PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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160 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />
Im September 2001 wurde von der CDU-<br />
Landesregierung noch in Einklang mit der<br />
SPD-Rathausspitze und Universitätsleitung<br />
ein Realisierungswettbewerb für Umund<br />
Neubau des gesamten Innenstadtcampus<br />
ausgeschrieben. Trotz mehrfacher<br />
Intervention des Paulinervereins und verschiedener<br />
Privatpersonen – etwa dem<br />
Aufruf der Nobelpreisträger am Tag der<br />
ersten Jurysitzung – wurde die Kernforderung<br />
des Prominentenaufrufs nach einer<br />
„Option des Wiederaufbaus“ (www.paulinerverein.de)<br />
nicht in den Auslobungstext<br />
aufgenommen, der zudem erst mit der<br />
Veröffentlichung für den Verein zugänglich<br />
wurde. Innerhalb der Auslobung wurde<br />
auch ein architektonisch angemessener<br />
Umgang mit der jüngeren Geschichte des<br />
Ortes gefordert. Da gleichzeitig eine 600<br />
Plätze fassende „Pauliner Aula“ als „geistiger<br />
Mittelpunkt“ der Universität gefordert<br />
wurde, schien eine Rekonstruktion zunächst<br />
nicht vorgesehen. Jedoch gab das<br />
Wettbewerbsergebnis – wohl unbeabsichtigt<br />
(Friedrich 2002) – diesen Bemühungen<br />
neuerlichen Auftrieb. Von den 27 Arbeiten,<br />
die von ursprünglich 130 in einer<br />
zweiten Phase überarbeitet wurden, setzte<br />
keine „alle Forderungen des Auslobers<br />
in höchster Qualität“ um, so dass kein erster<br />
Preis vergeben wurde. Obwohl sich die<br />
Fachpresse bemühte zu erklären, dass dadurch<br />
„weder das Verfahren noch die Lösungen<br />
in Frage gestellt“ (Friedrich 2002)<br />
seien und gerade der zweite Preis von Martin<br />
Behet und Roland Bondzio (Münster)<br />
als „zukunftsweisender Vorschlag“ gewürdigt<br />
worden sei, ermöglichte diese Jury-Entscheidung<br />
eine weit ungehemmtere<br />
öffentliche Kritik. Noch vor der Juryentscheidung<br />
hatte sich die Leipziger FDP für<br />
eine „Integration“ der Paulinerkirche in<br />
die Neubebauung ausgesprochen, einen<br />
„Nachbau“ allerdings abgelehnt. Stattdessen<br />
sollten „ihr altes Erscheinungsbild<br />
und die verbliebenen Bauelemente [...] in<br />
einen Neubau integriert werden“ (zit. in:<br />
LVZ vom 12.12.2001). Einen Monat später<br />
positionierte sich mit dem Vorstand des<br />
CDU-Stadtverbands erstmals ein politides<br />
30. Jahrestags der Sprengung forderte<br />
der Paulinerverein weiterhin öffentlich<br />
einen Wiederaufbau und verdeutlichte<br />
sein Anliegen unter anderem mit der Errichtung<br />
einer Kunstinstallation, die vor<br />
dem Universitätsgebäude den Kirchgiebel<br />
aus Stahlträgern nachbildete. Trotz<br />
Unterstützung durch eine Werbekampagne<br />
von Mitteldeutschem Rundfunk und<br />
Bild Leipzig führte dies weder zu einem<br />
breiten öffentlichen Interesse noch zu einer<br />
politischen Fürsprache. Früh sprachen<br />
sich in öffentlichen Podiumsdiskussionen<br />
neben Architekten und Denkmalpflegern<br />
auch Vertreter der Stadtverwaltung und<br />
der Universität sowie der Kirche gegen einen<br />
Wiederaufbau aus. Ein Arbeitskreis<br />
unter Leitung von Thomas Topfstedt (vgl.<br />
auch insg. dens. 2001), einem renommierten<br />
Leipziger Architekturhistoriker, entwickelte<br />
1998 Leitvorstellungen zur Planung<br />
des Bereichs. Auch diese gehen nicht von<br />
einem Wiederaufbau aus, bedeuteten aber<br />
dennoch weiteren Antrieb für den Paulinerverein,<br />
da sich die Umbaupläne der<br />
Universität am innerstädtischen Standort<br />
konkretisierten und insbesondere im Hinblick<br />
auf die 600-Jahrfeier ihrer Gründung<br />
auch die Forderung nach einer repräsentativen<br />
Aula enthielten.<br />
Ab Mitte 2001 verstärkten sich die Aktivitäten<br />
für einen Wiederaufbau der Paulinerkirche,<br />
nachdem es zu Anfang des Jahres<br />
zu erheblichen Auseinandersetzungen innerhalb<br />
des Vereins gekommen war und in<br />
der Öffentlichkeit der Eindruck entstand,<br />
es bestehe kein Interesse mehr an einem<br />
originalgetreuen Wiederaufbau (www.<br />
paulinerverein.de). Zunächst unabhängig<br />
vom Verein kam es zu einer öffentlichen<br />
Fürsprache des Medizin-Nobelpreisträger<br />
Prof. Günter Blobel (New York) und Prof.<br />
Ludwig Güttlers (Dresden), der zeitweise<br />
Vorsitzender der Gesellschaft zur Förderung<br />
des Wiederaufbaus der Frauenkirche<br />
Dresden e. V. war. Daraus entstand der so<br />
genannte „Prominentenaufruf“, den zwei<br />
Vereinsmitglieder, Dr. Martin Helmstedt<br />
und Dr. Manfred Wurlitzer, privat initiierten.<br />
Ihm schlossen sich insgesamt 32 Personen<br />
an, darunter Günter Blobel, Ludwig<br />
Güttler, der Maler Wolfgang Mattheuer<br />
und die Grafikerin Ursula Mattheuer-Neustädt<br />
(beide Leipzig), der grüne Bundestagsabgeordnete<br />
Werner Schulz und Carl<br />
Friedrich von Weizsäcker sowie mehrere<br />
Landtagsabgeordnete und Stadträte. Später<br />
im Jahr folgte ein Aufruf von 27 Nobelpreisträgern<br />
unter der Federführung von<br />
Günter Blobel, der 2002 zum Vorsitzenden<br />
des Paulinervereins gewählt wurde.