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76 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143 4 Wiederaufbauprozesse: Zentrale Einflussfaktoren Abbildung 8 Römerberg-Ostzeile, Frankfurt am Main Quelle: boreritos/CC by-sa 4.1 Vorläuferprozesse und ihre Wirkungen In den 1980er Jahren trugen dann verschiedene Veränderungen zu einer Phase eines erneuten Interesses Rekonstruktionsvorhaben, das letztlich sich bis heute eher verstärkt hat, gleichwohl aber seit 1990 in sich so stark gewandelt hat, dass eine Subsumierung als wenig sinnvoll erscheint. In den 1980er erholte sich die Wirtschaft von der Rezession der 1970er Jahre, womit in dieser Zeit geplante, aber nicht realisierbare Vorhaben in Angriff genommen werden konnte. Damit bestand auch erst jetzt die Möglichkeit mit entsprechenden Maßnahmen in einer antimodernen Haltung auf die Kritik an Architektur und Städtebau der Nachkriegsmoderne zu reagieren und „unsere Städte“ entsprechend des Aufrufs des Deutschen Städtebautags von 1971 zu „retten“. In Architektur findet die Postmoderne, die auch im Neubau nicht an Zitaten spart und sich der Nüchternheit ihrer Vorgänger zu entledigen versucht, ihren Höhepunkt. Schließlich setzt sich mit dem konservativen Regierungswechsel in Bonn auch eine neue Erinnerungs- und Geschichtspolitik ein (vgl. Falser 2008: 308). Innerhalb dieser Konstellation erfahren auch zuvor verhinderte und bislang verwehrte Rekonstruktionswünsche eine neuerliche Stärkung. Entsprechend der schon im Denkmalschutzjahr von 1975, das unter dem bemerkenswerten Motto „Eine Zukunft für unsere Vergangenheit“ stattfand, proklamierten „ästhetischen Konsumierbarkeit“ (Vgl. Falser 2008: 305) der hier kaum als komplexes gesellschaftliches Konstrukt verstandenen Städte wurde werden sie damit auch von vielen gesellschaftlichen Ansprüchen befreit, die insbesondere im Nachkriegswiederaufbau bestimmend waren. Zentrale Projekte dieser Zeit sind die Römerberg-Ostzeile und die Alte Oper in Frankfurt am Main sowie der Hildesheimer Marktplatz mit dem Knochenhaueramtshaus. Alle drei sind Wendepunkte gegenüber den Planungen des Nachkriegswiederaufbaus. So hatte der Frankfurter Oberbürgermeister noch 1963 den Abriss der Überreste der Alten Oper gefordert und sich daraufhin den Spitznamen „Dynamit Rudi“ eingehandelt. Trotz einer seit 1953 bestehenden Bürgerinitiative „Rettet das Opernhaus“ wurde ein entsprechender Beschluss erst Ende der 1970er Jahre gefasst. (Setzepfand 2002) Nahezu parallel wurde die östliche Häuserzeile Platzes vor dem Römer zwischen 1981 bis 1984 errichtet, deren Fassaden eine Nachbildung historischer Vorbilder aus der Frankfurter Altstadt darstellen. Die modernen Nachkriegsbauten hatten bereits Ende der 1960er Jahre für den U-Bahnbau abgerissen werden müssen. Die Idee zur Restaurationskulisse hatte ausgerechnet „Dynamit-Rudi“ im Denkmalschutzjahr 1975 lanciert, umgesetzt wurde sie allerdings erst als mit Walter Wallmann eine konservative Stadtregierung die Macht im gegenüberliegenden Römer errang (von Beyme 1992: 207; In: von Beyme et al. 1992). In Hildesheim hingegen wurden moderne Gebäude (Sparkasse, Hotel „Rose“) der originalgetreuen Wiedererrichtung von Gebäuden und Fassaden an dem nach dem Krieg auch in seiner städtebaulichen Dimension veränderten Marktplatz geop­

