PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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11<br />
2 Die Rekonstruktionswelle<br />
2.1 Das Phänomen postmo derner<br />
Rekonstruktion und der<br />
Begriff der „Rekonstruktionswelle“<br />
Die derzeit in vielen Teilen Deutschlands<br />
geführten Diskussionen um Wiederaufbauvorhaben<br />
zeichnen sich dadurch aus,<br />
dass sie in einem großen zeitlichen Abstand<br />
von der Zerstörung von Gebäuden<br />
– in den allermeisten Fällen im Zweiten<br />
Weltkrieg oder gar noch davor – stattfinden.<br />
Eine Analyse des baulichen Geschehens<br />
in kriegszerstörten deutschen Städten<br />
zeigt, dass in ihnen in der Regel etwa<br />
in den 1960er Jahren die Phase des Wiederaufbaus<br />
als abgeschlossen gelten konnte.<br />
Zwar waren zu dieser Zeit nicht überall<br />
– insbesondere auch nicht in der DDR –<br />
sämtliche kriegsbedingten Lücken wieder<br />
baulich gefüllt. Dennoch hatte die Durchsetzung<br />
der Nachkriegsmoderne einer an<br />
der Gestalt der Vorkriegsbauten orientierten<br />
weiteren Rekonstruktion weitgehend<br />
Einhalt geboten. Abgelöst von dem Wiederaufbau<br />
der Nachkriegszeit kam es später<br />
zu Rekonstruktionsbemühungen, die<br />
teilweise darauf abzielten, frühere Wiederaufbaubemühungen<br />
oder Ergebnisse moderner<br />
Leitbilder der Innenstadtentwicklung<br />
zu korrigieren oder in Frage zu stellen.<br />
Insbesondere seit den frühen 1980er Jahren<br />
wurden etwa in Frankfurt am Main<br />
oder Hildesheim diesbezügliche Anstrengungen<br />
unternommen. Sie unterschieden<br />
sich auch dahingehend von der Mehrheit<br />
der Wiederaufbauvorhaben der Nachkriegszeit,<br />
als sie eine möglichst originalgetreue<br />
Rekonstruktion eines Vorkriegszustands<br />
zum Ziel hatten; ein Ansatz, der<br />
zuvor nur für besonders herausragende<br />
Gebäude wie in der Innenstadt von Dresden<br />
oder Unter den Linden Berlin gewählt<br />
worden war. Vor allem nach der deutschen<br />
Vereinigung häuften sich ähnliche Vorhaben,<br />
die teilweise als späte Vollendung<br />
des Nachkriegswiederaufbaus gesehen<br />
werden können. Teilweise haben die betreffenden<br />
Projekte eine längere Vergangenheit<br />
und genossen über die Jahre eine<br />
stillschweigende Unterstützung in Teilen<br />
der Bevölkerung oder Interessengruppen<br />
und Vereinen, haben aber erst in den letzten<br />
Jahren eine so große Dynamik erreicht,<br />
dass sie auch in der öffentlichen und der<br />
politischen Debatte breit diskutiert wurden.<br />
Inzwischen kann angesichts der größeren<br />
Zahl von Vorhaben und deren räumlicher<br />
Streuung mit aller Vorsicht von einer<br />
Art „Rekonstruktionswelle“ gesprochen<br />
werden. Zwar handelt es sich bei ihnen nur<br />
um einen sehr geringen Anteil am gesamten<br />
Baugeschehen, doch oft um Schlüsselbauten,<br />
um die sich die lokale Debatte um<br />
Stadtidentität entzündet.<br />
Nimmt man zur Kenntnis, dass die genannten<br />
Projekte in einer abgerissenen<br />
Kontinuität des Wiederaufbaus stehen,<br />
der mit der Durchsetzung der städtebaulich-architektonischen<br />
Moderne anderen<br />
Leitbildern gewichen war, kann man<br />
sie aus mehreren Gründen als „postmoderne“<br />
oder „nachmoderne“ Rekonstruktionswelle<br />
begreifen. Dies gilt für die ihnen<br />
zugrunde liegende Überwindung des<br />
Leitbilds der städtebaulich-architektonischen<br />
Moderne. Auf sie kann hier nicht im<br />
Detail eingegangen werden; sie muss aber<br />
aus verschiedenen Gründen in den 1970er<br />
Jahren angesetzt werden, so dass aus pragmatischen<br />
Gründen für diese Untersuchung<br />
das Denkmalschutzjahr 1975 als<br />
Scheidelinie zwischen dem Nachkriegs-<br />
Wiederaufbau (der kurz zuvor nur noch<br />
eine sehr geringe Rolle gespielt hatte) und<br />
der zu untersuchenden, bis heute anhaltenden<br />
Welle (die erst allmählich und vor<br />
allem ab den 1980er Jahren ein Stück weit,<br />
in den 1990er Jahren dann mit größerem<br />
Nachdruck in Gang kam) gewählt wurde.<br />
Weitere Elemente, die die derzeitige Rekonstruktionswelle<br />
als Kind der „Postmoderne“<br />
kennzeichnen, werden in den folgenden<br />
Kapiteln näher beleuchtet. Dabei<br />
geht es u. a. darum, dass historische Stilelemente<br />
bewusst neu architektonisch eingesetzt<br />
werden, ohne zwangsläufig funktional<br />
bedingt zu sein oder als authentisch<br />
gelten zu können („Zitat“). Von besonderer<br />
Bedeutung ist dabei ein erneuter Bedeutungsgewinn<br />
geschmückter oder ornamentierter<br />
Fassaden, die stilistisch eine<br />
intensive Verbindung zum spezifischen<br />
Ort herstellen.