PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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84 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />
einer bestimmten Qualität der gebauten<br />
Umwelt gegen die „Großen“ der städtischen<br />
Politik und Verwaltung sowie der<br />
Immobilienindustrie verteidigt. Dies führt<br />
häufig auch zu einem entsprechenden Populismus<br />
der politischen Kommunikation<br />
der Befürworter rekonstruktiver Praktiken,<br />
„die auf Kosten der sachlichen Notwendigkeiten<br />
um Zustimmung der Bürger wirbt.“<br />
(Roellecke 2003: 60). Die Auseinandersetzung<br />
um zeitgenössische Architektur ist<br />
insofern geeignet für populistische Tendenzen,<br />
als hierfür „vor allem Modernisierungsprobleme,<br />
die auf kulturellem,<br />
sozialem oder ökonomischem Gebiet Bedrohungsängste,<br />
Entwurzelungserfahrungen,<br />
Unsicherheiten und Ängste“ (Meyer<br />
2006: 82) auslösen, als Ursache angesehen<br />
werden. Auf die in der gebauten Umwelt in<br />
besonderem Maße wahrnehmbaren Veränderungen<br />
erscheint eine Rückkehr zu<br />
traditionellen Bauformen, gesteigert in der<br />
Wiederherstellung einer früheren baulichen<br />
Situation als eine sicherheitsorientierte<br />
Strategie.<br />
Schließt sich ein Teil der Herrschenden<br />
dieser Argumentation an, so kann dies aus<br />
der eigenen laienhaften Meinung erwachsen,<br />
stellt aber unter Umständen auch<br />
eine wiederum populistische Strategie des<br />
Machterhalts dar. Allerdings wird auch darauf<br />
hingewiesen, dass es eines bestimmten<br />
politischen Rahmens bedarf, damit<br />
populistische Tendenzen wirksam werden<br />
können. (Meyer 2006: 82) Innerhalb der<br />
Neuen Politischen Ökonomie (NPÖ) wird<br />
durch die Reduktion von Problemlösungen<br />
auf einfache Alternativen von einer<br />
Tendenz von führenden Parteipolitikern<br />
zur gesellschaftlichen „Mitte“ ausgegangen<br />
(Medianwählermodell). Damit „liegt<br />
doch der Ursprung des strukturellen Populismus<br />
bereits im Kern der modernen<br />
Demokratie [… und] gehören populistische<br />
Mechanismen und Techniken zum<br />
Alltag demokratischer Politik“ (Pretting<br />
2005: 143), kommt doch „die Demokratie<br />
nicht ohne die kritische Beteiligung und<br />
ohne das aktive politische Engagement der<br />
Bürger aus.“ (Wehner 1997)<br />
4.23 Populismus<br />
Innerhalb der Politikwissenschaften wird<br />
davon ausgegangen, dass es innerhalb der<br />
vergangenen rund drei Jahrzehnte auch<br />
in Europa (Priester 2007: 8–9) zu einer Zunahme<br />
populistischer Tendenzen innerhalb<br />
politischer Prozesse gekommen ist –<br />
und damit relativ gleichzeitig mit der hier<br />
betrachteten Rekonstruktionswelle. Daher<br />
soll an dieser Stelle untersucht werden, inwieweit<br />
diese Tendenzen innerhalb der Rekonstruktionsdebatte<br />
erkennbar werden<br />
und ob sie möglicherweise Auswirkungen<br />
auf die (lokalen) Debatten um Wiederaufbauvorhaben<br />
hatten. Da der Populismus-<br />
Begriff jenseits seiner journalistischen<br />
oder politisch-rhetorischen Verwendung in<br />
den vergangenen Jahren wissenschaftlich<br />
weiterentwickelt und aufgeweitet wurde,<br />
soll im Folgenden zunächst ein Überblick<br />
über wesentliche Teile der aktuellen Populismusforschung<br />
gegeben werden, die zum<br />
Teil auch in ihrer Widersprüchlichkeit dargestellt<br />
werden soll. Daran anschließend<br />
sollen vier Thesen über den möglichen<br />
Zusammenhang dieser Erkenntnisse mit<br />
dem innerhalb dieser Arbeit untersuchten<br />
Phänomen der Rekonstruktion formuliert<br />
und ansatzweise diskutiert werden.<br />
Dabei soll überprüft werden, inwieweit<br />
einerseits ein spezieller Inhalt – die Vorstellung<br />
architektonischer und städtebaulicher<br />
Rekonstruktion – und andererseits<br />
verschiedene Formen der politischen<br />
Durchsetzung und Willensbildung sowie<br />
zivilgesellschaftlichen Engagements mit<br />
populistischen Tendenzen in Verbindung<br />
gebracht werden. Dies birgt die Schwierigkeit,<br />
dass unter diesen erweiterten Begriff<br />
dann auch solche Teile des etablierten<br />
politischen Systems zu fassen sind, die<br />
einen solchen „Vorwurf“ entschieden zurückweisen<br />
würden. Schließlich ist in der<br />
nicht-wissenschaftlichen Verwendung<br />
von einer durchgehend negativen Wortbedeutung<br />
auszugehen (Rensmann 2006: 59),<br />
die sich letztlich in der Auffassung zusammenbringen<br />
lässt, „Populisten [seien] gewissermaßen<br />
die Schmuddelkinder unter<br />
den Politikern“ (Priester 2007: 7). Zudem<br />
sind sich einige Akteure möglicherweise<br />
nicht einmal des politischen Aspekts ihrer<br />
Handlungen bewusst.<br />
Zunächst einmal unabhängig von dieser<br />
populären Verwendung geht die Forschung<br />
heute davon aus, dass sich viele<br />
unterschiedliche Bewegungen, Parteien,<br />
Führer und Regime unter dem Begriff des<br />
Populismus fassen lassen (Spier 2006: 33),<br />
die in der Regel über ihren Rekurs auf das