Wiederaufbauprozesse: Zentrale Einflussfaktoren 77 fert. Die Herstellung der alten Platzkanten wurde sukzessive zwischen 1980 und 1989 vorgenommen und konnte dabei anders als etwa bei der Alten Oper nicht auf eine lange Tradition einer bürgerlichen Wiederaufbau-Initiative verweisen. (Falser 2008: 309–310) Insbesondere die Römerberg-Ostzeile wurde in der kulturwissenschaftlichen und architekturkritischen Diskussion äußerst reserviert aufgenommen. Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass sie für den Imagewandel des ehemaligen „Krankfurt“ unter Walter Wallmann eine Schlüsselfunktion einnahm. Zu der von Wallmann durchgesetzten Strategie gehörte mit dem Bau des Museumsufers südlich des Mains und der Schirn-Kunsthalle eine deutliche kulturelle Aufwertung der für ihre Auseinandersetzung um das Westend und wegen ihrer kriegszerstörten Innenstadt trotz wirtschaftlichen Erfolgs mit einem schlechten Image versehenen Stadt, die dadurch auch an touristischer Bedeutung gewann. In diesem Zusammenhang hat die Wiederaufbaumaßnahme zwar keineswegs eindeutig den Boden für weitere vergleichbare Vorhaben bereitet – die Schirn selbst war ja ihrerseits architektonisch nicht unumstritten, setzte aber mit einer zurückhaltend postmodernen Architektur auf eine damals anerkannte Strömung und einen Entwurf von Bangert/ Jansen/Scholz/Schultes, die bis heute großen Erfolg besitzen. Es ist also genau zu analysieren, wie die frühen spektakulären Wiederaufbauvorhaben der 1980er Jahre den Boden für die derzeitige Rekonstruktionswelle bereitet haben. Angesichts der Rezeption der damaligen Bauten lässt sich vor allem eine intensivierte Thematisierung feststellen – die Kontrahenten gehen gewissermaßen in Stellung. So formiert sich um die Römerberg-Ostzeile die Kritik aus der Architektenschaft und teilweise der Denkmalpflege, die in der Auseinandersetzung und unter Einbeziehung von Schlüsselwerken der Architekturkritik zur Postmoderne (Jencks 1977, Venturi/Scott-Brown/ Izenour 1972) die Ablehnung entfunktionalisierter Form sieht, auf die Spitze getrieben im aus der Geschichte gerissenen Komplettzitat der Rekonstruktion. Ein Teil der Nichtfachleute kann im Wiederaufbau Abbildung 9 Knochenhaueramtshaus, Hildesheim Quelle: idensof/CC by-sa ein Anknüpfen an idyllische und durch die Nachkriegsmoderne nicht neu belebte historische Stadtbilder erkennen. Sie sieht für ihn in der hochkarätigen handwerklichen Ausführung etwa von Teilen des Knochenhaueramtshauses den Nachweis erbracht, dass ein Wiederaufbau weder technologisch noch gestalterisch verlogen im Sinne des Fassadismus sein muss, wenn sich hinter der Fassade sich kein moderner Stahlbetonbau findet, die Materialien und Bautechnologien sich mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand wiederbeleben lassen und zudem die differenzierte Ausgestaltung kunsthistorisch oder regionalkulturell bedeutsamer Details mehr zu bieten scheint als das eliätäre Reduktionsversprechen der Moderne. Indem sich die Argumente schärfen, ist aber noch nicht unbedingt lokal eine Verstetigung von Wiederaufbautendenzen zu erkennen. Ansatzweise beginnt ein gewisser „Gewöhnungseffekt“ (Bartetzko 24.09.2009) zu wirken, der aber noch kaum auf Stadtpolitiker, Architekten und Denkmalpfleger übergreift. In den wenigsten Städten bildet sich eine gewisse Kontinuität heraus, in vielen dagegen werden später verlorene hochrangige Einzelgebäude zum Gegenstand von Rekonstruktionsbemühungen, wobei lokale Faktoren und der wiedervereinigungsbedingte nachholende Wiederaufbau Auslöser sind und schließlich die mediale Inszenierung des Schlossprojekts

Wiederaufbauprozesse: Zentrale Einflussfaktoren<br />

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fert. Die Herstellung der alten Platzkanten<br />

