5 Gradient und Richtungsableitung

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5 Gradient und Richtungsableitung 24 5 Gradient und Richtungsableitung Wir wollen nun die Methoden der Differentialrechnung auf die Untersuchung der Graphen reellwertiger Funktionen anwenden. Im folgenden sei U ⊂ R n eine offene Menge und f : U → R eine differenzierbare Funktion. Es sei a ∈ U. Zur Definition der partiellen Ableitung haben wir die partielle Funktion t ↦→ f(a1, . . . , ai−1, ai + t, ai+1, . . . , an) betrachtet. Diese Funktion kann auch so beschrieben werden: t ↦→ f(a + tei). Die Punktmenge {a + tei | t ∈ R} ist aber eine zur xi-Achse parallele Gerade durch den Punkt a. Anstatt sich nun auf eine solche spezielle Gerade zu beschränken, können wir auch eine allgemeine Gerade betrachten. Eine solche Gerade wird durch die Punktmenge {a + tv | t ∈ R} gegeben. Dabei können wir annehmen, dass v ein Einheitsvektor ist, d.h. dass �v� = 1 ist. Denn ist α eine beliebige positive reelle Zahl, so ist αv ein Vektor mit derselben Richtung wie v, nur mit einer verschiedenen Länge, wenn α �= 1 ist. Der Vektor αv bestimmt also die gleiche gerichtete Gerade. Die Ableitung der Funktion t ↦→ f(a + tv) an der Stelle t = 0 bezeichnen wir mit � d � f(a + tv) � dt Definition Es sei U ⊂ Rn eine offene Menge, a ∈ U und f : U → R eine Funktion. Dann ist die Richtungsableitung von f in a in Richtung eines Vektors v mit �v� = 1 gegeben durch � d � f(a + tv) � dt falls dieser Grenzwert existiert. � t=0 = lim h→0 � t=0 . f(a + hv) − f(a) , h Satz 5.1 Es sei U ⊂ R n eine offene Menge. Ist f : U → R differenzierbar, so existieren alle Richtungsableitungen. Die Richtungsableitung in a ∈ U in Richtung v ist gegeben durch Df(a)v = grad f(a) · v = ∇f(a) · v n� � � ∂f = (a) vi. ∂xi i=1

5 <strong>Gradient</strong> <strong>und</strong> <strong>Richtungsableitung</strong> 24<br />

5 <strong>Gradient</strong> <strong>und</strong> <strong>Richtungsableitung</strong><br />

Wir wollen nun die Methoden der Differentialrechnung auf die Untersuchung<br />

der Graphen reellwertiger Funktionen anwenden.<br />

Im folgenden sei U ⊂ R n eine offene Menge <strong>und</strong> f : U → R eine differenzierbare<br />

Funktion. Es sei a ∈ U. Zur Definition der partiellen Ableitung haben wir<br />

die partielle Funktion<br />

t ↦→ f(a1, . . . , ai−1, ai + t, ai+1, . . . , an)<br />

betrachtet. Diese Funktion kann auch so beschrieben werden:<br />

t ↦→ f(a + tei).<br />

Die Punktmenge {a + tei | t ∈ R} ist aber eine zur xi-Achse parallele Gerade<br />

durch den Punkt a. Anstatt sich nun auf eine solche spezielle Gerade zu<br />

beschränken, können wir auch eine allgemeine Gerade betrachten. Eine solche<br />

Gerade wird durch die Punktmenge<br />

{a + tv | t ∈ R}<br />

gegeben. Dabei können wir annehmen, dass v ein Einheitsvektor ist, d.h. dass<br />

�v� = 1 ist. Denn ist α eine beliebige positive reelle Zahl, so ist αv ein Vektor<br />

mit derselben Richtung wie v, nur mit einer verschiedenen Länge, wenn α �= 1<br />

ist. Der Vektor αv bestimmt also die gleiche gerichtete Gerade. Die Ableitung<br />

der Funktion<br />

t ↦→ f(a + tv)<br />

an der Stelle t = 0 bezeichnen wir mit<br />

�<br />

d �<br />

f(a + tv) �<br />

dt<br />

Definition Es sei U ⊂ Rn eine offene Menge, a ∈ U <strong>und</strong> f : U → R eine<br />

