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270 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143 Konkurrenz. Majer betont auch die Rolle von Leserbriefen, die ähnlich einer pressure group funktionierten. Gleichzeitig verweist er aber auch auf den positiven Aspekt populistischer Tendenzen, dass sich Fachlichkeit seit dem vermehrten zivilgesellschaftlichen Engagement der 1970er Jahre konkreter Argumente bedienen müsse. Uwe Altrock weist allerdings auch auf die Gefahr hin, dass entfachlichte Debatten scheitern können, wenn professionelle Gestaltvorstellungen nicht vermittelbar sind, und Christoph Mohr schildert seinen Eindruck, dass Rekonstruktionsbefürworter häufig relativ jung und wohlhabend, aber ebenso ahnungslos in Architekturfragen seien und daher ein „schönes Stück Altstadt“ haben wollten, was einer Retro- Konsumhaltung beim Autokauf gleiche. Damit verharrt die Diskussion ganz wesentlich in der Vorstellung, dass die Bürgerinnen und Bürger als Laien mehr oder weniger grundsätzlich nicht in der Lage seien, über die Gestalt ihrer Stadt zu entscheiden. Eine vor allem insofern wenig hilfreiche Haltung, als dadurch zum einen ein professionell-elitärer Hegemonialgeschmack propagiert und der darin enthaltende Rahmen für Bürgerbeteiligung in Gestaltfragen nicht geklärt wird und zum anderen unterschiedliche Fähigkeiten und Haltungen innerhalb der Bevölkerung sowie das daraus erwachsende Konfliktpotenzial nicht beachtet werden. Die Aufgabe von Architektur und Planung So wird den Architekten und Planern allgemein eine wichtige Aufgabe zugeschrieben, ihre Arbeit besser zu vermitteln – die „Bringschuld“ liege bei den Architektinnen, wie Ursula Baus formuliert. Uwe Altrock verweist hierbei auf Probleme von Selbstlegitimation und Selbstbezug in der Architektur in Gestaltfragen. Die Stadtplanung verfolge hier viel stärker strukturelle und funktionelle Ansätze, während Stilfragen vor allem durch den Umgang mit entsprechenden Strömungen innerhalb der Bevölkerung zum Thema würden. Doch auch der – zumal pluralistischen – Architektenschaft geht es laut Frielinghaus nicht um einen Stil, sondern um einen professionellen Umgang mit Ort und Raum sowie deren Geschichtlichkeit. Gebäude, die ihre Geschichte und Individualität zum Aus­ druck brächten, würden niemals in Zweifel gezogen. Die Probleme entständen, wo Orte fallen gelassen würden, was in Diskussion fälschlicherweise und verallgemeinernd der Moderne zugeschrieben werde. So konnte insbesondere Frielinghaus der Rekonstruktionsdebatte auch positives abgewinnen. Niemals zuvor sei so viel über Architektur gesprochen worden, sei das Interesse am Baugeschehen so groß gewesen. Nun liege es auch an der Politik, eine Bereitschaft für Baukultur zu schaffen. Stefan Majer stimmt hier zu, forderte aber gleichzeitig, das Interesse der Laien auch ernst zu nehmen. Die Frage aus dem Titel der Veranstaltung – „Was tun“ – wird so nur sehr eingeschränkt beantwortet. Die Diskussion begrüßen und als Chance sehen, die eigene Position zu „vermitteln“ – oder eher durchzusetzen – scheint eine Antwort zu sein. Ein zunächst einmal weder reflexiver noch besonders aktiver Umgang verglichen mit der von Cuadra eingangs geschilderten Bedrohung. Frankfurt – von Ferne betrachtet Schließlich werden am Beispiel der Wiederaufbaupläne für die Frankfurter Altstadt auch einige grundsätzliche Punkte erörtert. Michael Frielinghaus betont die Wichtigkeit des Ortes, die durch die nun verfolgte städtebauliche Lösung nicht zur Geltung kommen könne. Daran ändern auch die dreißig Häuser, die nicht rekonstruiert, sondern zeitgenössisch gestaltet werden sollen, nichts. Auf deren Bedeutung für das Gesamtergebnis hat Majer hingewiesen und zugleich die Stärkung der Innenstadt durch dieses Projekt betont. Er vergleicht das Frankfurter Dom- Römer-Areal dabei mit der Kasseler Unterneustadt als fachlich anerkanntes Beispiel. Doch auch Uwe Altrock kritisiert die Leitbautenstrategie als politischen Kompromiss, der widerstreitende Interessen versöhnen solle. Christoph Mohr zeigt sich mit dem Ergebnis bereits versöhnt, wenngleich er weiterhin Anderes für wünschenswert und eine Fachwerklösung für obsolet hält. Die städtebauliche Kleinteiligkeit wird von Majer als erstrebenswert, gleichzeitig aber bei Architekten und Investoren unbeliebt beschrieben, während Mohr auf die Zerstörung der Parzellen­

