PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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Die aktuelle Fachdebatte – Tendenzen eines inter- und transdisziplinären Diskurses<br />
255<br />
6.21 „Die Schleifung: Zerstörung und<br />
Wiederaufbau historischer<br />
Bauten in Deutschland und<br />
Polen“ – Symposium im Kronprinzenpalais<br />
Berlin, Januar 2002<br />
Semler (2002) fasst das Ergebnis der Tagung<br />
unter der Überschrift „Die alten<br />
Fronten also, neu aufgelegt“ zusammen.<br />
Welche Seite innerhalb der Rekonstruktionsdebatte<br />
dabei den „Frontverlauf“ für<br />
sich verändern kann, scheint dabei allerdings<br />
ebenfalls eine Frage des Blickwinkels:<br />
Obwohl die meisten Beiträge Rekonstruktionen<br />
„positiv zugeneigt“ (N.N. 2006)<br />
scheinen, stellen Semler (2002) und Michel<br />
(2002) deutliche Schwächen in deren<br />
Argumentation heraus, etwa bezüglich<br />
der Bewertung der polnischen „Vorbilder“<br />
aus der Nachkriegszeit. Für Michel<br />
(2002) scheint es gar, als „parodiere“ Wilhelm<br />
von Boddien als deutlichster Befürworter<br />
„sich selbst“, laufe er doch „zur rhetorischen<br />
Hochform auf“, ohne dadurch in<br />
seiner Argumentation klarer zu werden.<br />
Durch den Unwillen der Veranstalter, direkt<br />
an der aktuellen Debatten anzusetzen<br />
und das eigene Thema der „Schleifung“<br />
von vorneherein damit zu verbinden, gehen<br />
wertvolle Diskussionsstränge und Betrachtungsgegenstände<br />
unter oder verloren.<br />
Hofmann (2006) weist hier insbesondere<br />
auf die nur marginale Beschäftigung mit<br />
„der Aversion gegen bauliche Hinterlassenschaften<br />
der DDR, die man aus dem<br />
historischen Gedächtnis löschen möchte“,<br />
hin und somit auf die Frage, wie stark<br />
eben jene für die Vergangenheit unterstellten<br />
symbolpolitischen Akte, die eingangs<br />
als „Schleifung“ bezeichnet worden sind,<br />
nicht auch gegenwärtig vorzufinden sind.<br />
Viel deutlicher allerdings wird der beabsichtigte<br />
Mangel an Anschlussfähigkeit an<br />
die Wiederaufbaudebatte, deren Protagonisten<br />
dann in Diskussionen relativ willkürlich<br />
nach Anschluss suchen, in einem<br />
anderen Punkt: So bleibt weitgehend ungeklärt,<br />
ob die für die „Schleifungen“ angenommene<br />
– und teilweise verworfene<br />
(Durth; In: Bingen/Hinz: 2005: 47–65)<br />
– Dominanz symbolpolitischer Gründe<br />
auch für die spätere Wiederherstellung gilt.<br />
Zwar zeigt sich, dass für Rekonstruktionsbefürworter<br />
wie Wilhelm von Boddien diese<br />
Dimension bei der Zerstörung zentral<br />
für den Wiederaufbauwunsch bzw. dessen<br />
Legitimation ist, doch ist es lediglich<br />
von Winterfeld überlassen, zumindest auf<br />
den politisch-öffentlichen und eben nicht<br />
kulturgeschichtlich-wissenschaftlichen<br />
Charakter der Rekon struktionsvorhaben<br />
zu verweisen. Wilderotter zeigt in seiner<br />
Analyse der „klassischen“ Debatte um das<br />
Heidelberger Schloss immerhin die symbolpolitische<br />
Bedeutung der Nicht-Wiederherstellung.<br />
Auch wird nicht auf andere<br />
Formen der Zerstörung als Anlass für<br />
Rekonstruktionen verwiesen und der Akt<br />
der „Schleifung“ diesen gegenübergestellt,<br />
wie dies erst Fernando Vegas während der<br />
Tagung „Das Prinzip Rekonstruktion“ (vgl.<br />
Hillmann 2008: 3) tut. Dies hätte der Differenzierung<br />
an dieser Stelle sicherlich<br />
gut getan, zumal von Boddien ganz allgemein<br />
den Mangel an historischer Bausubstanz<br />
als Grund für Rekonstruktionssehnsüchte<br />
anführt. So wird auch nicht geklärt,<br />
in welchem Verhältnis die Tatsache einer<br />
willentlichen Zerstörung einen potenziellen<br />
späteren Wiederaufbau beeinflusst.<br />
Wesentliche denkmalpflegerische Fragestellungen<br />
bezüglich Rekonstruktionen,<br />
wie sie später insbesondere in der Symposiumsreihe<br />
„Nachdenken über Denkmalpflege“<br />
und der Tagung „Das Prinzip<br />
Rekonstruktion“ eine Vertiefung finden,<br />
werden hier bereits in den Vorträgen angesprochen,<br />
ohne allerdings später berücksichtigt<br />
zu werden. So wird weitgehend<br />
implizit die These von kontinuierlicher<br />
Wiederaufbautätigkeit in der Geschichte<br />
formuliert und auf die alltägliche rekonstruktive<br />
Praxis der Denkmalpflege verwiesen,<br />
ohne dass hierauf näher eingegangen<br />
würde. Von Winterfelds Bemerkung<br />
zum politischen Ansatz hinter Dehios Widerspruch<br />
zum Wiederaufbau des Heidelberger<br />
Schlosses ist sicherlich wichtig für<br />
die Frage der Übertragbarkeit in die Jetztzeit,<br />
gleichzeitig entkräftet sein Verweis<br />
auf die Beleghaftigkeit des ruinösen Heidelberger<br />
Schlosses für die fast vollständige<br />
Zerstörung Heidelbergs teilweise das<br />
Argument von der Einzigartigkeit der Zerstörungen<br />
des Zweiten Weltkriegs. Insbesondere<br />
aber kann das differenzierte Bild<br />
des polnischen Nachkriegswiederaufbaus,<br />
das etwa auch dessen Selektivität hinsichtlich<br />
„deutscher“ Geschichtsspuren<br />
mit einschließt, nicht in die weitere Debatte<br />
gerettet werden.<br />
Zwei weitere, eher erwähnte denn (aus)diskutierte<br />
Themen scheinen wertvoll für die