PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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282 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />
oder wie bei der Christuskirche Bochum<br />
neben den ausgebrannten Glockenturm<br />
ein neues Kirchschiff gestellt wurde. Innerhalb<br />
der Liste von Wiederaufbauvorhaben<br />
konnten allerdings nur vier solche Fälle<br />
ausgemacht werden:<br />
• Das erhalten gebliebene Sockelgeschoss<br />
des Gropiushaus als Teil der Meisterhäuser<br />
Dessau wurde, wenngleich wenig offensichtlich,<br />
in das so genannte „Haus<br />
Emmer“ integriert, das in der Nachkriegszeit<br />
in betont anderer Architektursprache,<br />
gleichwohl aber mit einem<br />
ähnlichen Grundriss an seiner Stelle errichtet<br />
wurde (vgl. BMVBS 2009: 20-21).<br />
• Während das ehemalige Pellerhaus<br />
Nürnberg selber nach der erheblichen<br />
Kriegszerstörung abgeräumt und durch<br />
einen Neubau mit öffentlicher Nutzung<br />
ersetzt wurde, wurde die Fassade<br />
des Pellerhofs, also des Innenhofs<br />
des gleichnamigen Patrizierhauses, in<br />
diesen Neubau zumindest in den unteren<br />
beiden Geschossen integriert (vgl.<br />
BMVBS 2009: 18–19).<br />
• Vom Thurn-und-Taxis-Palais Frankfurt<br />
a. M. blieben in der Nachkriegszeit<br />
die Flügelbauten des Vorhofes erhalten,<br />
bzw. wurden rekonstruiert, während das<br />
Hauptgebäude einem Neubau wich (vgl.<br />
die Fallstudie).<br />
• Das ehemalige Portal IV des Berliner<br />
Stadtschlosses wurde vor der Sprengung<br />
des Gebäudes entfernt und in den<br />
Neubau des angrenzenden Staatsratsgebäudes<br />
der DDR integriert, da Karl<br />
Liebknecht vom Balkon des Portals 1918<br />
die sozialistische Republik ausgeru fen<br />
hatte.<br />
Aber auch das als „Neuinterpretation“ geführte<br />
zeitgenössische Wiederaufbauvorhaben<br />
Neues Museum Berlin könnte als<br />
ein Neubau unter Integration von erhaltenen<br />
Gebäudeteilen verstanden werden.<br />
Translokation von Gebäudeteilen<br />
Das Portal IV des Berliner Stadtschlosses<br />
ist somit auch ein Beispiel für die Translokation<br />
von Gebäudeteilen, die dann entweder<br />
für sich selbst standen oder als Teil<br />
eines anderen Gebäudes verwendet wurden.<br />
Im Nachkriegswiederaufbau fanden<br />
Translokationen aus unterschiedlichen<br />
Gründen statt: etwa um den Original<br />
standort für die Durchführung einer umfangreichen<br />
Neuplanung freizumachen<br />
oder auch um die wenigen erhaltenen Gebäude<br />
mit hohem kunsthistorischen Wert<br />
(entsprechend dem Verständnis der Zeit)<br />
an einem Ort zusammenzufassen, wie<br />
dies etwa in der Hannover Altstadt geschehen<br />
ist. Solche translozierten Gebäudeteile<br />
sind in einigen Fällen auch mit Wiederaufbauvorhaben<br />
verknüpft und wurden dort –<br />
anders als im eingangs genannten Berliner<br />
Beispiel – zur Retranslokation und Einfügung<br />
in das rekonstruierte Gebäude verwendet.<br />
So besteht die wiederaufgebaute<br />
Münchner Schrannenhalle zu einem wesentlichen<br />
Teil aus den Originalteilen, die<br />
zwischenzeitlich an einem anderen Standort<br />
verwendet wurden. Ebenso wurden<br />
Kirchenfenster des Brandenburger St-Pauli-Klosters<br />
zunächst in einer anderen Kirche<br />
am Ort eingesetzt und nun, nach der<br />
Rekonstruktion des Klosters, an den früheren<br />
Ort zurückgeführt. Noch einmal anders<br />
ist der Fall des Berliner Ephraim-Palais,<br />
das nicht im Krieg zerstört, sondern<br />
bereits zuvor für einen Brückenbau abgetragen<br />
wurde: Fassadenteile wurde schon<br />
in den 1930er Jahren eingelagert und eine<br />
spätere Translokation angedacht. Zu dieser<br />
kam es wegen des Zweiten Weltkrieges<br />
und der Teilung der Stadt erst in den<br />
1980er Jahren, als das Gebäude rund zwölf<br />
Meter vom Originalstandort entfernt unter<br />
Verwendung der Originalteile rekonstruiert<br />
wurde.<br />
Die Einlagerung von Gebäudeteilen war<br />
in den 1940er und 1950er Jahren offenbar<br />
durchaus üblich. Bei vielen Wiederaufbauvorhaben<br />
finden sich Hinweise auf<br />
die Verwendung solcher eingelagerter Reste.<br />
Sie werden von den Wiederaufbaubefürwortern<br />
auch häufig als Argument für ihr<br />
Vorhaben verwendet. Dabei scheinen der<br />
Grund und die Umstände der Einlagerung<br />
durchaus unterschiedlich: In einigen Fällen<br />
wurde bereits damals über einen Wiederaufbau<br />
diskutiert (z. B. Frauenkirche<br />
Dresden) oder zumindest von einem Bevölkerungsteil<br />
gewünscht, in anderen Fällen<br />
erschienen sie für sich von erheblichem<br />
kunsthistorischen Wert (etwa die Inneneinrichtung<br />
der Paulinerkirche Leipzig, vgl.<br />
Fallstudie) oder waren die letzten Zeugnisse<br />
eines zerstörten Gebäudes (vgl. Historisches<br />
Rathaus Wesel, vgl. Fallstudie).