PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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Fallstudien<br />
225<br />
Im Gegensatz zum Bild des historischen<br />
Palais sei das Bild der im Krieg zerstörten<br />
Altstadt immer noch im Geschichtsbewusstsein<br />
präsent („Jeder wusste, dass<br />
Frankfurt mal eine berühmte Altstadt hatristenattraktion<br />
bilden. Weiterhin bestehe<br />
ein zeitlicher Zusammenhang in den Rekonstruktionsdebatten<br />
um das Dom/Römer-Areal,<br />
aber nur geringe Verbindungen<br />
zwischen den Akteuren.<br />
Auch der Leiter des Stadtplanungsamtes,<br />
Dieter von Lüpke (22.09.2009), führt ähnliche<br />
Erklärungsansätze wie Arning und<br />
Mohr an, wenngleich weitaus differenzierter.<br />
Übereinstimmend mit den vorangegangenen<br />
Kommentatoren stellt er fest,<br />
dass das Palais die Frankfurter Bevölkerung<br />
nicht stark bewegt und keine lang<br />
anhaltenden öffentlichen Kontroversen<br />
produziert habe, „wie wir sie später erlebt<br />
haben“. Der Wiederaufbau sei, so Lüpkes<br />
Einschätzung, mit starker Unterstützung<br />
der Stadtverordnetenversammlung pragmatisch<br />
„einfach gemacht worden“. Für<br />
das geringe Interesse der Frankfurter Bevölkerung<br />
am Wiederaufbau des Palais<br />
führt er mehrere Erklärungsansätze an.<br />
Vor dem Beginn der Prozesse um das Palais<br />
und die Altstadt ist Lüpke davon ausgegangen,<br />
dass es „die Frankfurter nicht<br />
interessiert, wie die alte Stadt ausgesehen<br />
hat“, hat seine Meinung aber dann im Laufe<br />
der der Altstadtdebatte geändert. Davor<br />
herrschte seiner Einschätzung nach bei<br />
der Bevölkerung gegenüber der Stadtverwaltung<br />
die Einstellung vor, dass „das eigene<br />
Anliegen bei der Stadtverwaltung gut<br />
aufgehoben sei“, das dem Motto „Dann<br />
müssen wir uns nicht mehr dafür einsetzen“<br />
folgte, welches auf die Altstadtdebatte<br />
nun nicht mehr zutreffe. Als einen<br />
anderen Grund führt er die heutige Bedeutung<br />
der zwei verschiedenen Bautypen für<br />
die Bevölkerung im Zusammenhang mit<br />
deren früheren Benutzern an: Die Wertschätzung<br />
des Wohnsitzes einer adeligen<br />
Familie sei möglicherweise geringer als<br />
die einer „kleinbürgerlichen Behausung“,<br />
allerdings verfüge sie kurioserweise in<br />
diesem Punkt trotz der hohen Wertschätzung<br />
nur wenig Wissen über die Stadtgeschichte<br />
(Anm.: Lüpke weist damit auf den<br />
hohen Emotionalisierungsgrad hin, der<br />
sich aus der hohen Wertschätzung speist).<br />
Gleichzeitig legitimieren die Befürworter<br />
des Altstadtwiederaufbaus ihre Haltung<br />
dahingehend, dass sie vor vielen Jahren in<br />
der Stadt geboren wurden und „alle anderen<br />
nicht mitreden dürfen“ (Anm.: Implizit<br />
verweist Lübke damit auf eine Art existierenden<br />
Lokalpatriotismus). In Bezug auf<br />
die städtebauliche Neuordnung des Telekomareals<br />
nimmt er an, dass es der Bevölkerung<br />
schließlich an stadträumlicher<br />
Vorstellungskraft fehlte, neben der Einkaufsmall<br />
ein barockes Palais wiederauferstehen<br />
zu sehen. Vergleichbare Bezüge<br />
zu anderen Frankfurter Wiederaufbauvorhaben<br />
ließen sich am ehesten um die kurzzeitig<br />
geführte Rekonstruktionsdebatte<br />
zur Wiederherstellung der klassizistischen<br />
Stadtbibliothek herstellen. Markante Ähnlichkeiten<br />
der beiden Vorhaben bestehen<br />
in der Tatsache, dass die Anregung zum<br />
Wiederaufbau nicht von der Frankfurter<br />
Bevölkerung, sondern von einem privaten<br />
Finanzier ausging, der die „Gemüter nicht<br />
bewegt habe“. Des Weiteren bestehen Gemeinsamkeiten<br />
im Hinblick auf die geringe<br />
Wertschätzung, die dem Gebäude entgegengebracht<br />
wurde sowie die geringe<br />
Teilhabe der Bevölkerung am Diskussionsprozess.<br />
Unterschiede gab es dagegen in<br />
Bezug auf die ökonomischen Rahmenbedingungen,<br />
in der Projektentwicklung und<br />
in der Finanzierung des Wiederaufbauprojekts<br />
durch den Verleger Junkewitz sowie<br />
der Hertie-Stiftung.<br />
Auch der Architekturkritiker der Frankfurter<br />
Allgemeinen Zeitung, Dieter Bartetzko<br />
(24.09.2009), der sich schon länger ausführlich<br />
mit der Frankfurter Rekonstruktionsdebatte<br />
und dem Bauwerk beschäftigt hat,<br />
begründet das Desinteresse der Frankfurter<br />
mit zwei verschiedenen Erklärungsansätzen:<br />
Ähnlich wie Arning, Mohr und<br />
Lüpke geht er davon aus, dass das ehemalige<br />
Stadtschloss aus dem öffentlichen Geschichtsbewusstsein<br />
verschwand, das sich<br />
auf den ersten Wiederaufbau der 1950er<br />
Jahre zurückführen ließe. Obwohl die im<br />
Krieg zerstörten Reste der Torbauten erhalten<br />
blieben, konnte die Frankfurter Bevölkerung<br />
diese nicht mehr dem früher existierenden<br />
Stadtschloss zuordnen, das sich<br />
vor seiner Zerstörung etwas versteckt hinter<br />
den Portalbauten erstreckte (vgl. dazu<br />
die Position Mohrs). Der dahinter liegende<br />
Fernmeldeturm stieg hingegen zum Wahrzeichen<br />
Frankfurts in den 1960er Jahren<br />
auf.