Die aktuelle Fachdebatte – Tendenzen eines inter- und transdisziplinären Diskurses 271 struktur durch die Umlegung in der Nachkriegszeit verweist und Frielinghaus darin vertane Chancen bemängelt. 6.34 Schlossdebatte Während die übrigen Abschnitte dieses Kapitels abstrakten, nicht mit einem einzelnen Wiederaufbauvorhaben verknüpften Fachdebatten gewidmet sind, soll im Folgenden mit der Diskussion um den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses ein Ausschnitt aus einer solchen zunächst einmal lokalen Debatte untersucht werden. Eine Untersuchung der langjährigen Auseinandersetzung um den Wiederaufbau des Schlosses, Abriss des Palasts der Republik wie auch die städtebauliche Funktion des Areals ist an dieser Stelle weder leistbar noch angesichts des Stands der Forschung (vgl. u. a. Altrock 2003, Schug 2007, Ellrich 2008) notwendig. Daher sollen nur die aktuellen Entwicklungen seit der Bekanntgabe der Ergebnisse des Architektenwettbewerbs am 27. November 2008 analysiert und hierfür insbesondere auf die Berichterstattung der überregionalen Presse zurückgegriffen werden. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass von der Berliner Debatte eine erhebliche Wirkung innerhalb der fachlichen wie nicht-fachlichen Diskussion sowohl um konkrete Wiederaufbauvorhaben als auch um Rekonstruktion insgesamt ausgeht. Spätestens seit Ende der vor allem unter Experten geführten Auseinandersetzung um die Dresdner Frauenkirche ist der Schloss(platz)-Diskurs als die zentrale Debatte innerhalb des Themenfeldes anzusehen, wenngleich sie in vielerlei Hinsicht auch als Sonderfall anzusehen ist. Zudem erlangt sie dadurch nationale Bedeutung, dass die Bundesrepublik Deutschland hier als Bauherrin fungieren wird und das Vorhaben daher als einziges Gegenstand einer Bundestagsdebatte war – und voraussichtlich in der kommenden Legislaturperiode wieder sein wird. Auch wird der Auftraggeber auf diese Weise der Auftragbeschreibung gerecht, die explizit eine Auseinandersetzung mit der aktuellen Fortentwicklung der Berliner Diskussion wünscht. Nachdem der deutsche Bundestag bereits im Juli 2002 mit einer Zweidrittelmehrheit für den Bau des so genannten Humboldt- Forums mit Teilrekonstruktion des einstigen Stadtschlosses gestimmt hatte, wurde mit der Bereitstellung von Haushaltsmitteln Ende 2007 auch der Weg frei für die Ausschreibung eines Architektenwettbewerbs. Wesentliche Vorgaben der Ausschreibung waren die vom Bundestag vorgegebenen Rekonstruktionen von je drei Seiten der Außenfassade und des Schlüterhofes sowie die Integration einer Kuppel. Zudem war das vorgesehene Nutzungskonzept innerhalb eines entsprechenden Raumprogramms unterzubringen. In einer ersten, international offen ausgeschriebenen Wettbewerbsstufe beteiligten sich 158 Büros, von den dreißig zu einer Überabreitung innerhalb der zweiten Stufe eingeladen wurden. Der mit 100 000 Euro dotierte erste Preis ging an Franco Stella, der unter anderem auch eine zusätzliche Rekonstruktion der Schlosskuppel von Schlüter vorgesehen hatte. Während ein zweiter Platz nicht vergeben wurde, erhielt das Büro Kuehn Malvezzi einen mit 70 000 Euro ausgestatteten Sonderpreis. Mit der Verkündung des Jury-Ergebnisses zum internationalen Architekturwettbewerb ist die mittlerweile mindestens 17 Jahre andauernde (vgl. Schulz 2009) Debatte um die mögliche Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses in eine neue Phase eingetreten. Zum einen wird durch das Vorliegen eines konkreten, zur Realisierung nicht nur vorgeschlagenen, sondern doch wenigstens vorentschiedenen Entwurfs eine wesentlich konkretere Auseinandersetzung mit dem Vorhaben möglich, die vor allem im Sinne einer fachlichen Architekturkritik stattfindet. Tatsächlich hat eine breite Diskussion trotz Ausstellung der Wettbewerbsbeiträge nicht stattgefunden (vgl. etwa Seils 2008) und blieb es aus der Reihe der Rekonstruktionsbefürworter erstaunlich ruhig. Zum anderen war die Entscheidung auch Anlass insbesondere für prinzipielle Kritiker des Vorhabens, ihre Argumente erneut vorzubringen und die Debatte weitgehend unbeeinflusst durch das Wettbewerbsergebnis fortzuführen. Schließlich scheint der Wettbewerb aber mit dem als Sonderpreis gewürdigten Beitrag von Kuehn Malvezzi (Berlin) auch ein Ergebnis erbracht zu haben, das als bislang vermisste Alternative zur Rekonstruktion bzw. als Vermittlungsposition avancieren könnte – oder zumindest