wurde sukzessive zwischen 1980 und<br />

1989 vorgenommen und konnte dabei anders<br />

als etwa bei der Alten Oper nicht auf<br />

eine lange Tradition einer bürgerlichen<br />

Wiederaufbau-Initiative verweisen. (Falser<br />

2008: 309–310)<br />

Insbesondere die Römerberg-Ostzeile wurde<br />

in der kulturwissenschaftlichen und architekturkritischen<br />

Diskussion äußerst reserviert<br />

aufgenommen. Allerdings kann<br />

davon ausgegangen werden, dass sie für<br />

den Imagewandel des ehemaligen „Krankfurt“<br />

unter Walter Wallmann eine Schlüsselfunktion<br />

einnahm. Zu der von Wallmann<br />

durchgesetzten Strategie gehörte<br />

mit dem Bau des Museumsufers südlich<br />

des Mains und der Schirn-Kunsthalle eine<br />

deutliche kulturelle Aufwertung der für<br />

ihre Auseinandersetzung um das Westend<br />

und wegen ihrer kriegszerstörten Innenstadt<br />

trotz wirtschaftlichen Erfolgs mit einem<br />

schlechten Image versehenen Stadt,<br />

die dadurch auch an touristischer Bedeutung<br />

gewann. In diesem Zusammenhang<br />

hat die Wiederaufbaumaßnahme zwar<br />

keineswegs eindeutig den Boden für weitere<br />

vergleichbare Vorhaben bereitet – die<br />

Schirn selbst war ja ihrerseits architektonisch<br />

nicht unumstritten, setzte aber mit<br />

einer zurückhaltend postmodernen Architektur<br />

auf eine damals anerkannte Strömung<br />

und einen Entwurf von Bangert/<br />

Jansen/Scholz/Schultes, die bis heute großen<br />

Erfolg besitzen.<br />

Es ist also genau zu analysieren, wie die<br />

frühen spektakulären Wiederaufbauvorhaben<br />

der 1980er Jahre den Boden für die<br />

derzeitige Rekonstruktionswelle bereitet<br />

haben. Angesichts der Rezeption der damaligen<br />

Bauten lässt sich vor allem eine<br />

intensivierte Thematisierung feststellen<br />

– die Kontrahenten gehen gewissermaßen<br />

in Stellung. So formiert sich um die<br />

Römerberg-Ostzeile die Kritik aus der Architektenschaft<br />

und teilweise der Denkmalpflege,<br />

die in der Auseinandersetzung<br />

und unter Einbeziehung von Schlüsselwerken<br />

der Architekturkritik zur Postmoderne<br />

(Jencks 1977, Venturi/Scott-Brown/<br />

Izenour 1972) die Ablehnung entfunktionalisierter<br />

Form sieht, auf die Spitze getrieben<br />

im aus der Geschichte gerissenen<br />

Komplettzitat der Rekonstruktion. Ein Teil<br />

der Nichtfachleute kann im Wiederaufbau<br />

Abbildung 9<br />

Knochenhaueramtshaus, Hildesheim<br />

Quelle: idensof/CC by-sa<br />

ein Anknüpfen an idyllische und durch die<br />

Nachkriegsmoderne nicht neu belebte historische<br />

Stadtbilder erkennen. Sie sieht für<br />

ihn in der hochkarätigen handwerklichen<br />

Ausführung etwa von Teilen des Knochenhaueramtshauses<br />

den Nachweis erbracht,<br />

dass ein Wiederaufbau weder technologisch<br />

noch gestalterisch verlogen im Sinne<br />

des Fassadismus sein muss, wenn<br />

sich hinter der Fassade sich kein moderner<br />

Stahlbetonbau findet, die Materialien<br />

und Bautechnologien sich mit wirtschaftlich<br />

vertretbarem Aufwand wiederbeleben<br />

lassen und zudem die differenzierte<br />

Ausgestaltung kunsthistorisch oder regionalkulturell<br />

bedeutsamer Details mehr zu<br />

bieten scheint als das eliätäre Reduktionsversprechen<br />

der Moderne. Indem sich die<br />

Argumente schärfen, ist aber noch nicht<br />

unbedingt lokal eine Verstetigung von<br />

Wiederaufbautendenzen zu erkennen. Ansatzweise<br />

beginnt ein gewisser „Gewöhnungseffekt“<br />

(Bartetzko 24.09.2009) zu<br />

wirken, der aber noch kaum auf Stadtpolitiker,<br />

Architekten und Denkmalpfleger<br />

übergreift. In den wenigsten Städten bildet<br />

sich eine gewisse Kontinuität heraus,<br />

in vielen dagegen werden später verlorene<br />

hochrangige Einzelgebäude zum Gegenstand<br />

von Rekonstruktionsbemühungen,<br />

wobei lokale Faktoren und der wiedervereinigungsbedingte<br />

nachholende Wiederaufbau<br />

Auslöser sind und schließlich die<br />

mediale Inszenierung des Schlossprojekts

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