PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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28 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />
Wie bereits die „Charta von Venedig“ mit<br />
der Formulierung des „ganzen Reichtums<br />
der Authentizität“ zeigt und wie nach Petzet<br />
sowohl ein „ursprünglicher“ als auch<br />
ein „gewachsener“ Zustand die Authentizität<br />
eines Kulturgutes darstellt, ist dieser<br />
Begriff für die UNESCO schwierig zu<br />
fassen. Nicht ohne Grund vermieden die<br />
Verfasser der wesentlichen Dokumente –<br />
Konvention und Durchführungsrichtliniische<br />
– Denkmalpflege beruft. Die Charta<br />
von Venedig brachte die von Dehio abgeleiteten<br />
Prinzipien als internationale<br />
Selbstverpflichtung der Denkmalpflege<br />
auf den Punkt. Ihre wesentlichen Forderungen<br />
wie die wissenschaftliche Fundierung<br />
denkmalpflegerischer Entscheidungen<br />
(Artikel 2, Artikel 16) richten sich an<br />
die Denkmalpflege, doch bildet sie mit ihren<br />
Aussagen zu Aufgaben und Anforderungen<br />
an die Restaurierung (Artikel 9,<br />
Artikel 11, Artikel 12) eine zentrale Grundlage<br />
für den architektonischen Umgang<br />
mit überlieferter Bausubstanz. Die Bewahrung<br />
der Werte des Denkmals und der<br />
Respekt vor vorhandenen Merkmalen unterschiedlicher<br />
Epochen sind von einem<br />
Authentizitätsanspruch geprägt, der Rekonstruktionen<br />
bzw. eine „schöpferische<br />
Denkmalpflege“ älterer Tradition so weit<br />
wie möglich ausschließt. Auch die Artikel<br />
4–8 (Erhaltung) beziehen sich stark auf die<br />
von der Authentizität der Denkmalpflege<br />
geforderte Fokussierung auf die originale<br />
Substanz und Materialität des Denkmals.<br />
Dies vermittelt bereits die Präambel, in der<br />
es heißt:<br />
„Als lebendige Zeugnisse jahrhundertealter<br />
Traditionen der Völker vermitteln die<br />
Denkmäler in der Gegenwart eine geistige<br />
Botschaft der Vergangenheit. Die Menschheit,<br />
die sich der universellen Geltung<br />
menschlicher Werte mehr und mehr bewusst<br />
wird, sieht in den Denkmälern ein<br />
gemeinsames Erbe und fühlt sich kommenden<br />
Generationen gegenüber für ihre<br />
Bewahrung gemeinsam verantwortlich.<br />
Sie hat die Verpflichtung, ihnen die Denkmäler<br />
im ganzen Reichtum ihrer Authentizität<br />
weiterzugeben“ (Charta von Venedig<br />
1964: Präambel).<br />
Allerdings ist die Charta an einer entscheidenden<br />
Stelle interpretationsfähig, wenn<br />
sie fordert, dass Wiederherstellungen und<br />
Ergänzungen sich vom Original abheben<br />
müssten und in einem zeitgenössischen<br />
Stil auszuführen seien, sich aber dennoch<br />
in den Originalbestand einfügen sollten<br />
(Janis 2005: 155–161). Hier paaren sich<br />
Denkmalpflege und Bauen im Bestand, indem<br />
die Prinzipien der Charta gleichermaßen<br />
eine argumentative Basis für die<br />
Realisierung des architektonischen Kreativitätsanspruchs<br />
auch im baulichen Kontext<br />
darstellen. Allerdings bringt die mo<br />
derne Architektur noch weitere Prinzipien<br />
wie ein bis heute wirkendes Ehrlichkeitspostulat<br />
ein (vgl. als Kernforderung der<br />
Moderne den Leitsatz „form follows function“,<br />
der noch heute in unterschiedlichen<br />
Spielarten die Architekturdebatte prägt).<br />
Der Bezug auf klassische Formen, der periodisch<br />
in der Architekturgeschichte vorkommt,<br />
dabei aber in unterschiedlicher<br />
Weise neu interpretiert wird und in der<br />
postmodernen Architektur in einem bis<br />
zu Selbstreferenz und Bedeutungslosigkeit<br />
reichenden Zitatenreichtum eine neue<br />
Spielart hat, wird dabei von der dominierenden<br />
Linie der Architekturdebatte zumindest<br />
in Deutschland äußerst kritisch<br />
gesehen. Das Ehrlichkeitspostulat und ein<br />
Anspruch nach formaler Klarheit erlauben<br />
eine argumentative Differenzierung<br />
zwischen eklektizistischen und „klassischen“<br />
Stilrichtungen, die zunächst zu einer<br />
weitgehenden Ablehnung der Postmoderne<br />
führt, aber mitunter bis zu einer im<br />
Zusammenhang mit der Rekonstruktionsdebatte<br />
am Beispiel der Berliner Bauakademie<br />
merkwürdig anmutenden Hagiographie<br />
Schinkels reicht.<br />
Gegenpositionen und Hinterfragungen<br />
sind in Deutschland eher marginalisiert,<br />
finden sich aber gerade im Umfeld der Rekonstruktionsdebatte<br />
immer wieder. International<br />
spielen sie eine größere Rolle<br />
vor allem im Stellenwert von traditioneller<br />
Architektur und bei der Auslegung der<br />
harmonischen Einfügung von Ergänzungen<br />
im Bestand, die etwa in Deutschland<br />
eine verbreitete Anwendung von Materialkontrasten<br />
hervorgebracht haben, sich<br />
anderswo aber teilweise stärker auf eine<br />
Reduzierung oder Abwandlung gestalterischer<br />
Details verlegen. Rekonstruktionsvorhaben<br />
im engeren Sinne spielen international<br />
insgesamt aber eine geringere<br />
Rolle (vgl. dazu die Fallstudien zu Großbritannien,<br />
Polen und Italien).