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140 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143 Die Bürgerinitiative, die sich eine Vereinsform gegeben hat, wirbt in ihrer Selbstdarstellung damit, dass sie Investoren ihr Know-how zur Verfügung stellt und sich durch ihre Beratungstätigkeit im Rahmen der Bauvorhaben von Investoren in die Leitbautendiskussion einmischt. Dieses Engagement geht so weit, dass die Initiative sogar ein eigenes Referenzprojekt für einen Leitbau umsetzt. Sie organisiert regelmäßig Veranstaltungen, die auch über die Wiederaufbauproblematik in Dresden hinaus informieren. Darüber hinaus verfügt sie über ein weites Spektrum von Aktivitäten. Informationsvermittlung wird über Veröffentlichungen, Vorträgen, Symposien und Führungen betrieben. Als Dienstleistungen werden Fotografien, Pläne, Fragmente, wissenschaftliche Bearbeitungen und baupraktischen Informationen bereitgestellt. Der Verein betreibt einen Informationspavillon mit einem Modell des historischen Neumarkts. Einfluss auf die stadtplanerischen Entscheidungsprozesbäuden ausgewertet und zur Verfügung gestellt (Pohlack 2008: 36). Die Aufgabe und der Abbruch der noch erhaltenen originalen Kelleranlagen und der Reste der mittelalterlichen Befestigungsanlage stellten angesichts der großen Erwartungshaltungen in der Bürgerschaft einen grundlegenden Einschnitt und Anlass zur Kritik am Vorgehen der Stadt und der Landesarchäologin dar, die zum Zeitpunkt die Keller schon aufgelassen hatte (Pohlack 2008: 36). Die nach 1945 im Zuge der Flächenenttrümmerung nicht beseitigten und zugeschütteten Kelleranlagen stellten für sie die bewahrten Wurzeln als letzte Teile originaler Stadtgeschichte im Bereich der Bürgerhäuser dar. Die Keller waren nicht unter Denkmalschutz gestanden, so dass ein Erhalt durch einen Bauherren nur auf freiwilliger Basis erfolgen sollte. Doch trotz der von der GHND erzielten Erfolge und der Anpassungen planerischer Vorentscheidungen kommt es auch weiterhin zu Detailkonflikten, deren Ursprung in der schweren Vereinbarkeit der komplexen Ansprüche an den Ort liegen. An der Diskussion über das Hotel Stadt Rom zeigt sich etwa, das in unmittelbarer Nähe der Wilsdruffer Straße und damit auch in einem geringen Abstand zu benachbarten Quartieren errichtet werden soll, dass im Rahmen der allmählichen Wiederbebauung des Neumarkt-Umfelds immer mehr praktische Nutzererwägungen eine Rolle spielen. So befürchten die Betreiber der Heinrich-Schütz-Residenz eine Verschattung ihrer teuren Seniorenwohnanlage. Befremdlich mutet dabei an, dass der Betreiber behauptet, als er das Grundstück erworben habe, sei vom Bau des Hotels Stadt Rom noch keine Rede gewesen (Klemm 2009). Offenbar herrscht trotz eindeutiger GHND-Position keineswegs ein unumstrittener Konsens unter den Akteuren darüber, dass mit der Wiederbebauung eine innerstädtische Dichte erreicht wird, die heute nicht überall selbstverständlich ist. 5.14 Rolle lokaler Bürgerinitiativen/ Rolle der lokalen Bürgerinitiative Formen zivilgesellschaftlichen Engagements Erste Ansätze zivilgesellschaftlichen Engagements setzten bereits kurz nach der Zerstörung des Neumarkts ein. Am Neumarkt bemühten sich zwischen 1946 und 1948 engagierte Dresdener Bürger zusammen mit Denkmalpflegern (u. a. Hans Nadler) um die Sicherung wichtiger, wiederaufbaufähiger Ruinen. Diese umfasste neben dem Sakralbau der Frauenkirche, den barocken Herrschaftsbauten (Kurländer Palais, Coselpalais, Landhaus, Johanneum) auch barocke Bürgerhäuser, unter anderem Reste des barocken Ensembles von Bürgerhäusern an der Rampischen Straße. Im Wettlauf mit der Flächenenttrümmerung gelang die Bergung von Fassadenfragmenten von etwa 20 vollständig zerstörten Gebäuden. Die Abbruchmaßnahmen der gesicherten Reste, die eigentlich für einen Wiederaufbau vorgesehen waren, setzten diesem Engagement ein vorzeitiges Ende (Pohlack 2008: 34, Hertzig et al. 2005: 8). Bis kurz vor der Wiedervereinigung Deutschlands sind abgesehen vom zivilgesellschaftlichen Engagement für den Wiederaufbau der Frauenkirche keine weiteren Aktivitäten oder Widerstand für das Neumarktgebiet bekannt. Insgesamt setzte nach 1990 im Kontext zu den sich ändernden politisch-gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ein erstarkendes Interesse und Engagement zunächst für den Wiederaufbau der Kirche ein, das in entsprechende Aktivitäten mündete.

