PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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200 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />
tanz nur bedingt statt. Die Häuser waren<br />
größtenteils schlicht, und für die häufig<br />
in Backstein gehaltenen Fassaden wurden<br />
häufig Trümmersteine verwendet. Nur wenige<br />
Bauwerke wiesen eine besondere architektonische<br />
Qualität auf – eins der wenigen<br />
Gegenbeispiele war das so genannte<br />
Matena-Rathaus, das ab 1951 auf dem<br />
Grundstück einer kriegszerstörten Kirche<br />
in der zur „City“ avancierten Vorstadt<br />
errichtet wurde. 1971 wurde dieser Bau<br />
einschließlich seines Turms bereits wieder<br />
abgerissen – die Stadt hatte das wirtschaftlich<br />
lukrative Grundstück an einen<br />
Einzelhandelskonzern verkauft, der hier<br />
ein Warenhaus errichtete und damit zur<br />
Attraktivierung der Innenstadt aber auch<br />
Verlagerung weg vom Großem Markt beitrug.<br />
In leicht vereinfachter Form wiederaufgebaut<br />
wurde lediglich der so genannte<br />
Willibrordi-„Dom“, also die spätgotische<br />
Stadtkirche, die wie das Historische Rathaus<br />
am Großen Markt gelegen ist, aber<br />
niemals ein Bischofsitz war. Auch deshalb<br />
kommt Brandenburg, Mitarbeiter im<br />
Stadtplanungsamt und selber Zugezogener,<br />
zu der Einschätzung, man habe den Weselern<br />
„ihre Geschichte und Identität“ weggebombt.<br />
Diese Zäsur innerhalb der Stadtstruktur<br />
und der Identität der Stadt scheint<br />
u. a. mit Verweis auf das Rekonstruktionsvorhaben<br />
des Historischen Rathauses sowie<br />
der fehlende Auseinandersetzung mit<br />
der Bedeutung der funktionale und bauliche<br />
Qualitäten des Städtebaus der 1950er<br />
Jahre bis in die heutige Zeit nachzuwirken.<br />
Weitere Hinweise dafür sieht er im Umgang<br />
mit Resten der historischen Stadt, die<br />
bei Tiefbauarbeiten immer wieder zu Tage<br />
kommen und dann vernichtet werden.<br />
Frühere Auseinandersetzungen um Erhalt/<br />
Wiederherstellung<br />
Über frühere Wiederaufbauinitiativen ist<br />
wenig bekannt. Im Wesentlichen ist die Rekonstruktion<br />
des Historischen Rathauses<br />
eng mit den politischen und gesellschaftlichen<br />
Diskussionen um den Wiederaufbau<br />
der Stadt Wesel nach dem 2. Weltkrieg verbunden.<br />
Dabei können grundsätzlich zwei<br />
grundsätzliche Positionen identifiziert<br />
werden; die Strömungen und Meinungen<br />
der traditionellen Wiederaufbauplanungen<br />
der Stadt Wesel mitsamt dem Historischen<br />
Rathaus und dem Ensemble Großer<br />
Markt sowie die planerische und durch<br />
das Land NRW favorisierte Alternative<br />
des neuzeitlichen, modernen Städtebaus.<br />
Doch gerade der FDP-Politiker Siegfried<br />
Landers, der in der Nachkriegszeit nach<br />
Wesel gekommen ist und als Abrissunternehmer<br />
die „Enttrümmerung“ der Altstadt<br />
durchführte, hatte immer wieder seit spätestens<br />
den 1970er Jahren mehr oder weniger<br />
als Einzelkämpfer einen Wiederaufbau<br />
des Rathauses gefordert, ohne dass er<br />
dafür einen entscheidenden Resonanzboden<br />
in Politik und Gesellschaft gefunden<br />
hätte. Vielmehr wurde die Diskussion in<br />
den Zusammenhang um den Wiederaufbau<br />
und der Gestaltung des Großen Marktes<br />
anhand von verschiedenen städtebaulichen<br />
Wettbewerben und Entwürfen aus<br />
den Jahren 1954 und – erst 30 Jahre später<br />
– 1984 gestellt. Jedoch wurden die Ergebnisse<br />
dieser beiden Prozesse besonders<br />
bezogen auf die südliche Seite des Großen<br />
Marktes, an der sich auch die historisch<br />
korrekte Position des Rathauses befindet,<br />
in Rat und Bürgerschaft Wesels abgelehnt.<br />
Ein Wiederaufbau des Rathauses war in<br />
keinem der siegreichen Entwürfe und diskutierten<br />
Varianten enthalten.<br />
5.32 Politisch-gesellschaftlicher<br />
Prozess<br />
Anlass<br />
Auslöser für die Gründung zunächst eines<br />
Freundeskreises, dann einer als Verein eingetragenen<br />
Bürgerinitiative „Historisches<br />
Rathaus Wesel“ im Jahr 1986 waren neuerliche<br />
Überlegungen, den Standort des Gebäudes<br />
durch den städtebaulichen Wettbewerb<br />
in den Jahren 1983/84, aus dem das<br />
Büro Walter von Lom und Landschaftsarchitekt<br />
Jürgen Schubert, beide Köln, als<br />
Sieger hervorging, zu bebauen. Dies sei<br />
die „wahrscheinlich letztmalig[e]“ Gelegenheit<br />
zum Wiederaufbau des Rathauses,<br />
so die BI, die – neuformiert – für eine<br />
Umsetzung der Rekonstruktion innerhalb<br />
der Gesamtplanung intervenierte. Bereits<br />
in der Nachkriegszeit (1954) hatte der<br />
städtebauliche Wettbewerb für den Großen<br />
Markt kein Ergebnis gebracht, auch<br />
weil sich einerseits die Innenstadt in östlicher<br />
Richtung verlagert hatte und weil die<br />
größere Platzform zum Parken sehr geeignet<br />
war. Der neuerliche Wettbewerb sollte<br />
nun die südliche Bebauung klären, verlief<br />
aber letztlich ebenfalls ohne Realisierung.