Risikostratifizierung nach Lutz und Haas - Vascularcare.de
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Originalie<br />
Thromboserisikoabschätzung bei<br />
internistischen / nicht chirurgischen Patienten<br />
JÜRGEN KOSCIELNY, INSTITUT FÜR TRANSFUSIONSMEDIZIN, CHARITÉ UNIVERSITÄTSMEDIZIN BERLIN<br />
Ungefähr 60 % aller venösen<br />
Thromboembolien <strong>und</strong><br />
75 % aller To<strong>de</strong>sfälle an<br />
Lungenembolien betreffen<br />
internistische/nicht chirurgische<br />
Patienten.<br />
Ein Alter von über<br />
70 Jahren be<strong>de</strong>utet „per<br />
se“ ein vielfach erhöhtes<br />
thromboembolisches Risiko<br />
bei inter nistischen/nicht<br />
chirurgischen Patienten.<br />
Ungefähr 60 % aller venösen Thromboembolien<br />
<strong>und</strong> 75 % aller To<strong>de</strong>sfälle an Lungenembolien<br />
betreffen internistische/ nicht chirurgische<br />
Patienten [10]. Im Gegensatz zu chirurgischen<br />
Patienten erhält dieses Kollektiv keine o<strong>de</strong>r nur<br />
eine unzureichen<strong>de</strong> Thrombose prophy laxe.<br />
Bei internistischen/nicht chirurgischen Patienten<br />
ist eine effektive Prävention von Thrombo embolien<br />
möglich <strong>und</strong> sollte in „Risiko situati onen“<br />
durchgeführt wer<strong>de</strong>n. Dies bestätigen die drei<br />
großen prospektiven Untersuchungen PREVENT,<br />
MEDENOX <strong>und</strong> ARTEMIS ein<strong>de</strong>utig [2, 7, 13].<br />
Viele internistische / nicht chirurgische Er krank<br />
ungen erhöhen die Gefahr venöser Thrombo -<br />
embolien. Dazu zählen Herz- o<strong>de</strong>r Lungenerkrankungen,<br />
entzündliche Darmer krankungen<br />
<strong>und</strong> rheumatische Erkrankungen o<strong>de</strong>r Paresen<br />
infolge eines Schlaganfalls. Bei je<strong>de</strong>r akuten<br />
Verschlechterung, z. B. bei <strong>de</strong> kompen sierter<br />
Herzinsuffizienz, respiratorischer De kompen sat<br />
ion o<strong>de</strong>r bei akuter Infektion, steigt das<br />
thromboembolische Risiko. Ein Alter von über<br />
70 Jahren be<strong>de</strong>utet „per se“ ein vielfach<br />
erhöhtes thromboembolisches Risiko bei internistischen/nicht<br />
chirurgischen Patienten. Hinzu<br />
kommen in Einzelfällen weitere Auslöser für eine<br />
Thromboembolie wie etwa ein Muskel trauma<br />
o<strong>de</strong>r eine (Teil)-Immobilisation [4, 11].<br />
Geringes, mittleres <strong>und</strong> hohes Thrombo embolierisiko:<br />
Diese Einteilung sahen die europäischen<br />
Leitlinien für Patienten mit internistischen/nicht<br />
chirurgischen Erkrankungen noch 2001 vor [11].<br />
Doch damit war es im klinischen Alltag nur<br />
ein geschränkt möglich, eine korrekte Thromboserisikoabschätzung<br />
bei internistischen /nicht<br />
chirurgischen Patienten vorzunehmen. Die Einteilung<br />
basierte im Wesentlichen auf einer<br />
prospektiven, plazebokontrollierten Unter such<br />
ung (MEDENOX) bei internistischen/nicht<br />
chirurgischen Patienten [13].<br />
Als Konsequenz aus <strong>de</strong>n Ergebnissen dieser<br />
Studie wur<strong>de</strong> die Empfehlung ausgesprochen,<br />
internistische/nicht chirurgische Patienten aus<br />
<strong>de</strong>m mittleren Risikobereich mit <strong>de</strong>r Hoch risiko-<br />
Prophylaxedosis zu versorgen. Dies wur<strong>de</strong> durch<br />
zwei weitere Nachfolgestudien (PREVENT <strong>und</strong><br />
ARTEMIS) bestätigt [2, 7].<br />
Dementsprechend wur<strong>de</strong> diskutiert, ob eine<br />
Unter scheidung zwischen <strong>de</strong>m mittleren <strong>und</strong><br />
