PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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Wiederaufbauprozesse: Zentrale Einflussfaktoren<br />
83<br />
Kritik der späten 1960er und frühen 1970er<br />
Jahre heraus eine postmoderne, emanzipierte<br />
Gesellschaft entwickelt, in den in<br />
zivilgesellschaftlichen Gruppen organisierte<br />
bzw. mit politischen Ämtern betraute<br />
Laien Expertenmeinungen grundsätzlich<br />
skeptisch entgegen treten. Dabei ist es<br />
zu einer Aufwertung der Position des Laien<br />
durch partizipative Elemente einerseits<br />
und einen zunehmenden Populismus politischer<br />
Rhetorik andererseits gekommen.<br />
Dabei wird teilweise gar mit scheinbaren<br />
Gleichsetzungen der Sachkunde der Bürgerinnen<br />
und Bürger mit der Fachkunde<br />
des Experten argumentiert (etwa als „Experten<br />
für ihre eigene Lebenswelt“; vgl.<br />
Rambow 2000: 1), während Fachwissen<br />
entweder aus einer anti-elitären Haltung<br />
heraus abgelehnt oder durch aufgeklärte<br />
Teile der Zivilgesellschaft zunehmend hinterfragt<br />
und mit politischen Interessen in<br />
Verbindung gebracht wird.<br />
Diese Entwicklung ist im Zusammenhang<br />
mit der gebauten Umwelt in besonderem<br />
Maße gegeben. Fragen der Nutzbarkeit,<br />
vor allem aber auch der Ästhetik bieten<br />
zum einen ein im Vergleich zu anderen<br />
kommunalen Aufgaben niederschwelliges<br />
Angebot zur individuellen wie gesellschaftspolitischen<br />
Auseinandersetzung<br />
auch unabhängig von der Expertendiskussion<br />
bieten. Zum anderen besteht hier traditionell<br />
eine erhöhte Bereitschaft der Verwaltung,<br />
Politik und Fachwelt, die Bürger<br />
an ihren Entscheidungen zu beteiligen. So<br />
haben partizipative Elemente hier auch<br />
eine feste (gesetzliche) Verankerung innerhalb<br />
der Entscheidungsprozesse. Nach<br />
einer Phase der kritischen Auseinandersetzung<br />
mit den baulich-räumlichen Ergebnissen<br />
des Nachkriegswiederaufbaus<br />
und der gleichzeitigen Modernisierung der<br />
Städte (insbesondere Ausbau und Individualisierung<br />
der Verkehrssysteme) und<br />
der daraufhin verstärkten Überwachung<br />
und Einmischung in Planungsverfahren<br />
hat sich das „nützliche Korrektiv“ (Decker<br />
2006) einer solchen Begleitung der durch<br />
Experten unterstützten Entscheidungen<br />
soweit emanzipiert, dass die Bürger nunmehr<br />
aktiv an der Gestaltung der gebauten<br />
Umwelt teilhaben wollen. Das Anliegen<br />
der Bürgerinitiativen zum Wiederaufbau<br />
zerstörter Bauwerke geht dabei häufig über<br />
die aus der Kritik am Bestand erwachsene<br />
Forderung nach Anpassung oder eine Be<br />
teiligung an der Entscheidung als Sachkundige<br />
und Betroffene hinaus. Vielmehr<br />
sind die Bürger hier diejenigen, die einen<br />
zumeist sehr konkreten Vorschlag im Sinne<br />
einer baulichen Lösung präsentieren.<br />
Damit weicht die Experten-Laien-Kommunikation<br />
hier von der gängigen Struktur ab,<br />
in der das Expertenwissen durch den Laien<br />
abgefragt wird, um selbstverantwortlich<br />
informierte Entscheidungen treffen zu<br />
können. (Bromme/Rambow 2001) Experten<br />
treten dabei in politischen Konflikten<br />
zumeist entweder als (potentielle, vermutete)<br />
Ursache oder möglicher Problemlöser<br />
auf. (Peters 1994) In Wiederaufbaudebatten<br />
hingegen wird zwar zum Teil das<br />
vermeintliche frühere Versagen der an der<br />
Stadtproduktion beteiligten Fachleute als<br />
Ausgangspunkt genommen. Den Architekten<br />
und Denkmalpflegern kommt aber<br />
häufig die Aufgabe zu, Probleme der beabsichtigen<br />
Vorhaben überhaupt erst zu artikulieren.<br />
Damit werden sie vor allem als<br />
Vertreter einer (fachlichen) Meinung gegebenenfalls<br />
sogar als Gegner wahrgenommen,<br />
und ihre Kommunikation stellt eher<br />
den Versuch einer pädagogischen Überzeugungsarbeit<br />
dar, als dies gewöhnlich in<br />
der Experten-Laien-Kommunikation üblich<br />
ist (vgl. Bromme/Rambow 2001). Andererseits<br />
werden unkritische oder konstruktiv<br />
mitwirkende Experten wie gemeinhin<br />
üblich zur Überzeugung eingesetzt, was<br />
in der Auseinandersetzung stets zu einer<br />
ideologie-kritischen Bewertung anstelle<br />
einer Überprüfung des spezifischen Wahrheitsgehalts<br />
führt (vgl. Peters 1994).<br />
Durch die bürgerliche Eigeninitiative erhalten<br />
Wiederaufbauvorhaben und die<br />
mit ihnen verbunden politischen Diskurse<br />
notwendigerweise populistische Züge,<br />
zumindest im Sinne einer emanzipativen<br />
Demokratisierung eines teils der Bevölkerung,<br />
häufig allerdings auch im Sinne einer<br />
hierauf reagierenden Herrschaftstechnik.<br />
(Vgl. Meyer 2006: 81) Innerhalb der<br />
Wiederaufbau-Initiativen gebärdet sich<br />
„das Volk selbst populistisch“ (Roellecke<br />
2003: 56), in dem es eine gegen die als elitär<br />
und intellektuell empfunden Expertenposition<br />
(vgl. Pretting 2005: 143) zeitgenössischer<br />
Architektur und für eine an einem<br />
behaupteten ästhetischen Empfinden der<br />
Mehrheit argumentiert und den hierin gesehenen<br />
Bedarf der „kleinen Leute“ nach