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234 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143 Bedeutung von Bautyp und Symbolik Die ursprüngliche Bedeutung des Bautyps eines repräsentatives Adelspalais und die dahinter liegende Symbolik des Ausdruck von feudalem Reichtum bzw. Lebensstil hat in der von den beteiligten Akteuren geführten Diskussion um den Wiederaufbau keine Rolle gespielt. Zwar nahm das Interesse mit den fortgeschrittenen und konkretisierten Planungen zur Neuordnung des ehemaligen Telekomareals am Bauwerk zu und die Meinungen verdichteten sich. Aufgrund der wechselhaften Nutzungsgeschichte des Palais, dass von der fürstlichen Familie bereits frühzeitig als Wohnsitz aufgegeben wurde, speist sich die symbolhafte Bedeutung in der Argumentation der Befürworter vor allem aus der früheren Nutzung als Bundespalais sowie der rein optischen Wirkung eines historischen Gebäudes, die in der Wahrnehmung und Interpretation der Akteure eine viel höhere Bedeutung zu haben scheint. Der symbolische Charakter des Gebäudes als Bestandteil der Frankfurter Nachkriegsmoderne, der sich aus dem Gesamtensemble um das Wahrzeichen des Fernmeldeturms und dem Verlagsgebäude der Frankfurter Rundschau ergibt, hat in der Rekonstruktionsdebatte keine Rolle gespielt. Lediglich Einzelpersonen wie Dieter Bartetzko (vgl. dazu Bartetzko 2002, Bartetzko 2007) oder Matthias Arning (vgl. dazu Arning 2008) beklagten das Verschwinden der Nachkriegsmoderne. Bedeutung des Vorhabens innerhalb der Kommunalpolitik Das Großprojekt „PalaisQuartier“ gilt bis zu seiner endgültigen Fertigstellung Ende 2009 neben der Umgestaltung der benachbarten Hauptgeschäftsstraße der Zeil und der städtebaulichen Neuordnung des Dom-Römer-Areals als eines der wichtigsten Leitprojekte für die Innenstadtentwicklung Frankfurts. Aufgrund der Synergieeffekte des im Verbund mit den zwei Hochhäusern und der Einkaufspassage errichteten Nachbaus des barocken Stadtschlosses ist es gleichzeitig das Prestige- und Erfolgsprojekt des Investorenkonsortiums wie auch der CDU-Rathausspitze. Mit der baulich-funktionalen Umstrukturierung des ehemaligen Telekomgeländes zu einem Einzelhandels- und Dienstleistungsstandort ist das planungspolitische Ziel einer Stärkung des innerstädtischen Einzelhandels gegenüber Standorten an der Peripherie verbunden, das auch in den Leitlinien des informellen Innenstadtkonzepts seine Entsprechung findet (Lüpke 22.09.2009). Durch das lange brachliegende Areal und die bestehenden städtebaulichen und strukturellen Defizite hatte der ganze innerstädtische Block in der Nachbarschaft zur Zeil einen Attraktivitätsverlust erlitten, der den Ausgangspunkt zur erneuten städtebaulichen Entwicklung bildete. Mit der Einzelhandels- und Dienstleistungskonzentration auf dem innerstädtischen Areal sowie der Realisierung des Großprojektes wurde eine von allen im Stadtrat vertretenden Fraktionen (Anm.: insbesondere die der schwarz-grünen Koalitionsfraktionen, aber auch die der SPD) mehrheitlich befürwortete Chance zur Attraktivitätssteigerung und Belebung der Innenstadt gesehen. Auf städtebauliche Synergieeffekte einer Rekonstruktion im Verbund mit der Realisierung der Einkaufsmall wurde im Verlauf der Debatte mehrfach hingewiesen. 5.44 Ergebnisse Baulich-räumliche Ergebnisse Die geplante Fertigstellung des Gesamtkomplexes „PalaisQuartier“ ist auf Ende 2009 nach insgesamt fünfjähriger Bauzeit datiert. Das rekonstruierte barocke Palais als Bestandteil und Namensstifterin dieser umfassenden innerstädtischen Umbaumaßnahme wird dann als ein weiteres repräsentatives Gebäude im städtebaulichen Verbund mit drei weiteren Bauwerken in zeitgenössischer, spektakulärer Architektur fertig gestellt sein. Zu dieser zählen die markanten Neubauten zweier Hochhäuser mit geknickter Fassade aus matt schimmernden Glas und Stahl, die als Hotelund Büroturm genutzt werden sowie das als „MyZeil“ betitelte innerstädtische Einkaufscenter mit insgesamt 52 000 m² Verkaufsfläche. Die Besonderheit von MyZeil ist die sich nach innen wölbende Fassade in Stahl-Glaskonstruktion sowie die innere Erschließung durch eine freitragende Fahrtreppe.
