PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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156 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />
ablehnenden Haltung unterstützt. Unter<br />
seinem Nachfolger Georg Milbradt kam es<br />
2003 hingegen zu einer Unterstützung der<br />
Wiederaufbaubestrebungen und zu einem<br />
entsprechenden Beschluss hinsichtlich<br />
der Campusplanungen, der letztlich zum<br />
Rücktritt des Rektorats führte. Beachtlich<br />
hinsichtlich der Rolle des Freistaats ist allerdings<br />
auch, dass er in erheblichem Umfang<br />
zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt<br />
hat, um den Bau entsprechend den<br />
Wettbewerbsergebnissen zu verwirklichen<br />
– der vierte Bauabschnitt aus Paulinum<br />
und neuem Augusteum kostet 76 Millionen<br />
Euro (www.uni-leipzig.de; vgl. hierzu<br />
kritisch Quester 25.8.2008).<br />
Öffentlich kaum aktiv in Erscheinung getreten<br />
sind die beauftragten Architekten<br />
für den Campusneubau – weder die im<br />
ersten Wettbewerb erfolgreichen, aber im<br />
Qualifizierungsverfahren unterlegenen<br />
Behet und Bondzio, noch der Sieger des<br />
zweiten Wettbewerbs, Erick van Egeraat.<br />
Beide Büros beweisen erhebliche Flexibilität<br />
hinsichtlich der Überarbeitungswünsche<br />
von Universität und Freistaat sowie –<br />
wenngleich für sie nicht in gleichem Maße<br />
relevant – öffentlich geäußerten Wünschen.<br />
So äußerten die im ersten Campuswettbewerb<br />
zweitplatzierten Behet und<br />
Bondzio bei einer kontroversen öffentlichen<br />
Diskussion ihrer Arbeit „aufgeschlossen<br />
gegenüber der Forderung, dass der Erinnerungsgedanke<br />
noch einer deutlichen<br />
Vertiefung bedürfe“ (LVZ 7.8.2002) und<br />
scheinen sich auch nicht wesentlich gegen<br />
den als Qualifizierungsverfahren ausgeschriebenen<br />
zweiten Wettbewerb verwehrt<br />
zu haben, in dem sie schließlich gegen van<br />
Egeraat unterlagen. Dieser war bereits innerhalb<br />
des diskursiven Teils des zweistufigen<br />
Verfahrens stets bemüht, die Jury davon<br />
zu überzeugen, dass er zu erheblichen<br />
Änderungen bereit sei (Häuser 10.9.2009).<br />
In der weiteren Diskussion erschien er teilweise<br />
als Moderator zwischen den erheblich<br />
widersprüchlichen Anforderungen<br />
der übrigen Akteure und brachte insbesondere<br />
im ersten Jahr nach dem Wettbewerb<br />
mehrfach deutlich veränderte Entwürfe<br />
des Innenraums in die Debatte ein<br />
(vgl. etwa Koch/Koch 2006: 75–81). So sieht<br />
er auch das Bauwerk als einen „perfekte[n]<br />
Kompromiss“ (zit. in LVZ 10.4.2008). Obgleich<br />
er dabei sowohl in Fragen der Materialität<br />
als auch des Grundrisses hohe Fle<br />
xibilität zeigte und mehrfach durch recht<br />
waghalsige Vorschläge – zu nennen insbesondere<br />
die Lichtsäulen, aber auch die<br />
nun gebauten hängenden Säulen und die<br />
Glaswand – auffiel, so beharrte er in einigen<br />
Punkten auf seinem ursprünglichen<br />
Entwurf und versucht diesen nun nach<br />
Pleite (LVZ 26.1.2009) und Kündigung (LVZ<br />
18.2.2009) in mehreren Fällen auch gerichtlich<br />
durchzusetzen (Gormsen, Häuser<br />
10.9.2009, vgl. LVZ 4.5.2009, 15.9.2009.,<br />
23./24.9.2009). Gleichwohl kündigte er an,<br />
auch weiterhin konstruktiv mitwirken zu<br />
wollen, sei das Paulinum „doch sein Baby“<br />
(zit. in LVZ 4.9.2009).<br />
Die Rolle der Stadt Leipzig wird unterschiedlich<br />
bewertet, wobei Einigkeit darüber<br />
herrscht, dass sie sie weitgehend<br />
unauffällig, d.h. eher innerhalb von Verhandlungen<br />
als innerhalb öffentlicher Debatten<br />
ausgefüllt hat. Die Wiederaufbaubefürworter<br />
kritisieren die Stadt für ihre<br />
Passivität; sie habe nicht als Meinungsbündlerin<br />
oder Ombudsmann fungiert<br />
(Heymann 26.8.2009), zumal sich der Oberbürgermeister<br />
und die SPD-Fraktion als<br />
damals stärkste Kraft im Stadtrat eindeutig<br />
für einen Neubau positioniert haben.<br />
Hier ist allerdings auch die verstärkende<br />
Wirkung des Vertrauensbruchs durch die<br />
Landesregierung (s.o.) zu beachten. Quester<br />
(25.8.2009) weist allerdings darauf hin,<br />
dass die Stadt innerhalb ihrer Planungshoheit<br />
und ihrer Mitarbeit an den Wettbewerbsverfahren<br />
ihre Interessen an der<br />
Umgestaltung des Innenstadtcampus stets<br />
habe durchsetzen können, wenngleich<br />
dies öffentlich wenig beachtet worden sei.<br />
Eigene Aktivitäten hat die Stadt – bzw. ihr<br />
erster Stadtbaurat nach 1990, Gormsen<br />
(10.9.2009) – hinsichtlich des Augustusplatzes<br />
unternommen. Hier wurde bereits<br />
1994 ein Ideenwettbewerb zur Gestaltung<br />
ausgeschrieben, der zum Teil als ein erster<br />
Campus-Wettbewerb missverstanden<br />
wurde. Das Ergebnis entstand allerdings<br />
unter dem Eindruck, dass die bisherige<br />
Universitätsgebäude erhalten bleiben würden,<br />
so dass verschiedene Aufbauten nun<br />
die freie Sicht auf Paulinum und neues Augusteum<br />
verstellen und Überlegungen zu<br />
einer neuerlichen Umge stal tung bestehen<br />
(Heymann 26.8.2009). Mit unterschiedlichem<br />
Ziel und Engagement haben sich die<br />
übrigen Stadtratsfraktionen mit dem Thema<br />
auseinandergesetzt, wobei insgesamt