitteilen. Neben dem Hauptgewinn werden<br />

jeweils zwei Bücher, die sich mit der Katholischen Militärseelsorge<br />

befassen, verlost.<br />

Als Gewinner des Rätsels in der<br />

letzten Ausgabe wurden gezogen:<br />

Hptm Wolfgang Wurmb, Lenggries<br />

Heinz Pick, Cochem<br />

Sven Hausigke, Lichterfeld<br />

Wir gratulieren!<br />

Das Lösungswort bitte bis 16. April 2010 an die Redaktion<br />

Kompass. Soldat in Welt und Kirche, Am Weidendamm 2,<br />

10117 Berlin, oder per E-Mail an kompass@<br />

katholische-soldatenseelsorge.de (Wir bitten<br />

um eine Lieferanschrift und um freiwillige<br />

Altersangabe.)<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kurie des Katholischen<br />

Militärbischofs (Berlin) und deren Angehörige<br />

sowie des Verlags Haus Altenberg (Düsseldorf) sind nicht<br />

teilnahmeberechtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />

Der Peterspfennig (Denarius Sancti Petri)<br />

ist eine Geldsammlung, die als Ausdruck<br />

der Verbundenheit der Gläubigen mit dem<br />

Papst gilt. Mit der finanziellen Zuwendung<br />

soll die apostolische und karitative Arbeit<br />

des Papstes unterstützt werden.<br />

Kompass 04|10<br />

27


Kompass. Soldat in Welt und Kirche • Am Weidendamm 2 • 10117 Berlin

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