PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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Gesellschaftliche Rahmenbedingungen und Hintergründe<br />
37<br />
Was genau unter dem Begriff „Romantik“<br />
oder auch dem „Romantischen“, um diese<br />
zuletzt von Safranski (2007) hervorgehobene<br />
Unterscheidung einzuführen, „zu begreifen<br />
sei, ist in der Forschung noch immer<br />
umstritten“, führte bereits Hoffmeister<br />
(1978: 4) aus, wenngleich „die Existenz einer<br />
romantischen Bewegung in Europa […]<br />
heute allgemein akzeptiert [wird]“. An dieser<br />
Feststellung soll auch für den weiteren<br />
in mehreren Disziplinen und interdisziplinär<br />
geführten Diskurs festgehalten werden.<br />
Insofern muss die Überprüfung der<br />
These einer Verortung des Wunsches nach<br />
Rekonstruktion im Romantischen bereits<br />
an der sehr unklaren und in vielerlei Hinsicht<br />
widersprüchlichen Begriffsbestimmung<br />
des Romantischen und der Romantik<br />
(vgl. Schulz 2008: 7–8) scheitern. Auch<br />
eine hilfsweise Definition oder Konstruktion<br />
eines eigenen Romantik-Begriffs ist<br />
an dieser Stelle weder möglich noch sinnvoll.<br />
Entsprechend soll im Folgenden lediglich<br />
eine Diskussion dazu angestoßen<br />
werden, ob bzw. inwieweit das Phänomen<br />
des „Rekonstruktivismus“ mit der Romantik<br />
in Zusammenhang gebracht werden<br />
kann. Ganz wesentlich wird hierbei auf<br />
Safranski (2007) eingegangen (wenngleich<br />
erhebliche Zweifel an der Wissenschaftsich<br />
[Intellektuelle, künstlerisch Vorgebildete]<br />
in der Überlegenheit des Besser-Wissenden“<br />
(Fischer 1980: 179). Es haben sich<br />
verschiedene subkulturelle Milieus gebildet,<br />
die den Kitsch ironisierend zum „neuen<br />
guten Geschmack“, gar zur „Avantgarde“<br />
(vgl. Liessmann 2002) erklären und „bewährt<br />
schlechte Formen der Populärkultur“<br />
(Roller 2002: 222) aufgreifen. Sie nennen<br />
sich selbst Trash, Camp oder Anhänger von<br />
Kitsch-Art. Sie wissen zwar eigentlich, was<br />
guter und was schlechter Geschmack ist,<br />
haben aber Vergnügen an der ästhetischen<br />
Grenzüberschreitung (vgl. Dettmar/Küpper<br />
2007: 10–11). Wichtig bleibt aber auch hier<br />
nach wie vor das Wissen darum, welche Art<br />
von Kitsch gerade als Kunst gefeiert wird,<br />
und welche längst wieder „out“ ist (vgl.<br />
Dettmar/Küpper 2007: 279–283). Besonders<br />
häufig handelt es sich bei Vertretern dieser<br />
Subkulturen um die so genannte Generation<br />
X, die in den 1960ern und 1970ern geboren<br />
und als erste Nachkriegsgeneration<br />
ohne größere Sparzwänge und zumindest<br />
teilweise mit dem Glauben an den ewigen<br />
Aufschwung aufgewachsen ist. Laut Roller<br />
(2002: 231–233) empfindet diese Gruppe ihr<br />
Leben insgesamt als Zitat: Als „Nach-68er-<br />
Jugend“ boten sich ihnen kaum noch Möglichkeiten<br />
zur Rebellion gegen die älteren<br />
Generationen, so dass sie nach neuen kulturellen<br />
Ausdrucksformen zur Selbstdefinition<br />
und Abgrenzung Ausschau halten<br />
mussten – und sie in der Vermischung verschiedenster<br />
Stile fanden. Auch wenn an<br />
dieser Stelle Rekonstruktionen nicht mit<br />
Camp und Trash in einen Topf geworfen<br />
werden sollen, so könnten die Ideen Rollers<br />
doch bis zu einem gewissen Punkt Erklärungsansätze<br />
für die Vorliebe von Vertretern<br />
der „Generation X“ für selbige bieten,<br />
nicht zuletzt, wenn man wie Liessmann<br />
(2004: 73) Kitsch als „Rache an der Moderne“<br />
deutet. Ein bewusstes Bekenntnis zu Kitsch<br />
sei gleichzeitig eines zu „Gegenständlichkeit,<br />
plakative[r] Gefälligkeit, sinnliche[r]<br />
Religiosität, sentimentale[n] Stimmungen“<br />
(Liessmann 2004: 74) und damit indirekt<br />
auch zum kleinbürgerlichen Lebensstil, der<br />
mit den rehabilitierten Kitschgegenständen<br />
eng verknüpft ist. Dadurch würde alles zum<br />
Kultobjekt erklärt, was den Genuss dieser<br />
Stimmungen ermöglicht und „dem zentralen<br />
Imperativ des Kitsches: Schönheit für<br />
alle gehorcht [...]“ (Liessmann 2004: 48).<br />
3.32 Romantik und „das Romantische“<br />
„Klotzt nicht so romantisch“, fordert Peter<br />
Richter (2009) die für die Berliner Stadtentwicklung<br />
Zuständigen auf und meint<br />
damit deren Rekonstruktionsabsichten,<br />
die neben dem Stadtschloss mittlerweile<br />
auch weitere Teile der Berliner Altstadt<br />
zwischen Alexanderplatz und Friedrichstadt<br />
erfasst haben (vgl. Stimmann 2009).<br />
Auch an anderen Stellen wird die Vermutung<br />
geäußert, die Hinwendung zu Wiederaufbauvorhaben<br />
sei unter anderem<br />
einer romantischen Neigung ihrer Befürworter<br />
zuzuschreiben. Die Beobachtung<br />
einer in Deutschland besonders ausgeprägten<br />
„Rekonstruktionssehnsucht“<br />
und die Auffassung, die Romantik sei ein<br />
„deutsches Schicksal“, wie es Ferdinand<br />
Lion 1947 schrieb (vgl. Schulz 2008: 131–<br />
136) oder „das Romantische“ eine besondere<br />
Wesensart der Deutschen (Safranski<br />
2007), legt eine nähere Untersuchung eines<br />
möglichen Zusammenhangs zwischen<br />
romantischen Tendenzen und der Rekonstruktionssehnsucht<br />
nahe.