PDF-Download - Newsletter Urbane Transformationen
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Fallstudien<br />
137<br />
den Innenstadt geht. Diesbezügliche Argumentationsfiguren<br />
finden sich auch außerhalb<br />
der GHND und der Befürworter<br />
im engeren Sinn. Der Sonderfall, dass es<br />
sich beim Neumarkt um ein Stadtquartier<br />
und nicht einen Einzelbau handelt, führt<br />
dazu, dass der Bezugsrahmen der Identitätsdebatte<br />
immer wieder gewechselt werden<br />
kann: Mal geht es um die Wiedergewinnung<br />
eines bedeutenden Stadtraums,<br />
mal um die historischen Leitbauten. Das<br />
macht die Diskussion flexibel und erlaubt<br />
es der Stadt und den Architekten, auch im<br />
Nebeneinander von historisierender und<br />
zeitgenössischer Architektur Identitätsangebote<br />
zu suchen und zu formulieren, die<br />
sich dann in den unterschiedlichen Gestaltungs-<br />
und Nutzungsvorgaben für die<br />
Quartiere manifestieren. Sie sind nicht immer<br />
erfolgreich, wie sich an der Ablehnung<br />
von bestimmten Bauten, der Ausführung<br />
von Details und der Anmutung der baulichen<br />
Ergebnisse (vgl. etwa die Diskussion<br />
um das Glasdach in Quartier 1) sowie an<br />
der Nutzbarkeit der geschaffenen Angebote<br />
für die Bevölkerung vor Ort oder Touristen<br />
ablesen lässt. Die Identifikationsfrage<br />
wird durch die anhaltende Debatte immer<br />
wieder angeheizt und umgreift auch die<br />
Kontroverse um Nachkriegsarchitektur –<br />
insbesondere den Kulturpalast -, so dass<br />
allein das Bewusstsein und der Streit über<br />
einen wichtigen Ort in der Stadt zusätzliches<br />
Identifikationspotential schafft. Es<br />
darf aber auch nicht vernachlässigt werden,<br />
dass die geschürten hohen Erwartungen<br />
an mit historischem Grundriss errichteten<br />
Leitbauten beinahe nur enttäuscht<br />
werden können und sich hieraus im Zusammenspiel<br />
mit der zeitgenössischen Architektur<br />
insgesamt Schwierigkeiten für<br />
die Aneignung des Bereichs ergeben – zu<br />
stark droht er, von den Rekonstruktionsbefürwortern<br />
als „billige Investorenarchitektur“,<br />
von den Gegnern als „Kunstprodukt“<br />
abgestempelt zu werden. Trotz der Intensität<br />
der Debatte ist also noch gar nicht abzusehen,<br />
wie stark die identitätsstiftende<br />
Bedeutung des Neumarkts einmal sein<br />
kann. Vergleicht man die Diskussion allerdings<br />
mit der um den Altmarkt vor einigen<br />
Jahren, dann ist die Neumarktdebatte<br />
als eine einzuschätzen, die wesentlich näher<br />
an und mit der Bevölkerung – ja, vielleicht<br />
sogar den Architekten vor Ort – geführt<br />
wird.<br />
Bedeutung von Bautyp und Symbolik<br />
Die Unterscheidung der Gebäudetypen findet<br />
sich indirekt in der Leitbautenstrategie<br />
wieder. Neben dem eindeutig dominierenden<br />
Projekt der Frauenkirche hat das städtebauliche<br />
Ensemble eine geringere Bedeutung<br />
und Symbolik. Die Wiedergewinnung<br />
des Stadtraums steht im Mittelpunkt der<br />
Diskussion, wobei die Leitbauten die historische<br />
Bedeutung des Bereichs symbolisch<br />
wieder herstellen sollen. Bei der Planung<br />
zu den einzelnen Quartieren fällt auf,<br />
wie stark die historische Orientierung prägend<br />
ist und wie stark dabei auch die symbolische<br />
Bedeutung des Gesamtensemble<br />
Neumarkts im Sinne einer Wiederherstellung<br />
des Stadtgrundrisses ist, wenn man<br />
die rücksichtslosen Anschlüsse der südlichen<br />
Quartiere an das Nachkriegsensemble<br />
an der Wilsdruffer Straße und den Kulturpalast<br />
sowie die Negierung von deren<br />
eigenen Freiraumqualitäten und städtebaulichen<br />
Ensemblequalitäten betrachtet.<br />
Dies geht so weit, dass der dem städtebaulich-gestalterischen<br />
Konzept von Anfang<br />
2002 zugrunde liegende Plan – inzwischen<br />
durch die letzte Version des Planungsleitbilds<br />
in Frage gestellt – für die Wiederbebauung<br />
des Neumarkts als zukünftige Option<br />
eine Wiederherstellung der Quartiere<br />
4 und 5 bis zur Wilsdruffer Straße (mögliche<br />
zukünftige Baulinie) – und damit bereits<br />
städtebaulich außerhalb des engeren<br />
Neumarkt-Zusammenhangs – beinhaltete,<br />
die nur bei einem Abriss der im Geist des<br />
Städtebaus der Stalin-Ära errichteten stalinistischen<br />
Nachkriegsbauten möglich<br />
würde. Für das Quartier, das derzeit vom<br />
Kulturpalast eingenommen wird, war bereits<br />
eine Baulinie eingezeichnet, die diesen<br />
ebenfalls negierte. Die Ensemble-Logik,<br />
obgleich weniger stark für den Mythos<br />
Dresden im Sinne der Canaletto-Gemälde<br />
und der betreffenden Stadtsilhouette weniger<br />
zentral, gewinnt durch die städtebaulich-gestalterische<br />
Planung eine vermeintliche<br />
zusätzliche Plausibilität, die<br />
nicht zuletzt symbolischer Natur ist.<br />
Bedeutung des Vorhabens innerhalb<br />
der Kommunalpolitik<br />
Die parteipolitische Auseinandersetzung<br />
im Stadtrat spielt keine dominierende Rolle<br />
für die Wiederbebauung des Neumarkts.<br />
Dass die Auseinandersetzungen zum Teil