PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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306 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />
Der Bruch mit den Planungstraditionen<br />
für einen radikalen Neubeginn diente<br />
zum einen der Abkehr von der nationalsozialistischen<br />
Formensprache und Symbolik<br />
und zum anderen als Gegenstück zu<br />
der sozialistischen Planungskultur – bspw.<br />
den „Sechzehn Grundsätzen zum Städtebau“<br />
– der neu entstandenen DDR (vgl.<br />
Bodenschatz 2007: 7; Dolff-Bonekämper/<br />
Schmidt 1999: 12). In der Rivalität eine<br />
besondere Bedeutung erfuhr das Hansaviertel<br />
als Aushängeschild oder Demonstrationsvorhaben<br />
westlicher Planungsideologie<br />
gegenüber der 1953 im Ostteil der<br />
Stadt entstandenen Stalinallee (heutige<br />
Karl-Marx-Allee) mit den dortigen „Wohnpalästen“<br />
des Arbeiter-und-Bauern-Staates<br />
(vgl. Dolff-Bonekämper/Schmidt 1999:<br />
15; Schulz/Schulz 2007: 9, 12).<br />
Das Hansaviertel wurde dabei als Idealort<br />
für den Wiederaufbau eines innenstadtnahen<br />
Viertels entsprechend der neuen<br />
Leitbilder gesehen. „Das Hansaviertel bot<br />
die idealen Voraussetzungen für die Umwandlung<br />
in eine Stadtlandschaft: Es liegt<br />
zwischen Park und Fluss, also zwei ‚natürlichen‘<br />
stadttopographischen Elementen,<br />
die scharfen Kanten der gründerzeitlichen<br />
Bebauung waren durch das Bombardement<br />
beseitigt, die Grenzen zwischen Natur-<br />
und Siedlungsraum verschwommen.<br />
Die wenigen unzerstörten Häuser sollten<br />
nach dem Willen der Auslober [eines<br />
initiier ten städtebaulichen Wettbewerbes,<br />
Anmerkungen des Verfassers] vernachlässigt<br />
werden, ihr Abriss war beschlossene<br />
Sache. Nichts sollte der neuen stadtbaukünstlichen<br />
Modellierung im Wege stehen.“<br />
(Dolff-Bonekämper/Schmidt 1999:<br />
15).<br />
Der prämierte Entwurf des Teams Jobst,<br />
Kreuer und Schließer gewann im Jahr 1953<br />
den Wettbewerb zur Neugestaltung des<br />
Hansaviertels (vgl. Dolff-Bonekämper/<br />
Schmidt 1999: 15). Durch die Einbindung<br />
der Planungen in eine internationale Bauausstellung<br />
wurde der Entwurf jedoch nie<br />
realisiert, sondern vielfach überarbeitet<br />
und verlor so die ursprüngliche Formensprache<br />
(vgl. Dolff-Bonekämper/Schmidt<br />
1999: 21). Er zeichnete sich durch eine ungeordnete<br />
Anordnung der Baukörper ohne<br />
Parallelenbildungen und rechte Winkel<br />
aus. Bemerkenswert ist allerdings die Stilisierung<br />
als Antwort auf die Stalinallee mit<br />
ihren „diktatorisch ausgerichteten Bauten“<br />
(Dolff-Bonekämper/Schmidt 1999:<br />
16 f.). Entgegen der durch „Geschlossenheit,<br />
Symmetrie und Axialität“ (Dolff-Bonekämper/Schmidt<br />
1999: 17) gekennzeichneten<br />
sozialistischen Architektur der DDR<br />
verkörperte der Wettbewerbsbeitrag von<br />
Jobst, Kreuer und Schließer die Programmatiken<br />
der klassischen Moderne: Freiheit,<br />
Vielfalt und Fortschritt (vgl. Dolff-Bonekämper/<br />
Schmidt 1999: 17).<br />
Die Extravaganz des beim städtebaulichen<br />
Wettbewerb prämierten Entwurfs<br />
stellte durch die Anordnung der Gebäudekörper<br />
und die Beschränkung auf wenige<br />
Bautypen keine geeignete Grundlage<br />
für die internationale Bauausstellung<br />
dar. Mehrfach überarbeitet war die nicht<br />
rechtwinklige Gebäudeordnung einer orthogonalen<br />
Anordnung gewichen. Als dominierende<br />
städtebauliche Figur, die das<br />
Areal von Norden nach Süden durchläuft,<br />
wurde eine Achse zueinander versetzter<br />
Scheibenhochhäuser etabliert. (vgl. Dolff-<br />
Bonekämper/Schmidt 1999: 32 f.) Die fließende<br />
Verflechtung des Hansaviertels mit<br />
dem angrenzenden Tiergarten nährt dabei<br />
das Bild einer Stadtlandschaft (Stöbe/<br />
Krauss 2008: 8; Schulz/Schulz 2007: 19). So<br />
wurde auch innerhalb der Siedlung ein Augenmerk<br />
auf den Gewinn von Freiräumen<br />
trotz der hohen Bewohnerdichte gelegt.<br />
Entgegen dem Verhältnis von bebauter zu<br />
unbebauter Fläche von 1: 1,5 bei der alten<br />
Bebauung wies das „neue“ Hansaviertel<br />
ein Verhältnis von 1: 5,5 auf (vgl. Schulz/<br />
Lingenauber 2007: 29). Die gewonnenen<br />
Freiflächen waren als gemeinschaftliche<br />
Flächen für die Bewohnerschaft konzipiert<br />
und in Schmuckbereiche, Spielbereiche<br />
und Erholungsbereiche untergliedert (vgl.<br />
Schulz/Schulz 2007: 19).<br />
Mit der Ausrichtung der Interbau im Jahr<br />
1957 wurde die Neudefinition städtischer<br />
Strukturen am Beispiel des Hansaviertels<br />
der Öffentlichkeit präsentiert, mit dem Ziel,<br />
gesellschaftliche Diskussions- und Modernisierungsprozesse<br />
zu initiieren. Themenfelder<br />
waren „Stadt und Mensch, Stadt und<br />
Landschaft, Stadt und Verkehr sowie Stadt<br />
und Gesundheit“ (Schulz/Schulz 2007:<br />
23). Unübersehbar ist der Bezug zur Charta<br />
von Athen, durch die Propagierung der<br />
Funktionstrennung von Wohnen, Arbeiten,<br />
Erholung und Verkehr, und somit das Han