Fallstudien 235 Der Wiederaufbau des Thurn-und-Taxis- Palais ist nicht als Rekonstruktion zu betrachten, die auf das ursprüngliche Gebäude des 18. Jahrhunderts zurückgeht. Nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten handelt es sich nicht um eine originalgetreue Rekonstruktion, sondern um eine verfälschende Nachbildung, die sich zwar am historischen Vorbild orientierte, aber gleichzeitig sehr weit vom Original entfernte (vgl. hierzu Verhoeven 2009). Für den hessischen Landeskonservator Christoph Mohr hat das heutige Ergebnis nichts mit Denkmalpflege zu tun (Mohr 23.09.2009). Durch die gravierenden städtebaulichen Änderungen infolge des Stadtumbaus verändert sich nach dem ersten Wiederaufbau nun zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahrzehnte die räumlich-städtebaulichen Situation, in die das Gebäude eingebettet ist. Im Vergleich zu den vergangenen Zäsuren ist festzustellen, dass man sich erneut immer weiter vom ursprünglichen Stadtgrundriss entfernt hat. Im Vergleich zur Ursprungssituation steht das Gebäude nach seiner Errichtung als Solitär in extrem veränderter städtebaulicher Umgebung. Es steht, trotz eingehaltener Abstandsflächen zu den anderen Gebäuden des Ensembles, weder in räumlicher Beziehung mit der neu entstandenen umgebenden Platzfläche (Thurn-und-Taxis-Platz), noch zu den Hochhaustürmen im inneren Grundstücksteil. Eine wirkliche städtebauliche „Inszenierung“ des Bauwerks ist ausgeblieben. In diesem Zusammenspiel stellt das Ensemble zwar einen Kontrast zwischen historischer und zeitgenössischer Architektur dar, durch die monumentale Wirkung der Hochhaustürme und das im Vergleich zum Originalmaßstab in seiner baulichen Kubatur verkleinerte Bauwerk entsteht hingegen der Eindruck des „Erschlagenwerdens“. Mohr nennt das entstandene Ensemble deshalb eine „absurde Architekturkomposition“. Die städtebauliche Situation habe sich „verschlimmbessert“ (Mohr 23.09.2009). Auch Lüpke (22.09.2009) hadert mit der entstandenen städtebaulichen Situation und der Ausführung der Rekonstruktion, obwohl er sie nach wie vor befürwortet, den Prozess nach den Erfahrungen mit diesem Gebäude aber anders organi Abbildung 18 Das PalaisQuartier aus der Luft (Computersimulation) Quelle: PalaisQuartier GmbH & Co. KG/Pressefoto sieren würde. Seine eigene harte Position im Hinblick auf die Rekonstruktion habe sich im Laufe des Prozesses stark geändert, so dass er diese bei Nachfolgeprojekten so nicht mehr einnehmen würde. Die finanziellen Restriktionen des Investors (u. a. wegen des hohen Grundstückspreises) führten dazu, dass die Stadtplanung in manchen Fragen der Rekonstruktion weniger hart verhandelte. Damit bestand die Zwickmühle, einerseits das Palais, aber andererseits eine Stärkung des Einzelhandels zu wollen (ebd.). Ein weiterer Unterschied zur ursprünglichen Situation liegt in der Tatsache, dass die früher in sich geschlossene Anlage, hinter der sich die repräsentativen Hauptgebäude und der Garten des Fürsten zum umgebenden Stadtraum befanden und „abschotteten“, nun für die Stadtgesellschaft geöffnet wurde. Das heutige Palais bildet das Entree einer öffentlichen Durchwegung durch den innerstädtischen Block, die sich von der Großen Eschenheimer Straße im Westen über den neu geschaffenen Thurn-und-Taxis-Platz bis hin zur südlich liegenden Zeil als innerstädtische Hauptgeschäftzone im Süden zieht. Die Passage dient somit als verknüpfendes Element zweier Gebäude mit dem eingeschossigen Palais als kleiner
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234 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />
Bedeutung von Bautyp und Symbolik<br />
Die ursprüngliche Bedeutung des Bautyps<br />
eines repräsentatives Adelspalais und die<br />
dahinter liegende Symbolik des Ausdruck<br />
von feudalem Reichtum bzw. Lebensstil<br />
hat in der von den beteiligten Akteuren geführten<br />
Diskussion um den Wiederaufbau<br />
keine Rolle gespielt. Zwar nahm das Interesse<br />
mit den fortgeschrittenen und konkretisierten<br />
Planungen zur Neuordnung<br />
des ehemaligen Telekomareals am Bauwerk<br />
zu und die Meinungen verdichteten<br />