<strong>de</strong>m hohen thromboembolischen Risikobereich<br />
bei internistischen/nicht chirurgischen Patienten<br />
sinnvoll ist. Mittlerweile hat sich bei internistischen<br />
/nicht chirurgischen Patienten die Einteilung<br />
in ein niedriges <strong>und</strong> ein hohes thrombo -<br />
embolisches Risiko durchgesetzt [1, 3, 4, 6, 8].<br />
Nationale Leitlinien für die Thromboserisikoabschätzung<br />
bei internistischen/nicht chirurgischen<br />
Patienten existieren <strong>de</strong>rzeit nicht. Zur Orientier<br />
ung dienen weiterhin die internationalen Leitlinien,<br />
nämlich einmal die europäischen Leitlinien<br />
von 2001 <strong>und</strong> aktuell von 2006 [12] sowie die<br />
amerikanische Leitlinie (7. ACCP) von 2004<br />
[4, 10, 11].<br />
8 VASCULAR CARE 1/2007 VOL. 12
<strong>Risikostratifizierung</strong>en<br />
Ist Ihr Patient „alt“, hatte er schon Thrombosen<br />
o<strong>de</strong>r ist er gar bettlägerig<br />
Dann sollte <strong>de</strong>m Patienten bei einer akuten<br />
Erkrankung eine seinem thromboembolischen<br />
Risiko entsprechen<strong>de</strong> Thrombose prophy laxe<br />
verordnet wer<strong>de</strong>n.<br />
Aber welcher dieser Patienten hat ein so<br />
„hohes“ thromboembolisches Risiko, dass eine<br />
medikamentöse Thrombose prophy laxe notwendig<br />
wird<br />
<strong>Risikostratifizierung</strong>en können <strong>de</strong>m Arzt helfen,<br />
Risikopatienten zu i<strong>de</strong>ntifizieren <strong>und</strong> die für sie<br />
geeignete Thrombose prophy laxe anzuordnen.<br />
Daneben erhöhen <strong>Risikostratifizierung</strong>en jedoch<br />
auch die Wahrnehmung <strong>und</strong> Sensibilität für<br />
Thromboserisikofaktoren bzw. Thrombose prädiktoren.<br />
<strong>Risikostratifizierung</strong><br />
<strong>nach</strong> LUTZ <strong>und</strong> HAAS<br />
Die Arbeitsgruppe um LUTZ vom Städtischen<br />
Krankenhaus München-Harlaching <strong>und</strong> seine<br />
Münchener Kollegin HAAS haben ein Risikoschema<br />
für thromboembolische Komplikationen<br />
erarbeitet [8]. In das Entscheidungsdiagramm<br />
fließen die häufigsten Akut- <strong>und</strong> Basisrisiken für<br />
die Entwicklung einer venösen Thromboembolie<br />
ein (Abb. 1). Dabei wird nur noch zwischen<br />
einem Niedrig- <strong>und</strong> Hochrisikobereich bei internistischen/nicht<br />
chirurgischen Patienten differenziert.<br />
Viele Patienten mit internistischen Erkrankungen<br />
haben mehrere thromboembolische Einzelrisiken,<br />
die jeweils für sich betrachtet noch keine medikamentöse<br />
Thrombose prophy laxe rechtfertigen.<br />
Die Summe solcher Einzelrisiken kann sich je doch<br />
zu einem Gesamtrisiko addieren, bei <strong>de</strong>m eine<br />
Thrombose prophy laxe empfehlenswert o<strong>de</strong>r<br />
sogar zwingend erfor<strong>de</strong>rlich erscheint.<br />
<strong>Risikostratifizierung</strong>en<br />
können <strong>de</strong>m Arzt helfen,<br />
Risikopatienten zu i<strong>de</strong>ntifizieren<br />
<strong>und</strong> die für sie<br />
geeignete Thrombose prophylaxe<br />
anzuordnen.<br />
Die Summe solcher Einzelrisiken<br />
kann sich je doch zu<br />
einem Gesamtrisiko addieren,<br />
bei <strong>de</strong>m eine Thromboseprophy<br />
laxe empfehlenswert<br />
o<strong>de</strong>r sogar zwingend erfor<strong>de</strong>rlich<br />
erscheint.<br />
So sind Akutrisikofaktoren wie akute Infektionen<br />
o<strong>de</strong>r Entzündungen, selbst wenn sie <strong>de</strong>n Patienten<br />
für mehrere Tage ins Bett zwingen, allein<br />
gesehen noch kein ausreichen<strong>de</strong>r Gr<strong>und</strong> für eine<br />
