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Die aktuelle Fachdebatte – Tendenzen eines inter- und transdisziplinären Diskurses<br />

263<br />

Aus dieser Akteurskonstellation heraus lassen<br />

sich auch die Konflikte zwischen den<br />

grundsätzlich widerstreitenden Gruppen<br />

eingehender betrachten. Thomas Schmidt-<br />

Lux arbeitet für seine Fallstudie der Leipziger<br />

Paulinerkirche drei Konfliktlinien heraus,<br />

erstens den Umgang mit dem von der<br />

DDR-Führung begangenen Unrecht der<br />

Sprengung (Wiedergutmachung oder Erinnerung),<br />

zweitens die sakrale oder säkulare<br />

Nutzung und drittens – hier deutlich<br />

untergeordnet – die für ihn ästhetische<br />

Frage nach Wiederaufbau oder zeitgenössischem<br />

Entwurf. Dabei sei der mittlerweile<br />

„Paulinum“ genannte Bau der Anlass für<br />

das Manifest-Werden der Konflikte, biete<br />

gleichzeitig aber viele Möglichkeiten, in<br />

Kommunikation mit und durch Architektur<br />

Kompromisse zu schließen. Unmöglich<br />

erscheine dies abhängig von den Forderungen<br />

der Akteure nur in wenigen Punkten<br />

(etwa einer ausschließlichen Nutzung).<br />

Förderlich ist hierbei, dass die Formulierung<br />

einer strikt modernen Gegenposition<br />

ausgeblieben ist und von den entsprechenden<br />

Protagonisten von vorneherein das Zitat<br />

als letztlich erfolgreiche Vermittlungsposition<br />

eingebracht wurde. Nicht nur<br />

hierin zeigt sich die Besonderheit des Falls:<br />

Die eindeutige, gesellschaftlich legitimierlierten<br />

Frage, warum sich die Zivilgesellschaft<br />

überhaupt mit Rekonstruktionen<br />

beschäftige, wenn es doch so viele andere<br />

Probleme gebe. So weist Oliver Schmidtke<br />

einerseits auf die Eigensicht der Befürworter<br />

als „demokratische Avantgarde“ hin<br />

und bekräftigt dies, indem er im Bezug auf<br />

sein Fallbeispiel des Frankfurter Dom-Römer-Areals<br />

auf die Notwendigkeit einer<br />

neuerlichen „Tabula Rasa“ durch Abriss<br />

des vormals avantgardistischen Technischen<br />

Rathauses verweist. Dass die weniger<br />

zerstörte Altstadt als Ergebnis jahrhundertelanger<br />

Entwicklung gerade eine<br />

„Anti-Tabula Rasa“ sei, zeigt für ihn die<br />

Widersprüchlichkeit dieser Position. Seine<br />

Analyse von Internetforen zeigt einerseits<br />

die Binnensicht von Rekonstruktion<br />

als gleichberechtigtem Teil der Architektur<br />

(wie bereits die Namen des wichtigsten Forums<br />

„architektur-forum.net“ belegt), andererseits<br />

auch die für sich sachliche, nur<br />

in der Ablehnung modernen und zeitgenössischen<br />

Bauens stark emotionalisierte<br />

Debatte, die auch weitgehend auf übertriebene<br />

Selbstdarstellung und Personalisierung<br />

verzichte (einzige Ausnahme seien<br />

die als „Helden“ gefeierten Programmierer<br />

des digitalen Altstadtmodells Frankfurt).<br />

Hieran schließt sich in gewisser Weise die<br />

Beobachtung Ralph Richters (Universität<br />

Leipzig) an, der zufolge die starke überregionale<br />

Medienpräsenz des Paulinervereins<br />

letztlich zu einer Widerstandshaltung<br />

der Leipziger gegenüber einem Wiederaufbau<br />

der Leipziger Paulinerkirche geführt<br />

habe. Allerdings bezieht er sich hierbei vor<br />

allem auf die Entgrenzung eines lokalen<br />

Diskurses und weniger auf die offene Zurschaustellung<br />

eigener Interessen.<br />

Weniger ausführlich wird auf die Gegner<br />

von Wiederaufbauvorhaben (WAV) eingegangen,<br />

wobei Oliver Schmidtke auch feststellt,<br />

dass es keine „Bürgerbewegung gegen<br />

Rekonstruktionen“ gäbe. In seinem<br />

Frankfurter Fall – aber auch in anderen lokalen<br />

Debatten – sei der Erhalt des Status<br />

Quo (in Frankfurt die modernen Gebäude<br />

des Technischen Rathauses) das zentrale<br />

Anliegen. Für die Gegnerschaft innerhalb<br />

der Architektenschaft gibt er hingegen –<br />

in Widerspruch zu René Seyfarths These<br />

– ein wesentlich pragmatischeres Argument<br />

an: Sie seien persönlich betroffen,<br />

weil die Rekonstruktion den Wegfall des<br />

architektonischen Entwurfs als Kern ih­<br />

rer Profession bzw. professionellen Selbstwahrnehmung<br />

darstelle. Schließlich wird<br />

in der Diskussion zu Stefanie Duttweilers<br />

(Universität Basel) Beitrag zu „Sicherung<br />

des Bestandes – Funktion und Zeichen der<br />

Kirchen“ zudem auf die besondere Rolle<br />

der Kirchen bei Debatten um den Wieder-Aufbau<br />

von christlichen Sakralbauten<br />

eingegangen: Während es primär Kirchenfremde<br />

seien, die Rekonstruktionen fordern,<br />

schreibe der gesellschaftliche Diskurs<br />

der (Institution) Kirche die Rolle zu,<br />

Veränderungen entgegen zu stehen und<br />

damit trotz des ggf. mit der Wiedererrichtung<br />

verbundenen Bedeutungsgewinns<br />

gegen solche Vorhaben zu argumentieren<br />

(vgl. Dresden, Potsdam, Magdeburg). Anders<br />

stellt sich die Diskussion in Leipzig<br />

dar, wo – zunächst allerdings unabhängig<br />

von der baulichen Form – eine umfassende<br />

Auseinandersetzung um die Nutzung<br />

des „Paulinums“ als Aula und/oder Kirche<br />

geführt wurde (vgl. insbesondere den Beitrag<br />

von Thomas Schmidt-Lux).<br />

Konflikte

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