Funktion. Dann ist die <strong>Richtungsableitung</strong> von f in a in Richtung eines Vektors<br />

v mit �v� = 1 gegeben durch<br />

�<br />

d �<br />

f(a + tv) �<br />

dt<br />

falls dieser Grenzwert existiert.<br />

� t=0<br />

= lim<br />

h→0<br />

� t=0<br />

.<br />

f(a + hv) − f(a)<br />

,<br />

h<br />

Satz 5.1 Es sei U ⊂ R n eine offene Menge. Ist f : U → R differenzierbar,<br />

so existieren alle <strong>Richtungsableitung</strong>en. Die <strong>Richtungsableitung</strong> in a ∈ U in<br />

Richtung v ist gegeben durch<br />

Df(a)v = grad f(a) · v = ∇f(a) · v<br />

n�<br />

� �<br />

∂f<br />

= (a) vi.<br />

∂xi<br />

i=1


5 <strong>Gradient</strong> <strong>und</strong> <strong>Richtungsableitung</strong> 25<br />

Beweis. Wir setzen γ(t) := a + tv. Dann gilt f(a + tv) = f(γ(t)). Nach dem<br />

Spezialfall der Kettenregel (Korollar 4.1) gilt<br />

�<br />

d �<br />

f(a + tv) � = (f ◦ γ)<br />

dt ′ (0) = ∇f(γ(0)) · γ ′ (0) = ∇f(a) · v.<br />

� t=0<br />

Beispiel 5.1 Es sei f(x, y) = x 3 sin y + e x y 2 . Wir berechnen die Richtungs-<br />

ableitung von f in Richtung des Einheitsvektors<br />

�<br />

v =<br />

1√2<br />

� �<br />

1<br />

in a =<br />

0<br />

Es gilt<br />

Nach Satz 5.1 gilt<br />

1√ 2<br />

�<br />

.<br />

grad f(x) = (3x 2 sin y + e x y 2 , x 3 cos y + 2e x y).<br />

�<br />

d �<br />

f(a + tv) �<br />

dt<br />

� t=0<br />

= (0, 1) ·<br />

� 1<br />

√2<br />

1<br />

√ 2<br />

�<br />

= 1<br />

√ 2 .<br />

Satz 5.2 Es sei U ⊂ R n eine offene Menge, f : U → R eine differenzierbare<br />

Funktion <strong>und</strong> a ∈ U. Angenommen, grad f(a) �= 0. Dann zeigt grad f(a) in die<br />

Richtung des größten Anstiegs von f.<br />

Beweis. Es sei v ein Vektor mit �v� = 1. Dann gilt für die <strong>Richtungsableitung</strong><br />

von f in a in Richtung v nach Satz 5.1<br />

�<br />

d �<br />

f(a + tv) � = grad f(a) · v = � grad f(a)� cos θ,<br />

dt<br />

� t=0<br />

wobei θ der Winkel zwischen v <strong>und</strong> grad f(a) ist. Diese Ableitung hat für θ = 0,<br />

also wenn v <strong>und</strong> grad f(a) parallel sind, ein Maximum. ✷<br />

Beispiel 5.2 Wir berechnen die Richtung des größten Anstiegs der Funktion<br />

f(x, y) = x2 − y2 � �<br />

1<br />

im Punkt a = <strong>und</strong> die Steigung in dieser Richtung.<br />

1<br />

Der <strong>Gradient</strong> ist<br />

grad f(x, y) = (2x, −2y).<br />

Also gilt<br />

grad f(1, 1) = (2, −2).<br />

�<br />

2<br />

Aus Satz 5.2 folgt, dass f in der Richtung des Vektors<br />

−2<br />

�<br />

am schnellsten<br />

wächst. Es sei<br />

�<br />

grad f(1, 1) 1 1<br />

v := = √<br />

� grad f(1, 1)� 2 −1<br />

�<br />

.<br />

Die Steigung im Punkt a beträgt<br />

�<br />

d �<br />

f(a + tv) � = grad f(1, 1) · v = � grad f(1, 1)� = 2<br />

dt √ 2.<br />

� t=0<br />


5 <strong>Gradient</strong> <strong>und</strong> <strong>Richtungsableitung</strong> 26<br />

