PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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162 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />
Damit hat sich der Kern der Auseinandersetzung<br />
wesentlich auf die Frage des Anteils<br />
der kirchlichen Nutzung und der Eindeutigkeit<br />
der religiösen Bedeutung des<br />
Gebäudes verlagert. Die Konflikte sind bis<br />
heute nicht vollständig ausgeräumt, wenngleich<br />
der Baufortschritt – trotz Verzögerungen<br />
durch die von den Rekonstruktionsbefürwortern<br />
als „Geschenk Gottes“<br />
gefeierte Insolvenz van Egeraats im Zuge<br />
der internationalen Finanzkrise – etwa<br />
durch Herstellung der Plexiglaswand die<br />
Bemühungen des Vereins erfolgloser werden<br />
lässt. Die zeitweise erhebliche Schärfe,<br />
die Ende 2008 zur Gründung einer Bürgerinitiative<br />
zur Unterstützung der auch<br />
persönlich stark angegriffenen Universitätsleitung<br />
führte, wurde durch einen unter<br />
der Leitung der Bundesanwältin Monitische<br />
Halle in den historischen Ausmaßen<br />
der Paulinerkirche und mit dem sehr<br />
schönen Gewölbe der ehemaligen Paulinerkirche“<br />
(zit. in Handelsblatt 30.12.2004).<br />
Das Ergebnis sei nur durch die Arbeit des<br />
Vereins zustande gekommen, „sonst hätte<br />
Leipzig noch einen zusätzlichen Betonklotz<br />
bekommen“ (ebd.). Ähnlich hatte<br />
sich auch die Vereinssprecherin Jutta<br />
Schrödl in der ersten Hälfte des Jahres<br />
2004 geäußert. Auch durch weitere interne<br />
Querelen, die zur Annullierung einer Vorstandswahl<br />
durch das Amtsgericht führten<br />
(LVZ 18.8.2004), kam es zum Rücktritt<br />
Blobels vom Vereinsvorsitz und schließlich<br />
zum Austritt (LVZ 25.8.2004, Koch/<br />
Koch 2006: 13–14). Zwischenzeitlich hatte<br />
der Verein dadurch einen gerichtlich bestellten<br />
Vorstand (LVZ 4.10.2004).<br />
Zwischen der Verkündung des Wettbewerbsergebnis<br />
und Baubeginn erfolgten<br />
durch Einwirken insbesondere der Universitätsleitung<br />
erhebliche Änderungen<br />
am ursprünglichen Entwurf des Innenraums,<br />
der zwar eine Aufweitung und Erhöhung,<br />
aber eine „Beibehaltung“ des gotischen<br />
Querschnitts des Hauptschiffs bei<br />
Verschmälerung der Seitenschiffe vorgesehen,<br />
jedoch entsprechend der historischen<br />
Vorlage sechs Säulenpaare geplant hatte.<br />
In einer Entscheidung, die sie selber mit finanziellen<br />
und praktischen Überlegungen<br />
begründete, im Paulinerverein allerdings<br />
als Affront gegen eine sakrale Raumgestaltung<br />
und somit eine „[…] Wiedergutmachung<br />
[im Inneren]“ (Koch/Koch 2006: 75)<br />
angesehen wurde, beschloss die Universität<br />
in Absprache mit dem Architeken, eine<br />
säulenfreie Aula zu bauen. Nach neuerlichem,<br />
den Verein offenbar erneut einenden<br />
Protest war es wiederum van Egeraat, der<br />
mit einem Kompromiss aufwartete: Statt<br />
steinerner Säulen wolle er sie aus „Porzellan,<br />
Glas und Licht“ (LVZ 23.9.2005) bauen,<br />
von der Decke hängend und mehrere Meter<br />
über dem Boden endend. Die Begeisterung<br />
über diesen Vorschlag war einseitig<br />
und kurz: Der Paulinerverein brachte über<br />
1 000 Unterschriften für den ursprünglichen<br />
Entwurf zusammen und bekam Unterstützung<br />
durch die zuvor ausgetretenen<br />
Blobel und Schrödl. Die Baukommission<br />
der Universität der Universität entschied<br />
dann Ende Januar 2006 gegen die „modische<br />
Spielerei“ (LVZ 6.2.2006). Beschlossen<br />
wurde hingegen eine wiederum neue Vari<br />
ante: Statt sechs werden nun drei Säulenpaare<br />
vollständig und die drei mittleren in<br />
einer hängenden Version hergestellt. Dafür<br />
entsprechen nun der Grundriss und auch<br />
der Abstand der Säulenreihen dem Original.<br />
Als Kompromiss taugte diese Entscheidung<br />
freilich nicht mehr: „Der Siegerentwurf<br />
versprach Frieden. Diesen Weg<br />
hat die Universität verlassen.“ (Paulinerverein<br />
31.1.2006) Dazu tat auch die gleichzeitige<br />
Ankündigung ihr Übriges, Aula und<br />
Chorraum durch eine teilweise bewegliche<br />
Glaswand zu trennen. (Vgl. Universität<br />
Leipzig 1.2.2006)<br />
Auch während der Bauphase des „Paulinums“<br />
seit der Grundsteinlegung am 14.<br />
Juli 2005 und selbst nach dem Baubeginn<br />
Mitte 2007 blieb das Vorhaben konfliktreich.<br />
Wesentliche Auseinandersetzungen<br />
waren dabei:<br />
• die Trennung des Innenraums in einen<br />
sakralen und einen profanen Teil mittels<br />
einer rund 630 000 Euro teuren, 16m hohen<br />
Plexiglaswand (Kowa 2009: 7),<br />
• die Namensgebung „Paulinum“ durch<br />
die Universität, während der Paulinerverein<br />
auf „Universitätskirche St. Pauli“<br />
bestand – die Bezeichnung, die nun für<br />
den Chorraum verwendet werden soll<br />
(Kowa 2009: 7),<br />
• die Installation der alten Kanzel innerhalb<br />
des als Aula vorgesehenen Raums<br />
(Kowa 2009: 8), während die Universität<br />
sie lediglich im Chorraum anbringen<br />
will (Koch/Koch 2006: 79)