Fallstudien 141 se versucht die GHND über die offiziellen Planverfahren und die Wettbewerbe der Stadt zu erzielen, die immer wieder zu strittigen Positionen führen. Vielleicht eine der spektakulärsten Aktivitäten stellte das Bürgerbegehren aus dem Jahr 2002 dar, das allerdings aus formalen Gründen von der Stadt Dresden gestoppt wurde. Ungeachtet dessen ist das bürgerschaftliche Engagement nicht zuletzt über das Medieninteresse an Dresden weithin bekannt geworden. Die GHND funktioniert so als Multiplikator für das bürgerschaftliche Engagement. Über die GHND hinaus gibt es auch weitere Vereine und Stiftungen, die sich mit dem Neumarkt Dresden beschäftigen (Vision of Europe, Friends of Dresden, Max- Kade-Stiftung). Entstehen, Ursachen und Beweggründe der Bürgerinitiative(n) Die Dresdener Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden e.V. gründete sich im Frühjahr 1999 aus einem Kreis von Architekten, Denkmalpflegern, Kunsthistorikern, Juristen und anderen interessierten Bürgern. Ihnen gemeinsam ist die Auffassung, dass die Frauenkirche als städtebauliches Umfeld das Ensemble eines weitgehend rekonstruierten Neumarktareals bedarf. Der Verein sah sich insbesondere in den Anfangsjahren als ergänzende Interessenvertretung zur „Gesellschaft zur Förderung des Wiederaufbaus der Dresdener Frauenkirche e.V. (Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden e.V. 2000: 3). Anlass für die Gründung war die Rekonstruktion des Coselpalais‘, das den Beginn des Wiederaufbaus am Neumarkt markierte. Diese Rekonstruktion wurde von der Öffentlichkeit mit großer Aufmerksamkeit begleitet und löste vielfältige Reaktionen aus. Wegen der durch die bisher erreichten Bauqualität anderer Wiederaufbauvorhaben Dresdens wie Johanneum, Zwinger, Hofkirche, und Semperoper hoch geschraubten Erwartungen war offenbar die Enttäuschung für die Vertreter einer historischen Wiederherstellung groß, als nach dem in der Nähe durch den so genannten Advanta-Riegel hinter dem Taschenbergpalais entstandenen Kontrast nun trotz der historisch wieder errichteten Fassade des Coselpalais mit dem dahinter errichteten Neuen Palais auch dort ein Anbau in moderner Formensprache errichtet wurde (Donath 2006: 117). Mit seiner Gründung wollte die GHND nun die offizielle Stadtplanung kritisch begleiten und für ein eindeutiger historisches Stadtbild eintreten. Erweiterte Wertvorstellungen und Zielsetzungen Auffällig an der GHND ist das explizite Eintreten gegen „gründerzeitliche Entstellungen“ und Wiederherstellung des „wertvolle[n] Platzbild[es] um 1800“ (Satzung der GHND). Auf der anderen Seite tritt die GHND nicht grundsätzlich gegen moderne Architektur ein, sondern tut das begrenzt für den Neumarkt. Bedeutung realisierter Wiederaufbauvorhaben Die vor der Deutschen Wiedervereinigung realisierten Wiederaufbauvorhaben Dresdens sind für die GHND von zentraler Bedeutung und werden kontinuierlich als Positiv-Beispiele angeführt. Ebenso wird auf andere aus Vereinssicht erfolgreich durchgeführten Rekonstruktionsvorhaben innerhalb Deutschlands und im europäischen Ausland verwiesen. Auf der Internetseite des Vereins sowie in der vom Verein herausgegebenen Vereinszeitung sowie Broschüren wird kontinuierlich und sehr ausführlich auf diese Beispiele verwiesen. In der Phase kurz nach der Deutschen Wiedervereinigung nennt Glaser (2000: 24) vor allem vier Monumente im zerstörten Stadtzentrum, die für eine „kulturbewusste“ Dresdener Öffentlichkeit von Belang waren. Um deren Wiederaufbau wurde nach erfolgter Sicherung der Ruinen gerungen. Zu diesen zählten der Zwinger, die Oper, das Residenzschloss und die Frauenkirche. Kulke (29.08.2009) weist außerdem darauf hin, welche Rolle die Dresdener Denkmalpflege im Engagement gegen die SED-Führung und ihre in der Nachkriegszeit dominierende Abrisspolitik hatte (Palais Bürgerwiese, Villa Rosa, Rampische Straße) und wie die Semperoper als Schlüsselbau für eine Wende in der offiziellen Politik weg von weiteren Abrissen beschädigter Bausubstanz angesehen werden kann.

