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PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen

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Gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Hintergründe<br />

51<br />

man hier nicht davon ausgeht, dass auch<br />

der „Glaube“ in ihre Erklärungsfähigkeit<br />

rückläufig ist. Nachfolgend wurden entsprechende<br />

Bedürfnisse ebenfalls durch<br />

Rückgriffe auf frühere Formen der Religiosität<br />

sowie durch weltlichen Ersatz in<br />

Ideologien und Heldenverehrung zu befriedigen<br />

versucht. Alle Formen sind bis<br />

heute präsent. Während zumeist auf verschiedene<br />

Formen der Verehrung von zeitgenössischen<br />

„Ersatzheiligen“ aus der Unterhaltungsbranche<br />

(vgl. etwa Paech 2006,<br />

Harzheim 2009), für eine baukulturelle<br />

Teilöffentlichkeit aber z. B. auch von einem<br />

„architektonischen Reliquienkult“ (Hollenstein<br />

2009), der sich in der Verehrung bestimmter<br />

„Meister“ und ihrer Werke zeige,<br />

und der Herausbildung einer Star-Architektur<br />

verwiesen wird, erscheint hier vor<br />

allem der quasi eklektizistische Rückgriff<br />

auf frühere Kultformen bedeutsam. An<br />

dieser Stelle soll auch angemerkt werden,<br />

dass die für die heutige Zeit in vielen Gesellschaften<br />

beschreibbare Lücke insbesondere<br />

für die Transformationsstaaten<br />

Mittel- und Osteuropas besteht. Zu diesen<br />

zählen auch die neuen Bundesländer, da<br />

hier einerseits die im Westen über einen<br />

längeren Zeitraum gestreckten Modernisierungsprozesse<br />

wesentlich komprimierter<br />

stattgefunden haben, die sozialistische<br />

Ideologie als dominante „Ersatzreligion“<br />

in kurzer Zeit „abhanden“ gekommen<br />

ist und die Gesellschaften – vielleicht mit<br />

Ausnahme Polens – schließlich als Folge<br />

des kommunistischen Einflusses stärker<br />

säkularisiert sind.<br />

Neben einer durchaus feststellbaren Rückbesinnung<br />

auf Religiosität und Spiritualität<br />

(wenngleich in pluralistischer, individualisierter<br />

Form, die nicht nur in<br />

verschiedenen christlichen Glaubensauffassungen,<br />

sondern auch im „Import“ anderer<br />

Religionen zum Ausdruck kommt)<br />

werden innerhalb der Postmoderne verstärkt<br />

auch Forderungen nach einem<br />

Rückgriff auf frühere Formen von „Ersatzreligion“<br />

erhoben, die nicht nur in einem<br />

konservativen Beharren auf die gerade vergangene<br />

und entwertete Epoche bestehen.<br />

Vielmehr werden im Sinne des Neokonservativismus<br />

insbesondere preußische Tugenden<br />

als verlorene Werte idealisiert, wie<br />

insgesamt das „Preußentum“ zumindest<br />

in einem Teil der Gesellschaft zum Vorbild<br />

erklärt wird und nationale oder lokalpatri­<br />

otische Ideologien nach einer Zeit der Tabuisierung<br />

im Zuge ihrer nationalsozialistischen<br />

Verwendung wieder an Bedeutung<br />

gewinnen. Entsprechend sind auch innerhalb<br />

der Rekonstruktionsvorhaben eine<br />

Vielzahl von Gebäuden zu finden, die sich<br />

jeweils auf eine kulturelle oder auch ökonomische<br />

Blütephase beziehen, wie diese<br />

für die preußischen Gebiete für das 19.<br />

Jahrhundert und insbesondere das zweite<br />

deutsche Kaiserreich attestiert werden.<br />

Deutlich wird hier die Parallelität zum<br />

Rückgriff auf die „großen Werke der Vergangenheit“,<br />

wie sie innerhalb der nationalen<br />

Bewegungen des 19. Jahrhunderts<br />

beschrieben wurden, wenngleich sich die<br />

heutige „Vergangenheitssehnsucht“ (Assmann<br />

2007) weniger auf bestimmte Geistesgrößen<br />

bezieht, als vielmehr auf eine<br />

allgemeine Größe abzielt. Entsprechend<br />

sind es weniger die Nationaldenkmale, die<br />

errichtet werden – wenngleich es auch diese<br />

wieder vermehrt gibt, wobei sie allerdings<br />

mit einer Vielzahl von Mahnmalen<br />

„gegen das Vergessen“ der historischen Abgründe<br />

konkurrieren müssen; vielmehr<br />

sind es die „unschuldigen“ Bauten und<br />

Räume der Vergangenheit, die quasi die<br />

Schauplätze der Historie bilden. Sie könnten<br />

damit eine ähnlich „greifbare“ Verbindung<br />

zur Geschichte und früheren Größe<br />

sein, wie die Reliquien die Gläubigen mit<br />

den Heiligen und ihren Taten verbanden.<br />

Ihnen kommt somit auch jene Vermittlungs-<br />

und damit auch Auswahlfunktion<br />

zu, die zuvor der Geschichtsschreibung<br />

als „Priestertum“ der Nationalgeschichte<br />

angesehen wurden. Während sich die<br />

Geschichtswissenschaften zunehmend<br />

kritisch mit der Vergangenheit auseinandersetzen<br />

und immer komplexere Erklärungen<br />

bieten, erscheinen die Bauwerke<br />

als individuelle Projektionsflächen der<br />

jeweiligen persönlichen Vergangenheitssehnsüchte<br />

und entsprechen damit auch<br />

eher den Vorstellungen einer individualisierten,<br />

pluralistischen Gesellschaft.<br />

Wie für die Nationaldenkmale dargestellt,<br />

können Rekonstruktionen möglicherweise<br />

stärker noch als vorhandene Baudenkmale<br />

nicht nur der kultischen Vergegenwärtigung<br />

der Vergangenheit dienen, weil<br />

sie auch Anlass für Feiern und Ähnliches<br />

bieten, sondern auch eine – nicht unbedingt<br />

restaurative – „Erneuerung [und]<br />

Beschwörung der Zukunft“ (Angenendt

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