PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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Fallstudien<br />
245<br />
baut worden sei, ohne dabei auf eine moderne<br />
Formensprache zu setzen, seien die<br />
Menschen glücklicher, habe ihm ein Baudezernent<br />
in Berlin verraten. Aus beiden<br />
Anekdoten spricht eine politische „Übersetzung“<br />
der Rekonstruktionsthematik auf<br />
die symbolische und entfachlichte Ebene,<br />
die sich damit bewusst gegen rekonstruktionskritische<br />
Argumente immunisiert.<br />
5.53 Lösungsalternativen als Ausdruck<br />
möglicher politischer Auswege<br />
Weiterhin muss berücksichtigt werden,<br />
dass im Zusammenhang mit der Herausbildung<br />
einer heterogenen „Diskurskoalition“<br />
(Hajer 1995), die in einem unübersichtlichen<br />
Entscheidungsumfeld zur<br />
Durchsetzbarkeit maßgeblich ist und in<br />
der sich unterschiedlichste Argumente sowie<br />
Akteure zusammenfinden können, die<br />
stadträumlichen Voraussetzungen ihrerseits<br />
einen wichtigen Faktor darstellen. Es<br />
wurde bereits darauf hingewiesen, welche<br />
Bedeutung „Gelegenheitsfenstern“ zukommt,<br />
die von bestimmten Akteuren –<br />
nicht zuletzt Politikern – genutzt werden<br />
und nicht verstreichen sollten. Gelegenheiten<br />
ergeben sich aus immobilienwirtschaftlichen<br />
und nutzungsbezogenen Umbruchsituationen,<br />
in denen ohnehin eine<br />
Entscheidung über die Zukunft eines Orts<br />
bzw. eines Grundstücks ansteht. Öffnet<br />
sich ein Gelegenheitsfenster, ergeben sich<br />
hieraus je nach räumlicher „Ausstattung“<br />
des Orts unterschiedliche Handlungsoptio<br />
nen.<br />
So wird ein Einzelgrundstück völlig anders<br />
verhandelt als ein ganzer Stadtteil.<br />
Die weitgehend originalgetreue Rekonstruktion<br />
eines Einzelbauwerks ist in finanzieller,<br />
organisatorischer und vor allem<br />
strategischer Hinsicht realisierbar<br />
– Widerstand wird im einzelnen Entscheidungsverfahren<br />
mit den benannten Argumenten<br />
überwunden, vor allem mit Blick<br />
auf die Besonderheit der Situation und<br />
des zu rekonstruierenden Bauwerks. Im<br />
Fall eines Ensembles oder eines Großbauwerks<br />
wird das sehr viel schwieriger, lässt<br />
sich aber über längere Zeit in Schritten organisieren<br />
wie im Fall des Berliner oder<br />
des Potsdamer Stadtschlosses. Dagegen<br />
lässt sich bei einem Stadtteil wie am Dresdener<br />
Neumarkt selbst mit Verweis auf die<br />
kunsthistorische Bedeutung, den Doku<br />
mentationsgrad und die städtebauliche<br />
Wirkung der Gesamtheit der Bauten eine<br />
weitgehende Rekonstruktion nicht durchsetzen<br />
und eine diesbezügliche Argumentation<br />
nicht halten.<br />
Ein Stadtteil wird anders verhandelt, da<br />
Entscheidungen auf städtebaulicher, gestalterischer<br />
und parzellenbezogener<br />
Ebene zu fällen sind und dort je unterschiedliche<br />
Grade des Eingehens auf den<br />
historischen Zustand bzw. die aktuellen<br />
Bedürfnisse beispielsweise von Investoren<br />
und Nutzern erlauben. Die Besonderheitsargumentation<br />
lässt sich nicht beliebig<br />
wiederholen. Die Herausbildung<br />
der Leitbautenstrategie erscheint in diesem<br />
Zusammenhang in mehrerlei Hinsicht<br />
folgerichtig. Einerseits lässt sich aus<br />
ihr ein politisch bewältigbarer Konfliktlösungspfad<br />
ableiten, indem keine unkontrollierbaren<br />
Kompromisse am Einzelbau<br />
vollzogen werden müssen (diese werden<br />
ja auch zum Gegenstand von Kritik), sondern<br />
unterschiedliche Akteure ihre jeweiligen<br />
„Spielwiesen“ erhalten (im Rahmen<br />
der Festlegungen einer Gesamtsteuerung<br />
für den Stadtteil). Andererseits bündeln sie<br />
die Besonderheitslogik aus der Sicht der<br />
Rekonstruktionsbefürworter sinnfällig, so<br />
dass diese nicht an jedem einzelnen Vorhaben<br />
wieder ihre Position neu deutlich<br />
machen müssen. Diese Reduzierung von<br />
Komplexität in der Entscheidungsfindung<br />
erlaubt es auch, überhaupt politikfähige<br />
Verfahren zu konstruieren, wenngleich<br />
diese nicht in jedem Fall kritiklos und unangefochten<br />
über die Bühne gehen.<br />
Auch die Einzelvorhaben zeigen, wie die<br />
gegebenen Rahmenbedingungen zum Set<br />
der Handlungsalternativen einen wesentlichen<br />
Beitrag leisten. Die verringerte Größe<br />
des Thurn-und-Taxis-Palais’ ist in diesem<br />
Sinne als ein Zugeständnis an die<br />
Machbarkeit des Projekts zu verstehen und<br />
wird aus der Position externer Beobachter<br />
zu recht kritisiert, da sie im Widerspruch<br />
mit der historischen Genauigkeit der Rekonstruktion<br />
steht. Hier zeigt sich, dass<br />
Diskurskoalitionen, die unterschiedliche<br />
Teilargumente in die Waagschale werfen,<br />
keineswegs immer in sich selbst konsistent<br />
sind, sondern latente Widersprüche in sich<br />
bergen können, die nicht zwangsläufig<br />
ihre Durchsetzungsfähigkeit hemmen. Im<br />
Fall des Rathauses von Wesel ergibt sich