140 Positionen zum Wiederaufbau verlorener Bauten und Räume Forschungen Heft 143<br />

Die Bürgerinitiative, die sich eine Vereinsform<br />

gegeben hat, wirbt in ihrer Selbstdarstellung<br />

damit, dass sie Investoren ihr<br />

Know-how zur Verfügung stellt und sich<br />

durch ihre Beratungstätigkeit im Rahmen<br />

der Bauvorhaben von Investoren in die<br />

Leitbautendiskussion einmischt. Dieses<br />

Engagement geht so weit, dass die Initiative<br />

sogar ein eigenes Referenzprojekt für einen<br />

Leitbau umsetzt. Sie organisiert regelmäßig<br />

Veranstaltungen, die auch über die<br />

Wiederaufbauproblematik in Dresden hinaus<br />

informieren. Darüber hinaus verfügt<br />

sie über ein weites Spektrum von Aktivitäten.<br />

Informationsvermittlung wird über<br />

Veröffentlichungen, Vorträgen, Symposien<br />

und Führungen betrieben. Als Dienstleistungen<br />

werden Fotografien, Pläne, Fragmente,<br />

wissenschaftliche Bearbeitungen<br />

und baupraktischen Informationen bereitgestellt.<br />

Der Verein betreibt einen Informationspavillon<br />

mit einem Modell des<br />

historischen Neumarkts. Einfluss auf die<br />

stadtplanerischen Entscheidungsprozesbäuden<br />

ausgewertet und zur Verfügung<br />

gestellt (Pohlack 2008: 36).<br />

Die Aufgabe und der Abbruch der noch erhaltenen<br />

originalen Kelleranlagen und der<br />

Reste der mittelalterlichen Befestigungsanlage<br />

stellten angesichts der großen Erwartungshaltungen<br />

in der Bürgerschaft einen<br />

grundlegenden Einschnitt und Anlass<br />

zur Kritik am Vorgehen der Stadt und der<br />

Landesarchäologin dar, die zum Zeitpunkt<br />

die Keller schon aufgelassen hatte (Pohlack<br />

2008: 36). Die nach 1945 im Zuge der<br />

Flächenenttrümmerung nicht beseitigten<br />

und zugeschütteten Kelleranlagen stellten<br />

für sie die bewahrten Wurzeln als letzte<br />

Teile originaler Stadtgeschichte im Bereich<br />

der Bürgerhäuser dar. Die Keller waren<br />

nicht unter Denkmalschutz gestanden, so<br />

dass ein Erhalt durch einen Bauherren nur<br />

auf freiwilliger Basis erfolgen sollte.<br />

Doch trotz der von der GHND erzielten Erfolge<br />

und der Anpassungen planerischer<br />

Vorentscheidungen kommt es auch weiterhin<br />

zu Detailkonflikten, deren Ursprung<br />

in der schweren Vereinbarkeit der komplexen<br />

Ansprüche an den Ort liegen. An<br />

der Diskussion über das Hotel Stadt Rom<br />

zeigt sich etwa, das in unmittelbarer Nähe<br />

der Wilsdruffer Straße und damit auch in<br />