Satz 5.3 Es sei U ⊂ R n eine offene Menge, f : U → R eine differenzierbare<br />

Funktion. Der Punkt a ∈ U liege auf der Niveaufläche Nc, die durch<br />

f(x1, . . . , xn) = c, c konstant, definiert ist. Dann steht grad f(a) in folgendem<br />

Sinne senkrecht auf der Niveaufläche: Ist v in t = 0 Tangentialvektor einer<br />

Kurve γ(t) in Nc mit γ(0) = a, dann gilt<br />

grad f(a) · v = 0.<br />

Beweis. Dass γ(t) in Nc liegt, bedeutet, dass f(γ(t)) = c gilt. Also ist die<br />

Funktion f ◦ γ konstant. Nach dem Spezialfall der Kettenregel (Korollar 4.1)<br />

gilt<br />

0 = d<br />

dt f(γ(t))<br />

�<br />

�<br />

� = grad f(γ(0)) · γ ′ (0) = grad f(a) · v.<br />

� t=0<br />

Als Folgerung aus Satz 5.3 können wir nun die Tangentialebene in einem<br />

Punkt a an die Niveaufläche Nc von f wie folgt definieren.<br />

Definition Es sei U ⊂ Rn eine offene Menge, f : U → R eine differenzierbare<br />

Funktion. Es sei a ∈ U ein Punkt mit f(a) = c <strong>und</strong> grad f(a) �= 0. Dann ist die<br />

Tangentialebene in a an die Niveaufläche Nc von f durch die Gleichung<br />

definiert.<br />

⎛<br />

⎜<br />

grad f(a) · ⎝<br />

x1 − a1<br />

.<br />

.<br />

xn − an<br />

⎞<br />

⎟<br />

⎠ = 0<br />

Beispiel 5.3 Es sei f : R 2 → R eine differenzierbare Funktion. Den Graphen<br />

von f kann man als Niveaufläche N0 der Funktion F (x, y, z) = f(x, y) − z zum<br />

Wert 0 ansehen. Es gilt<br />

grad F (x, y, z) =<br />

� �<br />

∂f ∂f<br />

(x, y), (x, y), −1 .<br />

∂x ∂y<br />

Damit �lautet�die Gleichung der Tangentialebene an den Graphen von f im<br />

x0<br />

Punkt :<br />

also<br />

y0<br />

∂f<br />

∂x (x0, y0)(x − x0) + ∂f<br />

∂y (x0, y0)(y − y0) − z + f(x0, y0) = 0,<br />

z = f(x0, y0) + ∂f<br />

∂x (x0, y0)(x − x0) + ∂f<br />

∂y (x0, y0)(y − y0).<br />

Damit erhalten wir als Spezialfall die frühere Formel für die Tangentialebene an<br />

den Graphen einer Funktion in zwei Veränderlichen.<br />

Beispiel 5.4 Wir berechnen die Gleichung der Tangentialebene an die Fläche<br />

3xy +z 2 ⎛<br />

= 4 im Punkt ⎝ 1<br />

⎞<br />

1 ⎠. Es ist f(x, y, z) = 3xy +z<br />

1<br />

2 <strong>und</strong> grad f(x, y, z) =<br />


5 <strong>Gradient</strong> <strong>und</strong> <strong>Richtungsableitung</strong> 27<br />

(3y, 3x, 2z). Also gilt grad f(1, 1, 1) = (3, 3, 2). Die Gleichung der Tangentialebene<br />

lautet daher<br />

⎛<br />

x − 1<br />

(3, 3, 2) · ⎝ y − 1<br />

z − 1<br />

⎞<br />

⎠ = 0,<br />

also<br />

3x + 3y + 2z = 8.

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