270 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />

Konkurrenz. Majer betont auch die Rolle<br />

von Leserbriefen, die ähnlich einer pressure<br />

group funktionierten. Gleichzeitig<br />

verweist er aber auch auf den positiven Aspekt<br />

populistischer Tendenzen, dass sich<br />

Fachlichkeit seit dem vermehrten zivilgesellschaftlichen<br />

Engagement der 1970er<br />

Jahre konkreter Argumente bedienen müsse.<br />

Uwe Altrock weist allerdings auch auf<br />

die Gefahr hin, dass entfachlichte Debatten<br />

scheitern können, wenn professionelle<br />

Gestaltvorstellungen nicht vermittelbar<br />

sind, und Christoph Mohr schildert seinen<br />

Eindruck, dass Rekonstruktionsbefürworter<br />

häufig relativ jung und wohlhabend,<br />

aber ebenso ahnungslos in Architekturfragen<br />

seien und daher ein „schönes Stück<br />

Altstadt“ haben wollten, was einer Retro-<br />

Konsumhaltung beim Autokauf gleiche.<br />

Damit verharrt die Diskussion ganz wesentlich<br />

in der Vorstellung, dass die Bürgerinnen<br />

und Bürger als Laien mehr oder<br />

weniger grundsätzlich nicht in der Lage<br />

seien, über die Gestalt ihrer Stadt zu entscheiden.<br />

Eine vor allem insofern wenig<br />

hilfreiche Haltung, als dadurch zum einen<br />

ein professionell-elitärer Hegemonialgeschmack<br />

propagiert und der darin enthaltende<br />

Rahmen für Bürgerbeteiligung in<br />

Gestaltfragen nicht geklärt wird und zum<br />

anderen unterschiedliche Fähigkeiten und<br />

Haltungen innerhalb der Bevölkerung sowie<br />

das daraus erwachsende Konfliktpotenzial<br />

nicht beachtet werden.<br />

Die Aufgabe von Architektur und Planung<br />

So wird den Architekten und Planern allgemein<br />

eine wichtige Aufgabe zugeschrieben,<br />

ihre Arbeit besser zu vermitteln – die<br />

„Bringschuld“ liege bei den Architektinnen,<br />

wie Ursula Baus formuliert. Uwe Altrock<br />

verweist hierbei auf Probleme von Selbstlegitimation<br />

und Selbstbezug in der Architektur<br />

in Gestaltfragen. Die Stadtplanung<br />

verfolge hier viel stärker strukturelle und<br />

funktionelle Ansätze, während Stilfragen<br />

vor allem durch den Umgang mit entsprechenden<br />

Strömungen innerhalb der Bevölkerung<br />

zum Thema würden. Doch auch<br />

der – zumal pluralistischen – Architektenschaft<br />

geht es laut Frielinghaus nicht um<br />

einen Stil, sondern um einen professionellen<br />

Umgang mit Ort und Raum sowie deren<br />

Geschichtlichkeit. Gebäude, die ihre<br />