einem geringen Abstand zu benachbarten<br />

Quartieren errichtet werden soll, dass<br />

im Rahmen der allmählichen Wiederbebauung<br />

des Neumarkt-Umfelds immer<br />

mehr praktische Nutzererwägungen eine<br />

Rolle spielen. So befürchten die Betreiber<br />

der Heinrich-Schütz-Residenz eine Verschattung<br />

ihrer teuren Seniorenwohnanlage.<br />

Befremdlich mutet dabei an, dass<br />

der Betreiber behauptet, als er das Grundstück<br />

erworben habe, sei vom Bau des Hotels<br />

Stadt Rom noch keine Rede gewesen<br />

(Klemm 2009). Offenbar herrscht trotz eindeutiger<br />

GHND-Position keineswegs ein<br />

unumstrittener Konsens unter den Akteuren<br />

darüber, dass mit der Wiederbebauung<br />

eine innerstädtische Dichte erreicht<br />

wird, die heute nicht überall selbstverständlich<br />

ist.<br />

5.14 Rolle lokaler Bürgerinitiativen/<br />

Rolle der lokalen Bürgerinitiative<br />

Formen zivilgesellschaftlichen Engagements<br />

Erste Ansätze zivilgesellschaftlichen Engagements<br />

setzten bereits kurz nach der<br />

Zerstörung des Neumarkts ein. Am Neumarkt<br />

bemühten sich zwischen 1946 und<br />

1948 engagierte Dresdener Bürger zusammen<br />

mit Denkmalpflegern (u. a. Hans<br />

Nadler) um die Sicherung wichtiger, wiederaufbaufähiger<br />

Ruinen. Diese umfasste<br />

neben dem Sakralbau der Frauenkirche,<br />

den barocken Herrschaftsbauten (Kurländer<br />

Palais, Coselpalais, Landhaus, Johanneum)<br />

auch barocke Bürgerhäuser, unter<br />

anderem Reste des barocken Ensembles<br />

von Bürgerhäusern an der Rampischen<br />

Straße. Im Wettlauf mit der Flächenenttrümmerung<br />

gelang die Bergung von Fassadenfragmenten<br />

von etwa 20 vollständig<br />

zerstörten Gebäuden. Die Abbruchmaßnahmen<br />

der gesicherten Reste, die eigentlich<br />

für einen Wiederaufbau vorgesehen<br />

waren, setzten diesem Engagement ein<br />

vorzeitiges Ende (Pohlack 2008: 34, Hertzig<br />

et al. 2005: 8). Bis kurz vor der Wiedervereinigung<br />

Deutschlands sind abgesehen vom<br />

zivilgesellschaftlichen Engagement für<br />

den Wiederaufbau der Frauenkirche keine<br />

weiteren Aktivitäten oder Widerstand für<br />

das Neumarktgebiet bekannt. Insgesamt<br />

setzte nach 1990 im Kontext zu den sich<br />

ändernden politisch-gesellschaftlichen<br />

Rahmenbedingungen ein erstarkendes Interesse<br />

und Engagement zunächst für den<br />

Wiederaufbau der Kirche ein, das in entsprechende<br />

Aktivitäten mündete.

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