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Fallstudien<br />

179<br />

Schmidt-Lux (2009) beschreibt eine zweite<br />

Konfliktlinie zwischen zwei konträren<br />

Nutzungsvorstellungen von Kirche oder<br />

Universitätsaula, die auch bauliche bzw.<br />

gestalterische Ausprägungen gefunden<br />

hätten und schließlich in den Kompromiss<br />

der Doppelnutzung in zwei getrennten<br />

Räumen und dem neutralen Begriff „Paulinum“<br />

gemündet seien. Zum einen gibt es<br />

deutliche Indizien, die die Kompromiss-<br />

These in Frage stellen, zum anderen lässt<br />

sich der Konflikt weiter verallgemeinern<br />

auf das Verhältnis von Stadtgesellschaft<br />

und Religion. Wie viele Gebiete innerhalb<br />

der neuen Bundesländer ist die Stadt Leipzig<br />

auch aufgrund der antireligiösen Tendung<br />

kontrovers geführt (Häuser 10.9.2009,<br />

vgl. Schroth/Tesch 26.8.2009). Auswirkungen<br />

auf die politische Kultur innerhalb<br />

der Hochschule sind nicht nachgewiesen,<br />

wenngleich zumindest für die<br />

Zeiten erheblicher äußerer Anfeindungen<br />

durchaus von einem verstärkten Zusammenhalt<br />

der Universitätsangehörigen ausgegangen<br />

werden kann und die relativ zurückhaltende<br />

Unterstützung des Rektors<br />

etwa durch den akademischen Senat auch<br />

ein Zeichen für dessen geringen Rückhalt<br />

(vgl. Gormsen 10.9.2009) in anderen Fragen<br />

sein kann. Dies bedeutet allerdings<br />

nicht, dass nicht Verbindungen zwischen<br />

der universitären Profilbildung bzw. der<br />

Suche danach und ihrem Ausdruck in der<br />

Architektur gesehen werden können, wie<br />

insbesondere die überaus kritischen Hinweise<br />

Wolffs (10.9.2009) zeigen. Ihm fehlen<br />

an der Universität wesentliche Aspekte<br />

der gesellschaftlichen Bildung sowie<br />

der Wissenschafts- und Lehrethik. Er bemängelt<br />

zudem, dass dahingehende Kritik<br />

von außen nicht erwünscht sei. Dies führt<br />

er auch auf die fehlende Auseinandersetzung<br />

mit der eigenen Geschichte zurück,<br />

die – für ihn – wiederum in der weitgehenden<br />

Ablehnung einer kirchlichen Nutzung<br />

sowie baulicher Hinweise auf diesen Teil<br />

der universitären Tradition zum Ausdruck<br />

kommt.<br />

Zwischenfazit: Konfliktlinien<br />

Schmidt-Lux (2009) geht davon aus, dass<br />

der Bau des Paulinums bzw. des Innenstadtcampus<br />

der Universität Anlass für<br />

das Manifestwerden mehrerer zunächst<br />

nicht spezifisch mit dem Vorhaben verbundener<br />

Konflikte ist. So unterscheidet<br />

er drei teilweise miteinander verbundene<br />

Konfliktlinien:<br />

• Umgang mit DDR-Erbe (politisch-erinnernd)<br />

• Nutzung (Aula oder Kirche)<br />

• Ästhetik (Wiederaufbau ja oder nein und<br />

wie)<br />

Diese sollen im Folgenden dargestellt, diskutiert<br />

und ergänzt werden. Dabei soll<br />

auch untersucht werden, inwieweit sich<br />

das Verhältnis der Leipziger Stadtgesellschaft<br />

(einschließlich der in ihr beheimateten<br />

Universität) zum Freistaat Sachsen<br />

wie auch insgesamt zu „äußerer Einmi­<br />

schung“ als eine weitere Konfliktlinie betrachten<br />

lässt.<br />

Es besteht in Leipzig ein sehr weit reichender<br />

Konsens darüber, dass die Sprengung<br />

ein Akt staatlicher Willkür und Unrecht<br />

war. Tesch/Schroth (26.8.2009)<br />

sehen den Unterschied darin, dass einige<br />

darin einen „Akt der Barbarei“ sehen,<br />

während er für andere ein historischer<br />

Fakt ist. Der wesentliche Dissens ist allerdings<br />

der über die Bedeutung dieses historischen<br />

Unrechts für das Handeln und<br />

den Umgang mit dem Ort in der Gegenwart,<br />

also die Frage, ob und, wenn ja, welche<br />

baulichen und funktionalen Anforderung<br />

aus diesem Unrecht heute entstehen.<br />

Dies führt auch dazu, dass seitens einiger<br />

Wiederaufbaubefürworter die Ernsthaftigkeit<br />

des Unrechtsempfindens bei den<br />

Wiederaufbaugegnern und damit das Bestehen<br />

dieses Konsenses angezweifelt wird<br />

(vgl. Koch/Koch 2006: 155). Die eigentliche<br />

Konfliktlinie allerdings besteht eben<br />

nicht in der Interpretation oder Bewertung<br />

der Geschichte. Während die verschiedenen<br />

Wettbewerbe eine Vielzahl möglicher<br />

Formen architektonischer Erinnerungskultur<br />

erbracht haben und die Gegner somit<br />

belegt sehen, dass ein Neubau zum<br />

„Sühnebau“ werden kann, bleibt den Aufbaubefürwortern<br />

nur das Argument, die<br />

Nicht-Wiederherstellung sei ein „später<br />

Sieg der SED“. Letzteres trägt schon deshalb<br />

kaum, weil zumindest für die Öffentlichkeit<br />

nicht deutlich wird, wer heute einen<br />

solchen Sieg „feiern“ solle (wenngleich<br />

es entsprechende Unterstellungen gibt; vgl.<br />

Koch 2000, www.verhoer.de, auch Stötzner<br />

28.8.2009).

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