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52 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />

1994: 324) ermöglichen. Nur in wenigen<br />

Fällen scheinen Rekonstruktionen hingegen<br />

im Zusammenhang mit einer Rechristianisierung<br />

als direktem Rückgriff auf<br />

den religiösen Ursprung der „Ersatzheiligtümer“<br />

in Verbindung zu stehen, die dann<br />

mit der katholischen Strömung innerhalb<br />

der Romantik in Beziehung gesetzt werden<br />

könnte. Entsprechende Argumentationslinien<br />

sind allerdings zumindest<br />

für die Wiederaufbauvorhaben des Berliner<br />

Doms, der Dresdner Frauenkirche,<br />

der Potsdamer Garnisonskirche (hier aber<br />

deutlich in Verbindung mit national-religiösen<br />

Aspekten des Preußentums) und<br />

insbesondere für die Universitätskirche<br />

St. Pauli bekannt, wenngleich sie mit Ausnahme<br />

des Berliner Doms zunächst stets<br />

im Widerspruch zur (protestantischen)<br />

Amtskirche entstanden und innerhalb der<br />

christlichen Gemeinden kontrovers bewertet<br />

wurden. Dies lässt sich aber auch<br />

dadurch erklären, dass die (innere) Missionierung<br />

zwar im Protestantismus mittlerweile<br />

bedeutsamer erscheint, hier aber<br />

eher in so genannten „freien Gemeinden“<br />

und zum Teil in bewusster Opposition zur<br />

Amtskirche stattfindet, die sich unter anderem<br />

auch in einer stärkeren Zeichenhaftigkeit<br />

ausdrückt. Interessanterweise sind<br />

bei der Wiedererrichtung jüdischer Gotteshäuser<br />

in aller Regel explizite Neubauten<br />

entstanden.<br />

Bezüge zur Rekonstruktionsdebatte 4:<br />

Bedeutung materieller Spuren, „heiliger<br />

Orte“ und Bilder<br />

Insbesondere die ethnologische Einordnung<br />

der Heiligenverehrung belegt, dass<br />

dem Menschen alles „heilig“ sein kann,<br />

sofern eine Besonderheit offensichtlich ist<br />

oder innerhalb einer kultischen Verehrung<br />

stilisiert bzw. beschworen wird (vgl. Angenendt<br />

1994: 9). Zudem gibt es die Vorstellung,<br />

dass die Heiligkeit eines Objekts oder<br />

Wesens auf andere Objekte, Abbildungen<br />

und auch Orte übergehen kann. Während<br />

dies für Abbildungen stets strittig war und<br />

für die Ausprägung des westlichen Christentums<br />

zweimal (in der Trennung von<br />

der Ostkirche und in der Reformation, einschließlich<br />

entsprechender Tendenzen im<br />

Katholizismus) bedeutsam war, so ist trotz<br />

einer evangelischen Kritik an der Praxis<br />

der Wallfahrten und der reduzierten Bedeutung<br />

der Weihe protestantischer Got­<br />

teshäuser die Bedeutung besonderer Orte<br />

zumindest im protestantisch bestimmten<br />

Volksglauben stets präsent geblieben,<br />

was sich auch in der Errichtung von Lutherdenkmalen<br />

u. ä. zeigt. Mit der Auflösung<br />

des gesellschaftlichen „Monopols“<br />

der Kirchen zur Bestimmung von „Heiligkeit“<br />

und der zumal im Protestantismus<br />

verstärkten Säkularisierung ist es zunehmend<br />

möglich, dass sich die – gleichwohl<br />

weiterhin christlich geprägte – Bevölkerung<br />

eigene, nicht-kirchliche „(Ersatz-)<br />

Heiligtümer“ sucht.<br />

Wie für die Denkmalpflege die materielle<br />

Authentizität der Denkmale entscheidend<br />

ist, so gilt vielen Rekonstruktionsbefürwortern<br />

das Vorhandensein von Resten<br />

der Originalsubstanz, die dann dem Wiederaufbau<br />

als Spolien hinzugefügt werden<br />

können, als ein wesentliches Kriterium<br />

– ggf. auch nur als ein Argument – für<br />

die Möglichkeit der Rekonstruktion. Entsprechende<br />

Vorstellungen der Vervollständigung<br />

von Fragmenten sind bereits für<br />

die Romantik belegt – hier etwa Brentanos<br />

Vorstellung einer lückenlosen Rekonstruktion<br />

des Lebens Christi – wie sich im Reliquienkult<br />

insgesamt eine Vorstellung der<br />

symbolischen Aufladung materieller Spuren<br />

zeigt. Rekonstruktive Techniken wurden<br />

dabei ebenfalls insofern angewendet,<br />

als mit der Schaffung von Körperreliquiaren<br />

die durch Leibteilung fehlenden Reliquienteile<br />

– allerdings in künstlerisch<br />

interpretierter Weise, die über die säkulare<br />

Ästhetisierung der Heiligenverehrung<br />

im 19. Jahrhundert oder die ästhetische<br />

Überformung von Denkmalen hinausgeht<br />

– ersetzt wurden. Die Kehrseite bestand in<br />

den zahlreichen Fälschungen bzw. Kopien<br />

– heute ein wesentliches Argument von Rekonstruktionskritikern<br />

gegen den Wiederaufbau.<br />

Im Weiteren zeigt der Reliquienkult in besonderer<br />

Weise, dass es möglich ist, Objekte<br />

als Materialisierung einer Idee – hier<br />

der durch den Heiligen vermittelte Glaube<br />

bzw. die in ihm offenbar werdenden<br />

Werte und Handlungen, die den Virtus der<br />

Reliquie ermöglichen – anzusehen. Diese<br />

materialisierten Ideen können darüber<br />

hinaus eine der Idee bzw. dem Heiligen<br />

ähnliche Wirkung entfalten – der Virtus<br />

bewirkt Heilung und setzt sonstige heiligende<br />

Kräfte frei. Gerade in der Auffas­

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