PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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Fallstudien<br />
203<br />
schlag würde die Eigentümer zu einer historisierenden<br />
Fassade zwingen, wodurch<br />
die Akzeptanz für die Gestaltungssatzung<br />
wie auch die gesamte Umgestaltungsmaßnahme<br />
Großer Markt bei wesentlichen Beteiligten<br />
schwindet. Das Thema scheint<br />
derzeit kontrovers diskutiert zu werden<br />
und das Ergebnis noch weitgehend offen<br />
zu sein. Für die BI ist – in Zusammenarbeit<br />
mit der ISG – die Entwicklung am<br />
Großen Markt zwar ein wichtiges Projekt,<br />
doch genießt die bauliche Umsetzung der<br />
Rathaus-Fassade besondere Priorität, und<br />
dann erst schließt sich die Nordseite an.<br />
Instrumente der Durchsetzung/<br />
Kompromissfindung<br />
Als wesentliches Mittel der Durchsetzung<br />
kann das Eigenengagement des Vereins<br />
angesehen werden, das sich insbesondere<br />
auch auf die rasche In-Aussicht-Stellung<br />
eines erheblichen Betrags aus Spendengeldern<br />
erstreckt. Dies wirkte zunächst<br />
bei der Landesregierung, später dann mit<br />
dieser Rückendeckung auch bei den kommunalpolitisch<br />
Verantwortlichen. Insofern<br />
erscheint auch weniger Präsentation<br />
und Diskussion als vielmehr die<br />
Spendensammlung als das wesentliche<br />
Betätigungsfeld des Vereins, dem sich alle<br />
übrigen Aktivitäten unterordneten bzw.<br />
auf die sie ausgerichtet waren. So konnte<br />
bis in den September 2009 durch Spendenaufkommen<br />
bereits rund 98 Prozent der<br />
durch die BI aufzubringenden Bausumme<br />
von rund 1,35 Mio. Euro eingesammelt<br />
werden. Wesentlich für das Einwerben von<br />
Spenden, Spendenzusagen und Fördermitteln<br />
waren die Integrität und das sowohl<br />
verlässliche als auch fachlich versierte<br />
Auftreten der Vorstandsmitglieder. Von<br />
erheblicher Bedeutung scheint auch das<br />
Einwerben prominenter Unterstützer einschließlich<br />
des Bundespräsidenten und<br />
medialer Prominenz. Bemühungen um einen<br />
Kompromiss fanden nicht statt, da der<br />
Rekonstruktionsgegenstand – die historische<br />
Rathausfassade – nur in ihrer spätgotisch-flämischen<br />
Form nach historischem<br />
Vorbild Gegenstand der Diskussion war;<br />
eine Entscheidung also nur eine Zustimmung<br />
oder Ablehnung möglich machte.<br />
Rolle der Bevölkerung<br />
Die Medien waren über eine langen Zeitraum<br />
recht kritisch, wie es auch in der Bevölkerung<br />
zunächst keine Massenbewegung<br />
für den Wiederaufbau gab – in einer<br />
Umfrage Mitte der 1990er Jahre (der einzigen<br />
je durchgeführten) sprach sich nur<br />
eine Minderheit von ca. 35 Prozent für<br />
eine Rekonstruktion aus. Dies änderte sich<br />
dadurch, dass das Vorhaben immer wahrscheinlicher<br />
und die Realisierung immer<br />
greifbarer erschien. So wurde die Grundsteinlegung<br />
für die Rathaus-Fassade im<br />
Jahr 2007 anlässlich der 600jährigen Zugehörigkeit<br />
der Stadt zum Hansebund von<br />
einem großen Interesse begleitet sowie mit<br />
großer Resonanz bedacht und trugen zu<br />
einer Bewusstseinsschärfung innerhalb<br />
der Weseler Bevölkerung bei. Die medial<br />
begleitete und prominent inszenierte Aktion<br />
schaffte eine lokale und überregionale<br />
Aufmerksamkeit für das Projekt und aktivierte<br />
wiederum weitere Teile der Bevölkerung<br />
und der ansässigen Unternehmen.<br />
Finanziell ist das Vorhaben bürgerlicherseits<br />
zwar ganz wesentlich von Großspenden<br />
getragen, doch gibt es mittlerweile<br />
auch eine große Zahl kleiner Spendenbeträge<br />
– bis hin zu von Kindern geleerten<br />
Sparschweinen.<br />
Rolle der Medien und medialer Strategien<br />
Die lokalen Medien selber haben das Vorhaben<br />
zunächst kritisch, insgesamt aber<br />
kontinuierlich begleitet. Sie waren darüber<br />
hinaus ein wesentlicher Ort der Diskussion<br />
über das Projekt. Damit haben sie<br />
zur Information und der Verbreitung der<br />
Vereinsvorstellungen wesentlich beigetragen,<br />
ohne sie durch eine eigene Kampagne<br />
unterstützt zu haben. Diese wurde ab 1995<br />
vom Verein ganz wesentlich selbst durchgeführt<br />
und bestand aus unterschiedlichen<br />
Formen eigener Aktivität (s.u.), die<br />
jeweils auch auf eine Berichterstattung abzielten,<br />
in der Verbreitung des Vorhabens<br />
in eigenen Publikationen und die Platzierung<br />
von Berichten in überregionalen Medien<br />
(etwa Werner 2004, Zimmermann<br />
2007, Hille 2009).<br />
Rolle übergeordneter staatlicher Ebenen<br />
Die Förderzusage der Landesregierung<br />
hatte erhebliche Bedeutung für die lokalpolitische<br />
Entscheidung, da einerseits die