PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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Grundlagen für eine Qualifizierung der Debatten über „Identität durch Rekonstruktion“<br />
289<br />
Restaurativer Wiederaufbau<br />
Bei den allermeisten Wiederaufbauvorhaben,<br />
bei denen Ruinen oder ruinöse Rest<br />
quasi vervollständigt werden, folgt die Rekonstruktion<br />
einer Vorstellung der in der<br />
Regel möglichst originalgetreuen Vervollständigung<br />
fehlender Teile. Dabei wird der<br />
Übergang der Originalsubstanz zur Ergänzung<br />
nicht sonderlich hervorgehoben, sondern<br />
allenfalls durch das unterschiedliche<br />
Alter solange deutlich, bis die neuen Teile<br />
ebenfalls Patina angesetzt haben. Zum<br />
Teil wird der Unterschied sogar eher vermindert<br />
bis aufgehoben, in dem die Originalsubstanz<br />
gesäubert, verputzt, verkleidet,<br />
bemalt etc. wird. Umgekehrt wird die<br />
neue Substanz teilweise auch „auf alt“ getrimmt.<br />
Eine entsprechende Handhabung<br />
ist auch aus der restaurativen Praxis bekannt,<br />
wenngleich es sich hier in der Regel<br />
um Ergänzungen von relativ wie absolut<br />
weit geringerem Umfang geht.<br />
Abriss und Zerstörung zeitgeschichtlicher<br />
Spuren<br />
Wo keine Reste erhalten sind, ist die Negierung<br />
der Ausgangssituation und der in ihr<br />
vorhandenen zeitgeschichtlichen Spuren<br />
der stadträumlichen Entwicklung seit dem<br />
„Verschwinden“ des früheren Gebäudes<br />
vorherrschend. Bei allen recherchierten<br />
Wiederaufbauvorhaben, die auf einer Freifläche<br />
errichtet werden, ist nach Kenntnisstand<br />
diese Methode angewendet worden.<br />
Wie gezeigt, ist bzw. war die Qualität<br />
dieser Freiräume aus heutiger Sicht häufig<br />
– zumindest bezogen auf die Nutzbarkeit<br />
– eher fragwürdig. Auch erscheint es<br />
durchaus schwierig, mit den nachfolgend<br />
für einige Nachfolgerbauten dargestellten<br />
Methoden an eine wieder überbaute Freifläche<br />
zu erinnern.<br />
Doch auch viele nach dem Abtragen von<br />
Resten erneut baulich genutzte Grundstücke<br />
wurden für die Realisierung von Rekonstruktionsvorhaben<br />
erneut geräumt<br />
und bestehende Gebäude abgerissen, obwohl<br />
sie zum Teil mittlerweile selber aufgrund<br />
ihres baukünstlerischen oder zeitgeschichtlichen<br />
Wertes von Kritikern als<br />
erhaltenswert eingestuft wurden. Als Beispiel<br />
hierfür wird häufig der Berliner Palast<br />
der Republik angeführt, der für den<br />
Wiederaufbau des Stadtschlosses abgerissen<br />
wurde und dessen Eintragung auf die<br />
Denkmalliste beantragt war. In nächster<br />
Nähe musste zudem das Außenministerium<br />
der DDR für die Wiederherstellung<br />
der Alten Kommandantur durch den Bertelsmann-Konzern<br />
weichen. Ebenso wurden<br />
für Knochenhaueramtshaus und Kaiserhaus<br />
in Hildesheim jeweils Gebäude<br />
abgetragen, die in der Nachkriegszeit im<br />
Rahmen des „Wiederaufbaus“ der Altstadt<br />
errichtet worden waren. Bei einigen Bauten<br />
wie etwa dem Fernmeldeturm in Frankfurt<br />
a. M. wäre der Abriss hier aufgrund<br />
der anderweitigen Nutzungsvorstellungen<br />
für das Filetgrundstück, andernorts wegen<br />
funktionaler Mängel (Paulinerkirche<br />
bzw. Innenstadtcampus Leipzig) oder anderer<br />
stadtfunktionaler Anforderungen<br />
(U-Bahnbau und Römerberg Ostzeile in<br />
Frankfurt a. M.) auch ohne Wiederaufbauvorhaben<br />
wahrscheinlich gewesen.<br />
Gestalterische Hervorhebung der<br />
Bauwerksgeschichte<br />
Recht selten sind hingegen die verschiedenen<br />
Formen, darauf aufmerksam zu machen,<br />
dass zwischen dem Originalzustand<br />
und dem Wiederaufbau eine geschichtliche<br />
Entwicklung stattgefunden hat, die mit<br />
der Zerstörung beginnt und mit dem Prozess<br />
um den Wiederaufbau endet. So wurden<br />
beim Wiederaufbau der Frauenkirche<br />
die erhaltenen Spolien in ihrem verwitterten<br />
und insbesondere von der Brandnacht<br />
rußgeschwärzten Zustand belassen und<br />
als sichtbares Zeichen der Zerstörung in<br />
den Neubau eingebracht. Im weniger stark<br />
zerstörten Berliner Dom wurden das Mauerwerk<br />
ebenfalls nicht gesäubert und zudem<br />
auch Kriegsspuren erhalten, während<br />
in der Neuen Synagoge für die wiedererrichteten<br />
Teile leicht unterschiedliche Farben<br />
etwa der reichen Kachelverzierungen<br />
gewählt wurden. Alle diese Techniken dienen<br />
der Darstellung der Zerstörung und<br />
ggf. auch der Wiederherstellung, nicht<br />
aber dem Zeitraum dazwischen. Ein wenig<br />
anders ist dies möglicherweise beim Neuen<br />
Museum in Berlin, das auch nach der<br />
Wiederherstellung die ruinöse Optik und<br />
damit den Zustand der vergangenen sechzig<br />
Jahre so stark betont, dass hier auch<br />
eine Verbindung zu dieser Zwischenzeit<br />
entsteht. Eine eher unbewusste Form der<br />
Erinnerung an den Wiederaufbauprozess<br />
selbst ist zudem die Anbringung von Spendertafeln<br />
und Ähnlichem, wie es etwa für