sich. Aufgrund der wechselhaften Nutzungsgeschichte<br />
des Palais, dass von der<br />
fürstlichen Familie bereits frühzeitig als<br />
Wohnsitz aufgegeben wurde, speist sich<br />
die symbolhafte Bedeutung in der Argumentation<br />
der Befürworter vor allem aus<br />
der früheren Nutzung als Bundespalais sowie<br />
der rein optischen Wirkung eines historischen<br />
Gebäudes, die in der Wahrnehmung<br />
und Interpretation der Akteure eine<br />
viel höhere Bedeutung zu haben scheint.<br />
Der symbolische Charakter des Gebäudes<br />
als Bestandteil der Frankfurter Nachkriegsmoderne,<br />
der sich aus dem Gesamtensemble<br />
um das Wahrzeichen des<br />
Fernmeldeturms und dem Verlagsgebäude<br />
der Frankfurter Rundschau ergibt, hat<br />
in der Rekonstruktionsdebatte keine Rolle<br />
gespielt. Lediglich Einzelpersonen wie<br />
Dieter Bartetzko (vgl. dazu Bartetzko 2002,<br />
Bartetzko 2007) oder Matthias Arning<br />
(vgl. dazu Arning 2008) beklagten das Verschwinden<br />
der Nachkriegsmoderne.<br />
Bedeutung des Vorhabens innerhalb der<br />
Kommunalpolitik<br />
Das Großprojekt „PalaisQuartier“ gilt bis<br />
zu seiner endgültigen Fertigstellung Ende<br />
2009 neben der Umgestaltung der benachbarten<br />
Hauptgeschäftsstraße der Zeil<br />
und der städtebaulichen Neuordnung des<br />
Dom-Römer-Areals als eines der wichtigsten<br />
Leitprojekte für die Innenstadtentwicklung<br />
Frankfurts. Aufgrund der Synergieeffekte<br />
des im Verbund mit den<br />
zwei Hochhäusern und der Einkaufspassage<br />
errichteten Nachbaus des barocken<br />
Stadtschlosses ist es gleichzeitig das Prestige-<br />
und Erfolgsprojekt des Investorenkonsortiums<br />
wie auch der CDU-Rathausspitze.<br />
Mit der baulich-funktionalen Umstrukturierung<br />
des ehemaligen Telekomgeländes<br />
zu einem Einzelhandels- und Dienstleistungsstandort<br />
ist das planungspolitische<br />
Ziel einer Stärkung des innerstädtischen<br />
Einzelhandels gegenüber Standorten an<br />
der Peripherie verbunden, das auch in den<br />
Leitlinien des informellen Innenstadtkonzepts<br />
seine Entsprechung findet (Lüpke<br />
22.09.2009). Durch das lange brachliegende<br />
Areal und die bestehenden städtebaulichen<br />
und strukturellen Defizite hatte der<br />
ganze innerstädtische Block in der Nachbarschaft<br />
zur Zeil einen Attraktivitätsverlust<br />
erlitten, der den Ausgangspunkt zur<br />
erneuten städtebaulichen Entwicklung bildete.<br />
Mit der Einzelhandels- und Dienstleistungskonzentration<br />
auf dem innerstädtischen<br />
Areal sowie der Realisierung<br />
des Großprojektes wurde eine von allen im<br />
Stadtrat vertretenden Fraktionen (Anm.:<br />
insbesondere die der schwarz-grünen Koalitionsfraktionen,<br />
aber auch die der SPD)<br />
mehrheitlich befürwortete Chance zur<br />
Attraktivitätssteigerung und Belebung<br />
der Innenstadt gesehen. Auf städtebauliche<br />
Synergieeffekte einer Rekonstruktion<br />
im Verbund mit der Realisierung der Einkaufsmall<br />
wurde im Verlauf der Debatte<br />
mehrfach hingewiesen.<br />
5.44 Ergebnisse<br />
Baulich-räumliche Ergebnisse<br />
Die geplante Fertigstellung des Gesamtkomplexes<br />
„PalaisQuartier“ ist auf Ende<br />
2009 nach insgesamt fünfjähriger Bauzeit<br />
datiert. Das rekonstruierte barocke Palais<br />
als Bestandteil und Namensstifterin dieser<br />
umfassenden innerstädtischen Umbaumaßnahme<br />
wird dann als ein weiteres repräsentatives<br />
Gebäude im städtebaulichen<br />
Verbund mit drei weiteren Bauwerken in<br />
zeitgenössischer, spektakulärer Architektur<br />
fertig gestellt sein. Zu dieser zählen die<br />
markanten Neubauten zweier Hochhäuser<br />
mit geknickter Fassade aus matt schimmernden<br />
Glas und Stahl, die als Hotelund<br />
Büroturm genutzt werden sowie das<br />
als „MyZeil“ betitelte innerstädtische Einkaufscenter<br />
mit insgesamt 52 000 m² Verkaufsfläche.<br />
Die Besonderheit von MyZeil<br />
ist die sich nach innen wölbende Fassade<br />
in Stahl-Glaskonstruktion sowie die innere<br />
Erschließung durch eine freitragende<br />
Fahrtreppe.