PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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178 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />
Im Gegensatz zu anderen Vorhaben erscheint<br />
es an dieser Stelle auch geboten,<br />
zusätzlich die Bedeutung innerhalb<br />
der Universitätsentwicklung zu betrachten.<br />
Auch hier ist allerdings nur bedingt<br />
von bewussten Verbindungen auszugehen,<br />
da auch für die Universität das Gebäude<br />
letztlich nur einen kleinen – wenn auch<br />
wichtigen und viel beachteten Teil – ihrer<br />
baulichen wie auch allgemeinen Umstrukturierung<br />
seit 1990 ausmacht. Trotz<br />
einer großen Einigkeit zwischen Universitätsleitung<br />
und Studierendenvertretern<br />
in der Rekonstruktionsfrage wurden universitäre<br />
Diskussionen um die Profilbilche,<br />
weltoffene“ Universität ausspricht (vgl.<br />
Schroth/Tesch 26.8.2009). Wenngleich sich<br />
die entsprechende Bürgerinitiative nicht<br />
an architektonischen Auseinandersetzungen<br />
beteiligen möchte, erscheint doch<br />
auch ihren Vertretern der Auslöser der Diskussion<br />
darin zu liegen, dass das Gebäude<br />
„aussieht wie eine Kirche“. Die Vorstellung,<br />
vor einem Altar oder gar von oder neben<br />
einer Kanzel eine nicht-christliche Veranstaltung,<br />
wie einen Kongress oder Vortrag<br />
abzuhalten, führt zu einer Ablehnung bzw.<br />
auch zum Wunsch nach einer baulichen<br />
Trennung zwischen dann stärker säkularer<br />
Aula und einem Chorraum, der durch<br />
die Versammlung der Überreste der alten<br />
Kirche unterscheidbar wird.<br />
Gleichzeitig ist die Paulinerkirche allerdings<br />
zumindest für einige auch Symbol<br />
für den – zum Teil selber miterlebten und<br />
mitgestalteten – Widerstand gegen die<br />
willkürliche Sprengung von Kirche und<br />
Augusteum durch das DDR-Regime. Da<br />
die Kirche auch als „Ort des freien Worts<br />
in Zeiten der Diktatur“ (Stötzner 28.8.2009)<br />
erinnert wird und ihrer Sprengung zur<br />
Niederschlagung von Kritikern gedient<br />
habe, wird sie als allgemeines Symbol des<br />
Widerstands verstanden, zumal sowohl<br />
die Stadtgesellschaft Leipzigs als auch die<br />
Kirchen in erheblichem Maße zur friedlichen<br />
Revolution des Jahres 1989/90 beigetragen<br />
haben (vgl. Wolff 10.9.2009). Offenbar<br />
ist diese Symbolik allerdings in Leipzig<br />
nicht allgemein vermittelbar bzw. wird davon<br />
ausgegangen, dass sie weiterhin die<br />
Opposition von in Entscheidungsfunktion<br />
verbliebenen Akteuren des SED-Regimes<br />
hervorrufen (vgl. Stötzner 28.8.2009). Heymann<br />
(26.8.2009) geht allerdings von einer<br />
entsprechenden touristischen Präsentierbarkeit<br />
aus.<br />
Bedeutung des Vorhabens innerhalb der<br />
Kommunalpolitik und Universitätsentwicklung<br />
Trotz der umfassenden, lang anhaltenden,<br />
politisch kontroversen und zum Teil emotional<br />
geführten Debatte wird allgemein<br />
davon ausgegangen, dass das Wiederaufbauvorhaben<br />
von relativ geringer Bedeutung<br />
für die Stadtentwicklung und Kommunalpolitik<br />
war (vgl. Quester 25.8.2009,<br />
Heymann 26.8.2009, Gormsen 10.9.2009).<br />
Davon zeugt auch die geringe Anzahl von<br />
Anlässen, zu denen das Projekt im Stadtrat<br />
diskutiert wurde. Wenngleich Heymann<br />
(26.8.2009) dies kritisiert und eine stärkere<br />
Mittlerrolle der Stadt einfordert, ist darauf<br />
zu verweisen, dass auch die CDU-Fraktion<br />
sich im Wesentlichen außerhalb des Stadtparlaments<br />
mit dem Thema befasst (vgl.<br />
Stötzner 28.8.2009) und etwa Kontakte zur<br />
Landesregierung hergestellt hat (vgl. Heymann<br />
26.8.2009). Dies bestätigt ein Stück<br />
weit den von Quester (25.8.2009) formulierten<br />
Eindruck, dass es der CDU hierbei<br />
weniger um eine stadtpolitische Sachentscheidung<br />
ging, sondern sie sich vielmehr<br />
in der Öffentlichkeit gegenüber der politischen<br />
Konkurrenz hervortun und dem populären<br />
Oberbürgermeister schaden wollte.<br />
Insofern kann auch für Leipzig eine Kopplung<br />
der Wiederaufbaudebatte mit anderen<br />
stadtentwicklungspolitischen Themen<br />
bzw. eine Verwendung als Ablenkungsoder<br />
Legitimationsstrategie ausgeschlossen<br />
werden, zumal die Debatte auch niemals<br />
hinreichende Bedeutung innerhalb<br />
der Bevölkerung erlangte und nicht von einem<br />
Treiber der Stadtentwicklung initiiert<br />
wurde (vgl. Quester 25.8.2009). Selbst eine<br />
Kopplung mit Fragen des Denkmalschutzes<br />
(Gormsen 10.9.2009) oder des Umgangs<br />
mit dem gründerzeitlichen Bestand<br />
(Schroth/Tesch 26.8.2009) fand nicht statt,<br />
obwohl die vorgeschlagene Roßbach-Fassade<br />
als Zeitgenosse dieser Bauten anzusehen<br />
ist. Zusammenhänge werden lediglich<br />
zur Neugestaltung des unmittelbar<br />
angrenzenden Augustusplatzes gesehen,<br />
um die nach einer Veränderung Mitte der<br />
1990er Jahre nun erneut gestritten werden<br />
wird, um ggf. auf die deutlich repräsentativere<br />
Fassade der Universität zu reagieren<br />
(vgl. Quester 25.8.2009, Heymann<br />
26.8.2009, Gormsen 10.9.2009).