medikamentöse Prophylaxe. Treffen solche<br />
thrombosebegünstigen<strong>de</strong>n Akutrisiken aber zu -<br />
sammen mit Basisrisiken wie Alter über 65 Jahre,<br />
Hormonersatztherapie o<strong>de</strong>r positive Familienanamnese<br />
bezüglich einer venösen Thrombo embolie,<br />
dann ist eine medikamentöse Thromboseprophy<br />
laxe gerechtfertigt.<br />
Bestimmte akute Erkrankungen wie etwa ein<br />
ischämischer Insult mit Parese, eine akut <strong>de</strong> kompensierte<br />
beatmungspflichtige chronisch obstruktive<br />
Lungenerkrankung, ein Herzinfarkt o<strong>de</strong>r<br />
eine <strong>de</strong>kompensierte schwere Herz insuffizienz<br />
gelten inzwischen auch ohne zusätzliche Basisrisik<br />
en als ein<strong>de</strong>utige Indikation für eine medikamentöse<br />
Thrombose prophy laxe (Hoch risiko bereich).<br />
VASCULAR CARE 1/2007 VOL. 12 9
Originalie<br />
JÜRGEN KOSCIELNY, INSTITUT FÜR TRANSFUSIONSMEDIZIN, CHARITÉ UNIVERSITÄTSMEDIZIN BERLIN<br />
Abbildung 1: <strong>Risikostratifizierung</strong> <strong>nach</strong> <strong>Lutz</strong> <strong>und</strong> <strong>Haas</strong> [8]<br />
<strong>Risikostratifizierung</strong> <strong>nach</strong> LUTZ <strong>und</strong> HAAS<br />
Risikoklassen Akut-Risiken<br />
• Ischämischer Apoplex mit Parese<br />
• Akut <strong>de</strong>kompensierte COPD mit<br />
Beatmung<br />
• Myokardinfarkt<br />
• Herzinsuffizienz NYHA III + IV<br />
• Akut <strong>de</strong>kompens. COPD ohne Beatmung<br />
• Sepsis<br />
• Infektion / akut entzündl. Erkrankung mit<br />
nahezu vollständiger Immobilisierung<br />
• Infektion / akut entz. Erkrankung mit<br />
nicht vollständiger Immobilisierung<br />
• Infusion venenschädigen<strong>de</strong>r Lösungen<br />
bei ZVK o<strong>de</strong>r Port<br />
• Kein Akut-Risiko<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
Niedriges Gesamtrisiko<br />
Hohes Gesamtrisiko<br />
Vascular Care<br />
Vol. 6 (1/2004)<br />
10<br />
COPD: chronisch obstruktive Lungenerkrankung<br />
ZVK: zentraler Venenkatheter<br />
VTE: venöse Thromboembolie<br />
1 2 3<br />
• Kein Basis-Risiko<br />
• Exsikkose<br />
• Polyglobulie o<strong>de</strong>r<br />
Thrombozystose<br />
• Stammvarikose mit<br />
Leitvenen insuffizienz<br />
• VTE in <strong>de</strong>r Familie<br />
• Hormonersatztherapie<br />
• Adipositas<br />
• Alter > 65 Jahre<br />
• Schwangerschaft<br />
• Orale Kontra zeption<br />
• Nephrot. Syndrom<br />
• Myeloproliferatives<br />
Syndrom<br />
o<strong>de</strong>r<br />
• 2 Risiken aus 1<br />
4<br />
• Thrombophilie<br />
• VTE in <strong>de</strong>r Eigenanamnese<br />
• Flori<strong>de</strong>s Malignom<br />
o<strong>de</strong>r<br />
• ≥ 3 Risiken aus<br />
• ≥ 2 Risiken aus<br />
1<br />
2<br />
Risikoklassen Basis-Risiken<br />
10 VASCULAR CARE 1/2007 VOL. 12
<strong>Risikostratifizierung</strong><br />
<strong>nach</strong> COHEN et al.<br />
COHEN <strong>und</strong> seine Mitautoren haben ein neues<br />
Risikomo<strong>de</strong>ll als Algorithmus entworfen [1].<br />
Anhand <strong>de</strong>r individuellen Risikofaktoren wird <strong>de</strong>r<br />
Arzt mit einfachen Ja- o<strong>de</strong>r Nein-Antworten<br />
durch die <strong>Risikostratifizierung</strong> geführt (Abb. 2).<br />
Akute internistische Erkrankungen <strong>und</strong> thromboembolische<br />
Risikofaktoren sind auf <strong>de</strong>r Basis<br />
evi<strong>de</strong>nzbasierter Untersuchungen o<strong>de</strong>r Konsensus<br />
<strong>de</strong>r beteiligten Autoren in das Mo<strong>de</strong>ll einbezogen<br />
wor<strong>de</strong>n. Entsprechend wer<strong>de</strong>n auch<br />
