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242 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />

tailfragen – lässt hier die Rekonstruktionsbefürworter<br />

in Vorhand gegenüber<br />

abstrakt-wissenschaftlichen Gegenpositionen<br />

gehen. Wo diese Klarheit nicht herstellbar<br />

ist, wird es auch für die Befürworter<br />

schwer. Am Beispiel der Paulinerkirche<br />

in Leipzig wird deutlich, dass Uneinigkeit<br />

und frühe Aufgabe der Maximalforderung<br />

nach originalgetreuer Rekonstruktion<br />

durch die Befürworter deren Scheitern bedeuten<br />

können. Aufschlussreich für diesen<br />

Zusammenhang ist die beobachtete und<br />

immer wieder kritisierte Vergröberungslogik<br />

in der Argumentation von Befürwortern:<br />

Indem sie auf die Größe des Entwurfs<br />

von Schinkel, Schlüter, Bähr oder<br />

sonst jemandem hinweisen (bzw. auf die<br />

Schönheit des barocken Elbflorenz oder<br />

die Seltenheit der flämischen Spätgotik),<br />

negieren sie die Verwerfungen und Überprägungen<br />

der nachfolgenden Jahrzehnte<br />

oder gar Jahrhunderte. Die Ablehnung der<br />

historischen Überprägungen nach dem<br />

als so grandios erachteten Barockzeitalter<br />

(das Verweise auf August den Starken und<br />

Canaletto zulässt) ist also für die Gegner<br />

eindeutig eine kulturhistorische Schwäche<br />

der Befürworter. Das ihr innewohnende<br />

„Entrückungspotential“ ist aber Voraussetzung<br />

dafür, im Diskurs die herausragende<br />

Bedeutung des zu Rekonstruierenden zu<br />

beschwören und argumentativ zu stabilisieren.<br />

Im Vorgriff auf das nachfolgende<br />

Kapitel wird auch unter Einbeziehung der<br />

Berliner Schlossdebatte hieraus ein Schuh:<br />

Zwar schlägt sich praktisch die ganze kulturkritische<br />

Fachwelt auf die Seite des verblüffenden<br />

Entwurfs von Kühn/Malvezzi,<br />

der dem Schlosswiederaufbau in Berlin<br />

Zeit lassen will, sich in der weiteren Bewährung<br />

der nächsten Jahre erst ein abschließendes<br />

und noch zu entwickelndes<br />

Fassadenkleid zuzulegen, doch kommt<br />

dieser Entwurf über einen Sonderpreis<br />

nicht hinaus, da seine Prämierung die Bedeutungslogik<br />

des Schlüter-Entwurfs in<br />

Frage stellen würde, auf dessen Mythos<br />

(herausragende Architektenpersönlichkeit,<br />

Schloss trotz seiner Orientierung am Palazzo<br />

Madama in Rom bedeutendster Barockbau<br />

Norddeutschlands) die Durchsetzbarkeit<br />

des Wiederaufbaus überhaupt<br />

erst gegründet wurde (und angesichts von<br />

dessen Bedeutung auch der immer wieder<br />

ins Gespräch gebrachte, historisch durchaus<br />

ebenfalls bedeutsame Renaissancerer<br />

baulicher Spuren einer vergangenen<br />

Epoche anknüpft, findet hier ihr nichtfachliches<br />

Pendant: Die Befürworter argumentieren<br />

damit, dass im Zusammenhang<br />

mit einem Rekonstruktionsprojekt die seltene<br />

Chance bestehe, überhaupt ein herausragendes<br />

Bauwerk wiederherzustellen,<br />

während andernorts die Spuren gar nicht<br />

mehr da sind, auf denen aufgebaut werden<br />

kann (Nürnberg) bzw. die Voraussetzungen<br />

für einen Wiederaufbau gerade an der<br />

betreffenden Stelle überhaupt herstellbar<br />

sind (Neumarkt Dresden, Schloss Berlin,<br />

auch Paulinerkirche Leipzig). Ebenso wird<br />

in Anlehnung an den geschichtsbezogenen<br />

Denkmalwert mit der Bedeutung des<br />

Bauwerks für die Vermittlung (stadt-)historischer<br />

Zusammenhänge und Entwicklungen<br />

argumentiert (vgl. Thurn-und-Taxis-Palais,<br />

insbesondere aber den Fall der<br />

Paulinerkirche als Wirkungsstätte Luthers,<br />

bedeutender Personen der Musikgeschichte<br />

und Ort des Widerstands innerhalb der<br />

DDR).<br />

5.52 Die Rahmung des Diskurses<br />

durch „umtriebige Akteure“<br />

Die oben skizzierten Überlegungen machen<br />

deutlich, wie bedeutungsvoll die<br />

Möglichkeit einer Zuspitzung und die Tragfähigkeit<br />

von Argumenten in einer Rekonstruktionsdebatte<br />

sind. Natürlich können<br />

sich auch auf anderem Wege im Einzelfall<br />

Wiederaufbauüberlegungen einstellen<br />

– man denke an investorengetragene Vorhaben<br />

wie das Schloss Braunschweig, wo<br />

vermeintliche Identitätsstiftung aufsattelt<br />

auf einem latent vorhandenen Wunsch<br />

nach Stadtreparatur –, doch stellt die Argumentationshoheit<br />

eine wichtige Voraussetzung<br />

für die Rekonstruktionsbefürworter<br />

dar, immer wieder unentschlossene<br />

Politiker – die sich in der Diskussion von<br />

Wiederaufbauvorhaben keineswegs immer<br />

in bekannten bzw. angenommenen<br />

Fraktionskonstellationen wieder finden, in<br />

denen die Konservativen Rekonstruktionen<br />

das Wort reden und die Linken sie ablehnen<br />

– in Handlungszwang zu versetzen<br />

bzw. die Hindernisse für eine Rekonstruktion<br />

in den einzelnen Verfahrensschritten<br />

zu überwinden. Hierzu ist die „Rahmung<br />

von Diskursen“ (Hajer 1995) der Schlüssel.<br />

Die scheinbare Klarheit des Rekonstruktionsprojekts<br />

– bei allen ungeklärten De­

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