Geschichte und Individualität zum Aus­<br />

druck brächten, würden niemals in Zweifel<br />

gezogen. Die Probleme entständen, wo<br />

Orte fallen gelassen würden, was in Diskussion<br />

fälschlicherweise und verallgemeinernd<br />

der Moderne zugeschrieben<br />

werde. So konnte insbesondere Frielinghaus<br />

der Rekonstruktionsdebatte auch positives<br />

abgewinnen. Niemals zuvor sei so<br />

viel über Architektur gesprochen worden,<br />

sei das Interesse am Baugeschehen so groß<br />

gewesen. Nun liege es auch an der Politik,<br />

eine Bereitschaft für Baukultur zu schaffen.<br />

Stefan Majer stimmt hier zu, forderte<br />

aber gleichzeitig, das Interesse der Laien<br />

auch ernst zu nehmen.<br />

Die Frage aus dem Titel der Veranstaltung<br />

– „Was tun“ – wird so nur sehr eingeschränkt<br />

beantwortet. Die Diskussion<br />

begrüßen und als Chance sehen, die eigene<br />

Position zu „vermitteln“ – oder eher<br />

durchzusetzen – scheint eine Antwort zu<br />

sein. Ein zunächst einmal weder reflexiver<br />

noch besonders aktiver Umgang verglichen<br />

mit der von Cuadra eingangs geschilderten<br />

Bedrohung.<br />

Frankfurt – von Ferne betrachtet<br />

Schließlich werden am Beispiel der Wiederaufbaupläne<br />

für die Frankfurter Altstadt<br />

auch einige grundsätzliche Punkte<br />

erörtert. Michael Frielinghaus betont die<br />

Wichtigkeit des Ortes, die durch die nun<br />

verfolgte städtebauliche Lösung nicht zur<br />

Geltung kommen könne. Daran ändern<br />

auch die dreißig Häuser, die nicht rekonstruiert,<br />

sondern zeitgenössisch gestaltet<br />

werden sollen, nichts. Auf deren Bedeutung<br />

für das Gesamtergebnis hat Majer<br />

hingewiesen und zugleich die Stärkung<br />

der Innenstadt durch dieses Projekt betont.<br />

Er vergleicht das Frankfurter Dom-<br />

Römer-Areal dabei mit der Kasseler Unterneustadt<br />

als fachlich anerkanntes Beispiel.<br />

Doch auch Uwe Altrock kritisiert die Leitbautenstrategie<br />

als politischen Kompromiss,<br />

der widerstreitende Interessen versöhnen<br />

solle. Christoph Mohr zeigt sich<br />

mit dem Ergebnis bereits versöhnt, wenngleich<br />

er weiterhin Anderes für wünschenswert<br />

und eine Fachwerklösung für<br />

obsolet hält. Die städtebauliche Kleinteiligkeit<br />

wird von Majer als erstrebenswert,<br />

gleichzeitig aber bei Architekten und Investoren<br />

unbeliebt beschrieben, während<br />

Mohr auf die Zerstörung der Parzellen­

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