Empfehl ungen zur Thrombose prophy laxe vorgenommen.<br />
Wenn eine medikamentöse Thrombose prophylaxe<br />
indiziert ist, wird diese mit einem Heparin<br />
in <strong>de</strong>r Hoch risikodosierung durchgeführt. Sollte<br />
eine medik amentöse Thrombose prophy laxe<br />
kontra indiziert sein, wer<strong>de</strong>n als alternative Be -<br />
hand lungs option mechanische Metho<strong>de</strong>n wie<br />
intermittieren<strong>de</strong> pneumatische Kompression<br />
(IPC) <strong>und</strong> abgestufte Kompressionsstrümpfe zur<br />
Prophylaxe einer tiefen Beinvenen throm bose<br />
empfohlen.<br />
Die Vorteile <strong>de</strong>s vorliegen<strong>de</strong>n Mo<strong>de</strong>lls sind<br />
seine Flexibilität – weitere neuere Daten können<br />
leicht integriert wer<strong>de</strong>n – sowie die Transparenz<br />
<strong>de</strong>s Mo<strong>de</strong>lls hinsichtlich <strong>de</strong>r eingeschlossenen<br />
thrombo embolischen Risikofaktoren. Es wur<strong>de</strong>n<br />
noch zahlreiche weitere thromboembolische<br />
Risik o faktoren i<strong>de</strong>ntifiziert. Allerdings gibt es nur<br />
be grenzt Hinweise darauf, wie diese die Wahrscheinlichkeit<br />
für ein thromboembolisches Ereignis<br />
beeinflussen. Nach Ansicht von COHEN <strong>und</strong><br />
seinen Mitautoren sollte das Thrombose risiko bei<br />
akut erkrankten internistischen Patienten jeweils<br />
individuell abgeschätzt wer<strong>de</strong>n, abhängig von<br />
<strong>de</strong>r Schwere <strong>de</strong>r Erkrankung <strong>und</strong> <strong>de</strong>n begleiten<strong>de</strong>n<br />
thromboembolischen Risiko faktoren.<br />
Auch in dieser Stratifizierung<br />
wird nur noch zwischen<br />
einem Niedrig- <strong>und</strong> Hochrisikobereich<br />
bei internistischen/nicht<br />
chirurgischen<br />
Patienten differenziert.<br />
Wenn eine medikamen töse<br />
Thrombose prophy laxe<br />
indiziert ist, wird diese<br />
mit einem Heparin in <strong>de</strong>r<br />
Hoch risikodosierung durchgeführt.<br />
Auch in dieser Stratifizierung wird nur noch<br />
zwischen einem Niedrig- <strong>und</strong> Hochrisikobereich<br />
bei internistischen/nicht chirurgischen Patienten<br />
differenziert.<br />
VASCULAR CARE 1/2007 VOL. 12 11
Originalie<br />
JÜRGEN KOSCIELNY, INSTITUT FÜR TRANSFUSIONSMEDIZIN, CHARITÉ UNIVERSITÄTSMEDIZIN BERLIN<br />
Abbildung 2: <strong>Risikostratifizierung</strong> modifiziert <strong>nach</strong> Cohen <strong>und</strong> Kollegen [1]<br />
Bei allen Patienten mit akuten internistischen<br />
Erkrankungen sollte routinemäßig eine Thromboembolie-Prophylaxe<br />
in Betracht gezogen wer<strong>de</strong>n.<br />
Ist <strong>de</strong>r Patient > 40 Jahre alt <strong>und</strong> liegt eine<br />
akute internistische Erkrankung mit eingeschränkter<br />
Mobilität vor<br />
Nein<br />
Ja<br />
Besteht bei <strong>de</strong>m Patienten min<strong>de</strong>stens<br />
eins <strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong>n akuten Risiken<br />
Evi<strong>de</strong>nzbasiert*:<br />
• Akuter Myokardinfarkt<br />
• Akute Herzinsuffizienz (NYHA III-IV)<br />
• Aktuell therapiebedürftige maligne<br />
Erkrankung<br />
• Akute infektiöse Entzündung/Sepsis<br />
• Ateminsuffizienz (beatmet/nicht beatmet)<br />
• Akute rheumatologische Erkrankung<br />
• Ischämischer Schlaganfall**<br />
• Parese<br />
Konsensbasiert:<br />
• Entzündliche Erkrankungen verb<strong>und</strong>en mit<br />
Immobilität<br />
• Entzündliche Darmerkrankungen<br />
Nein<br />
Besteht bei <strong>de</strong>m Patienten noch zusätzlich<br />
