PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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252 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />
schreibt, erläutert Seidenspinner wie folgt:<br />
„[...] sie [die Authentizität] liegt also letztlich<br />
in der – ja: in der Imagination, und<br />
zwar in der je verschiedenen Imagination<br />
von Nationen, Völkern, Klassen, Gruppen,<br />
Regionen, Städten, Individuen usw. bis hin<br />
zu den Teilidentitäten eines Individuums,<br />
die seine Identität im Singular bilden. Keine<br />
authentische Geschichte also, sondern<br />
nur authentische Sehnsucht. Denkmale<br />
sind Orte authentischer Sehnsüchte (Seidenspinner<br />
2007b: 6).“<br />
6.12 Die Umbruchzeit der 1980er<br />
Jahre in der DDR sowie politische<br />
Wende und Wiedervereinigung<br />
als Katalysatoren einer<br />
Rekonstruktionswelle<br />
Die friedliche Revolution des Jahres 1989<br />
und die daraus resultierende politische<br />
Wende in der DDR führte aus vielerlei<br />
Gründen zu einem Anstieg der Zahl von<br />
Rekonstruktionsvorhaben vor allem in<br />
den ostdeutschen Bundesländern. So waren<br />
Rekonstruktionen hier – zumindest in<br />
der Phase zwischen Stalins Tod und Honeckers<br />
Regierungszeit – durch Staat und<br />
Partei stärker verpönt gewesen, als sich<br />
diese Position innerhalb der bundesdeutschen<br />
Diskussion nach dem Krieg und<br />
in den nachfolgenden Jahrzehnten hatte<br />
durchsetzen können. Auch wurden wohl<br />
mit größerer Vehemenz Sprengungen von<br />
Baudenkmalen auch gegen den Willen der<br />
Bevölkerung durchgeführt. Die Dresdener<br />
Residenz ist hier eines von wenigen Gegenbeispielen.<br />
Obwohl sich diese Haltung<br />
während der 1980er Jahre mit der Zuwendung<br />
der Stadtpolitik zur Innenstadt und<br />
den teilweise „kritischen“ Rekonstruktionsvorhaben<br />
etwa in Berlin im Zusammenhang<br />
mit dem 750-jährigen Stadtjubiläum<br />
änderte (Ephraim-Palais, Berliner<br />
Dom, Nikolaiviertel, aber z. B. auch Marktnordseite<br />
Weimar), so fehlten in der Regel<br />
die finanziellen Mittel, Rekonstruktionen<br />
– zumal originalgetreu durchzuführen.<br />
Schließlich wird die gegen die Stadtzerstörung<br />
des modernen Staates gerichtete<br />
Kritik, die sich auch in den Debatten der<br />
1970er Jahre in der BRD zeigt, hier innerhalb<br />
der Wendezeit zu einem Element des<br />
(nachträglichen) Widerstands gegen die<br />
staatliche Willkür (vgl. Kap. 5.2.).<br />
Andererseits hat sich auch die Fachdebatte<br />
in der DDR anders entwickelt als in der<br />
BRD, wie dies bereits im Zusammenhang<br />
mit dem Dresdener Fallbeispiel dargestellt<br />
wurde. Hier war es neben dem starken<br />
Engagement innerhalb der Stadtgesellschaft<br />
insbesondere der später zum Landeskonservator<br />
ernannte städtische Denkmalpfleger<br />
Hans Nadler, der bereits in der<br />
Nachkriegszeit die Bedeutung von Rekonstruktionen<br />
hervorhob und diese Position<br />
auch in den nachfolgenden Jahrzehnten<br />
beibehielt und weiterentwickelte. Auf ihn<br />
geht bereits in den 1970er Jahren die Idee<br />
des „Leitbautenkonzepts“ (Paul 2008: 6,<br />
Donath 2008: 106, Menting: 24 f.) zurück.<br />
Dass er trotz seiner in Fragen der Rekonstruktion<br />
häufig gegen die SED-Führung gerichteten<br />
Argumentation in eine gehobene<br />
Position kommen konnte, unterstreicht<br />
dabei seine Bedeutung. Dabei sicherte<br />
etwa den Bestand wiederaufbaufähiger<br />
Ruinen (u. a. Residenzschloss, Semperoper,<br />
Frauenkirche) durch den Vorschlag neue<br />
„gesellschaftliche Nutzungen“ (Donath<br />
2006: 103). In Dresden wurde 1981 auch<br />
ein Städtebausymposium zum „Rekonstruktionsgebiet<br />
Neumarkt“ durchgeführt,<br />
das der Bund der Architekten der DDR, der<br />
Stadtrat und die Technischen Universität<br />
veranstalteten und das vor allem die Fachdiskussion<br />
erneut in Gang setzte. Gleichzeitig<br />
wurde auf dem X. Parteitag der SED<br />
die Wiederherstellung des Dresdener Zentrums<br />
zur „[…] Pflege und Wahrung unseres<br />
kulturellen Erbes und für die Entwicklung<br />
der sozialistischen Nationalkultur“<br />
beschlossen. Nicht verwunderlich ist es<br />
daher, dass in Dresden auch einer der lokalen<br />
Schwerpunkte der in der Wendezeit<br />
ausgelösten Rekonstruktionswelle liegt<br />
und hier mithin auch das Referenzobjekt –<br />
die Frauenkirche – errichtet wurde.<br />
Nicht nur die Frauenkirche, auch die Haltung<br />
der sächsischen Denkmalpflege<br />
strahlte auf die mehr und mehr bundesweit<br />
geführte Debatte ab, was nicht zuletzt<br />
auch mit der medialen Strategie der<br />
Frauenkirchen-Initiative und dem Status<br />
des Wiederaufbauvorhabens als quasi<br />
nationaler, wenn nicht gar Völker verbindenden<br />
– von Spendern aus Deutschland<br />
und der ganzen Welt finanzierten – Aufgabe.<br />
Durch Aufsätze und Tagungsbeiträge<br />
wurde der sicherlich in vielen Beziehungen<br />
besondere Fall Dresdens und<br />
der Frauenkirche zum Beispiel für weitere<br />
Rekonstruktionsvorhaben stilisiert