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74 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />

Klassischerweise denkt man bei dieser<br />

Art der disneyfizierten, erlebnisorientierten<br />

Urbanität sofort an Themenparks<br />

oder Urban Entertainment Centers.<br />

Aber auch Rekonstruktionen können u. U.<br />

ähnliche Merkmale haben. Ulrich Kerkhoff<br />

bezeichnet Rekonstruktionen in seinem<br />

Einführungsbeitrag zum Symposium<br />

„Nachdenken über Denkmalpflege“ gar als<br />

das „kulturelle Event schlechthin“. Es werden<br />

nur die gewollten, „pittoresken“ Teile<br />

der Geschichte erzählt; erlaubt ist alles,<br />

was den Konsumenten Anklang findet.<br />

Auch Trimborn spricht mit Bezug auf wiederhergestellte<br />

Denkmäler von „Disneyland“<br />

(2001: 110) und nennt „Rekonstruktionen<br />

und Re-Inszenierungen“ in einem<br />

Atemzug (2001: 102). In den USA, dem Ursprungsland<br />

der Disneyfizierung, wohnt<br />

derzeit die erste in Suburbia erwachsen<br />

gewordene Generation in traditionell gestalteten<br />

Kleinstadt-Nachbildungen (z. B.<br />

Celebration in Florida) – die „echten“ amerikanischen<br />

Kleinstädte kennen sie jedoch<br />

meistens nicht aus eigener Anschauung<br />

(vgl. Roost 2000: 100). Auch in Deutschland<br />

spielt für die (vornehmlich, aber<br />

nicht nur) jungen Leute, die ganz selbstverständlich<br />

mit Malls, Vergnügungsparks<br />

und ähnlichen Inszenierungen umgehen,<br />

die Authentizität eines Ortes oder eines<br />

Gebäudes eine zunehmend untergeordnete<br />

Rolle. Die „Simulation“ (Ronneberger<br />

2001: 90) löst in den Rezipienten eine Emotion,<br />

ein Erlebnis aus. Für sie ist die Unterscheidung<br />

zwischen Original und Duplikat<br />

nicht mehr relevant, also sind sie bereit<br />

dazu, den Ort als Original wahrzunehmen<br />

(vgl. Opaschowski 2000a, s. auch den Abschnitt<br />

zu „Original und Fälschung“). In<br />

der Literatur wird diese Art von Architektur<br />

als „künstliche Paradiese“ oder „verführerische<br />

Kulisse“ (beide Zitate Breulebnisangebot<br />

– obwohl es sich beständig<br />

erweitert und erneuert – vielmehr mit einem<br />

„bequeme[n] Sofa, an das man sich<br />

gewöhnt hat“ (1992: 543).<br />

Die gesellschaftlichen Verände rungen<br />

schlagen sich auch in einem Wandel<br />

des städtischen Erscheinungsbilds nieder.<br />

Für Beck (1994: 41) ist Architektur sogar<br />

die „räumliche Manifestation von Gesellschaft“:<br />

Der Wunsch nach Identität<br />

und nach einem positiven Image wirkt auf<br />

die Stadtgestaltung (vgl. auch Herterich<br />

1987: 212, Krämer-Badoni 1987: 167). Die<br />

Innenstädte werden zu „Schaufenstern der<br />

Stadt“ (Funke/Schroer 1998: 228) herausgeputzt.<br />

Es ist zu einer Strategie im Standardrepertoire<br />

der Stadtpolitik geworden,<br />

sich durch „Festivalisierung“, also mithilfe<br />

der Durchführung großer Events ins Gespräch<br />

zu bringen (vgl. Frank/ Roth 2000,<br />

Luger 1994: 14, Siebel 1994). Gebhardt/<br />

Hitzler/Pfadenhauer bezeichnen Events<br />

als das „Versprechen eines ‚totalen Erlebnisses‘“<br />

(2000: 10), das sowohl sinnlich als<br />

auch intellektuell erfahrbar wird, die Routine<br />

des Alltags durchbricht und zudem<br />

vergemeinschaftend wirkt (vgl. auch Hitzler<br />

2000: 402). Dabei ist das Neue an ihnen<br />

nicht das Zusammenkommen vieler<br />

Menschen zu einem sozialen Anlass, sondern<br />

vielmehr ihr primäres Ziel der Herstellung<br />

eines Gemeinschaftsgefühls, einer<br />

kollektiven Identität. Gleichzeitig sind<br />

Events eine Möglichkeit zur Selbstinszenierung<br />

des sie in Anspruch nehmenden<br />

Individuums, das entscheiden kann, bei<br />

welchen Events es „gesehen werden“ und<br />

auf die Suche nach Gleichgesinnten gehen<br />

will (vgl. Frank/Roth 2000: 203, Willems<br />

2000: 51–55). Events werden dabei als eine<br />

Art von inszenierter Erlebniswelt beschrieben,<br />

die unterschiedlichte Ausprägungen<br />

annehmen kann. Architektur und Stadtgestaltung<br />

spielen bei dieser Form von Inszenierung<br />

eine große Rolle und können<br />

zuweilen sogar als das Event selbst gelten<br />

(vgl. Klingmann 2001: 325). Die Stadt wird<br />

als Gesamtkunstwerk wahrgenommen<br />

und – von Touristen wie von Einheimischen<br />

– vor allem ihres Erlebniswerts wegen<br />

aufgesucht (vgl. Bittner 2001: 14, Zametzer<br />

1994: 121). Kritiker sprechen von<br />

einer Disneyfizierung der Städte, im Zuge<br />

derer nur noch auf die Erlebnis- und Konsumwünsche<br />

der kaufkräftigen Stadtnutzer<br />

eingegangen würde. Durch einen Mix<br />

aus ästhetischer Formulierung und der<br />

Vermittlung von Geborgenheit durch Anknüpfen<br />

an lokale gestalterische Traditionen<br />

fühlen sich die Kunden ganz „zuhause“<br />

und können sich ohne Ablenkung<br />

dem Konsum widmen. Dabei wird die Geschichte<br />

des Ortes zwar aufgegriffen, aber<br />

sehr selektiv wiedergegeben. Ziel ist es,<br />

einheimische Identität und Kommerz zu<br />

verknüpfen (vgl. Hannigan 2001: 137, Krämer-Badoni<br />

1987: 170, Opaschowski 2009,<br />

Roost 2000: 9–11, 93–96, s. auch Kapitel zu<br />

„Wandel der Erinnerungskultur“).

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