eins <strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong>n Basisrisiken<br />
Evi<strong>de</strong>nzbasiert*:<br />
• Venöse Thromboembolie in <strong>de</strong>r Anamnese<br />
• Maligne Erkrankungen in <strong>de</strong>r Anamnese<br />
• Alter > 75 Jahre<br />
Konsensbasiert:<br />
• Thrombophilie<br />
• Länger anhalten<strong>de</strong> Immobilität<br />
• Alter > 65 Jahre<br />
• Varikosis<br />
• Adipositas<br />
• Hormonersatztherapie<br />
• Schwangerschaft/Wochenbett<br />
• Nephrotisches System<br />
• Dehydration<br />
• Thrombozytose<br />
Nein<br />
Kein evi<strong>de</strong>nzbasierter Nutzen<br />
einer Thromboseprophylaxe<br />
belegt. Jedoch sollte bei allen<br />
Patienten in gewissen Abstän<strong>de</strong>n<br />
überprüft wer<strong>de</strong>n,<br />
ob Risiken für eine VTE entwickelt<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Ja<br />
Ja<br />
Erfüllt <strong>de</strong>r Patient Kriterien, die zum Ausschluss einer<br />
medikamentösen Thromboembolie-Prophylaxe führen***<br />
Nein<br />
Ja<br />
Konservative, nicht medikamentöse<br />
Maßnahmen<br />
sollten in Erwägung gezogen<br />
wer<strong>de</strong>n (z.B. Kompressionsstrümpfe,<br />
intermittieren<strong>de</strong><br />
pneumatische Kompression).<br />
NMH (Enoxaparin 40mg tgl. o<strong>de</strong>r<br />
Dalteparin 5.000 I.E. tgl.)<br />
o<strong>de</strong>r UFH (5.000 I.E. 3 x tgl.)<br />
(NMH bevorzugt, da besseres Sicherheitsprofil)<br />
* Entsprechend <strong>de</strong>r Evi<strong>de</strong>nz, die in ACCP-Leitlinien für <strong>de</strong>n Empfehlungsgrad 1 A angewen<strong>de</strong>t wird<br />
** Vorsicht: Das Risiko <strong>de</strong>s Patienten für eine hämorrhagische Transformation muss vor <strong>de</strong>m Beginn <strong>de</strong>r Thromboseprophylaxe beurteilt wer<strong>de</strong>n<br />
*** Siehe Kontraindikationen Fachinformationen<br />
12 VASCULAR CARE 1/2007 VOL. 12
<strong>Risikostratifizierung</strong> als<br />
validierter Summen-Score<br />
<strong>nach</strong> KUCHER et al.<br />
Um das thromboembolische Risiko eines internistischen/nicht<br />
chirurgischen Patienten zügig<br />
einzuschätzen, hat die Arbeitsgruppe um<br />
KUCHER einen einfachen Fragenkatalog als<br />
Summen-Score erarbeitet [6]. Bei einer Tumorerkrankung,<br />
einer Thrombophilie o<strong>de</strong>r einer<br />
Thromboembolie in <strong>de</strong>r Anamnese zählt je<strong>de</strong>r<br />
dieser Faktoren drei Punkte (Tab. 1). Ein Alter<br />
über 70 Jahre, eine zusätzliche Medikamenteneinnahme,<br />
z. B. östrogen- o<strong>de</strong>r kortisonhaltige<br />
Präparate, Überge wicht <strong>und</strong> Bettlägerigkeit in<br />
<strong>de</strong>n letzten zwölf Wochen wer<strong>de</strong>n jeweils<br />
mit einem Punkt bewertet. Aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />
Vereinfachung wer<strong>de</strong>n nur sieben thromboembolische<br />
– aber sehr häufig auftreten<strong>de</strong> –<br />
Risikofaktoren eingeschlossen.<br />
Eine in naher Zukunft geplante größere Operation<br />
wird mit zwei Punkten bewertet; chirurgische<br />
Patienten wer<strong>de</strong>n damit ebenfalls in diesem<br />
Score erfasst.<br />
Bisher wur<strong>de</strong>n insgesamt 1.255 Patienten mit<br />
diesem Summen-Score erfasst. Gegenüber einer<br />
Kontrollgruppe von Patienten, die nicht mit diesem<br />
Summen-Score stratifiziert wor<strong>de</strong>n sind<br />
(n=1.251), ließ sich eine relative Risikoreduktion<br />
bezüglich venöser Thromboembolien um 41 %<br />
erreichen. Die so genannte „hazard ratio“<br />
(Risiko verhältnis zwischen <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen<br />
