PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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Fallstudien<br />
181<br />
eben diesem Unterschied, dass keine explizit<br />
ahistorische Position vertreten wurde,<br />
den wesentlichen Grund für den Erfolg<br />
der Wiederaufbaugegner in Leipzig. Andererseits<br />
muss aber auch darauf verwiesen<br />
werden, dass für Teile der Wiederaufbaubefürworter<br />
die traditionelle Ästhetik<br />
nicht das wesentliche Argument war, sondern<br />
allenfalls als Träger der Erinnerung<br />
etc. angesehen wurde, und auch hier zumindest<br />
innerhalb einer Teilgruppe eine<br />
Aufgeschlossenheit gegenüber zeitgenössischem<br />
Bauen bestand.<br />
Leipzig hat sich als Bürgerstadt stets gegenüber<br />
äußerer Einmischung, insbesondere<br />
solcher von den in Dresden ansässigen<br />
Fürsten verwahrt – eine Tradition, die<br />
möglicherweise auch nach einem halben<br />
Jahrhundert totalitärer Staatsmacht dazu<br />
führte, dass hier ein wesentlicher Ausgangspunkt<br />
der friedlichen Revolution in<br />
der DDR war. Bei der Sprengung der Paulinerkirche<br />
war dies – brisanterweise im Gegensatz<br />
zum Residenzschloss in der Untertanenstadt<br />
Dresden – anders (vgl. Kowa<br />
2009: 7): Der im Wesentlichen universitäre<br />
Widerstand gegen die Zerstörung eines<br />
Gebäudes der nicht unbedingt in die<br />
Stadt integrierten und keinesfalls so obrigkeitsresistenten,<br />
erst „braunen“ und dann<br />
„roten“ Universität reichte nicht, um die<br />
Zerstörung zu verhindern. Obwohl nach<br />
1990 parteipolitisch unterschiedlich orientiert,<br />
schien im Falle der Paulinerkirche<br />
zunächst kein Unterschied zwischen<br />
der SPD-Regierten Stadt Leipzig und der<br />
in ihrer geisteswissenschaftlichen Orientierung<br />
ebenfalls eher „links“ stehenden<br />
(Heymann 26.8.2009) Universität und der<br />
konservativen Staatsregierung zu bestehen.<br />
Dies änderte sich, als zum einen mit<br />
dem Rücktritt Biedenkopfs auch die zuständigen<br />
Minister ausgewechselt wurden<br />
und zum anderen das bislang von Leipziger<br />
Bürger relativ unprofessionell betriebene<br />
Wiederaufbauvorhaben von Außen zusätzliche<br />
Unterstützung fand – vor allem<br />
durch den bald zum Vorsitzenden gekürten<br />
New Yorker Günter Blobel. Diese Konstellation<br />
führte, nachdem sich zunächst<br />
die konservativen Fraktionen im Leipziger<br />
Stadtrat der Forderung nach Wiederaufbau<br />
angeschlossen hatten, zu erheblichen<br />
Zerwürfnissen vor allem zwischen Universitätsleitung<br />
und Freistaat, die trotz Rektoratsrücktritts<br />
allerdings keineswegs zur<br />
Durchsetzung der – immerhin mit der Finanzhoheit<br />
verbundenen – Regierungslinie<br />
führten. Einerseits solidarisierten sich<br />
die Leipziger in Umfragen mit „ihrer“ Universität<br />
und gegen die Regierung, andererseits<br />
wurde auch das Engagement Blobels<br />
trotz medialer Unterstützung nicht<br />
nur positiv aufgefasst. Schließlich einigte<br />
man sich auf einen neuerlichen Wettbewerb,<br />
der von vorneherein auf eine<br />
Kompromissfindung zugeschnitten war,<br />
den originalgetreuen Wiederaufbau ausschloss<br />
und schließlich durch ein „Volksurteil“<br />
wesentlich mit entschieden wurde.<br />
Die Leipziger Bürger haben sich so, wenngleich<br />
nie „ordentlich“ beteiligt, sowohl<br />
gegen die Einmischung der Landesregierung<br />
und unangemessen ausgeweitete Rekonstruktionswünsche<br />
gewehrt als auch<br />
den Wunsch von Stadtoberhaupt und Universität<br />
nach einer ihnen zu modernen Lösung<br />
abwehren können.<br />
Angesichts der vielfältigen, sich überlagernden<br />
Konfliktlinien erscheinen Interpretationen<br />
nahe liegend, die das Ergebnis<br />
des Prozesses als einen politischen Kompromiss<br />
sehen, der weniger aus der Sache<br />
heraus als vielmehr aus den Handlungen<br />
der verschiedenen Akteure und insbesondere<br />
der Landesregierung zu verstehen ist<br />
(vgl. Quester 25.8.2009). Das beinahe Salomonische<br />
an der letztlichen Entscheidung<br />
könnte allerdings sein, dass alle ohne Gesichtsverlust<br />
aus der Auseinandersetzung<br />
hervorgehen können und insbesondere<br />
der Paulinerverein sich die Qualitätssteigerung<br />
sowie die sakrale Geste anrechnen<br />
lassen kann (vgl. Stötzner 28.8.2009). Problematisch<br />
an der Entscheidung bleibt allerdings<br />
die erhebliche Kostensteigerung<br />
für die öffentliche Hand, ein Punkt, der<br />
aufgrund des zumindest zeitweise umjubelten<br />
Ergebnisses selten genannt wird<br />
(Quester 25.8.2009).<br />
5.24 Rolle lokaler Bürgerinitiativen<br />
Formen zivilgesellschaftlichen Engagements<br />
Zentrale Form des bürgerschaftlichen Engagements<br />
ist die der vereinsmäßig organisierten<br />
Bürgerinitiative. Der Paulinerverein<br />
nimmt eine so herausragende Stellung<br />
innerhalb der Leipziger Debatte ein, dass<br />
die nachfolgenden Abschnitte fast ausschließlich<br />
dessen Struktur, Aktivitäten