PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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202 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />
Nachdem das Wiederaufbauvorhaben im<br />
Wesentlichen abgeschlossen, wenngleich<br />
noch nicht gebaut, ist, sind seitens des Vereins<br />
und einer zum Teil in Personalunion<br />
geführten „Interessen-Standortgemeinschaft<br />
Domviertel“ (ISG) der Einzelhändler<br />
und Immobilienbesitzer im Umfeld<br />
von Großem Markt und Dom (entstanden<br />
innerhalb einer Landesinitiative) Ideen<br />
entstanden, das Areal zusätzlich aufzuwerten.<br />
Ziel am Großen Markt ist der<br />
möglichst umfangreiche Besatz mit gotischen<br />
Elementen, um eine historisierende<br />
Atmosphäre zu erzeugen. Deshalb sollen<br />
die Materialien, Farben, Formen und Ornamentik<br />
diese historischen Kennzeichen<br />
tragen. So wird vorgeschlagen, die Nachkriegsbebauung<br />
auf der dem Rathaus gegenüberliegenden<br />
Seite (nördlich) durch<br />
eine historisierende Fassade zu verblenden,<br />
gleichzeitig aber die aus der späteren<br />
Nachkriegszeit stammende Volksbank als<br />
Verbindung zwischen Großem Markt und<br />
Fußgängerzone mit einer Spiegelglas-Fassade<br />
und stilisierten Bogenelementen zu<br />
versehen. Außerdem soll die Pflasterung<br />
erneuert und ein Brunnen errichtet werden.<br />
Die Stadtpolitik reagiert hier vor allem<br />
wegen der erheblichen Kosten überwiegend<br />
zurückhaltend, zurzeit wird<br />
allerdings über eine Gestaltungssatzung<br />
diskutiert. Ein von der ISG erstellter Vordem<br />
treibt die Stadt die städtebauliche wie<br />
auch wirtschaftliche Entwicklung des Großen<br />
Marktes als historisches Stadtzentrum<br />
um. Andererseits scheinen städtebauliche<br />
und baukulturelle Einwände der Stadtverwaltung<br />
keine wesentliche Rolle in kommunalen<br />
Diskussionen gespielt zu haben.<br />
Darüber hinaus beteiligten sich in Wesel<br />
ansässige Architekten an der relativ intensiven<br />
Leserbrief-Diskussion, über eine gemeinsame<br />
Stellungnahme oder Ähnliches<br />
ist nichts bekannt. Auch gab es zu keinem<br />
Zeitpunkt eine organisierte „Gegenpartei“.<br />
Verlauf<br />
Die Bürgerinitiative Historisches Rathaus<br />
Wesel e.V. – bis dahin getragen durch einige<br />
ältere, durchaus honorige Herren um<br />
Siegfried Landers – erhielt dann erheblichen<br />
Auftrieb durch den Zuzug von Dagmar<br />
Ewert-Kruse, heute Vorsitzende der<br />
Bürgerstiftung Historisches Rathaus Wesel,<br />
und ihres Mannes, heute Schatzmeister<br />
des Vereins im Jahr 1995. Als ehemalige<br />
Deutsch- und Kunstlehrerin war sie auf der<br />
Suche nach einem zivilgesellschaftlichen<br />
Betätigungsfeld und zugleich vermisste sie<br />
– im Gegensatz zu anderen auch deutschen<br />
und europäischen Klein- bzw. Mittelstädten<br />
– in Wesel einen Ort mit städtischem<br />
Flair und geschichtlichem Bewusstsein, einem<br />
historischen Zentrum, bürgerschaftlichen<br />
Treffpunkt und zugleich Identifikationsort.<br />
Sie professionalisierte den Verein<br />
und orientierte sich in der Vermarktung<br />
an Vorbildern wie der Freunde Dresdens<br />
und der Stadtschloss-Initiative: Es wurden<br />
Fassadenstücke verkauft, eine Plane mit<br />
der Abbildung des Bauwerks bedruckt und<br />
temporär vor das Haus Nr. 9 der „Trapp-<br />
Zeile“ gehängt, prominente Fürsprecher<br />
gewonnen etc. Während sie sich selber um<br />
die Öffentlichkeitsarbeit kümmerte, war<br />
der Verein nun personell insgesamt sehr<br />
gut aufgestellt: Ein Manager einer größeren<br />
Firma kümmerte sich um die Finanzen,<br />
ein Staatsanwalt a.D. um rechtliche<br />
Fragen und der Dombaumeister unterstützte<br />
in baulichen Fragen.<br />
Im Folgenden wurden parallel Spendengelder<br />
gesammelt und es wurde politischer<br />
Lobbyismus betrieben. Dabei wurde zunächst<br />
die Landesregierung und dann erst,<br />
mit deren Zusage, die städtischen Gremien<br />
angesprochen. Wesentliches Argu<br />
ment war dabei das Versprechen, die Hälfte<br />
der veranschlagten ca. 2,7 Mio. Euro für<br />
die Fassade selbst aufzubringen, 35 Prozent<br />
würde schließlich das Land zuschießen<br />
unter der Maßgabe, dass das Gebäude<br />
zum Teil öffentlich bzw. städtisch genutzt<br />
wird (mittlerweile bezieht sich dies auf einen<br />
kleineren Saal im Obergeschoss, der<br />
für Veranstaltungen vermietet und als<br />
Hochzeitszimmer dienen soll), die fehlenden<br />
15 Prozent sollte die Stadt durch Zuschüsse<br />
aufbringen. Vor allem durch diesen<br />
städtischen Zuschuss von gut 400 000<br />
Euro wurde das Vorhaben auch im Rat der<br />
Stadt diskutiert, bereits seit 2002 Zustimmung<br />
signalisiert und im Juni 2006 (Vorlage<br />
des Rates der Stadt Wesel 476/03) beschlossen.<br />
Bei der Abstimmung, für die<br />
Fraktionsbindung aufgehoben wurde, gab<br />
es Zustimmung wie Ablehnung aus allen<br />
Fraktionen, außer der FDP, die sich einhellig<br />
für die Rekonstruktion aussprach. Insgesamt<br />
gab es elf Gegenstimmen und vier<br />
Enthaltungen bei 32 Ja-Stimmen.