Stratifizierungsgruppen) betrug somit 0,59<br />
(0,43 – 0,81) <strong>und</strong> war signifikant (p=0,001). Das<br />
be<strong>de</strong>utet, Patienten, <strong>de</strong>ren thromboembolisches<br />
Risiko mit <strong>de</strong>m Summen-Score beurteilt <strong>und</strong><br />
<strong>de</strong>ren Prophylaxe <strong>de</strong>mentsprechend angepasst<br />
wur<strong>de</strong>, entwickelten signifikant weniger venöse<br />
Thromboembolien.<br />
In <strong>de</strong>r Praxis hat sich dieses Proce<strong>de</strong>re bereits<br />
bewährt <strong>und</strong> wur<strong>de</strong> prospektiv über ein elektronisches<br />
Datenerfassungssystem validiert. Die<br />
ersten bei<strong>de</strong>n Stratifizierungen sind (noch) nicht<br />
prospektiv validiert.<br />
Somit wird auch in dieser<br />
Stratifi zierung nur noch<br />
zwischen einem Niedrig- <strong>und</strong><br />
Hochrisikobereich für internistische/nicht<br />
chirurgische<br />
Patienten unterschie<strong>de</strong>n.<br />
Das be<strong>de</strong>utet, Patienten,<br />
<strong>de</strong>ren thromboembolisches<br />
Risiko mit <strong>de</strong>m<br />
Summen-Score beurteilt<br />
<strong>und</strong> <strong>de</strong>ren Prophylaxe<br />
<strong>de</strong>mentsprechend angepasst<br />
wur<strong>de</strong>, entwickelten<br />
signifikant weniger venöse<br />
Thromboembolien.<br />
Schon ab einem Summen-Score von vier<br />
Punkten liegt ein hohes, medikamentös behandlungsbedürftiges<br />
Thromboserisiko vor. Null bis<br />
drei Punkte weisen auf ein niedriges Risiko hin,<br />
das keine medikamentöse Thrombose prophy laxe<br />
erfor<strong>de</strong>rt. Somit wird auch in dieser Stratifi -<br />
zierung nur noch zwischen einem Niedrig- <strong>und</strong><br />
Hochrisikobereich für internistische/nicht chirurgische<br />
Patienten unterschie<strong>de</strong>n.<br />
VASCULAR CARE 1/2007 VOL. 12 13
Originalie<br />
JÜRGEN KOSCIELNY, INSTITUT FÜR TRANSFUSIONSMEDIZIN, CHARITÉ UNIVERSITÄTSMEDIZIN BERLIN<br />
Tabelle: <strong>Risikostratifizierung</strong> als validierter Summen-Score <strong>nach</strong> KUCHER <strong>und</strong> Mitarbeitern<br />
1. Lei<strong>de</strong>n Sie an einem bösartigen Tumor (Krebs) 3<br />
Score<br />
JA c<br />
NEIN c<br />
2. Ist eine Neigung Ihres Blutes zum „Verklumpen“ (Thrombophilie) bereits <strong>nach</strong>gewiesen,<br />
z. B. bei einseitig geschwollenem Bein o<strong>de</strong>r Arm<br />
3<br />
JA c<br />
NEIN c<br />
3. Haben Sie früher eine Thrombose, z. B. <strong>de</strong>r Beine, Arme o<strong>de</strong>r im Bauch, <strong>und</strong>/o<strong>de</strong>r<br />
eine Lungenembolie erlitten<br />
3<br />
JA c<br />
NEIN c<br />
4. Ist eine Operation geplant, die mehr als 60 Minuten andauern wird 2<br />
JA c<br />
NEIN c<br />
5. Nehmen Sie Medikamente ein, die eine Thrombose begünstigen können,<br />
z. B. östrogenhaltige Medikamente (Pille, Hormonersatztherapie)<br />
1<br />
JA c<br />
NEIN c<br />
6. Sind Sie über 70 Jahre alt 1<br />
JA c<br />
NEIN c<br />
7. Sind Sie übergewichtig 1<br />
JA c<br />
NEIN c<br />
8. Haben Sie in <strong>de</strong>n letzten 12 Wochen min<strong>de</strong>stens 3 Tage fest im Bett gelegen<br />
(nicht <strong>nach</strong> einer Operation)<br />
1<br />
JA c<br />
NEIN c<br />
Thromboserisiko für nicht operative Patienten<br />
Score-Punkte<br />
Niedrig ≤ 3<br />
Hoch ≥ 4<br />
Thromboserisiko für operative Patienten<br />
Score-Punkte<br />
Niedrig 0 o<strong>de</strong>r 1<br />
Mittel 2 o<strong>de</strong>r 3<br />
Hoch ≥ 4<br />
14 VASCULAR CARE 1/2007 VOL. 12
Medikamentöse Prophylaxe<br />
