PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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Wiederaufbauprozesse: Zentrale Einflussfaktoren<br />
81<br />
gen, sie für ihre Einwohnern – und damit<br />
auch für sich selbst und ihre Familien – attraktiver<br />
zu machen. Das vierte genannte<br />
Motiv, Materialismus, ist das am schwierigsten<br />
zu erfassende, da es von den Engagierten<br />
selbst als illegitim empfunden<br />
wird. Damit ist keine direkte finanzielle<br />
Vergütung des Engagements gemeint, sondern<br />
eher kleine Vergünstigungen, die dieses<br />
mit sich bringt (private Nutzung von<br />
Ausstattung, kleine Geschenke, Einbindung<br />
in ein Netzwerk von potenziellen<br />
Umzugshelfer …). Auch die Anhäufung<br />
von kulturellem, sozialem und symbolischem<br />
Kapital spielt eine Rolle: Kulturelles<br />
Kapital (Bildung und Qualifikationsgewinne)<br />
wird durch die Lernerfahrung<br />
erworben, die mit dem Engagement verbunden<br />
ist. Man übt beispielsweise öffentliches<br />
Auftreten und Verhandlungsführung<br />
oder erlernt spezielle handwerkliche<br />
Fertigkeiten. Gerade für Jüngere kann zivilgesellschaftliches<br />
Engagement eine Rolle<br />
bei der Studienplatzvergabe oder der Arbeitsplatzsuche<br />
spielen. Soziales Kapital<br />
(soziale Kontakte und Geselligkeit) ist für<br />
die Akteure in zweierlei Hinsicht bedeutsam:<br />
Zunächst pflegen sie eine ganze Reihe<br />
von nützlichen Kontakten, die sie für<br />
andere – private und berufliche – Zusammenhänge<br />
aktivieren können. Im Gegensatz<br />
zu den materiellen Gewinnen sind<br />
diese Gewinne jedoch nicht berechenbar,<br />
sondern ergeben sich mehr oder weniger<br />
zufällig. Zum anderen genießen die<br />
Freiwilligen aber auch die Geselligkeit und<br />
das Zusammensein an sich. Der Erwerb<br />
symbolischen Kapitals (Anerkennung und<br />
Prominenz) schließlich manifestiert sich<br />
in der sozialen Anerkennung, die ein erfolgreich<br />
durchgeführtes Projekt mit sich<br />
bringt und der Würdigung von außen, die<br />
das Selbstwertgefühl steigert. Das achte<br />
Motivmuster wird als Spaß und Selbstverwirklichung<br />
beschrieben: Die Freiwilligen<br />
wollen interessante Leute treffen, eine eigenverantwortliche<br />
Tätigkeit ausüben und<br />
dabei Spaß haben.<br />
Ohne empirische Daten ist es schwierig,<br />
eine Aussage über die Einordnung von Rekonstruktionsbefürwortern<br />
in diese Motivmuster<br />
zu machen. Da die individuellen<br />
Hintergründe mindestens so vielfältig<br />
sind wie die Engagementformen, sind in<br />
gewisser Weise wahrscheinlich alle hier<br />
aufgeführten Motive auch im Kontext von<br />
Rekonstruktionen zutreffend, einige Zusammenhänge<br />
lassen sich aber deutlicher<br />
als andere aus der Literatur oder aufgrund<br />
von Erfahrungswerten herleiten: Christliche<br />
Motive spielen sicherlich zumindest<br />
bei Sakralbauten eine Rolle, wofür u. a. die<br />
Dresdner Frauenkirche als Beispiel steht.<br />
In der republikanischen Politiktradition<br />
(zweites Motivmuster) steht das engagierte<br />
Individuum im Mittelpunkt, welches<br />
das Gemeinwohl über den persönlichen<br />
Nutzen stellt. Heutzutage gehen kollektiver<br />
und persönlicher Nutzen zwar meist<br />
Hand in Hand. Zentral ist hier aber die Bereitschaft<br />
zur Übernahme von Verantwortung<br />
(vgl. Dörner/Vogt 2008: 39–40) für<br />
ganz unterschiedliche Anliegen. In ihrer<br />
Funktion als Sprachrohr weisen die „republikanischen“<br />
Freiwilligen auf „alternative<br />
Lösungen [hin] und bereicher[n] so<br />
das Spektrum des Sagbaren im politischen<br />
Feld, durch das wiederum das Spektrum<br />
des Machbaren bestimmt wird“ (Dörner/<br />
Vogt 2008: 31). Dies gilt auch für Belange<br />
der Stadtpolitik und Stadtentwicklung und<br />
besonders für das in Deutschland lange tabuisierte<br />
Thema des Wiederaufbaus. Wagner-Kyora<br />
(2004) begreift zudem die damit<br />
befassten Engagierten als diejenigen, die<br />
der Empörung gegenüber einer technokratischen,<br />
auf Expertenwissen basierenden<br />
Stadtentwicklungspolitik stellvertretend<br />
Ausdruck verleihen. Zudem haben als<br />
dritte Motivgruppe die Lokalpatriotn ein<br />
gesteigertes Interesse daran, sich für Rekonstruktionen<br />
einzusetzen – zumindest,<br />
wenn sie sich durch sie eine Attraktivitätssteigerung<br />
für ihre Heimatstadt erhoffen.<br />
Die drei Kapitalarten sind hier sicher<br />
alle relevant, besonders aber das symbolische.<br />
Hier sei auf die obigen Ausführungen<br />
zu Identität und Distinktion verwiesen:<br />
Besonders die sinnlich anschaulichen<br />
Projekte wie ein fertiger Wiederaufbau<br />
geben den Akteuren die Möglichkeit zur<br />
Selbstinszenierung und akkumulieren<br />
gleichzeitig symbolisches Kapital für die<br />
ganze Stadt. An dieser Stelle sei auf die in<br />
den betreffenden Abschnitten diskutierten<br />
sozial- und kulturwissenschaftlichen Hintergründe<br />
(z. B. „Heimat“, „Erlebnisgesellschaft“,<br />
„Nostalgie“) verwiesen, die deutliche<br />
Hinweise darauf geben, wieso sich das<br />
Engagement der Menschen eher auf die<br />
Rekonstruktion verlorener Gebäude denn