PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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Wiederaufbauprozesse: Zentrale Einflussfaktoren<br />
79<br />
Vereinigten Staaten insgesamt festgemacht<br />
hatte. Die Studie wurde über Fachkreise<br />
hinaus – auch kritisch – rezipiert und hat<br />
besonders in den USA und in geringerem<br />
Maße auch in Europa eine anhaltende Debatte<br />
über die Zukunft der Bürgergesellschaft<br />
angeregt.<br />
Dabei ist ebenfalls nicht eindeutig geklärt,<br />
welche Aktivitäten nun genau unter<br />
den Begriff bürgerschaftliches Engagement<br />
fallen und ob beispielsweise einer<br />
Mitgliedschaft im Fußballverein der gleiche<br />
„zivilgesellschaftliche Wert“ zugeschrieben<br />
werden sollte wie der Pflege von<br />
Kranken oder der Leitung einer kommunal<br />
organisierten Umweltschutzgruppe.<br />
Für Roth setzt sich bürgerschaftliches Engagement<br />
aus einer Vielzahl von Aspekten<br />
und alltäglichen Praxen zusammen, deren<br />
Gemeinsamkeit es ist, die „demokratische<br />
Qualität einer Gesellschaft“ (2003: 22) zu<br />
erhöhen. Dazu gehören z. B. „Vertrauensbeweis,<br />
Zivilcourage, soziales Kapital, politische<br />
Initiative, Einbindung in soziale<br />
Netze, gegenseitige Hilfe in Nachbarschaften,<br />
Selbsthilfe oder ehrenamtliches Engagement“<br />
(Roth 2003: 22). Im Gegensatz<br />
zum Freiwilligensurvey der Bundesregierung<br />
schließt diese Definition auch Aktivitäten<br />
ein, die nicht zwingend institutionell<br />
gebunden sind. Dort sind folgende Leitlinien<br />
festgelegt, denen bürgerschaftliches<br />
Engagement entsprechen soll: Es umfasst<br />
alle Bereiche, in denen „freiwillig, nicht<br />
auf materiellen Gewinn gerichtet [und]<br />
gemeinwohlorientiert“ gearbeitet wird,<br />
die „öffentlich bzw. im öffentlichen Raum<br />
statt [finden] und […] in der Regel gemeinschaftlich<br />
bzw. kooperativ ausgeübt“ werden<br />
(Gensicke/Picot/Geiss 2006: 34). Corsten/Kauppert/Rosa<br />
(2008: 12–13) erweitern<br />
diesen Katalog noch um die Kriterien Konstanz<br />
und Erwartbarkeit, um einmalige<br />
Einsätze wie z. B. in der Katastrophenhilfe<br />
auszuschließen.<br />
Im Zuge der Individualisierung (vgl. Kap.<br />
3.43) wird nicht nur eine zunehmende gesellschaftliche<br />
Verunsicherung, sondern<br />
immer wieder auch ein rapider Werte- und<br />
Solidaritätsverfall einhergehend mit sinkenden<br />
Mitgliederzahlen in sozialen und<br />
politischen Organisationen beklagt. Sozialforscher<br />
stellen bei genauerem Hinsehen<br />
jedoch überwiegend einen Wertewandel<br />
(im Gegensatz zu -verfall) fest: Zwar<br />
verlieren mit Fleiß und Ordnungsliebe<br />
verknüpfte Werte an Bedeutung, andere –<br />
z. B. Toleranz, Bereitschaft zum unbezahlten<br />
Engagement und zur Übernahme von<br />
gesellschaftlicher Verantwortung – werden<br />
jedoch immer wichtiger (vgl. Klages<br />
1999: 1–6). So stimmten im Jahr 2000 zwei<br />
Drittel der Befragten der folgenden Aussage<br />
zu: „Ob ich mich hier im Lande wohl<br />
fühle oder nicht, dafür bin ich auch selbst<br />
verantwortlich“ (vgl. SIGMA 2000: 29). Dabei<br />
ist es sicherlich zutreffend, dass besonders<br />
die Volksparteien und andere Großorganisationen<br />
des „alten Ehrenamts“<br />
(Dörner/Vogt 2008: 38) wie Gewerkschaften<br />
und Kirchen an Mitgliedern und damit<br />
auch an Einfluss verloren haben und noch<br />
verlieren (vgl. REMID 2009, Süddeutsche<br />
Zeitung 2008, Tenbrock 2003). Die Engagementquote<br />
liegt in Deutschland jedoch seit<br />
Jahren konstant bzw. sogar leicht steigend<br />
bei einem guten Drittel der Bevölkerung<br />
(2004 waren es 38 Prozent der über 15-Jährigen).<br />
Ein weiteres Drittel interessiert sich<br />
dafür, in naher Zukunft ein solches Engagement<br />
aufzunehmen. Der ehemalige baden-württembergische<br />
Sozialminister<br />
Repnik nennt bürgerschaftliches Engagement<br />
gar „Teil einer zeitgemäßen Lebensweise“<br />
(SIGMA 2000: Vorwort). Besonders<br />
bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen<br />
ist das Engagement sowie das noch brachliegende<br />
Potenzial sehr hoch (vgl. Gensicke/Picot/Geiss<br />
2006: 13–17).<br />
Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass<br />
das ungezwungene, das informelle Engagement<br />
immer stärker nachgefragt wird:<br />
Engagement ja, langfristige Mitgliedschaften<br />
eher nein. Selbst wenn die Engagierten<br />
sich oft über Jahre hinweg für eine Sache<br />
einsetzen bzw. für eine Organisation<br />
arbeiten, genießen sie dennoch die lockeren<br />
Strukturen dieser Art der posttraditionalen<br />
Vergemeinschaftung, die ihnen die<br />
Möglichkeit geben, jederzeit „Nein“ zu sagen<br />
und sich anderweitig zu orientieren<br />
(vgl. Dörner/Vogt 2008: 154–156). Gesellschaftspolitische<br />
Aktivitäten finden also<br />
immer öfter im Rahmen des „neuen Ehrenamts“<br />
statt, das sich durch Selbstorganisation<br />
und Projektorientiertheit auszeichnet.<br />
Weiterhin werden so genannte<br />
„Themenanwälte“ (Anheier 2001: 5), also<br />
Organisationen, die sich für ein konkretes<br />
Thema (z. B. Umweltschutz, globale<br />
Gerechtigkeit) stark machen, attrakti