Um ein hohes Thromboembolierisiko bei<br />
inter nistischen/nicht chirurgischen Patienten zu<br />
vermin<strong>de</strong>rn, erwiesen sich nie<strong>de</strong>rmolekulare<br />
Heparine (NMH) wie Dalteparin (Fragmin ® P<br />
Forte), Enoxaparin (Clexane 40 mg) sowie <strong>de</strong>r<br />
Anti-Xa-Inhibitor Fondaparinux (Arixtra ® ) als<br />
effektiv wirksam; die erzielten relativen thromboembolischen<br />
Risikoreduktionen liegen<br />
zwischen 45 <strong>und</strong> 63 % [2, 7, 13].<br />
Die Wirksamkeit <strong>de</strong>s nie<strong>de</strong>rmolekularen Heparins<br />
Certoparin (Mono-Embolex ® ) wur<strong>de</strong> an Patienten<br />
mit akuten ischämischen Insulten <strong>und</strong> folglich<br />
hohem thromboembolischen Risiko in <strong>de</strong>r<br />
PROTECT-Studie prospektiv überprüft. Dabei<br />
erwies sich Certoparin als ebenso wirksam wie<br />
unfraktioniertes Heparin (UFH) [3].<br />
Aus <strong>de</strong>n bisherigen Daten ist zu folgern, dass<br />
zur Thrombose prophy laxe bei internistischen/<br />
nicht chirurgischen Patienten entwe<strong>de</strong>r NMH in<br />
Hochrisikodosierung, z. B. 5.000 I.E. Dalteparin<br />
o<strong>de</strong>r 40 mg Enoxaparin, bzw. unfraktioniertes<br />
Heparin (UFH) dreimal täglich mit je 5.000 I.E.<br />
empfohlen wer<strong>de</strong>n kann. Für die Gabe von UFH<br />
zweimal täglich mit je 7.500 I.E. gibt es keine<br />
verlässlichen Vergleichsuntersuchungen [1].<br />
In <strong>de</strong>n Metaanalysen sind UFH <strong>und</strong> NMH in<br />
<strong>de</strong>r medikamentösen Thrombose prophy laxe bei<br />
internistischen/nicht chirurgischen Patienten<br />
zwar gleich wirksam [1, 9]. Die Inzi<strong>de</strong>nz<br />
schwerer Blutungskomplikationen ist allerdings<br />
bei <strong>de</strong>n mit NMH behan<strong>de</strong>lten Patienten <strong>de</strong>utlich<br />
geringer. Auch kleinere Blutungen <strong>und</strong><br />
Hämatome an <strong>de</strong>n Injektionsstellen sind unter<br />
<strong>de</strong>r Prophylaxe mit NMH seltener <strong>und</strong> fallen<br />
geringer aus als unter UFH.<br />
Weitere Vorteile <strong>de</strong>r NMH sind die einmal<br />
tägliche Applikation <strong>und</strong> die niedrigere HIT-II-<br />
Inzi<strong>de</strong>nz (Heparin-induzierte Thrombopenie Typ<br />
II); zu<strong>de</strong>m ist ein reguläres Monitoring <strong>de</strong>r<br />
Laborwerte unter NMH-Gabe in <strong>de</strong>r Regel nicht<br />
erfor<strong>de</strong>rlich. Daher sollten NMH zur medikamentösen<br />
Thrombose prophy laxe bevorzugt eingesetzt<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
Aus <strong>de</strong>n bisherigen Daten<br />
ist zu folgern, dass zur<br />
Thrombose prophy laxe bei<br />
internistischen/nicht chirurgischen<br />
Patienten entwe<strong>de</strong>r<br />
NMH in Hochrisikodosierung,<br />
z. B. 5.000 I.E. Dalteparin<br />
o<strong>de</strong>r 40 mg Enoxaparin, bzw.<br />
unfraktioniertes Heparin<br />
(UFH) dreimal täglich mit je<br />
5.000 I.E. empfohlen wer<strong>de</strong>n<br />
kann.<br />
VASCULAR CARE 1/2007 VOL. 12 15
Originalie<br />
JÜRGEN KOSCIELNY, INSTITUT FÜR TRANSFUSIONSMEDIZIN, CHARITÉ UNIVERSITÄTSMEDIZIN BERLIN<br />
Zu Hause so gut<br />
versorgt wie in <strong>de</strong>r Klinik<br />
Das AT-HOME Register (Evaluation of Ambulatory<br />
Thromboembolic risk in medical patients<br />
immo bilized at HOME) zeigt die Effektivität <strong>de</strong>s<br />
Einsatzes von NMH bei internistischen/nicht<br />
chirurgischen Patienten unter ambulanten<br />
Bedingungen [5]. Ausgewertet wur<strong>de</strong>n 1.217<br />
Patientendoku ment ationen aus 215 <strong>de</strong>utschen<br />
Arztpraxen.<br />
Die Bettlägerigkeit <strong>de</strong>r Patienten dauerte im<br />
Schnitt 6,5 Tage. 38 % <strong>de</strong>r Patienten waren<br />
nahezu komplett immobilisiert. In <strong>de</strong>n meisten<br />
Fällen bestand ein gesteigertes thromboembolisches<br />
Risiko, das beim Hausbesuch auch als solches<br />
erkannt wur<strong>de</strong>. Eine akute Infektion führte<br />
bei 73 % <strong>de</strong>r Patienten zur Bettlägerigkeit,<br />
gefolgt von Herzinsuffizienz im Stadium NYHA<br />
III/IV mit 23 % <strong>und</strong> akut <strong>de</strong>kompensierter COPD<br />
mit 14 %; auch Mehrfachnennungen waren<br />
möglich.<br />
Dispositionelle Risikofaktoren konnten bei 87 %<br />
<strong>de</strong>r Patienten festgestellt wer<strong>de</strong>n; 57 % <strong>de</strong>r<br />
Patienten hatten bereits früher eine Thromboembolie<br />
erlitten <strong>und</strong> bei 20 % war eine positive<br />
Familienanamnese (Familienangehörige ersten<br />
Gra<strong>de</strong>s) bekannt.<br />
Deshalb wur<strong>de</strong> 80 % <strong>de</strong>r Betroffenen noch<br />
während <strong>de</strong>s Hausbesuches eine medikamentöse<br />
Thrombose prophy laxe verordnet, die im Mittel<br />
über zehn Tage <strong>und</strong> fast ausschließlich mit NMH<br />
durchgeführt wur<strong>de</strong>. Die Analysen aus <strong>de</strong>m AT-<br />
HOME-Register lassen vermuten, dass internistische/nicht<br />
chirurgische Patienten bezüglich<br />
einer ambulanten medikamentösen Thromboseprophy<br />
laxe zu Hause ebenso gut versorgt wer<strong>de</strong>n<br />
können wie stationär.<br />
Fazit<br />
Trotz zahlreicher Empfehlungen zur<br />
Thrombose prophy laxe wer<strong>de</strong>n viele internis<br />
ti sche/nicht chirurgische Patienten in<br />
Deutsch land nicht adäquat versorgt. Dies<br />
liegt sowohl am Fehlen einer nationalen<br />
Leitlinie als auch an <strong>de</strong>r geringen Anzahl<br />
von in <strong>de</strong>r Praxis validierten Risiko mo<strong>de</strong>llen.<br />
Die hier beschriebenen drei Risiko stratifizier<br />
un gen sollen <strong>de</strong>m Arzt in <strong>de</strong>r täglichen<br />
Praxis bei <strong>de</strong>r Entscheidung helfen,<br />
welcher internistische/nicht chirurgische<br />
Patient einer medikamentösen Thromboseprophy<br />
laxe bedarf. Die Risiko strati fi zierung<br />
<strong>nach</strong> KUCHER <strong>und</strong> Mitarbeitern ist<br />
bereits prospektiv untersucht.<br />
Eine Stratifizierung zwischen einem<br />
throm boembolischen Niedrig- <strong>und</strong> Hochrisiko<br />
bereich bei internistischen/nicht<br />
chirurgischen Patienten ist zu bevorzugen.<br />
Internistische/nicht chirurgische Patienten<br />
mit hohem thromboembolischen Risiko<br />
bedürfen einer medikamentösen Thrombose<br />
prophy laxe. Wenn eine medi kamentöse<br />
Thrombose prophy laxe indiziert ist,<br />
wird diese mit einem Heparin in <strong>de</strong>r Hochrisiko<br />
dosie rung durchgeführt. Bevorzugt<br />
sollten NMH zur medikamentösen Thrombose<br />
prophy laxe eingesetzt wer<strong>de</strong>n.<br />
Ein niedriges Risiko bei internistischen/<br />
nicht chirurgischen Patienten, auch mit<br />
akuten Erkrankungen, macht keine medikamentöse<br />
Thrombose prophy laxe erfor<strong>de</strong>rlich.<br />
16 VASCULAR CARE 1/2007 VOL. 12
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Charité – Campus Charité Mitte (CCM)<br />
Institut für Transfusionsmedizin<br />
Charitéplatz 1<br />
10117 Berlin<br />
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